Frankenförder Forschungsgesellschaft mbH Potsdamer Straße 18 a 14943 Luckenwalde Informationen zu Retroviren und Lebensmittelassoziierten Viren März 2010 Inhaltsverzeichnis 1 Retroviren ............................................................................................................ 3 1.1 Definition ....................................................................................................... 3 1.2 Taxonomie ..................................................................................................... 4 1.2.1 Evolution der Retroviren ......................................................................... 5 1.3 Aufbau eines Retrovirus ................................................................................ 6 1.4 Beispiel für ein Retrovirus: HIV-1-Virus ......................................................... 7 1.5 Endogene Retroviren ..................................................................................... 8 1.6 Durch Retroviren verursachte Krankheiten .................................................... 9 1.6.1 Retroviren als mögliche Ursache des chronischen Erschöpfungssyndroms .......................................................................... 9 1.7 Übertragung von Retroviren durch Lebensmittel ......................................... 10 1.7.1 2 3 Affenfleisch ........................................................................................... 10 Lebensmittel-assoziierte Viren .......................................................................... 12 2.1 Infektionswege............................................................................................. 13 2.2 Die wichtigsten Lebensmittel-assoziierten Viren.......................................... 14 2.2.1 Hepatitis A-Virus ................................................................................... 14 2.2.2 Norovirus (Norwalk-Gastroenteritis) ...................................................... 15 2.2.3 Rota-Viren ............................................................................................. 16 2.2.4 Hepatitis E-Virus ................................................................................... 16 2.3 Ausschluss von Risiken ............................................................................... 17 2.4 Nachweis der Viren ..................................................................................... 17 Quellen .............................................................................................................. 18 Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Replikation eines Retrovirus ............................................................. 7 Abbildung 2: Aufbau eines HIV-1-Virus ................................................................. 8 2 1 Retroviren 1.1 Definition Retroviren stellen eine besondere Klasse im Reich der Viren dar. Retroviren (Reverse Transkriptase Onkoviren) sind eine große Familie behüllter Viren, die tierische Zellen infizieren. Sie sind behüllte Einzel-Strang-RNA-Viren, deren Erbinformation als RNA vorliegt und die als DNA in das Genom der Wirtszelle eingebaut wird. Zu ihnen gehören die Erreger einiger weit verbreiteter Infektionskrankheiten, die bei Menschen und Tieren pandemisch bzw. epidemisch auftreten. Sie befallen in der Regel nur teilungsaktive eukaryotische Zellen. Retroviren können grob in einfache und komplexe Retroviren unterteilt werden. Neben den infektiösen exogenen Retroviren (XRV) gibt es auch endogene Retroviren (ERV), die vertikal über die Keimbahn vererbt werden und Bestandteile der Genome werden. Retroviren sind im Wirbeltierbereich allgegenwärtig. Sie infizieren Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische, sind jedoch meistens sehr spezifisch auf ihren Wirt beschränkt. Als Auslöser von Krankheiten beim Menschen sind HIV und HTLV-1 bekannt. Zu den Retroviren gehören drei Unterfamilien: Onkoviren Foamyviren Lentiviren. Onkoviren lösen Tumore aus. Zu den Onkoviren des Menschen zählt das Humane T-Zell-Leukämie-Virus (HTLV, Variante 1). Es kann beim Menschen Lymphknotenkrebs und Blutkrebs auslösen. Die Foamyviren kommen bei verschiedenen Affenarten, Katzen, Rindern, Pferden und weiteren Tierarten vor. Sie sind nicht pathogen. Der bekannteste Vertreter der Lentiviren ist das AIDS verursachende HI-Virus. Lentiviren können auch ruhende Zellen befallen. 