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AMERIKA DIENST
U n i l e d
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S t a t e s
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G o d e s b e r g
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S e r v i c e
P o s t f a c h
Telo
3 0 0
0 8-85432
VIETNAM
Jg. XIX, Nr. 18
6. Hai 1966
POLITIK
Wofür kämpfen die Vereinigten Staaten in Vietnam?
Seite
1-6
Von Hubert H. Humphrey, Vizepräsident der
Vereinigten Staaten
(40 Zeilen)
Südvietnam - die Sache vieler Nationen
Südostasien ist die Front im Ringen um
Sicherheit in der Welt
Von Dean Rusk, Außenminister der Vereinigten
Staaten
(80 Zeilen)
WIRTSCHAFT
WIRTSCHAFT
Mit der Automation leben
Seite 7 - 9
Zum Bericht "Technik und die amerikanische
Wirtschaft"
Von Guy Sims Fitch
(60 Zeilen)
ERZIEHUNGSWESEN
Bücher für gleiche Bildungschancen
KULTUR
Seite 10 - 11
(50 Zeilen)
AUS DER MEDIZIN
Neue Schwerpunkte der Medizin
WISSENSCHAFT
Seite 12 - 15
Künstliches Herz und Impfstoff gegen Krebs
(90 Zeilen)
Um Übersendung von Belegexemplaren wird gebeten.
6. Mai 1966
"AMERIKA DIENST"
Die Artikel des AMERIKA DIENSTES sind honorarfrei und neben
der Verwendung durch Rundfunk und Fernsehen ausschließlich
zum Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften und sonstigen
Publikationen bestimmt, die sich direkt an den Leser wenden.
VIETNAM
WOFÜR KÄMPFEN DIE VEREINIGTEN STAATEN IN VIETNAM?
Von Hubert H. Humphrey,
Vizepräsident der Vereinigten Staaten
(40 Zeilen)
- (AD) - Die Vereinigten Staaten wollen in Vietnam kein Imperium
aufbauen. Sie wollen keine dauernden Militärbasen errichten. Sie beabsichtigen auch nicht, anderen Völkern ihren Willen oder eine bestimmte
Regierungsform aufzuzwingen. Was ist also der Grund, warum amerikanische
Truppen heute in Südvietnam kämpfen?
Die Vereinigten Staaten sind in Vietnam, um die Aggression der
Kommunisten aus dem Norden abzuwehren, das Recht des südvietnamesischen Volkes auf Entscheidungsfreiheit zu bewahren, der Bevölkerung
dieses Landes einen höheren Lebensstandard zu sichern - und um ein für
allemal klarzustellen, daß die Aggression in unserer Zeit kein geeignetes Mittel zur Bereinigung internationaler Streitigkeiten oder zur
Durchsetzung nationaler Ziele ist. Wenn wir die Gewaltanwendung ungestraft hinnehmen, besteht nur noch wenig Hoffnung für die Zukunft kleinerer Länder und für den Weltfrieden.
Die Vietnamesen lebten jahrhundertelang unter der Gewalt der Mandarine. Dann kamen für zwei Generationen Kolonialherrschaft, gefolgt
von einem seit 25 Jahren fast ununterbrochen andauernden Krieg. Die
Korruption blühte, es gab so gut wie keinen Gemeinsinn und das all-
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"AMERIKA DIENST"
allgemeine Bildungsniveau war infolge des weitverbreiteten Analphabetentums äußerst niedrig. All das ist ein sehr steiniger Boden für die Entwicklung einer Demokratie.
Die Menschen in Vietnam - und in ganz Asien - rebellieren gegen
die Art des Lebens, das sie so lange führen mußten. Sie wollen endlich
Sicherheit, Gerechtigkeit und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die
Kommunisten versuchen in ihrem Machthunger natürlich, diese Hoffnungen
auszuschlachten. Wenn ihnen das gelingt, ist der Kampf um die Freiheit
in Vietnam verloren - mögen auch noch so viele Schlachten gewonnen
werden.
