Köln-Zyklus der Wiener Philharmoniker 1 Wiener Philharmoniker Herbert Blomstedt Mittwoch 28. Oktober 2015 20:00 Zum 50. Mal in der Kölner Philharmonie Bitte beachten Sie: Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses Franz Sauer aus. Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Mobiltelefone, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese unbedingt zur Vermeidung akustischer Störungen aus. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen. Bitte warten Sie den Schlussapplaus ab, bevor Sie den Konzertsaal verlassen. Es ist eine schöne und respektvolle Geste gegenüber den Künstlern und den anderen Gästen. Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihr Bild möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt oder veröffentlicht wird. Köln-Zyklus der Wiener Philharmoniker 1 Wiener Philharmoniker Herbert Blomstedt Dirigent Mittwoch 28. Oktober 2015 20:00 Pause gegen 20:30 Ende gegen 21:40 KölnMusik gemeinsam mit der Westdeutschen Konzertdirektion Köln PROGRAMM Ludwig van Beethoven 1770 – 1827 Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 (1811 – 12) Allegro vivace e con brio Allegretto scherzando Tempo di Menuetto Allegro vivace Pause Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 (1811 – 12) Poco sostenuto – Vivace Allegretto Presto Allegro con brio 2 ZU DEN WERKEN Zusammengefasst, energisch, innig »Zusammengefasster, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut wie er gegen die Welt wunderlich stehn muss.« Bezeichnende Worte über den 41-jährigen Ludwig van Beethoven (1770 – 1827), der gerade seine siebte Sinfonie vollendet hatte und sich mitten in der der Arbeit an der achten befand. Worte, die im Übrigen auch als treffliche Charakterisierung seiner Musik zu lesen wären. Johann Wolfgang von Goethe schrieb sie am 19. Juli 1812 an seine Frau Christiane. An diesem Tag hatten der große Dichter und der große Komponist einander im Kurort Teplice (Teplitz) kennengelernt. Von den böhmischen Bädern versprach sich Beethoven eine Linderung seines zunehmenden Gehörleidens. Sein gegenwärtiges Liebesleid schien er am Ende für sich behalten zu haben. Den in Sehnsucht sich verzehrenden, unmittelbar nach seiner Ankunft in Teplice verfassten Brief an eine »unsterbliche Geliebte« fand man im Nachlass. Beethoven sandte ihn wohl nie ab. Im mondänen Teplice war in diesem Sommer 1812 auch sonst zu Gast, was Rang und Namen hatte. Sogar das österreichische Kaiserpaar gab sich die Ehre. Zu besprechen gab es, wie immer auf dem politischen Parkett, wohl viel. Schließlich war Napoleon mit seiner Armee – für die neben den Rheinbundstaaten auch Preußen und Österreich Kontingente zu stellen hatte – gerade gegen Russland gezogen. Am Tag, an dem Beethoven in Teplice eintraf, am 5. Juli, kam es kurz vor Minsk zum ersten Artillerieduell zwischen russischen und französischen Truppen. Zwei Jahre zuvor hatte Österreichs Kaiser Franz I. seine Tochter Marie-Louise an Napoleon verheiratet, nachdem dieser 1805 und 1809 das österreichische Heer besiegt hatte und in Wien einmarschiert war. Napoleon, dem man in Hinblick auf seine Selbstherrlichkeit und seinen aggressiven Imperialismus Verrat an der Sache der Französischen Revolution vorwerfen mochte, blieb dabei für viele in Europa die Verkörperung einer Fesseln sprengenden Idee. »Außerordentliche Menschen, wie Napoleon, treten aus der Moralität heraus«, hatte Goethe im Jahr 1807 festgestellt: »Sie wirken zuletzt wie physische Ursachen, wie Feuer und Wasser.