Geteiltes Leid ist manchmal doppeltes Leid

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URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170222_Dienstleistung_Fehler.pdf
Geteiltes Leid ist manchmal doppeltes Leid
Wirtschaftswissenschaftler untersuchen, wie Verbraucher
Dienstleistungsfehler wahrnehmen
Foto: Jan-Peter Kasper
Schlechter Service? Wirtschaftswissenschaftler um Prof. Dr. Gianfranco Walsh konnten in einer
Studie zeigen, dass ein und dasselbe Serviceproblem von den Kunden ganz unterschiedlich
wahrgenommen wird, abhängig davon, ob sie alleine oder als Gruppe betroffen sind.
Der Zug hat wieder einmal Verspätung, das Essen im Restaurant ist kalt oder das Frühstücksbuffet
im Hotel bereits abgeräumt, wenn man den Speisesaal betritt - immer wieder kann es im
Dienstleistungssektor zu Pannen kommen. Enttäuschte Kunden kann sich auf Dauer jedoch kein
Dienstleistungsunternehmen leisten. "Für sie steht daher eine zügige Wiedergutmachung der
fehlerhaft erbrachten Leistung im Vordergrund", sagt Gianfranco Walsh, Professor für Marketing
der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ob und wie nachhaltig dies dem Unternehmen gelingt,
hänge dabei jedoch nicht allein von dem zuvor gemachten Fehler ab. "Ein entscheidender Faktor
ist auch, wie der Verbraucher selbst die Panne wahrnimmt."
Geteiltes Leid ist manchmal doppeltes Leid
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Das Team um Prof. Walsh konnte jetzt in einer Studie zeigen, dass ein und dasselbe
Serviceproblem von den Kunden ganz unterschiedlich wahrgenommen wird, abhängig davon, ob
sie alleine oder als Gruppe betroffen sind. "Dienstleistungsfehler, die eine Gruppe von Kunden
betreffen, führen zu größerem Ärger über den Anbieter als individuelle Dienstleistungsfehler",
nennt Arne Albrecht das Ergebnis. Der Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Walsh ist Erstautor der
Studie. "Außerdem sind Kunden nach einem Gruppendienstleistungsfehler eher bereit, vor
Bekannten negativ über den Anbieter zu sprechen und sich bei diesem zu beschweren." Ihre
Ergebnisse haben die Forscher kürzlich im Journal of Service Research veröffentlicht (DOI:
10.1177/1094670516675416).
Wer trägt die Schuld?
Die Autoren der Studie, Arne Albrecht, Prof. Walsh und Prof. Dr. Sharon Beatty von der University
of Alabama (USA), hat dieses Ergebnis zunächst überrascht. "Objektiv betrachtet, sollte es für den
Kunden keinen Unterschied machen, ob das Problem nur ihn selbst oder auch andere Kunden
betrifft. Die Unannehmlichkeiten sind ja in beiden Fällen die gleichen", so Albrecht. Eine mögliche
Erklärung für diesen Umstand sehen die Forscher in verschiedenen Mechanismen der
Schuldzuweisung für die Fehler. "In einer Fehlersituation, in der nicht ganz klar ist, warum der
Fehler aufgetreten ist, verwenden Kunden die anderen Betroffenen als Hinweis dafür, dass der
Anbieter die Schuld für den Fehler trägt", erläutert Prof. Walsh. Wenn keine anderen Kunden
betroffen sind, bestehe bei den Kunden eine größere Unsicherheit, ob sie nicht vielleicht selber
eine Teilschuld an dem Problem tragen. Der Einfluss auf die eigene Wahrnehmung komme jedoch
nicht durch einen aktiven Austausch der Kunden untereinander zustande, sondern lediglich durch
deren bloße Anwesenheit, betont der Marketingexperte.
Die Forscher begründen dieses Ergebnis mit dem sogenannten Konsensus-Effekt. Dieser besagt,
dass Personen die Ursachen für ein Ereignis eher außerhalb des eigenen Einflussbereiches
vermuten, wenn andere Menschen ebenfalls von dem Ereignis betroffen sind. Wie die
Wirtschaftswissenschaftler in einem zweiten Schritt zeigen konnten, ist dieser Effekt selbst in
Situationen zu beobachten, in denen es klare, objektive Hinweise dafür gibt, dass der Kunde selber
für den Dienstleistungsfehler verantwortlich ist, etwa wenn sich dieser beispielsweise nicht an die
Öffnungszeiten hält.
Die Ergebnisse ihres Forschungsprojektes, so die Autoren, legen Dienstleistungsunternehmen
nahe, ein besonderes Augenmerk auf Situationen zu legen, in denen Gruppendienstleistungsfehler
auftreten können. Prof. Walsh: "Serviceanbieter sollten sich bewusst sein, dass
Gruppendienstleistungsfehler besonders negative Konsequenzen bereithalten. Es gibt allerdings
einige Maßnahmen, die getroffen werden können, um dem Kunden den Eindruck zu nehmen, es
handele sich um einen solchen Gruppenfehler. Es kann beispielsweise sinnvoll sein,
Kundengruppen in kritischen Situationen aufzuteilen, beispielsweise indem eine weitere Kasse
geöffnet wird oder einzelne Kunden individuell angesprochen werden."
Original-Publikation:
Albrecht AK, Walsh G, Beatty S. Perceptions of Group versus Individual Service Failures: Blame
Attribution and Customer Entitlement, Journal of Service Research, DOI:
10.1177/1094670516675416.
Kontakt:
Prof. Dr. Gianfranco Walsh, Arne Albrecht
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena
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Tel.: 03641 / 943110
E-Mail: [email protected], [email protected]
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