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Labor Bayer Spezial
Ausgabe September 2016
Immunologie
Natürliche Killerzellen bei HPV-Infektionen,
zervikalen Neoplasien und Gebärmutterhalskrebs
In dieser Ausgabe
Natürliche Killerzellen bei HPV-
Infektionen, zervikalen Neoplasien
und Gebärmutterhalskrebs
Liebe Leserinnen und Leser,
mittlerweile ist eindeutig erwiesen, dass persistierende Infektionen mit Humanen Papilloma Viren (HPV) Gebärmutterhalskrebs verursachen. Allerdings erkrankt nicht jede
Frau, die mit HPV infiziert ist, an Gebärmutterhalskrebs.
Woran liegt das?
Eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von HPV-Infektionen spielt das Immunsystem. So stellt ein geschwächtes
Immunsystem einen Risikofaktor dar. Deshalb möchten wir
Ihnen in diesem Heft einen Überblick darüber geben, welche Mechanismen humane Papilloma Viren nutzen, um der
Kontrolle des Immunsystems zu entkommen. Wir möchten
Sie gleichzeitig darüber informieren, welche diagnostischen
Möglichkeiten es gibt, Funktionsdefizite des Immunsys­
tems frühzeitig zu erkennen, die eine persistierende HPVInfektion begünstigen können, um das Immunsystem entsprechend zu stärken.
2–8
➔ Einleitung2
➔ Welche Mechanismen nutzt HPV, um der
Kontrolle des Immunsystems zu entkommen?
3–5
➔ Bei HPV-positiven Neoplasien und
Gebärmutterhalskrebs werden NK-Zellen
häufig gehemmt
5
➔ Wie lassen sich Immundefizite der NK-Zellen
labortechnisch bestimmen?
6
➔ Welche zusätzlichen therapeutischen
Möglichkeiten ergeben sich daraus?
6–7
Dabei spielen insbesondere die natürlichen Killerzellen
(NK-Zellen) eine entscheidende Rolle, da Ihnen eine zentrale Funk­tion bei der Abwehr von Virusinfektionen und
Tumor­zellen zukommt.
Basis-Lyseaktivität
Abgetötete
Tumorzellen
Lyse IL-2 stimuliert
19 %
71 %
Intakte
Tumorzellen
Killerzellen
Immunstimulation
1
September 2016 | Newsletter Immunologie
Natürliche Killerzellen bei HPV-Infektionen, zervikalen Neoplasien
und Gebärmutterhalskrebs
Einleitung
Humane Papilloma Viren (HPV) sind weltweit die mit am
häufigsten sexuell übertragenen Infektionserreger. Es ist
mittlerweile eindeutig erwiesen, dass die Hochrisiko-HPVTypen Gebärmutterhalskrebs verursachen1. HPV 16 und 18
sind die am stärksten onkogen-wirkenden Tumorviren und
finden sich in ca. 70 % aller Gebärmutterhalstumoren2.
Ca. 80 % der Frauen weltweit werden bis zu ihrem 50 Lebens­
jahr mit HPV infiziert. Allerdings erkranken nicht alle
davon automatisch an Gebärmutterhalskrebs. Die meisten
dieser Infektionen werden vom Immunsystem beseitigt. Die
überwiegende Mehrzahl aller infizierten Frauen (ca. 90 %)
entwickeln keinerlei Symptome und beseitigen die Viren
innerhalb der ersten zwei Jahre 3. Dennoch ist die Gefahr
nicht zu unterschätzen. Denn insbesondere aus den restli­
chen 10 % der persistierenden Hochrisiko-HPV-Infektionen
entwickeln sich häufig intraepitheliale zervikale Neoplasien
A
0–1 Jahre
Initiale
HPV-Infektion
(engl. Cervical Intraepithelial Neoplasia, CIN) bis hin zu
Gebärmutterhals­krebs (Abbildung 1) 4. Wie groß diese Gefahr
ist, zeigt sich daran, dass Gebärmutterhalskrebs die weltweit
zweithäufig­ste Krebserkrankung bei Frauen ist 5.