Die südvietnamesische Regierung sieht sich der schweren Aufgabe
gegenüber, eine demokratische Gesellschaftsform aufzubauen und gleichzeitig gegen Gewalt und Terror der Kommunisten zu kämpfen. Darum forciert sie, unterstützt von den Vereinigten Staaten, "den anderen Krieg"
- den Krieg gegen Armut, Hunger, Krankheit und Unwissenheit. Die Regierung in Saigon unternimmt jetzt ernsthafte Bemühungen, das Vertrauen und
die Unterstützung der in den rund 14 000 Dörfern lebenden Landbevölkerung Südvietnams zu gewinnen, indem sie versucht, eine solide wirtschaftliche und soziale Basis für eine gesunde Demokratie aufzubauen.
Ein Vorbereitungskomitee, in dem sämtliche politischen Richtungen vertreten sind, beginnt jetzt damit, eine Verfassung und ein Wahlgesetz
für freie Wahlen in Südvietnam auszuarbeiten.
Der Kampf in Vietnam wird lang, schwer und manchmal enttäuschend
sein. Aber die Vereinigten Staaten sind davon überzeugt, daß die überwältigende Mehrheit des südvietnamesischen Volkes nicht gewillt ist,
unter dem Kommunismus zu leben.
+
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SÜDVIETNAM - DIE SACHE VIELER NATIONEN
Südostasien Ist die Front im Ringen um Sicherheit in der Welt
Von Dean Rusk, Außenminister der Vereinigten Staaten
(80 Zeilen)
- (AD) - Die Aggression der nordvietnamesischen Kommunisten in
Südvietnam wurde vom Ministerrat der SEATO-Länder wiederholt als eine
M
flagrante Mißachtung der Genfer Vereinbarungen von 1954 und 1962"
bezeichnet. Im Interesse der Sicherheit Südvietnams und ganz Südostasiens sei es notwendig, den kommunistischen Angriff niederzuschlagen.
Diese von den Mitgliedstaaten der Südostasiatischen Verteidigungsgemeinschaft vertretene Meinung wird von den Regierungen vieler anderer
Länder auf der ganzen Welt geteilt und in zum Teil sehr viel schärferem
Ton gehaltenen Erklärungen voll unterstützt. Es ist an der Zeit, sich
die Haltung dieser Staaten zum Vietnamkonflikt und zu dem Engagement
der Vereinigten Staaten zu vergegenwärtigen.
Der australische Außenminister, Faul Hasluck, erklärte: "Zweimal
innerhalb einer Generation haben Australier in Europa Aggressionen bekämpft, weil wir erkannten, daß ein Krieg, der von Europa ausging, nicht
nur diesen Kontinent, sondern die ganze Welt bedrohte. Heute sehen wir
in der Aggression in Asien eine nicht minder große Gefahr für die ganze
Welt, als diese unmittelbar für uns, die wir in Asien oder am Rande
Asiens leben, tatsächlich besteht. Südostasien ist heute die Front im
Ringen um Sicherheit in der Welt... Australien sieht in dem Engagement
der Vereinigten Staaten in Asien die Bemühungen einer Weltmacht, ihre
weltweite Verantwortung zu erfüllen. Wir honorieren diese Bemühungen,
indem wir Amerika in Vietnam unterstützen."
Australische
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"AMERIKA DIENST"
Australische und neuseeländische Truppen kämpfen in Südvietnam an
der Seite der Südvietnamesen und Amerikaner. Darüber hinaus unterstützt
die australische Regierung die notwendigen Maßnahmen durch finanzielle
Hilfe, die Ausbildung südvietnamesischer Offiziere und die Entsendung
von Ärzteteams.
Thanat Khoman, der thailändische Außenminister, erläuterte den
Standpunkt seines Landes: "Der Friede ist nicht damit zu erkaufen, daß
ein freies Land geopfert wird, sei es Südvietnam, Südostasien allgemein
oder irgendein anderes Land auf der Welt. Im Gegenteil - die Chancen für
einen dauerhaften Frieden steigen, wenn wir deutlich machen, daß eine
Aggression, ob in offener oder verhüllter Form, sich nicht lohnt..."
Thailändische Truppen helfen, das Kernstück der südostasiatischen
Halbinsel und die Flanke Südvietnams zu sichern. Thailand bildet südvietnamesische Piloten aus und ist durch das SEATO-Abkommen generell an der
Verteidigung Südostasiens beteiligt.