3 1.2 Taxonomie Die aktuelle, derzeit verbindliche Taxonomie durch das International Commitee on Taxonomy of Viruses (ICTV) unterteilt die Retroviren vor allem aufgrund ihrer genetischen Verwandtschaftsverhältnisse in zwei Unterfamilien und sieben Gattungen: Familie: Retroviren (Retroviridae) Unterfamilie: Orthoretroviren (Orthoretrovirinae) Gattung (Genus): Alpharetroviren Betaretroviren Gammaretroviren Deltaretroviren Epsilonretroviren Lentiviren Unterfamilie: Spumaretroviren (Spumaretrovirinae) Gattung (Genus): Foamyviren (Spumaviren) Beim Menschen sind bisher vier Retroviren bekannt: Humanes T-lymphotropes Virus 1 (HTLV-1), ein Deltavirus Humanes T-lymphotropes Virus 2 (HTLV-2), ein Deltavirus HIV-I (humanes Immundefizienz-Virus Typ I, ein Lentivirus HIV-II (humanes Immundefizienz-Virus Typ II, ein Lentivirus Die menschlichen Retroviren sind mit denen anderer Primaten so eng verwandt, dass auch oft beide Gruppen unter der Bezeichnung Primaten-Retroviren zusammengefasst werden. Man geht davon aus, dass die entsprechenden menschlichen Retroviren durch Übertragung von Affen-Retroviren auf den Menschen entstanden sind. 4 1.2.1 Evolution der Retroviren Retroviren lassen sich in exogene und endogene Retroviren einteilen. Exogene Retroviren besitzen in ihrem Erbgut alle Informationen für einen vollständigen Infektionszyklus einschließlich Freisetzung der infektiösen Viruspartikel (Virionen). Damit können sie sich von Organismus zu Organismus verbreiten. Defekte Retroviren benötigen die Hilfe anderer Retroviren, die die fehlenden Informationen ergänzen. Endogene Retroviren sind hingegen in allen Zellen des Organismus integriert und werden über die Keimbahnzellen übertragen. Die meisten dieser endogenen Erreger sind so genetisch "verkrüppelt", dass auch Helferviren sie nicht aktivieren können. Die Ähnlichkeit ihrer im Zellgenom integrierten DNA weist darauf hin, dass es ursprünglich retrovirale Sequenzen waren. Diese verkrüppelten Retroviren machen bis zu 1 % des menschlichen Genoms aus. Das Retrovirus ist ein behülltes einsträngiges Plusstrang orientiertes RNA-Virus, dessen Erbgut dank seines mitgebrachten Enzyms Reverse Transkriptase (RT) bei der Infektion in DNA übersetzt und fest in das Wirtsgenom integriert wird. Damit wird das Virus auf alle Tochterzellen vererbt. Diese Eigenschaft macht die Retroviren prinzipiell auch für einen Einsatz als Gentransfer-Vehikel (Vektoren) attraktiv. Die viruseigene Reverse Transkriptase und die zelluläre RNA-Polymerase arbeiten aufgrund der fehlenden Korrekturlesefähigkeit nicht perfekt. Statistisch gesehen wird etwa alle 10.000 Nukleotide eines falsch eingebaut. Im infizierten Wirt können täglich Millionen neuer Viren entstehen. Die Folge daraus sind häufige Virus-Mutationen, die dem Virus eine schnelle Anpassung an antivirale Medikamente ermöglichen und ihn somit resistent machen. Bei einer Infektion haften die Viren an Zellen des Körpers, so dass diese sie aufnehmen und vermehren. Jede Virusart bevorzugt bestimmte Zellen, Organe und Lebewesen. Wenn sich das Virus vermehrt oder das Immunsystem Virus infizierte Zellen zerstört, sterben Zellen ab. Das kann je nach Virus zu einer bestimmten Krankheit führen. Andererseits können viele Viren auch lebenslang im menschlichen Körper unbemerkt persistieren. 