Die Gründe dafür, weshalb nur 10 % der Frauen eine persistierende Infektion entwickeln, während die Mehrzahl der
Fälle symptomlos verläuft, sind vielfältig und werden seit
langem intensiv erforscht. Sicher ist, dass sowohl das adaptive als auch das angeborene Immunsystem eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von HPV-Infektionen spielen.
So kann eine prophylaktische Impfung im Alter von 9 bis
14 Jahren Frauen vor einer Infektion und damit vor Gebärmutterhalskrebs schützen6,7. Umgekehrt ist ein geschwächtes Immunsystems ein risikosteigernder Co-Faktor für die
Entwicklung eines Zervixkarzinoms8.
0–5 Jahre
Persistierende
Infektion
bis zu 20 Jahre
CIN 2/3
Zervixkarzinom
CIN 1
Beseitigung der Infektion
B
Plattenepithelgewebe des Gebärmutterhalses
Normal
CIN 1/LSIL
CIN 2/HSIL
CIN 3/HSIL
Invasiver Tumor
Plattenepithel
Basalmembran
Abbildung 1: Progression intraepithelialer zervikaler Neoplasien
A)
Ungefähre zeitliche Entwicklung von Neoplasien bis hin zu Gebärmutterhalskrebs als Folge einer persistierenden
HPV-Infektion mit Hochrisiko- HPV-Typen (z. B. HPV 16).
B) Schematische Darstellung des zervikalen Plattenepithels der unterschiedlichen Neoplasiestadien.
2
Abkürzungen: CIN = zervikale intraepitheliale Neoplasie (engl. Cervical Intraepithelial Lesion); LSIL = geringgradige
intraepitheliale Dysplasie (engl. Low-grade Squamous Intraepithelial Lesion); HSIL = schwergradige intraepitheliale
Dysplasie (engl. High-grade Squamous Intraepithelial Lesion).
Newsletter Immunologie | September 2016
Welche Mechanismen nutzt HPV, um der Kontrolle
des Immunsystems zu entkommen?
Um zu verstehen wie humane Papilloma Viren unserem
Immunsystem entkommen können, muss man zunächst
verstehen, welche Abwehrmechanismen unser Körper generell gegen Viren und Tumorzellen bereit hält. Die Entwicklung eines Zervixkarzinoms ist, wie die Entwicklung jedes
Tumors, ein stufenweiser Prozess, an dessen Beginn es zu
einer unkontrollierten Teilung einer Zelle kommt. Man sagt
die Zelle transformiert und spricht in diesem Zusammenhang von einer malignen Transformation. Während des
stufenweisen Prozesses einer Tumorentstehung stehen dann
die transformierten Zellen ständig in Wechselwirkung mit
körpereigenen Abwehrmechanismen. Erst wenn alle diese
Abwehrmechanismen versagen bzw. die transformierten
Zellen dem Immunsystem entkommen, entsteht ein bös­
artiger Tumor. Abbildung 2 fasst die Wechselwirkungen
des Immunsystems während dieses stufenweisen Prozesses
zusammen.
A.
Intrinsische Abwehrmechanismen der Zelle
Ursächlich für eine maligne Transformation sind in der Regel
DNA-Schäden, die bspw. durch hochenergetische Strahlung, Karzinogene oder eben durch virale Erreger wie HPV
verursacht werden. Obwohl in jeder menschlichen Zelle
täglich tausende von DNA-Schäden auftreten, führt nicht
jeder DNA-Schaden automatisch zu einer unkontrollierten
Zellteilung. Grund dafür sind sogenannte intrinsische
Abbildung 2: Wechselwirkung von Tumorzellen mit dem Immunsystem in vier Phasen
A) Transformationsphase: Maligne Transformation von Zellen durch DNA-schädigende Einflüsse oder HPV-Infektion.
Intrinsische Abwehrmechanismen wirken grundsätzlich der Transformation entgegen, werden aber durch HPV
gehemmt.
B) Immunüberwachungs- und Tumoreliminierungsphase: Krebszellen werden durch NK-Zellen und CD8
zytotoxische T-Zellen zerstört.
C) Gleichgewichtsphase: HPV entkommt der Kontrolle durch CD8 T-Zellen. Nach unvollständiger Zerstörung der
Krebszellen stellt sich eine immunvermittelte Latenz ein.