+
Die Bedeutung des Krieges in Vietnam wird auf den Philippinen sehr
wohl verstanden. Präsident Marcos ersuchte den philippinischen Kongreß,
Truppen in Stärke von 2000 Mann nach Südvietnam zu entsenden.
+
Der Premierminister von Malaysia, Tunku Abdul Rabman, erklärte:
"Staaten, die die Charta der Vereinten Nationen anerkennen, sind verpflichtet, dem südvietnamesischen Volk zu helfen, die Aggression aus dem
Norden abzuwehren."
+
Eine komplette Kampfdivision und ein Regiment Armeepioniere schickte
die südkoreanische Regierung nach Südvietnam. Das ist eine Truppenbeteiligung, die - gemessen an der Bevölkerungszahl Koreas - beinahe höher liegt
i
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liegt als die der Vereinigten Staaten.
+
Die japanische Regierung hat vollstes Verständnis für die amerikanische Vietnampolitik. Japan versuchte wiederholt, Hanoi an den Verhandlungstisch zu bringen, und unterstützt die Regierung Südvietnams
seit Jahren politisch und wirtschaftlich.
Auch die meisten blockfreien Staaten Asiens haben erkannt, welch
große Bedeutung der Ausgang des Vietnamkonflikts für sie hat.
+
Die Rolle der Vereinigten Staaten in Vietnam wird also von den
meisten ihrer Verbündeten auf der ganzen Welt gutgeheißen. Das gilt mit ganz wenigen Ausnahmen - auch für die Regierungen Westeuropas. So
unterhält Großbritannien eine große Anzahl von Soldaten im südostasiatischen Raum - die meisten zur Verteidigung Malaysias.
Auf nichtmilitärischem Gebiet leistet die Bundesrepublik Deutschland bedeutende Hilfe an Südvietnam. "Die Bundesregierung hat immer die
Ansicht vertreten, daß die Verteidigung der Freiheit in Vietnam durch
die Vereinigten Staaten von größter Bedeutung für die ganze freie Welt
ist", wurde in einer Stellungnahme der Bundesregierung versichert.
Manlio Brosio, Generalsekretär der NATO, erklärte: "Ein Rückschlag
der Amerikaner in Asien, beispielsweise in Vietnam, wäre gleichzeitig
ein schwerer Rückschlag für den Westen. Nicht nur das - ein Rückzug
Amerikas oder ein demütigender Kompromiß in Vietnam würde die Verpflichtungen der Vereinigten Staaten in Asien nicht beenden, sondern vielmehr
auf weite Gebiete Asiens, von Thailand bis zu den Philippinen, ausdehnen.
Paul-Henri Spaak verglich die gegenwärtige Situation mit der Bedrohung Europas durch die Sowjets nach dem zweiten Weltkrieg. "Damals waren
die meisten von uns froh, die Amerikaner zu Hilfe kommen zu sehen", er-
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"AMERIKA DIENST"
erklärte der profilierte europäische Politiker. "Will vielleicht noch
jemand behaupten, daß die freien Völker Asiens nicht durch den chinesischen Imperialismus bedroht sind? Die weltweite Verantwortung der Vereinigten Staaten verlangt, daß sie heute in Asien die gleiche Haltung
einnehmen wie zuvor in Europa. Ich verstehe nicht, daß es Menschen
gibt, die nicht erkennen, daß im Vietnamkrieg viel mehr auf dem Spiel
steht als die Unabhängigkeit Südvietnams. Es waren nicht die Amerikaner,
die den Krieg wollten. Heute sind sie es, die den Frieden unter annehmbaren Bedingungen anbieten, und es sind ihre Gegner, die diesen Frieden
verweigern."
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"AMERIKA DIENST"
6. Mai 1966
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WIRTSCHAFT
MIT DER AUTOMATION LEBEN
Zum Bericht "Technik und die amerikanische Wirtschaft"
Von Guy Sims Fitch
(60 Zeilen)
WASHINGTON - (AD) - Wissenschaft und Technik gehören zu den bedeutsamsten Kräften, die die Welt von heute verändern. Sie sind auch
die Triebkraft für eine gesunde Weiterentwicklung der Wirtschaft. Die
Befürchtungen, daß die Technik über kurz oder lang den Menschen als
Arbeitskraft aus dem Feld schlagen würde, sind jedoch unberechtigt.
