Emotionen: empfinden oder vortäuschen?

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VERBÄNDE
– Die Diabetes-Kliniken
Die BVKD-Seiten der Oktober-Ausgabe des Diabetes-Forums wurden von mehreren Autoren gestaltet. In der Expertenfrage analysiert Frau Professor Geiger die Arbeitseinstellung unterschiedlicher Generationen. Große Industrieunternehmen nehmen schon länger Rücksicht darauf, um hochqualifiziertes Personal zu gewinnen oder an die Firma zu binden. In den Kliniken setzen sich diese Erkenntnisse trotz zunehmenden Personalengpässen nur sehr zögerlich durch. Richtiges Personalmanagement kann aber über die
Zukunft eines Krankenhauses entscheiden. Denn ohne qualifizierte und motivierte Mitarbeiter gibt es selbst mit den teuersten Geräten keine zufriedenen und gut behandelten Patienten.
Der zweite Beitrag kommt von Herrn Professor Walsh. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und erforscht, wie Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen in Stresssituationen mit Kunden umgehen. Dies ist mit einigen Abstrichen auch auf den medizinischen Bereich übertragbar. Krankenschwestern sind oft großen Belastungen ausgesetzt und sollten den Patienten trotzdem keine negativen Emotionen zeigen. Professor Walsh beschreibt Strategien, mit diesen Problemen umzugehen. Hier das richtige Verhalten zu
finden, hat großen Einfluß auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und letztendlich auch auf die Qualität der Patientenbetreuung.
Im dritten Beitrag gibt uns Frau Oberin Dipl.-Med.-Päd. Rosmarie Grunert – Leiterin der Krankenpflegeschule des Sophien- und
Hufeland-Klinikums Weimar – einen Einblick in die Ausbildungsinhalte von Krankenpflegeschülerinnen. Wie wird versucht, sie auf
schwierige Situationen im Berufsalltag vorzubereiten? Der Artikel beschreibt, wie den Berufsanfängern Hilfestellung bei der Bewältigung emotionaler Stresssituationen gegeben werden kann.
Um den Bogen von der Betriebswirtschaftslehre wieder zum Diabetes zu schlagen, untersucht der letzte Artikel das Diabetesrisiko
von Schülerinnen der Weimarer Krankenpflegeschule. Herr Dr. Werner hat im Rahmen seiner Dozententätigkeit über mehrere Jahre
FINDRISK-Bögen ausgegeben. In der Auswertung zeigt sich, dass trotz des jugendlichen Alters der Befragten kaum jemand ohne Risiko für dieses Krankheitsbild ist.
Dr. med. Thomas Werner, Dr. med. Johannes Huber
Emotionen: empfinden
oder vortäuschen?
Dienstleistung Krankenschwestern
sollen Patienten zunehmend als Kunden
behandeln. Was hat das für Folgen?
Text: Prof. Dr.
Gianfranco Walsh.
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| Diabetes-Forum 10/2014
© FSU Jena / Kasper
S
chon seit Jahren ist der Dienstleistungssektor der wichtigste Wirtschaftszweig. Mehr als
70 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
werden in Deutschland mit Dienstleistungen erwirtschaftet und knapp
drei Viertel der Erwerbstätigen arbeiten in Dienstleistungsberufen.
Grundsätzlich lassen sich zwei
Formen von Dienstleistungsberufen unterscheiden: Zum einen sind
es Berufe, in denen Mitarbeiter im
Umgang mit Kunden regelmäßig po-
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Professor Gianfranco Walsh lehrt und
forscht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, einer Volluniversität mit
über 21 000 Studierenden. Gemeinsam
mit seinem Team beschäftigt er sich mit
verschiedenen Aspekten des Dienstleistungsmanagements. Hierzu zählen einerseits Studien, die die Wirkungen des Verhaltens
von Dienstleistungsmitarbeitern auf Kunden
beleuchten. Vor allem der mitarbeiterseitige
Einsatz von authentischen und nicht authentischen Emotionen wird analysiert. Zum anderen untersuchen Professor Walsh und sein Team
negative Auswirkungen von Kunden und deren
Verhalten auf Dienstleistungsmitarbeiter. Dabei
geht es also um Kunden als Problemursache.
Zu diesem Thema liegen bereits Forschungsergebnisse vor, die zeigen, wie unfreundliches
Kundenverhalten zu Stress und Kündigungsabsichten bei Dienstleistungsmitarbeitern führen
kann. In einem anderen Forschungsprojekt geht
Krankenschwestern sind in ihrem
Beruf vielfältigen organisatorischen
und psycho-sozialen Belastungen
ausgesetzt, die z. B. aus engen Arbeitsplänen, Schichtarbeit oder dem
Umgang mit kranken und hilfebedürftigen Menschen erwachsen.