D) Immunescape-Phase: Der Tumor entkommt der Immunüberwachung und bildet Immunsystem-hemmende Stoffe wie
sMICA, TGF- β und IL-10.
Abkürzungen: E5, E6, E7 = von HPV gebildete virale Onkoproteine; HLA = engl. Human Leukocyte Antigen;
INF- γ = Interferon-gamma; IL-10 = Interleukin-10; MHC = engl. Mayor Histocompatibility Complex;
NKG2D = NK-Zell-aktivierender Rezeptor; sMICA = engl. soluble MHC class I chain-related antigen A;
TGF- β = engl. Transforming Growth Factor-beta.
3
September 2016 | Newsletter Immunologie
Abwehrmechanismen, welche die Zelle entweder reparieren oder, falls dies nicht mehr möglich ist, die Zelle in den
programmierten Zelltod (Apoptose) überführen. Zwei
besonders wichtige Effektormoleküle dieser intrinsischen
Abwehrmechanismen sind das Retinoblastomprotein pRB
und das Protein p53. Diese Moleküle stoppen zunächst
die Zellteilung, leiten dann Reparaturprozesse ein und falls
diese erfolglos bleiben, aktivieren sie den programmierten
Zelltod. Wie wichtig diese Proteine für die Tumorunter­
drückung sind, sieht man daran, dass sie in der überwiegen­den
Mehrzahl aller Tumoren nicht mehr richtig funktionieren.
Dadurch wird die Präsentation viraler Antigene gehemmt,
so dass die virusinfizierten Zellen der Kontrolle durch die
CD8-T-Zellen entkommen9 (Abbildung 2B). Deshalb sind
die natürlichen Killerzellen gerade in frühen Infektionsphasen besonders wichtig. Denn im Gegensatz zu zytotoxi­
schen CD8-T-Zellen, die mit ihrem T-Zellrezeptor immer
nur ein einziges spezifisches Antigen erkennen und das
auch nur wenn es an HLA-Moleküle gebunden ist, besitzen
NK-Zellen eine enorme Vielfalt aktivierender Rezeptoren
(Abbildung 3), weshalb es bedeutend schwieriger ist sich
dieser Kontrolle zu entziehen.
Hochrisiko Papilloma Viren entkommen diesen intrinsi­schen
Abwehrmechanismen, indem sie die viralen Onkoproteine
E6 und E7 produzieren. Diese binden direkt an p53 und
pRB und verstärken deren Abbau, wodurch sich die Zelle
unkontrolliert teilt und transformiert (Abbildung 2A).
C.
B.
Extrinsische Abwehrmechanismen –
Immunüberwachung (engl. immunosurveillance)
Haben die intrinsischen Abwehrmechanismen versagt, dann
werden die transformierten Zellen zum Ziel des angebo­re­nen
und adaptiven Immunsystems. Die wichtigsten Komponen­­­
ten des Immunsystems sind dabei spezielle Lympho­zyten­­
untergruppen, die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen)
und die zytotoxischen CD8 T-Zellen (Abbildung 2B).
Transformierte Zellen präsentieren auf ihrer Oberfläche
verstärkt Moleküle, die sie zum Ziel dieser zytotoxischen
CD8 T-Zellen und NK-Zellen machen.
Während CD8 T-Zellen immer nur ein einziges Tumor­
antigen erkennen, das an sogenannten HLA- bzw. MHCMoleküle gebunden sein muss, erkennen natürliche
Killer­zellen das verstärkte Vorhandensein einer Vielzahl
von Alarmmolekülen wie z. B. den Proteinen MICA und
MICB (engl.: MHC class I Chain-related genes A and B).
Dadurch werden die NK-Zellen dazu angeregt die transformierten Zellen in den programmierten Zelltod zu über­
führen, wodurch die Tumorzellen beseitigt werden.
Die anti-Tumor-Wirkung der NK-Zellen entfaltet sich dabei wesentlich schneller als die der CD8 T-Zellen, da sie
keiner vorherigen spezifischen Antigenerkennung bedürfen.
