Kapitel 6 Das Modell der freien Elektronen Die physikalischen Eigenschaften eines Festkörpers können weitgehend entweder durch die Gitter-Dynamik oder durch das Verhalten der Elektronen (allg. Ladungsträger) beschrieben werden. Diese sogenannte adiabatische Näherung basiert auf der Tatsache, dass die Dynamik der schweren Kerne beschrieben werden kann als Funktion der Kern-Koordinaten innerhalb eines zeitunabhängigen potenzials. Das elektronische System folgt wegen seiner viel geringeren Masse der Bewegung der Kerne fast instantan. Vom Standpunkt der Elektronen-Dynamik kann man die Bewegung der Kerne als beliebig langsam betrachten und deswegen vernachlässigen. Innerhalb der adiabatischen Näherung kann man die Zustände des elektronischen Systems im statischen potenzial der positiv geladenen periodisch angeordneten Kerne oder Atomrümpfe betrachten. Wechselwirkungen zwischen den sich bewegenden Atomrümpfen und den Elektronen im Kristall werden so vernachlässigt. Die sogenannte Elektron-Phonon-Wechselwirkung kann dann als Störung behandelt werden. Selbst wenn man das Atomgitter nicht berücksichtigt, so bleibt immer noch die Behandlung von 1023 miteinander wechselwirkenden Eletronen in einem statischen periodischen potenzial. Als weitere Vereinfachung betrachtet man daher ein einzelnes Elektron in einem effektiven periodischen und zeitunabhängigen potenzial. Dieses effektive Einteilchen-potenzial entsteht durch die stationären Atomkerne in ihren Gleichgewichtspositionen und durch alle anderen Elektronen. Diese Elektronen schirmen die unklare Ladung zu einem grossen Teil ab und man erhält ein potenzial welches ungefähr wie folgt aussieht: In dieser Ein-Elektronen-Näherung vernachlässigt man die Wechsel-wirkung der Elektronen untereinander, die nicht dargestellt werden können als lokales potenzial eines einzelnen Elektrons. Ein Beispiel sind die Wechselwirkungen, die durch den Austausch zweier Elektronen entstehen. 6.1 Abbildung 6.1: Schematisches Potential eines Festkörpers Das freie Elektronengas in einem Potenzialtopf Zunächst machen wir eine noch gröbere Näherung, indem wir das periodische potenzial des Kristalls vernachlässigen. Die Elektronen werden in einen potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden eingesperrt. Trotz diesen Vereinfachungen beschreibt das Modell einige physikalische Eigenschaften von Festkörpern sehr gut, besonders bei Metallen. Die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen in einem potenzialtopf sieht wie folgt aus: − ̵2 h ∇2 ψ(r) + V (r)ψ(r) = E ′ ψ(r) 2m wobei das Potenzial V (r) gegeben ist durch V (x, y, z) = { V0 =const 0 6.1 für 0 ≤ x, y, z ≤ L sonst 6.1. Das freie Elektronengas in einem Potenzialtopf Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen Mit der Normierung E = E ′ − V0 ergibt sich − ̵2 h ∇2 ψ(r) = Eψ(r) 2m Da die Elektronen wegen der unendlich hohen Wände bei x, y, z = 0 und x, y, z = L den Kristall nicht verlassen können, gibt es sogenannte feste Randbedingungen. ψ=0 für ⎧ x=0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ y=0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ z=0 und x = L; y, z und y = L; x, z und z = L; x, y beliebig beliebig beliebig Da sich das Elektron irgendwo im Potenzialtopf aufhalten muss, gilt die Normierungsbedingung ∗ ∫ drψ (r)ψ(r) = 1 Topf Die Lösungen der Schrödinger-Gleichung mit den festen Randbedingungen sehen wie folgt aus: 3 2 2 ψ(r) = ( ) sin(kx x) sin(kx y) sin(kx z) L Die erlaubten Energiewerte: ̵2 h (k 2 + ky2 + kz2 ) 2m x Die Energien sind diejenigen eines freien Elektrons. ̵ de Broglie-Beziehung: p = hk E= wobei die Bedingung ψ(x, y, z = L) = 0 zu den folgenden Einschränkungen für die Wellenvektoren kx , ky , kz führt: kx = π nx L ky = π ny L kz = π nz L nx , ny , nz = 1, 2, 3, ... Lösungen mit nx , ny , nz = 0 können nicht über das Volumen eines Topfes normiert werden. Negative Wellenvektoren führen nicht zu linear unabhängigen Lösungen. Die möglichen Zustände eines Elektrons in einem drei-dimensionalen Potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden können durch ihre drei Quantenzahlen charakterisiert werden. Eine Darstellung der erlaubten Zustände in einem drei-dimensionalen Wellenvektor-Raum führt zu Flächen konstanter Energie, ̵ 2 k2 die durch E = h2m = konst. beschrieben werden, d.h. Kugeloberflächen. Für die hier diskutierten festen Randbedingungen sind die möglichen k-Werte auf einen Teil des gesamten k−Raums 3 beschränkt. Jeder Zustand entspricht einem Volumen im k-Raum Vk = ( Lπ ) . Für makroskopische Dimensionen L im Ortsraum kann man die Zustände wieder als quasi-kontinuierlich betrachten, so dass man für viele Anwendungen die Summe über den k-Raum durch ein Integral ersetzen kann. Wie im Falle der Phononen kann man auch für freie Elektronen in einem Kasten eine Zustandsdichte berechnen. Wir betrachten das Volumen einer Kugelschale zwischen den Flächen konstanter Energie E(k) und E(k) + dE, nehmen einen Achtel davon (nur positive Werte von kx , ky , kz ) und dividieren das Ergebnis durch das Volumen eines einzel3 ̵ 2k (2m) 2 √ h nen Zustands dz ′ = 18 4πk 2 ( dk dk folgt dz = EdE (pro Einheitsvolumen). π 3 mit dE = 2 3 ̵ m ) 4π h L Ohne externes Magnetfeld ist jedes Energie-Niveau zusätzlich spin-entartet. Damit erhält man für die Zustandsdichte D(E) = dz/dE eines freien Elektrons in einem Potenzialtopf mit unendlich hohen Wänden. 3 (2m) 2 √ D(E) = ̵3 E 2π 2 h Man erhält dasselbe Ergebnis für die Zustandsdichte, wenn man periodische Randbedingungen benutzt. 6.2 6.2. Das Fermi-Gas bei T = 0 K Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen D(E) D(E‘) dE!"" !"#$"%&'"!()*+,%&"-'." /,&'01&1,*&'2"$$"%/"-'." 3.