Durch verschiedene Untersuchungen ist man bereits zu diesem Resultat
gekommen, und es stellt auch eine der wichtigsten Schlußfolgerungen
des amerikanischen Berichts "Technik und die amerikanische Wirtschaft"
dar. Dieser Bericht wurde nach einjähriger gründlicher Vorarbeit vom
Präsidialausschuß für Technik, Automation und wirtschaftlichen Fortschritt zusammengestellt. Hervorragende Vertreter der Gewerkschaften,
der Wirtschaft und der Wissenschaft haben an dem 210 Seiten umfassenden Dokument mitgearbeitet. Es behandelt in aller Nüchternheit und
Offenheit die Vielzahl der Probleme, die der Alltag heute jedem einzelnen und der Allgemeinheit stellt.
Das bedeutsamste Ergebnis sind wohl die Feststellungen zur Rolle
der Automation. Sie sind geeignet, die Furcht gründlich zu zerstören,
daß die Maschine den Menschen verdrängen, ja ersetzen werde. Nach
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"AMERIKA DIENST
Nach Ansicht der Mitglieder der Kommission ist dies ein Mythos. Es gibt
keine Anzeichen dafür, daß sich in den nächsten zehn Jahren die Technik
schneller entwickeln werde als im vorangegangenen Jahrzehnt. Genauso
wie bisher werden auch in Zukunft die negativen Auswirkungen der durch
den technischen Fortschritt bewirkten Strukturänderungen durch eine erhöhte Nachfrage nach neuen Erzeugnissen und Dienstleistungen mehr als
kompensiert. Die Voraussetzung dafür - und das wird ganz besonders betont - sei allerdings, daß auch in Zukunft soziale und wirtschaftliche
Fragen mit Aufgeschlossenheit und neuen Ideen angepackt würden.
Im weiteren Sinne hat dieser Bericht nicht nur Geltung für die Vereinigten Staaten - denen die Fähigkeit, mit den wirtschaftlich-technischen Problemen fertig zu werden, vorbehaltlos attestiert wird - sondern
auch für die Entwicklungsländer, die in absehbarer Zeit vor den gleichen
Problemen stehen werden.
Bemerkenswerterweise kommt die Analyse der Präsidialkommission zu
einem Zeitpunkt, zu dem die amerikanische Wirtschaft von Monat zu Monat
neue Rekorde aufstellt. Seit sechs Jahren hält die Wirtschaftsexpansion
unvermindert an; im Februar dieses Jahres wurden 3,7 Prozent Arbeitslose
registriert - der niedrigste Stand seit 12 Jahren. Mitten in dieser Prosperität befaßt sich jedoch die Regierung mit möglichen Problemen und Fakten der künftigen Entwicklung, um für Situationen jeder Art gerüstet zu
sein.
Der Präsident ist nicht verpflichtet, nach den Empfehlungen der
Kommission zu handeln. Der besondere Wert des Berichts wird aber darin
erkannt, daß er zusätzliches Material zur Frage des gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Wandels liefert. In dem Bericht 'Technik und die
amerikanische Wirtschaft'1 wird ein 2-Milliarden-Dollar-Programm zur
Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für 500 000 Erwerbslose empfohlen,
die bisher nicht unterzubringen waren. Umschulungsprogramme sollen fortgesetzt und erweitert werden; jedoch mußten darüber hinaus für diejenigen, die nicht zu vermitteln sind, auf dem Wege über Regierungsmaßnahmen
Beschäftigungsmöglichkeiten in Krankenhäusern, Schulen und in Erholungs-
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Erholungsgebieten gefunden werden, wo aus finanziellen Gründen bisher
manche Arbeit ungetan blieb.
Die Kommission empfiehlt u.a., ein Mindesteinkommen für Familien
zu garantieren. Alle Absolventen der Oberschulen sollen zwei Jahre
lang kostenfrei ein College besuchen können. Für Neger ist ein Sonderprogramm vorgesehen, das ihnen bessere Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten sichert. Die Umschulung Arbeitsloser mit dem Ziel, sie in
freie Arbeitsplätze zu vermitteln, soll intensiviert werden.