Diese Fähigkeit Tumorzellen quasi auf natürliche Weise abzutöten macht die NK-Zellen zur ersten Verteidigungs­linie
gegen Krebserkrankungen. Durch diese Abwehrmechanismen unseres Immunsystems kann eine Neoplasie wieder
spontan verschwinden, wie dies bspw. für CIN 1-Stadien
bei HPV-Infektionen häufig gesehen wird.
Hochrisiko Papilloma Viren besitzen allerdings auch
Mechanismen dieser Kontrolle des Immunsystem zu entkommen. Das Virale Protein E5 verringert bspw. die Oberflächenexpression von HLA-A und HLA-B Molekülen.
4
Gleichgewicht / Selektion immunresistenter Tumorzellen (engl. immune-editing)
Versagen allerdings auch diese Abwehrmechanismen
kommt es zu einer persistierenden HPV-Infektion und
einem Gleichgewicht zwischen dem Immunsystem und der
bestehenden Neoplasie. In diesem Stadium ist bereits der
interne Kontrollmechanismus, der die DNA vor weiterer
Beschädigung schütz, ausgeschaltet, weshalb es nun erleichtert zu weiteren DNA-Schäden und Mutationen kommen
kann. In dieser Phase, in der das Immunsystem konstant
gegen die Neoplasie kämpft, vermehren sich die transformierten Zellen am schnellsten, die sich der Kontrolle des
Immunsystems entziehen. D. h. es bilden sich bevorzugt
immunresistente Tumorzellen10 (Abbildung 2C).
D.
Tumorzellen entkommen dem Immunsystem
(engl. immune-escape)
Hinter diesen Anpassungen der Tumorzellen gegenüber
dem Immunsystem steckt keine eigenständige Intelligenz,
sie sind vielmehr die Folge von weiteren Mutationen und
immununterdrückenden Mechanismen der Papilloma Viren.
So unterdrücken die viralen Onkoproteine E6 und E7 bspw.
die Interferon-gamma (INF-γ) Produktion von NK-Zellen11.
Immunresistente Tumorzellen schütten häufig auch Immunsystem-inhibierende Substanzen aus, die die Funktion der
NK-Zellen und CD8 T-Zellen im Körper unterdrücken.
Dazu zählen u. a. die Zytokine Interleukin-10 (IL-10) und
TGF-β (engl. Transforming Growth Factor-beta), die zyto­
toxische CD8 T-Zellen hemmen (Abbildung 2D).
Besonders wichtig im Zusammenhang mit HPV-positiven
Neoplasien ist insbesondere die Freisetzung von NK-Zellinhibierenden Liganden wie dem sMICA. MICA ist nor­
malerweise ein Molekül, das den NKG2D-Rezeptor von
NK-Zellen aktiviert, wenn es auf der Oberfläche von Tu­
mor­­zellen vorkommt (Abbildung 3). Immunresistente Tumor­
zel­len spalten das MICA allerdings von ihrer Oberfläche
ab, wodurch das Molekül systemisch freigesetzt wird 12.
Dieses lösliche sMICA (s für engl. soluble) vermindert die
Expression des NKG2D-Rezeptors und hemmt damit die
Newsletter Immunologie | September 2016
Zwei Studien (Ref. 14 und 18) ergaben, dass die Konzentration des NK-Zell-hemmenden Liganden sMICA im Serum von Patientinnen mit intraepithelialen Läsionen und
Gebärmutterhalskrebs gegenüber einer gesunden Kontrollgruppe deutlich erhöht waren. In diesen Patientinnen war
auch die Expression des NK-Zell-aktivierenden Rezeptors
NKG2D deutlich vermindert18. Eine weitere Studie (Ref.
19) an 59 Patientinnen mit HPV-positiven intraepithelialen
Läsionen und Gebärmutterhalskrebs bestätigte die verminderte Expression von NK-Zell-aktivierenden Rezeptoren in
diesen Patientengruppen und ergab des Weiteren, dass auch
die zytotoxische Funktion der natürlichen Killerzellen in
diesen Patientengruppen deutlich eingeschränkt war 19.
Abbildung 3:
NK-Zell-aktivierende Rezeptoren und ihre Erkennungs­
muster auf infizierten und transformierten Zellen.