$(4&,&$&4&,*"564789 E E‘+dE E‘ Abbildung 6.2: Zustandsdichte für das 3-dimensionale, freie Elektronengas 6.2 Das Fermi-Gas bei T = 0 K Die Energieverteilung der erlaubten Zustände ist innerhalb der Ein-Elektronen-Näherung durch die Zustandsdichte D(E) bestimmt. Die Zustände müssen so besetzt sein, dass ihre Gesamtenergie der mittleren thermischen Energie des Systems entspricht Eges ∼ Uth Die temperaturabhängige Besetzungswahrscheinlichkeit f (T, E), die die Verteilung der verfügbaren Elektronen bestimmt, muss folgender Beziehung genügen: ∞ n = ∫ D(E)f (T, E)dE 0 n: Gesamtzahl der e− D(E): Zustandsdichte f (T, E): Verteilungsfunktion Für ein Gas von klassischen Teilchen wäre diese Verteilungsfunktion f (T, E) die bekannte Boltzmann-Verteilung. Sie verlangt, dass bei tiefen Temperaturen T → 0 alle Elektronen die energetisch tiefsten Zustände besetzen. Für Fermionen, also Teilchen mit halbzahligen Spin wie Elektronen, gilt das Pauli-Prinzip. Dies bedeutet, dass keine zwei Elektronen in allen Quantenzahlen übereinstimmen können. Im Limes T → 0 besetzen die Elektronen also sukzessive ein Energieniveau nach dem anderen, angefangen vom untersten bis zu einer oberen Grenze. Diese begrenzende Energie, die bei T → 0 die besetzten von den unbesetzten Zuständen trennt, heisst Fermi-Energie EF0 bei T = 0. Im Modell ̵ 2 k2 h freier Elektronen in einem Potentialtopf entspricht diese Energie der sphärischen Fläche EF0 (kF ) = 2mF im k-Raum mit dem Fermi-Wellenvektor kF als Radius Die Besetzungswahrscheinlichkeit für Elektronen in einem Potentialtopf bei T = 0 ist eine Stufenfunktion mit (siehe Abb. 6.3) f = 1 für E < EF0 und f = 0 für E > EF0 Die sphärische Form der Fermi-Fläche EF0 (kF ) bei T → 0K führt zu einer transparenten Beziehung zwischen der 6.3 6.3. Fermi-Statistik Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen Abbildung 6.3: Besetzungswahrscheinlichkeit und die Zustandsdichte für ein freies Elektronengas Elektronendichte und dem Fermiradius kF oder der Fermienergie EF0 : 3 nL = 3 4πkF 3 3 ( 2π ) L 2⋅ = L3 kF3 3π 2 ̵2 2 h ⋅ (3π 2 n) 3 2m Die Fermi-Energie kann also abgeschätzt werden, indem man die Zahl der Valenzelektronen pro Atom bestimmt, um die Elektronen-Konzentration n zu berechnen. Hier sind einige Beispiele aufgelistet: EF0 = Fermi-Temperatur: kB TF = EF0 ⇒ TF = EF0 /k ∼ 100 ⋅ Schmelztemperatur rS : charakteristischer Radius einer Kugelfläche im Kristall, die ein Elektron enthält ⇒ a0 =Bohr’scher Radius andere Definition für rS : Verhältnis von Coulomb-Energie zu kinetischer Energie. 4π 3 3 rS = 1 1 a30 n Im Gegensatz zu einem klassischen Gas hat ein Fermi-Gas eine nichtverschwindende innere Energie bei T = 0K. Die innere Energie U eines Systems ist der durchschnittliche Wert der Energie aller Zustände: 0 EF 3 U = ∫ D(E) ⋅ E ⋅ dE = nEF0 Energie pro Volumen 5 Da TF >> Texp. für die meisten Fälle, können die Leitungselektronen in einem Metall in der T = 0-Beschreibung behandelt werden. 6.3 Fermi-Statistik Bisher haben wir ein Elektronengas bei T = 0 betrachtet. Wie verhält sich ein solches System bei endlichen Temperaturen? Wie sieht die Verteilungsfunktion f (E, T ) aus? Dies ist ein thermodynamisches Problem, da es um die 6.4 Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen 6.3. Fermi-Statistik Verteilung der Zustände geht, die miteinander im Gleichgewicht sind. Wir betrachten ein atomares System mit EinTeilchen-Energieniveaus Ej . Die Energieniveaus liegen sehr dicht beieinander wie bei einem Festkörper. Wir können