5 1.3 Aufbau eines Retrovirus Infektiöse Retrovirus-Partikel haben einen Durchmesser von etwa 100 nm. Sie besitzen ein Kapsid, das von einer Virushülle umgeben ist, die aus der Zytoplasmamembran der Wirtszelle abgeschnürt wurde und mit viralen Glykoproteinen durchsetzt ist sowie einen "Kern" innerhalb des Capsids aus weiteren Proteinen und einem Ribonukleinsäure-Komplex. Das einzelsträngige RNA-Genom der Retroviren ist linear und 7 – 12 Kilobasenpaare (kb) groß. Retroviren sind die einzigen RNA-Viren, die diploid angelegt sind. Das bedeutet, dass jedes Retrovirus zwei Kopien seines Genoms hat. Sie werden von den wirtseigenen Transkriptions-Enzymen übersetzt und synthetisiert und benötigen eine spezifische zelluläre tRNA. Das provirale Genom eines einfachen Retrovirus enthält meistens drei Gene und zwei Long Terminal Repeats (LTRs), die sich am Anfang und Ende befinden und Informationen zur Steuerung der Expression der viralen Gene enthalten. Bei den drei Genen handelt es sich um gag (Gruppenspezifisches Antigen), pol und env. gag codiert die Matrix-, Kapsid- und Nukleokapsidproteine. pol codiert die viralen Enzyme Protease, Reverse Transkriptase (mit RNase H) und Integrase. Bei den Beta- und Deltaretroviren hat die Protease ein eigenes Leseraster (pro) und bei den Alpharetroviren befindet sich die Information für die Protease im gag-Gen. env codiert die Proteine der Hülle. An regulatorischen Sequenzen gibt es im 5'-Bereich eine mit (psi) bezeichnete Sequenz, die ein Signal für das Verpacken der RNA in die Viruspartikel ist, eine Primerbindungsstelle (PBS), an die sich die jeweilige tRNA anlagern kann und ein Promotor. Im 3'-Bereich finden sich ein oder mehr Polypurintrakte, die bei der reversen Transkription essentiell sind (Abbildung 1). 6 Abbildung 1: Replikation eines Retrovirus (Quelle: Wikipedia) Der Lebenszyklus eines Retrovirus besteht aus mehreren Schritten: Infektion einer Zelle, Reverse Transkription, Überwindung der Kernhülle, Integration ins Wirtsgenom, Expression der viralen Proteine und des RNA-Genoms und die Bildung neuer Viruspartikel. 1.4 Beispiel für ein Retrovirus: HIV-1-Virus Das HIV-1-Virus ist ein doppelsträngiges Retrovirus, d. h., sein Genom besteht aus zwei RNA-Strängen (Abbildung 2). HIV-1 löst beim Menschen AIDS aus. Das Virus besitzt die bei Retroviren üblichen GAG-, Pol- und ENV-Gene sowie sechs weitere Gene. Die GAG-, Pol- und ENV-Gene codieren für Polyproteine, d. h. für Proteine aus denen durch limitierte Proteolyse mehrere funktionelle Proteine entstehen. So codiert das Pol-Gen für das Protein p150, das in vier Produkte (Integrase, RNAse, reverse Transkriptase und Protease) gespalten wird. Die limitierte Proteolyse besorgt die HIV-1-Protease. Wirtszellen des HIV-1-Virus sind T-Helferzellen (S81), die das Protein CD4 auf ihrer Zelloberfläche ausstellen. An CD4 bindet das gp120 Protein das Virus. Daraufhin fusioniert das Virus mit der Zellmembran der Wirtszelle und injiziert seine RNA in die Zelle. 7 Abbildung 2: Aufbau eines HIV-1-Virus (Quelle: www.harri-deutsch.de) 1.5 Endogene Retroviren Das ungewöhnlichste und bemerkenswerteste Merkmal von Retroviren ist die Integration in das Genom ihres Wirts. Die Vielzahl an ähnlichen Sequenzen in Wirbeltieren und Retroviren zeigt, dass Retroviren in der Vergangenheit schon sehr oft auch die Zellen der Keimbahn ihrer Wirte infiziert haben. Derart an die Nachkommen vererbte Retroviren werden als endogene Retroviren (ERV) bezeichnet, um sie von den horizontal weitergegebenen, exogenen Retroviren zu unterscheiden. Bisher wurden im menschlichen Genom 31 verschiedene ERV-Familien beschrieben, die wahrscheinlich auf 31 verschiedene Fälle von Keimbahninfektionen durch Retroviren zurückgehen. Diesem Ausgangsereignis folgte eine Erhöhung der ERVKopienzahl, entweder durch Reinfektion der Keimbahnzellen oder durch Retrotransposition innerhalb der Zelle. Im Lauf der Generation nimmt die Aktivität der ERVs immer weiter ab, da sich Mutationen ansammeln und ganze Abschnitte der ERVs verloren gehen können, bis schließlich die Aktivität der Viren ganz aufhört. Die 8 meisten der humanen ERV-Linien (HERV) entstanden demnach vor etwa 25 bis 30 Millionen Jahren. 