Die zytotoxische Funktion der NK-Zellen nimmt dabei mit
zunehmendem Schweregrad der Dysplasie ab (Abbildung 4)
bzw. ist mit fortschreitendem Krankheitsverlauf zunehmend
eingeschränkt. Deshalb ist es besonders wichtig, Immunde­
fizite in Form einer Hemmung der NK-Zellen frühzeitig zu
erkennen, um das Immunsystem entsprechend zu stärken.
Das Molekül MICA kommt in der Regel nur auf infizierten oder
transformierten Zellen vor, nicht aber auf gesunden. Es wird von
den NK-Zellen erkannt, was dazu führt, dass die NK-Zelle die
transformierte Zelle zerstört. Transformierte Zellen entkommen
der Kontrolle der NK-Zellen, indem sie das Molekül MICA
von ihrer Oberfläche abspalten. Es entsteht die lösliche Form
sMICA, die NK-Zellen im Blut systemisch hemmt.
NK-Zellen im Blut der Patienten, was prognostisch ungünstig ist 13. sMICA ist allerdings nicht für einen bestimmten
Tumor spezifisch, sondern gilt als vielversprechender prog­
nostischer Tumormarker für verschiedene Krebserkrankungen14. Erhöhte Serumkonzentrationen des NK-Zellinhibierenden Liganden finden sich u. a. bei Pa­tienten mit
fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom12, Leberkrebs15,
Multiplem Myelom16, chronisch lymphatischer Leukämie17
und Gebärmutterhalskrebs18.
Bei HPV-positiven Neoplasien und Gebärmutter­
halskrebs werden NK-Zellen häufig gehemmt.
Zusammenfassend kommt es während dem stufenweisen Prozess der HPV-induzierten Karzinogenese zu einer
Wechselwirkung von transformierten Zellen mit dem Immunsystem. Dabei sorgen im günstigen Fall zytotoxische
CD8-T-Zellen und insbesondere NK-Zellen für die Zerstörung der HPV-infizierten transformierten Zellen und beseitigen damit die Neoplasie. Im ungünstigen Fall gelingt
dies nicht und es stellt sich eine immunvermittelte Latenz
ein. Während dieser Zeit entwickeln die Tumorzellen zunehmend Immunescape-Mechanismen, um der Kontrolle
durch die NK-Zellen zu entkommen.
Abbildung 4:
Hemmung der natürlichen Killerzellen in Patientinnen mit
zervikalen Dysplasien und Zervixkarzinom
Die zytotoxische Aktivität der NK-Zellen in Patientinnen mit HPVpositiven zervikalen Dysplasien ist gegenüber einer Kontroll­gruppe
vermindert und nimmt mit zunehmendem Schweregrad der
Dysplasie ab (Ref. 19).
LSIL = geringgradige intraepitheliale Dysplasie (engl. Low-grade
Squamous Intraepithelial Lesion); HSIL = schwergradige intrae-
pitheliale Dysplasie (engl. High-grade Squamous Intraepithelial
Lesion).
5
September 2016 | Newsletter Immunologie
Wie lassen sich Immundefizite der NK-Zellen
labortechnisch bestimmen?
Eine klassische Labormethode um Defizite oder akut-reaktive Veränderungen des Immunsystems aufzuklären ist die
Immunphänotypisierung von Leukozyten- und Lymphozytensubpopulationen. Dabei wird u. a. die Anzahl der Gesamt-T-, B- und NK-Zellen im Blut quantifiziert sowie die
Anzahl der CD4 T-Helferzellen und der CD8-T-Zellen.
Zusätzlich erlaubt diese Methode die Quantifizierung akti­
vierter T- und NK-Zellen. Dieses zelluläre Immunprofil
liefert erste Anhaltspunkte für selektive Lymphozytendefizite
oder akut-reaktive Veränderungen.
Die NK-Zellzahl im peripheren Blut, die mit Hilfe der Immunphänotypisierung in einem zellulären Immunprofil bestimmt wird, lässt allerdings nur bedingt Rückschlüsse auf
die tatsächliche zytotoxische Funktion der NK-Zellen zu.
Mit Hilfe eines NK-Zell-Funktionstestes lässt sich dagegen
die tatsächliche zytotoxische Aktivität der NK-Zellen eines
Patienten bestimmen.