daher neue Energieniveaus Ei betrachten, wobei jedes Ei aus mehreren Ej besteht. Die Entartung dieser neuen Niveaus sei gi und ihre Besetzungszahl ni , wobei gi und ni grosse Zahlen sind (siehe Abb. 6.4). Abbildung 6.4: Veranschaulichung der Besetzungszahl ni und der Entartung gi Aus der Thermodynamik wissen wir, welche Bedingungen das System erfüllen muss, um im Gleichgewicht zu sein. Die freie Energie F des gesamten Systems muss bezüglich einer Veränderung der relativen Besetzungszahlen der Niveaus stationär sein. ∂F δF = ∑ δni = 0 i ∂ni Erhaltung der Teilchenzahl: ∑ δni = 0 i Betrachten wir den Austausch von Elektronen zwischen zwei beliebigen Niveaus k und l. Die Gleichgewichtsbedingung bedeutet ∂F ∂F ∂nK δnK + ∂ne ne = 0 δnK + δne = 0 ⇒ ∂F ∂nK = ∂F ∂ne ∂F Da die beiden Energieniveaus zufällig ausgesucht wurden, müssen im Gleichgewicht alle ∂n gleich sein. Wir bei ∂F zeichnen diese Grösse durch eine neue Konstante µ, die das chemische Potential der Elektronen beschreibt µ = ∂n k Wir berechnen nun die freie Energie des Elektronen-Systems. Aus der Thermodynamik wissen wir F = U − T S U : innere Energie U = ∑ ni Ei i S: Entropie S = kB ln P P : Zahl der möglichen Verteilungen der Elektronen unter die Zustände Die Zahl der Möglichkeiten, um ein Elektron im Niveau Ei unterzubringen, ist gi . Für ein zweites Elektron ebenfalls i! Möglichkeiten, im Niveau Ei gibt es (gi − 1)-Möglichkeiten. Damit gibt es gi (gi − 1)(gi − 2)...(gi − ni + 1) = (gig−n)! ni Elektronen auf bestimmten Positionen innerhalb des Energieniveaus Ei unterzubringen. Die Umordnungen von 6.5 6.3. Fermi-Statistik Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen zwei Elektronen innerhalb eines Energieniveaus können nicht voneinander unterschieden werden. Da es n! solcher Möglichkeiten gibt, ist die gesamte Zahl der unterscheidbaren Möglichkeiten, um ni Elektronen im Energieniveau Ei unterzubringen: gi ! ni !(gi − ni )! Die Zahl der Wege P, um das gesamte System zu realisieren, ist dann das Produkt über alle Möglichkeiten, um jedes Niveau zu besetzen: gi ! P =∏ n !(g i i − ni )! i Damit folgt für die Entropie S = k ∑[ln gi ! − ln ni ! − ln(gi − ni )!] i Stirling’sche Formel: ln n! ∼ n ln n - n (für n gross) Damit folgt für das chemische Potential, d.h. die Ableitung der freien Energie nach der Besetzungszahl eines beliebigen Niveaus i: ni ∂F µ= = Ei + kB T ln ∂nK gi − ni Besetzungszahl: 1 ni = gi e Ei −µ kT +1 Fermi-Dirac Verteilungsfunktion: 1 f (E, T ) = e Ei −µ kT +1 Diese Verteilung beschreibt die Besetzung von Zuständen durch Fermionen. Sie garantiert, dass das Pauli-Prinzip nicht verletzt wird. Im Limes T = 0 versteht man die Bedeutung des chemischen Potentials µ in der Fermi-Verteilung. Bei T = 0 wird die Fermi-Verteilung zur Stufenfunktion. f(E) ~ 2 kBT T=0 1 T>0 0 E µ T = 0 ⇒ f (E) = { 1 für E < µ 0 für E > µ ⇒ µ(T = 0) = EF0 Deshalb spricht man oft vom "Fermi-Niveau“ anstelle des chemischen Potentials. Man muss jedoch beachten, dass die Fermi-Energie eine temperaturabhängige Grösse ist. Bei höheren Temperaturen wird die