« 3 Auch Ludwig van Beethoven arbeitete sich zeitlebens, stets schwankend zwischen Bewunderung und Bitternis, an der Gestalt Napoleons ab. Wahrscheinlich war ihm, Goethe ähnlich, die »unaufhebbare Dialektik von Revolution und Terror, Revolutionskrieg und Imperialismus, Tugendherrschaft und Tyrannis« (Carl Dahlhaus) auch zunehmend bewusst. Nach Napoleons Entschluss, sich zum Kaiser der Franzosen krönen zu lassen, blieb, entgegen der weitverbreiteten Legende, Beethovens heroische dritte Sinfonie zumindest eine Würdigung der von Napoleon verkörperten Entschlossenheit. Das Titelblatt des Partiturautografen der Eroica mochte der Komponist, wie sein Schüler Ries berichtete, zwar wütend zerrissen haben. Auch auf der verbindlichen Kopistenhandschrift ist das ursprüngliche »Intitula Bonaparte« heftig ausradiert. Darunter jedoch findet sich Beethovens eigenhändiger, nachträglicher Bleistiftzusatz »geschrieben auf Bonaparte«. Und ein Vierteljahr nach Beethovens glaubhaft überliefertem Zornausbruch teilte er dem Verlag Breitkopf & Härtel mit: »die Simphonie ist eigentlich betitelt Ponaparte.« Impulse der Revolution 1809 ging Beethoven deutlich auf Distanz zu seinem schattenhaften Idol. Da hatte, nachdem Frankreich von Österreich der Krieg erklärt worden war, Napoleon zum zweiten Mal und diesmal mit spürbarer Gewalt, Wien besetzt. Und dennoch: »Napoleons Größe beschäftigte ihn [Beethoven] ungemein«, so berichtete der napoleonische Staatsrat Baron de Trémont, »und er sprach oft mit mir darüber. Obwohl er ihm nicht wohlgesinnt war, merkte ich, dass er sein Emporsteigen aus niedriger Stellung bewunderte. Das schmeichelte seinen demokratischen Ideen.« 1810 notierte Beethoven im Hinblick auf seine C-Dur-Messe: »Die Messe könnte vielleicht noch dem Napoleon dezidiert werden.« Als ihn viel später, 1821, die Nachricht von Napoleons Tod erreichte, hörte man Beethoven sagen: »Ich habe zu dieser Katastrophe bereits die passende Musik komponiert.« Und laut Carl Czerny äußerte sich Beethoven im Jahr 1824: »Napoleon: Ich habe ihn früher nicht leiden können. Jetzt denke ich ganz anders.« Das widersprüchliche Für und Wider 4 kam dem »Mythos Napoleon« möglicherweise ziemlich nahe. »Überhaupt ist es mir angenehm«, gestand 1830 der alte Goethe seinem Freund Frédéric Soret, »über Napoleon die entgegengesetztesten Meinungen zu hören.« Ein kurzer Rückblick: Nach Wien, für einige Jahre Hauptstadt eines aufgeklärten Absolutismus, war der in Bonn am Rhein geborene Ludwig van Beethoven 1792 gezogen, nachdem ihn Joseph Haydn als Schüler angenommen hatte. Bereits in seiner Heimatstadt war der damals 22-Jährige mit dem Gedankengut der Aufklärung bekannt gemacht worden. Der Philosoph Immanuel Kant hatte sie als den »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« beschrieben. Und sie hatte ein wesentliches Fundament für die Ereignisse der Französischen Revolution gebildet, die im sogenannten Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 in Paris ihre Initialzündung erfuhr. Exakt zwei Monate vor diesem Ereignis hatte sich Beethoven als 18-jähriger Student an der Bonner Philosophischen Fakultät eingeschrieben und dort nachweislich Vorlesungen des ausdrücklich revolutionär gesinnten Eulogius Schneider gehört. Affiziert vom Aufbruchsgeist der Französischen Revolution, später fasziniert von der Durchschlagskraft des ihr entwachsenen Generals Napoleon Bonaparte, setzte er etwa seit dem Beginn des neuen Jahrhunderts den Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit immer wieder tönende Denkmäler. An ihrem konkreten musikalischen Material lässt sich nachweisen, wie Beethoven – für die Zeitgenossen durchaus hörbar – sein Werk für den Tonfall, den Rhythmus und die Melodik der französischen Musik seiner Gegenwart öffnete. In der Eroica (1803/04) findet diese Affinität ihren vielleicht unmissverständlichsten Ausdruck. Verdeckt durchpulst sie sogar das Violinkonzert. Signifikant bricht sie sich auch Bahn in der fünften Sinfonie (1804 – 08), die ihren Weg von der grimmigen Empörung zum utopischen Jubel über bessre Welten nimmt. (Bei einer späteren Aufführung soll ein alter französischer Offizier ihr Finale mit dem Ausruf »C’est l’empereur!« spontan auf Napoleon bezogen haben.) Selbst die 1824 spät nachgereichte Neunte mit ihrem finalen, radikalen Humanitätshymnus speist sich im engagierten ersten und angriffigen 5 zweiten Satz erneut aus diesem musikalischen »Revolutionsvokabular«. Das alles ist auch deshalb bemerkenswert, weil Beethoven diese klingenden Statements als Einwohner des mit Frankreich zumindest bis zum Wiener Kongress von 1814/15 meist verfeindeten Österreich formulierte. Bemerkenswert auch, dass ausgerechnet der Wiener Adel darauf bedacht war, ihn mit generösen Zuwendungen als Künstler in der Donaumetropole unbedingt zu halten. Bemerkenswert schließlich umgekehrt auch, dass sich der republikanisch gesinnte Beethoven von seinen adligen Mäzenen mit großer Selbstverständlichkeit finanzieren ließ. Die Siebte: Ein Sieg Beethoven, der Unangepasste und Unbequeme, hatte sich bis zum Ende des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts, als er in sein vierzigstes Jahr trat, einen wahrlich einzigartigen Stand erarbeitet. Seinen Mäzenen begegnete er auf Augenhöhe, diese suchten seine Nähe. Ganz offenbar schätzte man nicht nur seine Kunst und Ausdruckskraft, sondern auch seine – immer wieder auch in Musik gefasste – kompromisslose Haltung. Forsch und selbstbewusst sprach aus ihm der Citoyen, der mündige und engagierte Bürger einer erstarkenden Zivilgesellschaft, dem die Freiheit (der Menschen, des Individuums, der Kunst …) ein hohes Gut war. Offenbar zollte man ihm Respekt für diese Unerschütterlichkeit. Erschüttern mochte ihn indes das fortgesetzte Scheitern so mancher Liebesbeziehung. Und seine voranschreitende Taubheit. Um diese zu behandeln, begab er sich erstmals im Sommer 1811 zu den Thermalquellen im 395 Kilometer von Wien entfernten Teplice. Dort lernte er den Juristen Joseph von Varena kennen, der in Graz musikalische Benefizveranstaltungen organisierte, und Beethoven zeigte sich entschlossen, den »dortigen Armen behilflich zu sein.« Wohl auch angeregt von diesem Vorhaben, begann Beethoven im Herbst mit der Komposition seiner siebten Sinfonie in A-Dur. Etliche Werke aus Beethovens Feder erklangen dann tatsächlich in Graz. Nur mit der Übersendung einer »neuen Sinfonie« blieb es bei der Ankündigung. 6 Die Niederschrift dieser Sinfonie Nr. 7 in A-Dur war am 13. April 1812 beendet. Richard Wagner nannte sie später eine »Apotheose des Tanzes«, Adorno prägte ihr das Siegel der »Sinfonie par excellence« auf. Solche Begriffe vermitteln den Eindruck, Ludwig van Beethoven wäre nach der revolutionsgesättigten Dritten und Fünften (jeweils flankiert von ihren nahezu komplementären Schwesterwerken: der milderen Vierten und der pastoralen Sechsten) mit der Siebten in den Bereich der »meinungsfreien« absoluten Musik eingetreten. Der Tonfall des Werkes aber entwächst durchaus dem