1.6 Durch Retroviren verursachte Krankheiten Von Retroviren werden sehr viele verschiedene Lebewesen infiziert. Die betroffenen Spezies reichen von Muscheln bis zum Menschen, die meisten sind aber unter den Wirbeltieren zu finden. Retroviren verursachen in ihren Wirten eine große Zahl verschiedenartiger Krankheiten, wie Tumore (Lymphone, Sarkome), Neurologische Erkrankungen und Immunschwächen. Einige dieser Erkrankungen verursachen große Schäden in der Landwirtschaft, weil Nutztiere betroffen sind, oder sie sind die Ursache für menschliche Pandemien (AIDS). Andere Infektionen bleiben symptomlos, weshalb diese Retroviren als apathogen angesehen werden. ERVs wurden Ende der 1960er Jahre entdeckt. Drei verschiedene Typen endogener Retroviren wurden etwa gleichzeitig beschrieben. Das Aviäre Leukosevirus (ALV) aus dem Haushuhn, das Murine Leukämievirus (MLV) sowie das MausMammatumorvirus (MMTV) aus der Hausmaus. Humane endogene Retroviren (HERVs) kommen in großer Zahl im menschlichen Genom vor. Manche HERVs stehen im Verdacht, an der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen beteiligt zu sein, insbesondere bei Multipler Sklerose. PERVs (porcine endogene Retroviren) sind die endogenen Retroviren der Schweine. Sie stehen im Focus der Forschung, weil Schweine als Organspender für Xenotransplantationen in Betracht kommen und die PERVs dabei ein Sicherheitsrisiko darstellen. 1.6.1 Retroviren als mögliche Ursache des chronischen Erschöpfungssyndroms In einer Studie wurden Gene eines kürzlich entdeckten Virus in Leukozyten bei zwei Dritteln der Patienten nachgewiesen. Fast alle Patienten hatten Antikörper gegen XMRV im Blut. Das Xenotropic murine leukaemia virus (XMRV) wurde vor drei 9 Jahren in Prostatakrebszellen entdeckt. Es gehört zu den Gammaretroviren, die bei einigen Tierarten Leukämien und Lymphone auslösen. Benannt ist es nach dem murinen Leukämievirus (MLV), das jedoch nicht den Menschen infiziert. Forscher der Universität von Utah in Salt Lake City wiesen XMRV in 27 % aller Prostatakarzinome, aber nur in 6 % der gesunden Zellen nach. In dem Whittemore Petersen Institute in Reno im US-Bundesstaat Nevada, wurde herausgefunden, dass zwei Drittel aller Patienten mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom aktiv mit dem Virus infiziert waren. Die Virusgene wurden im Blut in den Monozyten von 68 der 101 Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom nachgewiesen. In einer Kontrollgruppe waren nur 8 von 218 Probanden (3,7 %) infiziert. Das beweist zwar nicht, dass die Viren tatsächlich die Ursache der Erkrankung sind. Sie könnten eine Begleiterscheinung sein. Beispielsweise könnte die Erschöpfung die Patienten anfälliger gegen Virusinfektionen machen. Aber selbst wenn die Viren nur ein zuverlässiger Marker für die Erkrankung sein sollte, wäre den Patienten geholfen, da das chronische Erschöpfungssyndrom bisher eine diagnostisch schwer fassbare Erkrankung ist. 1.7 Übertragung von Retroviren durch Lebensmittel Während der gesamten ausführlichen Recherche konnten keine herkömmlichen Lebensmittel gefunden werden, die Retroviren übertragen und auf diesem Wege den Menschen infizieren. 