scharfe Stufe der Fermiverteilung abgerundet. Die Zustände unterhalb EF haben eine endliche Wahrscheinlichkeit, nicht besetzt zu sein, 6.6 Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen 6.4. Spezifische Wärme von Leitungselektronen wobei gleichzeitig Zustände oberhalb EF besetzt sein können. Die Breite des Energiebereichs, über der die FermiVerteilung signifikant von einer Stufenfunktion abweicht, ist von der Grössenordnung 2kB T . Mit Erhöhung der Temperatur gewinnt zunächst nur ein kleiner Teil der Elektronen an Energie. Dies hat wichtige Konsequenzen z.B. für die spezifische Wärme des Elektronengases. Für die Besetzungswahrscheinlichkeit im Energie- oder Temperaturbereich ∣E − EF ∣ >> 2kB T benutzt man eine Näherung der Fermi-Verteilung. Für Metalle kann f(E,T) oft als Stufenfunktion beschrieben werden, da TF >> 300K. Für Halbleiter mit E > EF kann die Fermi-Verteilung gut durch eine klassische Boltzmann-Funktion angenähert werden: f (E, T ) ∼ e 6.4 EF −E kB T Spezifische Wärme von Leitungselektronen Mit dem Modell des Potentialtopfes für die Leitungselektronen eines Metalls erhält man eine einfache Beschreibung für die spezifische Wärme CV der Elektronen. Von einem klassischen Standpunkt aus erwartet man für eine typische Elektronenkonzentration von n = 1022 cm−3 aufgrund des Gleichverteilungssatzes C = 3nk/2, zumindest bei hohen Temperaturen. Experimente an einfachen Metallen ergeben jedoch keine Abweichungen vom Dulong-Petit-schen Wert, das heisst der Wärmekapazität aufgrund von phononischen Beiträgen. Mit der Quantenmechanik kann man diese Diskrepanz erklären. Elektronen können im Gegensatz zu einem klassischen Gas nur Energie gewinnen, wenn sie sich in freie Zustände in ihrer energetischen Nachbarschaft bewegen. Die Zahl solcher Elektronen ist ausgedrückt 1 durch die totale Elektronendichte n nur ungefähr 100 . Der ausgeschmierte Bereich der Fermi-Verteilung hat eine Breite von ungefähr 4kB T . Nach dem Pauli-Prinzip können daher nur ca. 4kB T /EF der freien Elektronen thermische Energie absorbieren (siehe Abb. 6.5). Die Energie pro Elektron ist ungefähr kB T . Damit ist die Gesamtenergie der thermisch angeregten Elektronen ungefähr U∼ 4(kB T )2 n EF Mit TF = EF /kB (Fermi-Temperatur) erhält man für die spezifische Wärme ∂U 8kB T ∼ n ∂T TF CV = Die Fermi-Temperatur ist bei gewöhnlichen Metallen von der Grössenordnung T ∼ 105 K. Deswegen ist der Beitrag der Leitungselektronen zur spezifischen Wärme ∼ T /TF verschwindend klein. Im Folgenden berechnen wir den elektronischen Beitrag zur spezifischen Wärme exakt. Durch das Aufheizen des fermionischen Elektronengases von T=0 auf eine endliche Temperatur T erhöht sich die innere Energie pro Einheitsvolumen durch den Energiebetrag U . +∞ U (T ) = ∫ 0 EF dE ⋅ E ⋅ D(E) ⋅ f (E, T ) − ∫ dE ⋅ E ⋅ D(E) 0 ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶ innere Energie bei T=0 Weiterhin wissen wir, dass ∞ EF ⋅ n = EF ⋅ ∫ dE ⋅ D(E) ⋅ f (E, T ) 0 n: Konzentration aller Elektronen Wärmekapazität: CV = 0= ∞ ∂U ∂f = ∫ E ⋅ D(E) (E, T ) ⋅ dE ∂T ∂T 0 ∞ ∂ ∂n ∂f (EF ⋅ n) = EF = ∫ EF ⋅ D(E) ⋅ ⋅ dE ∂T ∂T ∂T 0 6.7 6.4. Spezifische Wärme von Leitungselektronen Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen E EF 2 kT D(E) ! f(E,T) D(EF) Abbildung 6.5: Die Zustandsdichte mal Besetzungsfunktion zeigt die Dichte aller Elektronen Durch Subtraktion der beiden Gleichungen erhält man CV = ∞ ∂f ∂U = ∫ dE(E − EF ) ⋅ D(E) ∂T ∂E 0 ∂f Die Funktion ∂E ist nur im ausgeschmierten Bereich um ±2kT um EF verschieden von Null. Die Zustandsdichte D(E) verändert sich in diesem Energiebereich nur sehr wenig und kann durch D(EF ) angenähert werden. ∞ ⇒ CV ≈ D(EF ) ∫ wobei Mit der Abkürzung x = 0 dE(E − EF ) ⋅ ∂f ∂T e(E−EF )/kB T ∂f E − EF = ∂T kB T 2 (e(E−EF )/kB T + 1)2 E−EF kB T ∞ 2 x e 2 erhält man CV ≈ kB T D(EF ) ∫−EF /kB T dx (exx +1) 2 Da der Term ex für x > −EF /kB T verschwindend klein wird, kann die untere Integrationsgrenze nach −∞ ausgedehnt werden. ∞ x2 e x π2 dx = ∫ (ex + 1)2 3 −∞ Damit ergibt sich für die spezifische Wärmekapazität eines freien Elektronengases CV ≈ π2 2 D(EF )kB ⋅T 3 Bis jetzt haben wir noch keine konkrete Annahme über die explizite Form der Zustandsdichte D(E) gemacht. Die Gleichung ist also auch gültig, falls die Zustandsdichte von derjenigen eines freien Elektronengases abweicht, was für die meisten Fälle zutrifft. Für Metalle wird daher die Bestimmung der elektronischen Wärmekapazität dazu benutzt, die Zustandsdichte an der Fermi-Energie zu bestimmen. Für den Fall eines freien Elektronengases wird D(EF ) durch die Elektronenkonzentration n ausgedrückt. Für Metalle 6.8 Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen 6.5. Elektrostatische Abschirmung in einem Fermi-Gas mit T << TF folgt: √ n=∫ 0 EF D(E)dE mit D(E) = D(EF ) E EF 2 π2 kB T π 2 T ⇒ n = D(EF )EF ⇒ CV = nkB = n ⋅ kB 3 2 EF 2 TF (exakte Rechnung: Vorfaktor π2 2 , Abschätzung: Vorfaktor 8) Die Vorhersage der linearen Temperatur-Abhängigkeit ist experimentell gut bestätigt. Für tiefe Temperaturen, bei denen phononische Beiträge zu CV dem Debye-schen T 3 -Gesetz genügen, folgt Elektron Phonon CV = γT + βT 3 γ, β = konst CV/T !"#$%&'$( T2 Abbildung 6.6: Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen. Der y-Achsenabschnitt zeigt den elektronischen Anteil auf. Die Abweichungen vom Modell des freien Elektronengases sind für einige Metalle besonders gross, falls verschiedene elektronische Bänder (s und d) zur Zustandsdichte an der Fermienergie beitragen. 6.5 Elektrostatische Abschirmung in einem Fermi-Gas ⇒Mott-Übergang Die Fermi-Energie ist eine thermodynamische Zustandsgrösse. Deswegen muss EF überall im Kristall bei derselben 6.9 6.5. Elektrostatische Abschirmung in einem Fermi-Gas Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen Energie sein. Dies gilt auch bei einem gestörten Kristallgitter, z.B. bei Punktdefekten. Wie muss sich also die Elektronenverteilung bei einer kleinen Störung des Potentials umarrangieren, damit das Fermi-Niveau räumlich konstant bleibt? Falls eine elektrische Ladung in ein Metall eingebracht wird, z.B. durch eine geladene