Eine Themenzeitung von Mediaplanet dezember 2010 · 15 news Gehirn ist ein Leben lang formbar ■■Frage: Ist das Gehirn eines Tages an dem Punkt angekommen, dass es sich nicht mehr weiterent­ wickelt? ■■Antwort: Nein, auch im Alter ist es durch Training noch formbar. «Unser Gehirn kann man sich wie Knetmasse vorstellen. Durch jede Erfahrung wird die Masse geformt»,erklärt Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich. Unter Plastizität versteht man die Fähigkeit des Gehirns, sich ständig an veränderte Bedingungen anzupassen. Das Ausmass der Veränderung hängt entscheidend davon ab, wie stark das Gehirn benutzt wird. Auch das erwachsene Gehirn ist flexibel und es können neue Verbindungen und vielfältige Veränderungen an den Nervenzellen entstehen. Studien zeigen, dass sich durch stetige Übung über einen gewissen Zeitraum die jeweiligen Hirngebiete anpassen.Veränderungen im Gehirn treten also in Abhängigkeit von der Nutzung ein: Use it or lose it. Individuelles Netzwerk Jäncke betont: «Bei der Geburt ist unser Gehirn mit cirka 100 Milliarden Nervenzellen ausgestattet und dennoch ist es noch lange nicht ausgereift.» Stellen wir uns ein neugeborenes Baby vor – es schläft, atmet, hat Durst und Hunger. Bei ihm funktionieren, trotz der vielen Milliarden Nervenzellen, nur die zum Überleben entscheidenden Basisfunktionen. Damit sich nun diese Nerven- die Intelligenz? Wahrscheinlich eher nicht. Eins ist jedenfalls sicher: Es hinterlässt sichtbare Spuren im Gehirn. Unter anderem haben die Studien ergeben, dass Musizieren die Sprachfertigkeiten fördert. Die Kinder können sich besser ausdrücken und haben einen grösseren Wortschatz. Lutz Jäncke erklärt es so: «Unser Gehirn ist ein Netzwerk und sobald bestimmte Areale regelmässig trainiert werden, wirkt sich das auch auf andere Areale aus.» Studien zeigen, dass auch Erwachsene durch das Erlernen und regelmässiges Praktizieren eines Musikinstrumentes noch Einfluss auf ihr Gehirn nehmen – «auch im Alter», ergänzt Jäncke.«Denn unser Gehirn ist ein Leben lang formbar.» Es muss nur mit den richtigen Inputs versorgt werden. gedächtnis aktiv gehalten wird. Das ist wichtig für die langfristige Speicherung der Information. Auf Stress reagiert unser Körper sofort, in dem sich etwa Herzschlag und Blutdruck erhöhen. Die Nebennierenrinde schüttet das Hormon Cortisol aus und über den Blutkreislauf gelangt dieses Hormon ins Gehirn. Dort wirkt es auf unser Gedächtnis. Was wir unter Stress lernen, werden wir nie wieder vergessen. Sind wir hingegen chronischem Stress ausgesetzt, dann verändert sich die Wirkung des Cortisols: Es schädigt das Langzeitgedächtnis. Anna Birkenmeier Lutz Jäncke ist seit 2002 Ordinarius für Neuropsychologie an der Universität Zürich foto: zvg zellen untereinander verbinden und durch elektrische Signale miteinander kommunizieren, braucht es vor allem äussere Reize. Deshalb fängt das Baby bald an, seine Umgebung neugierig zu erkunden. Nach und nach vernetzen sich alle Bereiche des Gehirns und im Alter von vier Jahren bestehen die meisten Verknüpfungen – doch nicht alle werden erhalten bleiben. Denn die Plastizität des Gehirns ist gross, ständig entstehen neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen und entwickeln ein ganz individuelles, komplexes Netzwerk. Verbindungen, die nicht genutzt werden, werden im Gehirn wieder abgebaut. Am Ende bleiben nur die übrig, die tatsächlich immer wieder gebraucht werden. Hirnregionen verändern sich Die vorhandenen Verbindungen können durch Übung verstärkt werden. «Die Hirngebiete die immer wieder trainiert werden, etwa beim Jonglieren, verändern sich. Sogar bei Menschen, die regelmässig meditieren, zeigen sich Veränderungen in den jeweiligen Hirnregionen», erklärt Jäncke. Wie formbar und lernfähig ist also das menschliche Gehirn? An der Harvard Universität in Boston läuft eine Langzeitstudie mit Kindern, die ein Instrument spielen und täglich üben. Fördert das Musizieren vielleicht auch [email protected] Hochbetrieb im Gehirn Ähnlich läuft es mit unserem Gedächtnis – wir können es trainieren. Zwar wird in dem Moment, wenn wir etwas zum ersten Mal sehen, entschieden, ob wir uns später daran erinnern werden. Doch darauf können wir mit gezielten Übungen Einfluss nehmen. In dem Moment des ersten Sehens herrscht in unserem Gehirn Hochbetrieb, es werden sogenannte Neurotransmitter freigesetzt.Einer davon,Dopamin,spielt dabei eine entscheidende Rolle.Synapsen schütten verschiedene Neurotransmitter aus, damit Informationen zwischen den Nervenzellen weitergeleitet werden.Dopamin ist dafür verantwortlich, dass eine neue Information mehrere Sekunden lang im Arbeits- PORTRAIT ■■ Lutz Jäncke ist seit 2002 Ordinarius für Neuropsychologie an der Universität Zürich. Lutz Jäncke hat über 200 wissenschaftliche Arbeiten in peer-reviewed Zeitschriften verfasst. ■■ Seine wissenschaftlichen Arbeiten zählen zu dem einen Prozent der am häufigsten zitierten Arbeiten weltweit. Er arbeitet im Bereich der funktionellen Neuroanatomie und hier insbesondere im Bereich der kortikalen Plastizität im Zusammenhang mit dem Lernen. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Forschung ist die Erforschung der neuronalen Grundlagen der Musikverarbeitung. Anzeige Epilepsie ist kein Stillstand. 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