Bei einem NK-Zell-Funktionstest werden unter standar­
disierten Bedingungen die Killerzellen einer Patientin
bzw. eines Patienten mit Tumorzellen in Kontakt gebracht.
Anschließend wird mit Hilfe der Durchflusszytometrie und
einem Fluoreszenzfarbstoff der Anteil spezifisch getöteter
Tumorzellen bestimmt (Abbildung 5). Diese killerzellspezifische Lyse spiegelt die zytotoxische Aktivität der natürlichen Killerzellen einer Patientin bzw. eines Patienten wider.
Beispiel aus der Praxis
Abbildung 6 zeigt das zelluläre Immunprofil sowie den NKZell-Funktionstest einer 38-jährigen Patientin mit HPV-16Infektion und Zervixdysplasie im Zustand nach Konisation.
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Ergebnis: Die absolute NK-Zellzahl im peripheren Blut ist bereits grenzwertig niedrig, liegt jedoch noch im Referenzbereich (Abbildung 6A). Die killerzellspezifische Lyse der Patientin ist
allerdings bereits deutlich vermindert (Abbildung 6B). Dies
deutet auf ein Funktionsdefizit der natürlichen Killerzellen
hin. D. h. die zytotoxische Aktivität der Killerzellen bei der
Abwehr von Tumor- oder virusinfizierten Zellen ist eingeschränkt bzw. gehemmt.
Welche zusätzlichen therapeutischen Möglich­
keiten ergeben sich daraus?
Die Therapie der Zervixkarzinom-Vorstufen richtet sich
nach dem Schweregrad der Dysplasie. Bei leichtgradigen
Läsionen (CIN1) erfolgt in der Regel ausschließlich eine
zytologische und kolposkopische Beobachtung. Bei Fortbestand bzw. Progression (CIN2 und CIN3) sollte eine Konisation erfolgen. Bei Carcinoma in situ sollte eine Konisation
bzw. bei abgeschlossener Familienplanung eine operative
Entfernung der betroffenen Bereiche erfolgen20.
Zusätzlich stehen dem Therapeuten zur Therapie der Zervix­
karzinom-Vorstufen nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur
Verfügung. Genau bei diesen Zervixkarzinom-Vorstufen
kann die Funktionsdiagnostik der natürlichen Killerzellen
helfen etwaige Defizite bei der Immunüberwachung gegenüber malignen transformierten Zellen aufzudecken.
Im Falle einer verminderten zytotoxischen Aktivität der
NK-Zellen bzw. einer Hemmung der NK-Zellen kann versucht werden die NK-Zellen zu aktivieren. Solche Maßnahmen sollen die klassischen Therapien nicht ersetzten,
sondern verstehen sich als Zusatzmaßnahme, um das Immunsystem zu stärken.
Basis-Lyseaktivität
Abgetötete
Tumorzellen
Lyse IL-2 stimuliert
19 %
71 %
Intakte
Tumorzellen
Killerzellen
Immunstimulation
Abbildung 5: Bestimmung der killerzellspezifischen Lyse mittels Durchflusszytometrie
6
Die Killerzellen eines Patienten (blau) werden mit intakten Tumor­zellen (grau) unter standardisierten Bedingungen in
Kontakt gebracht und der Anteil der abgetöteten Tumorzellen (gelb) wird bestimmt. Dieser spiegelt die KillerzellBasisaktivität des Patienten wider (oben Mitte). Nach Stimulation mit Interleukin-2 (IL-2) nimmt im Normalfall die killer­
zellspezifische Lyse zu.