Nicht überall durften die Empfehlungen, von denen manche jetzt
schon realisierbar wären, gutgeheißen werden. Alles in allem bietet
jedoch der Bericht genügend Stoff, um die Diskussion anzuregen, neue
Überlegungen anzustellen und weitere konstruktive Maßnahmen auszuarbeiten. Es geht um
nicht mehr und nicht weniger als das Schicksal der
nächsten Generation, das weitgehend durch die künftige wirtschaftliche
und soziale Entwicklung bestimmt wird.
+ + + + 4-
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"AMERIKA DIENST»
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ERZIEHUNGSWESEN
BÜCHER FÜR GLEICHE BILDUNGSCHANCEN
(50 Zeilen)
WASHINGTON - (AD) - Der Kampf der Farbigen in den Vereinigten Staaten
um volle Gleichberechtigung kann, wie Präsident Johnson und andere führende amerikanische Politiker wiederholt betont haben, nicht ausschließlich
mit gesetzlichen Mitteln gewonnen werden. Natürlich tragen die neuen Bürgerrechtsgesetze, der Krieg gegen die Armut und die staatliche Bildungsförderung viel zur endgültigen Emanzipation der Neger bei. Aber das Ringen
ist in eine neue Phase getreten. Es genügt längst nicht mehr, die Gleichberechtigung gesetzlich zu garantieren - es müssen vielmehr die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß diese Gleichberechtigung von allen
wahrgenommen wird. Die Erkenntnis, daß die Farbigen ihre Fähigkeiten und
Talente ohne ausreichende Bildung nicht voll entfalten können, setzt sich
immer mehr durch.
In diesem neuen Stadium treten zahlreiche private Gruppen und Einzelpersonen auf den Plan: Bürgerrechtsorganisationen, Geschäftsleute, Pädagogen, Geistliche - und vor allem die Studenten der amerikanischen Hochschulen. Ein Beispiel der von dieser letzten Gruppe entfalteten Aktivität
ist die in jüngster Zeit vom amerikanischen Studentenverband (U.S. National
Student Association) durchgeführte Büchersammelaktion "Books forEqual
Education" - Bücher, die jedem eine gleiche Bildungschänce sichern sollen.
Unter der Leitung des Erziehers Frank Millspaugh sammelten die Mitglieder des Studentenverbandes und anderer Hilfsorganisationen Hunderttausende Lehrbücher bei Verlagen, Büchereien und vor allem bei Studenten
in allen Teilen der Vereinigten Staaten. Angestrebtes Jahresziel: 1,5
Millionen Exemplare.
„,
,
Tausende
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Tausende der gesammelten Bücher wurden bereits an minderbemittelte
farbige Studenten in den Südstaaten verteilt. Allein das Tuskegee-Institut
der kleinen Stadt Tuskegee in Alabama erhielt 15 000 Bände aus dieser
Sammlung. Die Studenten dieser Anstalt wollen mit den Büchern eine Fahrbücherei einrichten, die regelmäßig die entlegenen ländlichen Gebiete
besucht und der dort lebenden Bevölkerung Gelegenheit geben wird, Bücher
auszuleihen. Weitere Tausende von Büchern wurden den in den Südstaaten
aus privater Initiative entstandenen "Freedom Schools" zur Verfügung
gestellt - Schulen, an denen Studenten freiwillig und'kostenlos Unterricht an minderbemittelte Farbige erteilen, die ihre oft lückenhafte
Grundschulbildung ergänzen wollen.
Außer der Büchersammelaktion plant die Studentenorganisation in
diesem Jahr erstmals, in Slumgegenden, Indianer-Reservationen und Wohnlagern von Saisonarbeitern an der amerikanischen Westküste Lehrseminare
zu veranstalten. Daneben soll ein spezieller Lehrstoff für Jugendliche
ausgearbeitet werden, die infolge äußerer Umstände auf einer niedrigen
Bildungsstufe stehen geblieben bzw. erziehungsmäßig benachteiligt sind.
