Multiplikative Inverse Ein Streifzug durch das Bruchrechnen in Restklassen von Yimin Ge, Jänner 2006 Viele Leute haben Probleme dabei, Brüche und Restklassen unter einen Hut zu bringen. Dieser kurze Aufsatz soll Aufklärung darüber geben, was erlaubt ist und was nicht. 1 Euklid Wir beginnen mit einem der wichtigsten und auch bekanntesten Sätze der Zahlentheorie, dem Euklidschen Verfahren. Satz 1. Für alle ganzen Zahlen a, b und k gilt: ggT (a, b) = ggT (b, a − kb) Beweis: Es seien t1 = ggT (a, b) und t2 = ggT (b, a − kb). Da t1 | a und t1 | b, gilt t1 | (a−kb). Somit ist t1 ein gemeinsamer Teiler von b und a−kb, kann aber nicht größer als der größte gemeinsame Teiler sein. Es gilt daher t1 ≤ t2 . Da t2 | b und t2 | (a − kb), gilt t2 | a. Somit ist t2 ein gemeinsamer Teiler von a und b, kann aber nicht größer als der größte gemeinsame Teiler sein. Es gilt daher t2 ≤ t1 . ⇒ t1 = t2 . Mithilfe von Satz 1 erhalten wir ein einfaches Verfahren, mit dem man den ggT zweier ganzer Zahlen leicht berechnen kann: Teilt eine der Zahlen die andere, so ist die teilende Zahl der ggT . Ist dies nicht der Fall, so ziehen wir die kleinere Zahl von der größeren sooft ab, bis die neue Zahl kleiner ist als die kleinere Zahl. Der ggT dieser Zahlen bleibt laut Satz 1 gleich. Diesen Vorgang kann man wiederholen, bis eine der Zahlen die andere teilt. Beispiel: Ermittle ggT (2100, 2006) Lösung: Nach Satz 1 gilt: ggT (2100, 2006) = ggT (2006, 94) = ggT (94, 32) = ggT (32, 30) = ggT (30, 2) = = = = ggT (2006, 2100 − 1 · 2006) ggT (94, 2006 − 21 · 94) ggT (32, 94 − 2 · 32) ggT (30, 32 − 1 · 30) Da 2 | 30 ist 2 = ggT (2100, 2006). Dieses Verfahren kann man nicht nur mit den bloßen Zahlen, sondern auch mit Gleichungen durchführen. Als Ausgangsgleichungen nehmen wir a = 1 · a + 0 · b und b = 0 · a + 1 · b. Fahren wir weiter fort, so gelangen wir links nach dem obigen Verfahren irgendwann auf ggT (a, b). Rechts bleibt aber immer eine Summe von ganzzahligen Vielfachen von a und b. Wir kommen daher zu folgendem Schluss: 1 Satz 2. Zu allen ganzen Zahlen a und b gibt es ganze Zahlen x und y, sodass ggT (a, b) = x · a + y · b Beispiel: Gesucht sind ganze Zahlen x und y, sodass ggT (2100, 2006) = x·2100+y ·2006 Lösung: I) 2100 = 1 · 2100 + 0 · 2006 II) 2006 = 0 · 2100 + 1 · 2006 | · (−1) I + (−1) · II = III) 94 = 1 · 2100 + (−1) · 2006 | · (−21) II + (−21) · III = IV ) 32 = (−21) · 2100 + 22 · 2006 | · (−2) III + (−2) · IV = V ) 30 = 43 · 2100 + (−45) · 2006 | · (−1) IV + (−1) · V = V I) 2 = (−64) · 2100 + 67 · 2006 Da 2 | 30 ist 2 = ggT (2100, 2006). Wir erhalten daher x = −64 und y = 67. 2 Multiplikative Inverse Es sei nun m eine positive ganze Zahl und a eine zu m teilerfremde ganze Zahl. Nach Satz 2 gibt es ganze Zahlen x und y, sodass 1 = x · a + y · m. Wir betrachten diese Gleichung nun modulo m. Es gilt daher x·a≡1 (mod m) Sei nun i jene Zahl, sodass 0 ≤ i ≤ m − 1 und x ≡ i (mod m). Es gilt daher i·a≡1 (mod m) Wir kommen daher zu folgendem Schluss: Satz 3. Ist m eine positive ganze Zahl und a eine zu m teilerfremde ganze Zahl, so gibt es eine ganze Zahl i mit 0 ≤ i ≤ m − 1, sodass i · a ≡ 1 (mod m). Es seien nun i und j ganze Zahlen mit 0 ≤ i, j ≤ m − 1, sodass i · a ≡ 1 (mod m) und j · a ≡ 1 (mod m). Es gilt daher i · a ≡ j · a (mod m). Da a zum Modul m teilerfremd ist, dürfen wir die obige Kongruenzgleichung durch a dividieren, es gilt daher i≡j (mod m) Da aber 0 ≤ i, j ≤ m − 1 gilt, folgt somit i = j. Wir kommen daher zu folgendem Schluss: Satz 4. Ist m eine positive ganze Zahl und a eine zu m teilerfremde ganze Zahl, so gibt es genau eine ganze Zahl i mit 0 ≤ i ≤ m − 1, sodass i · a ≡ 1 (mod m). 