1.7.1 Affenfleisch Einzige Ausnahme ist Affenfleisch. Es wird davon ausgegangen, dass der Ursprung von HIV in Afrika liegt und die Übertragung durch den Verzehr von Affenfleisch durch den Menschen erfolgte. Ein internationales Forscherteam hat 2006 erstmals einen Vorläufer des HI-Virus bei wild lebenden Schimpansen gefunden. Der Zentralafrikanische Schimpanse (Pan troglodytis troglodytis) ist der natürliche Wirt jener Zoonose, die sich seit Anfang der 1980er-Jahre weltweit ausgebreitet hat und heute bis zu 65 Millionen Menschen 10 erfasst hat. Der erste sichere Hinweis des Virus findet sich in einer Blutprobe, die eine männliche Person im Jahr 1959 in Kinshasa, der Hauptstadt der damaligen Kolonie Belgisch-Kongo im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie abgegeben hat. Kamerun, Gabun und die Republik Kongo sind die Heimat des Zentralafrikanischen Schimpansen, in dem seit längerem das natürliche Reservoir von HIV vermutet wird. Der erste Mensch hat sich vermutlich durch den Verzehr von Affenfleisch infiziert. Es kommt als "Buschfleisch" hauptsächlich in Afrika auf den Tisch. Nach Schätzungen der Welttierschutzgesellschaft (WSPA) werden allein im Kongobecken jedes Jahr über eine Million Tonnen Buschfleisch vermarktet. Etwa 1 % (20.000 getötete Affen) stammt von Menschenaffen. Wegen der genetischen Ähnlichkeit von Affen und Menschen ist die Gefahr einer Infektion durch mit Viren kontaminiertes Fleisch gegeben. 2005 konnten US-Forscher bei Dorfbewohnern in Kamerun, die sich von Affenfleisch ernähren, sogar ein bisher unbekanntes mit HIV entfernt verwandtes Retrovirus nachweisen, das wahrscheinlich über den Verzehr von Buschfleisch erworben wurde. Die Dorfbewohner erkrankten jedoch nicht. Affen sind Horte für Viren. Die meisten Erreger haben sich mit ihren Wirten "arrangiert" und nutzen die Warmblüterorganismen, um sich zu vermehren, verursachen jedoch keine Krankheit. Gelangen diese Erreger zufällig in den Menschen, kann die Person schwer erkranken. Wenn das Virus zusätzlich einen effektiven Übertragungsmodus besitzt, ist auch eine epidemische Ausbreitung möglich. Durch Untersuchungen von US-Wissenschaftlern an Einwohnern aus Dörfern Kameruns, die Affenfleisch essen, oder Affen als Haustiere halten, wurde ein halbes Dutzend neuer Erreger gefunden. Es sind STL-Viren (Simian T-cell Lymphotronic), die sich ähnlich dem HI-Virus verhalten. Zur Vermehrung haben sie eine Untergruppe der Lymphozyten, die T-Zellen, gewählt. Das ist brisant, weil auch zwei neue sogenannte lymphotrope T-Zell-Viren entdeckt wurden. Die bekanntesten Vertreter dieser Familie, HTLV-1 und HTLV-2, verursachen Leukämie bzw. eine Form von Lähmung. Es ist jedoch noch unbekannt, ob die neuen Erreger mit den Codenamen HTLV-3 und HTLV-4 beim Menschen ebenfalls Krankheiten verursachen. Beobachtungen von Forschern bestätigten, dass ein enger Kontakt mit Affen regelmäßig zum Überspringen der Artengrenze führt und sich einige Erreger so gut an den neuen Wirt anpassen, dass ein eigenständiger Mikroorganismus entsteht. 11 Neben den Untersuchungen in Kamerun, bestätigten diesen Umstand auch Beobachtungen in Südostasien. Bei Arbeitern in einem Tempel in Bali, der Zufluchtsort für ca. 200 Javaneraffen ist, wurde ein RNA-Virus nachgewiesen, das bisher nur bei Affen identifiziert wurde. 2 Lebensmittel-assoziierte Viren Lebensmittel-assoziierte Viren stehen immer mehr im Mittelpunkt der Wissenschaft und der lebensmittelhygienischen Praxis. Sie bilden eine aktuelle Thematik. In diesem Zusammenhang wurde im letzten Jahr erstmals ein Symposium des Bundesinstitutes für Risikobewertung Berlin zu dieser Thematik durchgeführt. "Lebensmittel als Übertragungsvehikel von Viren rücken immer mehr in den Focus des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses. Die stetigen Anstiege der Meldungen von Norovirus-und Rotavirus-Erkrankungen in den vergangenen Jahren zeigen, dass Untersuchungen zu Übertragungswegen, Tenazität und Inaktivierung dieser bekannten Viren dringend benötigt werden. Neue Erkenntnisse zu zoonotischen Viren, die über Lebensmittel übertragen werden können (z. B. Hepatitis E-Viren) zeigen, dass auch „neuen“ Viren erhebliche Beachtung geschenkt werden muss." (Lebensmittel-assoziierte Viren, Tagungsband