In jüngerer Zeit wird zudem zunehmend erwartet, dass Kranken- Surface Acting
schwestern Patienten als „Kunden“ und Deep Acting
wahrnehmen, die es zufriedenzustellen gilt. Ebenso wie Kunden im In Bezug auf Emotionsarbeit werKaufhaus oder am Schalter der Flug- den zwei Strategien zu ihrer Bewällinie sollen Patienten erwarten kön- tigung unterschieden: das Surface
nen, von freundliActing und das
chem Personal beDeep Acting.
„Der ständige Kundient zu werden.
Beim Surface
denkontakt ist eine
Acting bemühen
Krankenschwespsychische Heraustern sollen also
sich die Mitarbeiter
Emotionsarbeit
um die bewusste
forderung, die zu
leisten, unabhängig
und angemessene
Stress und Erschöpdavon, in welcher
Steuerung ihres mifung führen kann.“
Gemütsverfassung
mischen und gestisie selbst gerade
schen Ausdrucks,
sind. Die neuere Forschung zeigt, während ihre Gefühle davon undass diese Emotionsarbeit zum Teil berührt bleiben. Deshalb wird Surerhebliche Anforderungen an die face Acting auch als Faking bzw.
Mitarbeiter stellt. Die nach außen Täuschung bezeichnet.
gezeigte Emotion kann gänzlich im
Im Unterschied dazu geht es
Widerspruch zu den eigenen Gefüh- beim Deep Acting nicht um das
len stehen, weshalb es zu emotio- Vortäuschen von Gefühlen, sonnaler Dissonanz kommen kann, die dern um tatsächliches Empfinden.
sich nachteilhaft auf die Arbeitsleis- Die Dienstleistungsmitarbeiter vertung und schließlich auf die Kündi- suchen demnach, die erforderlichen
gungsabsicht auswirken kann. Der Gefühle tatsächlich nachzuempfinständige Kundenkontakt ist eine den und in ihrer Arbeit authentisch
psychische Herausforderung, die zu zeigen. Die Schwierigkeit liegt
zu Stress und Erschöpfung und im für Mitarbeiter vor allem darin, die
Extremfall zu krankheitsbedingten notwendigen authentischen EmotiFehlzeiten oder gar der Kündigung onen in einer Interaktionssituation
mit Kunden zu erzeugen. Das situführen kann.
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es um die Frage, ob Kunden die Leistung von
solchen Servicemitarbeitern aus Minderheitengruppen – also mit einer anderen Nationalität,
einem anderen Geschlecht oder einfach aus
einer anderen Gruppe – schlechter beurteilen
als Dienstleistungen, die von Servicemitarbeitern aus der eigenen Gruppe erbracht werden.
ative Erzeugen solcher Emotionen
ist jedoch mit Hilfe entsprechender
Techniken erlernbar. So kann sich
beispielsweise die Krankenschwester einen nörgelnden Patienten einfach als jemanden vorstellen, der
aufgrund einer bevorstehenden
Operation Angst hat und deshalb
Ärger macht.
Welche Strategie Mitarbeiter wie
Krankenschwestern für die Emotionsarbeit wählen, entscheidet in
erheblichem Maße darüber, wie
zufrieden oder unzufrieden sie mit
ihrem Job sind. Wissenschaftliche
Untersuchungen zeigen, dass das
Deep Acting gegenüber dem Surface Acting in der Regel die Arbeitszufriedenheit steigert, während das
Surface Acting die Arbeitszufriedenheit negativ beeinflusst. Solche Forschungsergebnisse können Dienstleistungsunternehmen wie Krankenhäuser für die Weiterbildung
von Mitarbeitern oder bei der Personalrekrutierung (z. B. Screening
nach Bewerbern mit hoher Emotionsarbeitskompetenz) nutzen. So
kann es sich lohnen, die Deep Acting-Kompetenzen von Mitarbeitern
zu stärken, da sich diese positiv auf
die Arbeitszufriedenheit auswirken.
© FSU Jena / Günther
Patienten als Kunden
Der Lehrstuhl für Marketing an der Universität Jena
© FSU Jena / Günther
sitive Emotionen unterdrücken und
negative Emotionen zeigen müssen
(differenzierende Dienstleistungsberufe). Hierzu zählen z. B. Gerichtsvollzieher oder Polizeibeamte. Davon unterschieden werden
Berufe, in denen Mitarbeiter positive Emotionen zeigen und negative
Emotionen unterdrücken müssen
(integrative Dienstleistungsberufe). Zu dieser zweiten Gruppe zählt
u. a. Personal in Gesundheits- und
Krankenpflegeberufen wie Krankenschwestern.
Porträt
– Die Diabetes-Kliniken VERBÄNDE
i
Autor
Prof. Dr.
Gianfranco Walsh
Lehrstuhl für ABWL
und Marketing
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 3
07743 Jena
Tel.: 0 36 41/94 31-10
E-Mail: walsh@
uni-jena.de
Internet: www.
marketing-wiwi.
uni-jena.de/
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