Newsletter Immunologie | September 2016
A
B
Abbildung 6: Zelluläres Immunprofil und NK-Zell-Funktionstest einer Patientin mit HPV 16 -positiver Zervixdysplasie
nach Konisation
A) Zelluläres Immunprofil: Die Lymphozytentypisierung zeigt eine prozentuale Erhöhung der zytotoxischen CD8 -TZellen, was auf eine zytotoxische Abwehrreaktion gegen intrazelluläre Erreger (Viren, intrazelluläre Bakterien) hindeuten
kann. Der Anteil an NK-Zellen ist vermindert und auch die Absolutzahl ist grenzwertig niedrig. Bei gleichzeitig vermindertem Aktivierungsgrad der Killerzellen sind kapazitive und funktionelle Einschränkungen der NK-Zell-vermittelten Immun­
antwort gegen virusinfizierte Zellen und maligne transformierte Zellen nicht auszuschließen. Im Zusammenhang mit der
HPV-16 -Infektion und der zervikalen Dysplasie empfiehlt sich ein NK-Zell-Funktionstest, um die zytotoxische Funktion der
Killerzellen gegenüber Tumorzellen zu prüfen, da diese bei HPV16 -positiven Neoplasien häufig vermindert ist.
B) NK-Zell-Funktionstest: Die killerzellspezifische Lyse der Patientin ist vermindert. Dies deutet auf ein Funktionsdefizit
der natürlichen Killerzellen hin. D. h. die Funktion der Killerzellen bei der Abwehr von Tumor- oder virusinfizierten Zellen
ist eingeschränkt. Allerdings lässt sich die killerzellspezifische Lyse durch Interleukin-2 (IL-2) deutlich steigern, was grundsätzlich für eine Aktivierbarkeit der natürlichen Killerzellen spricht.
Neben dem Zytokin Interleukin-2 (IL-2), das bei stationä­
rer Behandlung zur Therapie von immunogenen Tumoren
eingesetzt werden kann, werden in der Literatur auch verschiedene phytochemische Stoffe aus der Naturheilkunde
beschrieben, die eine aktivierende Wirkung auf NK-Zellen
haben. Zu diesen phytochemischen Stoffen zählen u.a. Mistel­
lektine 21, Arabinogalactan aus Lärchenholz 22, Ara­bi­­noxy­
lane aus Reiskleie (Biobran)23, Reishi-Pilz (Ganoderma
Lucidum) sowie das antioxidativ wirkende Resveratrol24.
Auch die Spurenelemente Zink und Selen 25,26 sowie Vitamin C können die Zytotoxizität von NK-Zellen erhöhen.
Die Stimulierbarkeit der Killerzellen mit phytochemischen
Substanzen ist allerdings von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Manche Präparate können bei einem Patienten
keine oder gar eine hemmende Wirkung haben (sogenannte
non-responder), während dieselben Präparate bei einem anderen Patienten stimulatorisch wirken (responder). Deshalb
kann es von Vorteil sein im Vorfeld einer etwaigen Zusatztherapie die stimulatorische Wirkung mit Hilfe eines NKZell-Funktionstests zu analysieren. Zusätzlich bietet ein
NK-Zell-Funktionstest die Möglichkeit nach einigen Monaten Verlaufskontrollen durchzuführen, um zu überprüfen,
ob bspw. eine Zusatztherapie mit phytochemischen Substanzen oder eine Supplementierung von Mikronährstoffen
tatsächlich die NK-Zellaktivität im Patienten steigert. Dass
eine ausreichende Zufuhr von Mikronährstoffen im Kontext von Zervixdysplasien durchaus von Vorteil sein kann,
zeigt auch eine Fall-Kontroll-Studie mit 485 Frauen27. Eine
gute Versorgung mit Folsäure, Riboflavin, Thiamin und
Vitamin B12 reduziert demnach das Risiko für zervikale
Dysplasien (CIN 1-3).
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September 2016 | Newsletter Immunologie
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Weitere Informationen
Ausführliches Informationsmaterial zur Funktionsdiagnostik natürlicher Killerzellen
stehen für Sie auf unserer Homepage zum Download bereit:
http://www.labor-bayer.de/laborinformationen_publikationen.html
Gerne können Sie sich auch direkt mit uns in Verbindung setzen:
Laboratorium für spektralanalytische und biologische Untersuchungen Dr. Bayer
Zweigniederlassung der synlab MVZ Leinfelden-Echterdingen GmbH
Ansprechpartner
Dr. Nicolas Lützner
8
Max-Lang-Straße 58, D-70771 Leinfelden-Echterdingen
Telefon +49(0)711-1 64 18-0 // Fax +49(0)711-1 64 18-18 // [email protected]
Gestaltung: www.himbeerrot-design.de
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