zum BfR-Symposium am 4. Nov. 2009 in Berlin). Bei Viren wird meistens an Grippe gedacht. Viren können aber auch durch Lebensmittel übertragen werden und schwere Erkrankungen auslösen. Es wird davon ausgegangen, dass in Europa zwar "nur" 0,5 % aller lebensmittebedingten Infektionen durch Viren verursacht werden, dennoch hat man guten Grund zu der Annahme, dass jede zweite Erkrankung unbekannter Ursache (ca. 10 % aller Fälle) ebenfalls virusbedingt ist. Immer häufiger treten Viren in Lebensmitteln auf und besitzen ein ganzes Spektrum an teilweise ernsthaften Erkrankungen. Sie sind in den letzten Jahren zunehmend als Ursache sogenannter "foodborne diseases" ermittelt worden, das heißt von Erkrankungen, die durch Lebensmittel verursacht wurden. Hierbei belegen Hepatitis A- und Norwalk-Viren die vorderen Plätze. Weiterhin spielen Kinderlähmung (Polio-Viren) oder Herzmuskelentzündungen (Coxsacki-Viren) eine Rolle. Es wird geschätzt, dass mit Viren verunreinigte 12 Lebensmittel allein in den USA jährlich sechs Millionen akute Erkrankungen verursachen, 9.000 davon mit Todesfolge. Das Robert Koch Institut Berlin registrierte 2008 mehr als 120.000 Erkrankungen durch pathogene bakterielle Erreger, wie Salmonella, Campylobacter, Shigella und Yersinia in Deutschland. Im gleichen Zeitraum wurden 290.000 Krankheitsfälle, hervorgerufen durch Norovirus, Rotavirus, Hepatitis A-Virus und Hepatitis E-Virus, gemeldet. Zu den durch Lebensmittel übertragbaren Viren zählen Norovirus, Sapovirus, Hepatitis A-Virus, Hepatitis E-Virus, Rotavirus, Astrovirus, Enterovirus, Adenovirus und Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus. Die sogenannten "foodborne viruses" haben morphologische Gemeinsamkeiten, da ihnen eine Virushülle fehlt. Es ist ausgeschlossen, dass sich Viren, im Gegensatz zu Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen im Lebensmittel vermehren. Sind sie jedoch erst mal in der Nahrung vorhanden, stellen sie eine akute Gefahr über einen längeren Zeitraum und unter extremen Bedingungen dar. Den meisten Viren macht Kälte nichts aus. Sie sind bei Kühlschranktemperaturen von + 4 °C einige Wochen und in der Tiefkühltruhe bei 18 °C mehrere Monate infektionstüchtig. Viele Viren vertragen jedoch weder Trockenheit noch Hitze. 2.1 Infektionswege Am Anfang steht meist der infizierte Mensch, der die Viren während seiner Krankheit massiv ausscheidet. Mangelnde Hygiene gilt aus Hauptursache für das Einbringen von Viren in die Nahrungskette. Es sind fäkale Verunreinigungen sowie winzige Tröpfchen von Erbrochenem an Händen oder Handschuhen, die direkt oder indirekt über Maschinen auf zu verarbeitende Lebensmittel gelangen. Je mehr Menschen mit einem Lebensmittel in Berührung kommen, desto höher ist die Gefahr einer Kontamination. So kam es bisher zu massiven Ausbrüchen auf Kreuzfahrtschiffen, in Flugzeugen, Kindertagesstätten, Restaurants und Kantinen. Weiterhin ist fäkal verseuchtes Abwasser als Ursache zu nennen. Viren werden bevorzugt von Muscheln, den Hauptüberträgern von Viruskrankheiten aufgenommen 13 und innerhalb kurzer Zeit angereichert. Im Magen-Darm-Trakt der Weichtiere können die Viren mehrere Wochen überleben, ohne sie zu infizieren. Im Gegensatz zu anderen Meerestieren werden Austern, Mies- und Herzmuscheln mitsamt ihren Innereien, also auch mit dem potentiell belasteten Verdauungsapparat, meistens roh oder nur leicht gegart konsumiert. Mensch-zu-Mensch Übertragung Die Mensch-zu-Mensch Übertragung spielt vor den indirekten Kontaminationen bei weitem die wichtigste Rolle. Lebensmittelbedingte Übertragung Allgemein können bei Lebensmitteln drei Arten von Kontaminationen mit Viren unterschieden werden: - primär kontaminierte Lebensmittel (z.B. rohe Schalentiere, wie Austern) - direkte oder indirekte Kontamination von Lebensmitteln durch virenausscheidende Personen - sekundäre Kontaminationen durch Waschen oder Bewässern von Gemüse und Früchten mit virushaltigem Wasser. Wasserbedingte Übertragung Infektionen durch kontaminiertes Wasser aus Verteilernetzen sind in der internationalen Fachliteratur ausführlich belegt. Solche Ereignisse konnten in den allermeisten Fällen auf Infrastrukturmängel oder Störfälle in Trinkwasserversorgungsund Abwasserentsorgungssystemen zurückgeführt werden. 