Frank Millspaugh hat die Erfahrung gemacht, daß die meisten aus diesem
Milieu stammenden Kinder den normal dargebotenen Lehrstoff nicht aufnehmen können. Man will daher Lehrbücher in Form von Comic Strips entwickeln - mit einem Vokabular und Personen, die den Kindern wohlvertraut
sind. Sowie das Kind Fortschritte erzielt, wird der Textteil erweitert
und die Zahl der Bilder entsprechend verringert. Millspaugh hofft, die
Kinder auf diese Art zum Lesen und Lernen erziehen zu können.
Angesichts solcher massiver
Bemühungen von privater und staatlicher
Seite und der Hingabe, mit der die junge Generation Amerikas den Kampf
um die Gleichheit der farbigen Bürger vorantreibt, gilt es als sicher,
daß dieses lange und harte Ringen in ihrem Sinne beendet werden kann und
beendet werden wird.
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AUS DER MEDIZIN
NEUE SCHWERPUNKTE DER MEDIZIN
Künstliches Herz und Impfstoff gegen Krebs
(90 Zeilen)
- (AD) - Die Implantation einer mechanischen "Pumpe", die vorübergehend die Funktion der linken Herzkammer bei einem 65jährigen Patienten
übernehmen sollte, war der Versuch eines sich seiner Verantwortung und
seines Könnens bewußten Arztes, einem Menschen das Leben zu erhalten.
Dr. Michael DeBakey, ein Pionier auf dem Gebiet der Gefäß- und Herzchirurgie, hatte erstmals ein Gerät zur Verfügung, mit dem nach menschlichem Ermessen die Zeit bis zu einer möglichen Regeneration der geschädigten natürlichen Organpartie des Todkranken würde überbrückt werden
können.
Angesichts der Lage dieses Falles blieben dem Arzt keine anderen
therapeutischen Möglichkeiten mehr. Ungeachtet des tragischen Ausgangs
des Versuchs -
der Patient Marcel DeRudder starb vier Tage nach der
Operation an einem Lungenriß - wird Prof. DeBakey seine intensiven Bemühungen um die Entwicklung einer Apparatur, die in hoffnungslosen
Fällen die Herzarbeit übernehmen kann, fortsetzen. Fernziel dieses Programms, in das neben Dr. DeBakey und seinen Mitarbeitern von der BaylorUniversität in Houston (Texas) eine Reihe anderer amerikanischer Wissenschaftler eingeschaltet sind, ist die Schaffung eines für eine Implantation geeigneten "künstlichen Herzens", das unabhängig von einer äußeren
Apparatur funktioniert. Es würde seine Impulse von einem winzigen Motor
erhalten, der, wie die Batterien für die sogenannten Herzschrittmacher,
unter die Bauchhaut implantiert wird.
Die
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Die Fachleute schätzen, daß mindestens noch fünf, wahrscheinlich
aber zehn Jahre vergehen werden, ehe die Medizin solche Geräte anwenden
kann. Der stark publizierte Fall des 65jährigen ehemaligen Bergmanns
Marcel DeRudder brachte der Öffentlichkeit kaum zum Bewußtsein, was es
bedeutet, daß jetzt schon derartige Prognosen möglich sind. Denn erst
seit wenig mehr als zwei Jahrzehnten wagt sich die Chirurgie überhaupt
an das menschliche Herz heran. Die nahezu abergläubische Furcht vor einem
Eingriff am Herzen wurde eigentlich erst im Verlauf des zweiten Weltkrieges überwunden, als bei Verwundeten Versuche notwendig wurden,
Splitter aus dem Herzmuskel zu entfernen. Im Jahr 1944 unternahm dann
der Amerikaner Dr. Alfred Blalock in enger Zusammenarbeit mit Dr. Helen
Taussig, der jetzigen Präsidentin der Amerikanischen Gesellschaft für
Herzforschung, die erste Operation an einem Blausucht-Kind. Heute ist es
bereits möglich, 20 der 35 bisher bekannten verschiedenen Formen angeborener Herzmißbildungen, von denen einige auch die Ursache der Blausucht
sind, operativ zu beseitigen. Ein geschickter Arzt vermag heute beispielsweise eine Herzklappe zu ersetzen oder eine Fehlschaltung in der Herztätigkeit zu korrigieren. Die vorübergehende oder dauernde Übernahme der
Funktion wichtiger Teile des Herzens, beispielsweise der muskelstarken
linken Kammer, durch eine künstliche "Pumpe" ist jetzt eines der großen
Ziele der Wiederherstellungschirurgie. Nach Dr. DeBakey wäre es dann kaum
mehr ein Problem, die Herzfunktion voll und ganz von einer Apparatur ausführen zu lassen.