Störstelle, so gibt es in der Nähe dieser Ladung eine Störung in der ansonsten homogenen Elektronenverteilung, die das elektrische Feld der Ladung kompensiert oder abschirmt. Eine lokale Potentialstörung δU << EF hebt die lokale Zustandsdichte-Parabel D(E) um eδU (Siehe Abb. 6.7). E E e!n EF n‘ n e!U D(E) D(E) Abbildung 6.7: Eine lokale Ladung hebt oder senkt die Zustandsdichte-Parabel lokal an. Für kleine Änderungen δU ergibt sich die Anpassung in der Elektronenkonzentration durch die Zustandsdichte δn(r) = ∂n(r) δU (r) = D(EF )∣e∣δU (r) ∂U Lässt man die Gebiete direkt in der Nähe der störenden Ladung ausser Betracht, so kann man annehmen, dass δU (r) durch die induzierte Raumladung erzeugt wird. Deshalb ist δn(r) mit δU über die Poisson-Gleichung verknüpft. ∇2 δU = e e2 δn = D(EF )δU 0 0 0 : Dielektrizitätskonstante Benutze λ2 = e2 D(EF )/δU Obige Differentialgleichung für das Abschirmpotential hat in sphärischen Koordinaten ∂2 αe−λr ∇2 = 1r ∂r im Bereich λr >> 1. 2 die nichttriviale Lösung δU (r) = r Die Symmetrie eines Punktdefekts wird vernünftigerweise in sphärischen Koordinaten beschrieben. Für eine Punktladung e erhält man e α= 4π0 da die Abschirmeffekte für λ → 0 verschwinden müssen und man das√ Coulomb-Potential einer Punktladung erhält. Die Grösse rT F = λ1 heisst die Thomas-Fermi-Abschirmlänge rT F = Für den Spezialfall eines freien Elektronengases erhält man mit D(EF ) = EF = ̵2 h 3 n 2 EF 2 2m (3π ⇒ D(EF ) = 2 n) 3 1 1 2m 2 ̵ 2 (3π n) 3 2π 2 h Benutzt man das Potentialtopf-Modell, so findet man 1 2 rT F = λ2 = 1 me2 2 ̵ 2 0 (3π n) 3 π2 h 1 1 = π4 (3π 2 ) 3 na03 6.10 e2 D(EF ) 0 Kapitel 6. Das Modell der freien Elektronen 6.5. Elektrostatische Abschirmung in einem Fermi-Gas r/rTF 1 ~ e"r / rTF r 1 r ~ ! ! !(r) Abbildung 6.8: In einem Festkörper wir ein Coulombpotential stärker als 1/r abgeschirmt. mit a0 = ⇒ 1 rT F ̵ 2 0 4π h me2 ≈2 1 n6 1 a02 Bohr Radius (siehe Wasserstoff-Modell) ⇒ rT F ∼ 0.5 ⋅ ( an3 ) − 16 0 Kupfer: n = 8.5 ⋅ 1022 cm−3 ⇒ rT F = 0.55 Å Oberhalb einer kritischen Elektronendichte nc wird die Abschirmlänge so klein, dass die Elektronen nicht länger in einem gebundenen Zustand sind. Unterhalb dieser kritischen Elektronendichte ist das abgeschirmte Potential-Minimum tief genug, damit ein gebundener Zustand existieren kann. Das Elektron ist dann lokalisiert in einer kovalenten oder ionischen Bindung. Solche lokalisierte Zustände entsprechen per Definition isolierenden Eigenschaften, bei denen die höchsten besetzten Zustände eine lokalisierte Bindung eingehen. In einem einfachen Modell wird ein gebundener Zustand in einem abgeschirmten Potential dann möglich, wenn die Abschirm-Länge viel grösser ist als der Bohr’sche Radius. Dies bedeutet, dass der Potentialtopf eines anziehenden Zentrums weit genug ist, um ein Elektron zu binden. rT2 F ≈ 1 a0 4 n 13 >> a20 ⇒ n− 3 >> 4a0 1 Diese Abschätzung, die erstmals von Mott vorgeschlagen wurde, sagt voraus, dass ein Festkörper sein metallisches 1 Verhalten verliert, wenn der mittlere Elektronenabstand n− 3 grösser wird als 4 Bohr-Radien. 6.11