2.2 Die wichtigsten Lebensmittel-assoziierten Viren 2.2.1 Hepatitis A-Virus Als Nummer Eins unter den viralen Lebensmittelvergiftern gilt das Hepatitis-A-Virus. 1966 wurde entdeckt, dass das Virus durch die Nahrung übertragbar ist. Häufige Infektionsquellen sind fäkal verunreinigtes Wasser, Milch, Muscheln, Kopfsalat und Erdbeeren. Das Virus ist so erfolgreich, da es gegen Trockenheit und Hitze beständiger ist, als die meisten anderen Viren. Weiterhin werden die Erkrankten 14 bereits vor dem Einsetzen der Symptome zum Ausscheider. Die Infektion macht sich erst nach 15 bis 45 Tagen bemerkbar, meist grippeähnlich, gelegentlich mit Glieder-, Gelenk- und Bauchschmerzen sowie Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Diese Phase geht in die eigentliche Gelbsucht über. Nach 6 bis 12 Wochen ist die Hepatitis meist ausgeheilt, sie kann teilweise jedoch auch 6 Monate dauern. Sie hinterlässt eine Immunität. Reisende in tropische und subtropische Länder sollten die angebotenen Impfungen wahrnehmen. 2.2.2 Norovirus (Norwalk-Gastroenteritis) Besonders die Humanen Noroviren haben als Erreger einer viralen Gastroenteritis eine große medizinische Bedeutung. Die Bezeichnung leitet sich aus der Typspezies der Gattung, dem Norwalk-Virus ab. Die Typspezies der Gattung Norovirus, das Norwalk-Virus, wurde in Stuhlproben eines viralen Gastroenteritis-Ausbruchs von 1968 in Norwalk, Ohio, durch Immunelektronenmikroskopie 1972 erstmals morphologisch charakterisiert. Um den Zusammenhang zwischen dem gefundenen Virus und einer Gastroenteritis-Erkrankung beweisen zu können, wurde gereinigtes Stuhl-Ultrafiltrat (gewonnen aus menschlichem Kot erkrankter Patienten) an Freiwillige oral verabreicht, welche anschließend ebenfalls erkrankten. Die zu den Parvo-Viren zählenden Norwalk-Viren sind weltweit auf dem Vormarsch und verursachen am zweithäufigsten virale Lebensmittelerkrankungen. Als besonders kritisch sind Schalentiere (Austern), Wasser und Eiswürfel sowie Lebensmittel, die per Hand verarbeitet werden, wie Sandwiches, Fruchtsäfte, Salate und Süßspeisen, einzuschätzen. Ausbrüche erfolgen nach einer Inkubationszeit von 12 bis 48 Stunden. Der Infizierte leidet unter starken Brechdurchfällen, Magenkrämpfen, Fieber und Benommenheit. Nach drei Tagen ist die Erkrankung überstanden. Die Viren werden noch bis zu 2 Wochen ausgeschieden. Eine Immunität gegenüber neuen Attacken besteht nur für wenige Tage nach der Infektion. Das Norwalk-Virus ist bekannt für explosionsartige Ausbrüche, da schon geringe Mengen für eine Infektion ausreichen. Bisher gelang die Züchtung des Virus in Zellkulturen nicht. 15 2.2.3 Rota-Viren Sie sind die wichtigsten Verursacher gastrointestinaler Beschwerden bei Kleinkindern. Lebensmittel werden aber nur in Ausnahmefällen dafür verantwortlich gemacht. Eine unzureichende Analytik könnte dafür der Grund sein. Fast alle Kinder erkranken bis zu einem Alter von 3 Jahren an einer RotavirusInfektion. Weltweit lösen Rotaviren mehr als 70 % der schweren Durchfallerkrankungen bei Kindern aus. Die Ursache ist eine noch fehlende Immunität gegen die Viren. Im Erwachsenenalter treten die Erkrankungen vor allem als Reisediarrhoe auf. Rotaviren werden besonders durch Schmierinfektionen (fäkal-oral), aber auch durch kontaminiertes Wasser und Lebensmittel übertragen. 