Die von den medizinischen Bundesforschungsanstalten der Vereinigten
Staaten finanziell stark geförderte Entwicklung konzentriert sich z.Zt.
auf druckluftbetriebene Pumpmechanismen aus Kunststoff. In gleichmäßigem
Rhythmus wird in einem kugelförmigen Gehäuse, das zur Hälfte implantiert
ist, eine Membrane in Bewegung gehalten, die beim Anpressen nach innen
sauerstoffreiches Blut in die aufsteigende Aorta drückt und beim Auswölben Blut, das in der Lunge mit Sauerstoff angereichert wurde, ansaugt.
Die Aorta und die Lungenarterie sind durch Schläuche, an deren Einmündung
in die Hohlkammer den Herzklappen entsprechende Ventile sitzen, mit der
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der künstlichen "Pumpe" fest verbunden. Die Komplikation der Thrombenbildung im Blut beim Durchströmen der Kunststoff-Apparatur versucht man
dadurch zu verhindern, daß die Innenseite spiegelglatt gehalten wird.
Sicherlich ist es noch ein weiter Weg bis zur Entwicklung eines gut
funktionsfähigen und den so komplizierten physiologischen Mechanismen
angepaßten '"künstlichen Herzens". Jedoch wurde durch Pioniertaten wie
die Dr. DeBakeys und anderer Wissenschaftler der Weg vorgezeichnet, den
Technik und Medizin zu gehen haben.
Ähnlich wie die Herz- und Gefäßkrankheiten sind auch die verschiedenen Formen von Krebs ein Hauptproblem der Medizin. Ungeachtet der
großen Fortschritte, die in der Früherkennung und Behandlung von Krebs
in den letzten Jahrzehnten bereits gemacht wurden, sind noch unendlich
viele Fragen unbeantwortet.
Eine davon ist die, ob und inwieweit körpereigene Abwehrkräfte gegen
Krebs mobilisiert werden können. Auf ihr basiert der Versuch, Impfstoffe
gegen Krebs zu entwickeln. Vereinzelt wird über Erfolge berichtet, so
kürzlich von der Wayne State University in Michigan und dem Institute of
Cancer Research in Detroit. In den letzten vier Jahren konnte man dort
bei einer kleinen Gruppe von Krebskranken gewisse Erfolge durch Impfungen
mit einem Vakzin erzielen, das im wesentlichen aus körpereigenen Tumorzellen der betreffenden Patienten und aus Kaninchenblut bestand. Das
Gemisch wird vom Körper als "Fremdstoff" empfunden, so daß er Abwehrkörper dagegen produziert. Der Organismus wird dabei überlistet, auch
die eigenen Krebszellen als Fremdgewebe zu empfinden.
Insgesamt wurden 20 Patienten, deren Zustand hoffnungslos war, mit
einem solchen Impfstoff behandelt. 10 von ihnen starben trotzdem, zwei
scheinen völlig geheilt zu sein, bei acht entwickelte sich nach den Angaben der Forscher eine Stabilisierung bzw. eine Rückbildung der Tumore.
Ein Sprecher der amerikanischen Gesellschaft für Krebsforschung bezeichnete die Ergebnisse als ermutigend, wies jedoch auf ihren vorläufigen
Charakter hin. Sie sind verheißungsvoll, geben jedoch nicht den geringsten
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»AMERIKA DIENST"
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geringsten Anlaß, von einem Sieg der Medizin zu sprechen. Dieser könnte,
falls der eingeschlagene Weg richtig ist, erst nach unzähligen weiteren
Experimenten errungen werden.
Für die Krebsforschung werden in den Vereinigten Staaten jährlich
etwa 313 Millionen Dollar aufgewandt, von denen 224 Millionen aus Regierungsmitteln kommen. Die Skala der Forschungsprojekte reicht unendlich
weit - von der Grundlagenforschung über die Natur der Zelle bis zur
Virusforschung, von der Radiologie bis zur Immunologie, unter die Beispielsweise das Experiment von Detroit fällt.
i
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