2 Diese Zahl i definieren wir als die “Multiplikative Inverse zu a modulo m“. Diese existiert immer (genau) dann, falls a zu m teilerfremd ist. 1 1 Man schreibt auch a−1 oder für diese Zahl. Die Bezeichnung dieser Zahl als , also a a jener Zahl, die mit a multipliziert ≡ 1 (mod m) ergibt, ist durchaus plausibel, da für 1 auch jene Zahl gewöhnlich (also beim Rechnen mit gewöhnlichen reellen Zahlen) a bezeichnet, die mit a multipliziert 1 ergibt. 1 b Weiters definieren wir uns als b · a a 3 Rechenregeln für Multiplikative Inverse Nachdem wir die benötigten Definitionen durchgeführt haben, können wir einige Rechenregeln für das Rechnen mit multiplikativen Inversen beweisen: Satz 5. Es sei m eine positive ganze Zahl und a und b zu m teilerfremde ganze Zahlen. Es sei weiters n eine beliebige ganze Zahl. Es gilt: −1 1 1. ≡ a (mod m) a 1 1 (mod m) 2. − ≡ a −a 3. 1 1 1 · ≡ (mod m) a b ab 4. 1 b ≡ (mod m) ab a 1 1 + ≡ a b n 1 6. ≡ a 5. a+b (mod m) ab 1 (mod m) an Beweis: 1. 1 1 ist die multiplikative Inverse zu a, somit ist auch a die Inverse zu a a 1 1 2. da ggT (−a, m) = 1, gilt − ≡ (mod m) ⇐⇒ a −a 1 1 (−a) · − ≡ (−a) · (mod m) ⇐⇒ −a aa (−1) · − ≡ 1 (mod m) ⇐⇒ w.A. a 3 1 1 1 (mod m) ⇐⇒ 3. da ggT (ab, m) = 1, gilt · ≡ a b ab 1 1 1 (ab) · · ≡ (ab) (mod m) ⇐⇒ ab a b 1 1 a · b ≡ 1 (mod m) ⇐⇒ w.A. a b 4. Nach Satz 5.3 gilt b 1 1 1 ≡ b · · ≡ (mod m) ab b a a 5. Nach Satz 5.4 gilt 1 1 1 1 1 + ≡b· +a· ≡ (a + b) (mod m) a b ab ab ab 6. Für n = 0 ist der Satz trivial, für positive n folgt der Satz aus Satz 5.3 und für negative n folgt der Satz aus Satz 5.1 und Satz 5.3 Betrachten wir nun die Liste der Rechenregeln, so fällt uns auf, dass wir mit den Inversen im Grunde genommen genauso rechnen können, wie mit normalen Brüchen. Grundvoraussetzung ist und bleibt aber, dass im Nenner etwas zum Modul teilerfremdes steht! 4 Anwendungen Aufgabe: Man bestimme alle positiven ganzen Zahlen, die zu allen Gliedern der Folge an = 2n + 3n + 6n − 1, n ≥ 1 teilerfremd sind. (IMO 2005, Aufgabe 4) Lösung: Wir vermuten, dass ein Vielfaches von jeder Primzahl p in der Folge vorkommt und somit 1 die einzige Lösung ist. a2 = 48, wir haben hier also bereits die Primzahlen p = 2 und p = 3. Wir nehmen nun p ≥ 5 an. Wenn man ein wenig probiert, so kommt man schnell zu der Vermutung, dass ap−2 immer durch p teilbar ist. Dies wollen wir nun beweisen. Für den Beweis verwenden wir den (kleinen) Satz von Fermat, der bekanntlich folgendes besagt: Ist p eine Primzahl und a eine ganze Zahl mit p - a, so gilt ap−1 ≡ 1 (mod p). Beweise von diesem Satz findet man u.a. in [1] und [2]. Es gilt also ap−1 ≡ 1 (mod p) 1 und somit ap−2 ≡ (mod p). Somit gilt: a ap−2 = 2p−2 + 3p−2 + 6p−2 − 1 ≡ 1 1 1 + + −1≡0 2 3 6 (mod p) ⇒ q.e.d. 4 Literatur [1] Clemens Heuberger, Zahlentheorie, http://www.oemo.at/intern/formel/zahlentheorie.pdf [2] Yimin Ge, Die Mathematik von RSA, http://yimin.sinuslab.net/download.php?&id=4 5