2.2.4 Hepatitis E-Virus In der Vergangenheit führten Infektionen mit dem Hepatitis E-Virus (HEV) zu großen Epidemien von akuter Hepatitis in Zentral- und Südostasien, Nord- und Westafrika sowie in Mexiko. In der Regel verläuft die Erkrankung moderat mit einer Letalitätsrate von 0,5 bis 4 %, bei Schwangeren liegt die Letalitätsrate jedoch mit 15 bis 25 % höher. In den industrialisierten Ländern wird die Erkrankung relativ selten diagnostiziert und es handelt sich um Einzelerkrankungen. In Deutschland steigt die Zahl der gemeldeten Fälle in den letzten Jahren kontinuierlich an. 2008 wurden 104 Fälle gemeldet. Die Übertragung erfolgt über den fäkal-oralen Weg, in den Endemiegebieten vor allem durch fäkal verunreinigtes Trinkwasser, aber auch durch kontaminierte Lebensmittel. Mit humanem HEV eng verwandte Erreger (Genotypen 3 und 4) wurden auch in verschiedenen Tierarten wie Schwein, Wildschwein und Sika-Hirsch nachgewiesen, ohne in ihnen jedoch auffällige Erkrankungen auszulösen. Neuere Untersuchungen zeigen auch HEV-ähnliche Viren in Kaninchen und Ratten. Berichte über Hepatitis E-Erkrankungen nach dem Verzehr von ungenügend erhitztem Fleisch von Wildschweinen können für ein zoonotisches Potential von HEV sprechen. In mehreren Ländern Europas und in Deutschland ist das Virus anscheinend in Schweine- und Wildschweinbeständen stark verbreitet. Daten aus 16 Studien zeigen, dass HEV über den Verzehr von Fleisch infizierter Tiere übertragen werden kann. 2.3 Ausschluss von Risiken Zur Vorbeugung gegen Hepatitis A ist eine Impfung von Arbeitern in der Lebensmittelproduktion sinnvoll und wird in vielen Betrieben praktiziert. Zuverlässigen Schutz bietet, insbesondere bei Schalentieren, deren roher Genuss problematisch ist, eine ausreichende Erhitzung der Lebensmittel. Dünsten reicht nicht aus. Kochversuche zeigten, dass Hepatitis A-Viren in Miesmuscheln noch nach 30 min bei 60 °C infektiös waren. Nach dem Öffnen der Schalen sollten Muscheln mindestens fünf Minuten in kochendem Wasser garen. In Trinkwasser oder auf Oberflächen können Viren durch starke Oxidationsmittel (Chlor, Ozon) und UVStrahlung unschädlich gemacht werden. Inaktivierungsmaßnahmen für bakterielle Erreger sind in der Lebensmittelindustrie gut untersucht, für Viren hingegen liegen diesbezüglich relativ wenige Daten vor. Für die Lebensmittelindustrie sind Erkenntnisse über technologische Prozesse, die zur Haltbarmachung von Lebensmitteln angewendet werden, in dem Maße von Interesse, ob sie auch fähig sind, humanpathogene Viren zu inaktivieren. Zu diesen Verfahren gehören z. B. Erhitzung, Kryogenkonservierung und Säuerung. Bisher konnte eine signifikante Reduktion von Noroviren in verschiedenen Lebensmitteln durch Hitzeeinwirkung beobachtet werden. 2.4 Nachweis der Viren Die PCR ist die Standardmethode zum Nachweis von Viren in Lebensmitteln. Mittlerweile wird in vielen Fällen die Real time quantitative PCR vorgezogen. Durch die vielen unterschiedlichen Arten von Lebensmitteln ist jedoch die Extraktion der Nucleinsäuren das eigentliche Problem im Bereich der Lebensmittelvirologie. Es gibt hierfür eine Fülle von unterschiedlichen Methoden, die speziell auf die Ausgangsmatrix zugeschnitten sind. Als erstes Land weltweit hat Deutschland im 17 Rahmen des §64 des LFGB eine amtliche Methode zum Nachweis von Noroviren in Tupferproben durch RT-PCR eingeführt. 3 Quellen http://de.wikipedia.org/wiki/Retroviren http://de.wikipedia.org/wiki/Endogenes_Retrovirus http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensmittel-assoziierte_Viren Lebensmittelbedingte Virusinfektionen, Informationsbroschüre M-V, Mai 2007, Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei MecklenburgVorpommern – LALLF, Landesamt für Gesundheit und Soziales MecklenburgVorpommern – LAGuS Lebensmittel-assoziierte Viren, Tagungsband zum BfR-Symposium am 4. Nov. 2009 in Berlin www.aerzteblatt.de www.aerzteblatt-studieren.de www.bio-pro.de www.dradio.de www.drpabel.de www.harri-deutsch.de www.welt.de 18