der engagierten Vorgängerkompositionen und steht keinesfalls außerhalb der bisherigen Ideenwelt des Komponisten. Auch auf ihn treffen Goethes Worte über Beethovens Wesen zu: Zusammengefasst. Energisch. Innig. Auch die Siebte steigert sich zu einem sieghaften Jubel. Unter den zahlreichen, zum Teil extrem bildhaften Interpretationen, die das Werk von Anfang an erfuhr – von einem antiken Rebenfest war ebenso die Rede wie von einer zweiten Pastorale, einem Hochzeitsfest, Prosperos Geisterfest oder Szenen aus Goethes Wilhelm Meister –, findet sich sogar der Versuch einer antinapoleonischen Deutung. Ein mitunter angriffiger Gestus ist tatsächlich nur schwer zu leugnen, denn die Sedimente der »Revolutionsmusik« haben sich naturgemäß auch in der Siebten abgelagert. Der verquere Glaube, Beethoven hätte den Spieß hier umgedreht, wurde vor allem durch den Umstand genährt, dass die Uraufführung der Siebten (am 8. Dezember 1813 in Wien) gemeinsam mit der die Niederlage der französischen Armee schildernden »Schlachtenmusik« Wellingtons Sieg op. 91 stattfand. Doch als der englische General dem napoleonischen Heer am 21. Juni 1813 nahe dem spanischen Vitoria die in Wien bejubelte Niederlage zufügte, war die siebte Sinfonie längst komponiert. Und wie zumindest andeutungsweise zu zeigen war: Gänzlich und radikal hatte Beethoven auch im Weiteren weder der Figur Napoleon noch der revolutionsgetriebenen Freiheitsliebe abgeschworen. Wenn die Siebte schon »tanzt«, dann vielleicht auch vor Freude darüber, dass das napoleonische Zeitalter, über alle Ambivalenzen und Abgründe hinweg, die Chance einer Antwort bot auf die Frage, wie der Mensch frei und verantwortungsbewusst sich entfalten könnte. 7 Mit Bestimmtheit und ebenso bedachtsam sondiert Beethoven zu Beginn der siebten Sinfonie in der langsamen Einleitung (Poco sostenuto) des ersten Satzes zunächst den Raum, steckt das Terrain ab. Meist, nicht immer, sind es helle Bezirke, die da in aufsteigenden Skalen ausgeleuchtet werden, bis das vorwiegend lyrische Spiel ins Stocken gerät und die Anspannung sich in einen lebensfrohen Vivace-Teil auflöst. Seinen Schwung bezieht er aus dem nun beherrschenden, punktierten 6/8-Rhythmus, den die Flöten mit insistierender Tonwiederholung in Gang setzen. Die rhythmische Prägnanz wird immer wieder vom Puls der Pauke grundiert, die den streitbaren Gestus unterstreicht, mit dem der Satz dahinfliegt. Mit dem Topos des Trauermarsches spielt der zweite Satz (Allegretto), der düster und fahl beginnt, meist eine in diesem Zusammenhang groteske Leichtfüßigkeit behält, sich aus der gesteigerten Wucht und Würde auch in lichte Regionen wenden kann. Beinahe weht ein lyrisches Zitat von Florestans »Euch werde Lohn in bessren Welten« vorbei. Das nun fast tänzerische Kondukt-Thema wird in ein kurzes Doppelfugato überführt. Schließlich sackt das faszinierende Trauerbild in sich zusammen. Der Scherzo-Teil (Presto) des dritten Satzes wird von einer heiteren Motorik vorangetrieben, die augenblicksweise fast an Rossini denken ließe, wäre dessen Stern nicht gerade eben erst am Aufgehen gewesen. (Heinrich Heine erkannte später übrigens Rossinis subversives Potenzial und sprach von staatsgefährlichen Trillern und revolutionärrischen Koloraturen.) Der Trioabschnitt (Assai meno presto) vereint ländliche Lyrik und mächtiges Gepränge. Schließlich bricht der Finalsatz (Allegro con brio) unvermittelt als strahlende, stürmische, voranpreschende, mitunter sogar trotzige Siegesmusik hervor. Konterrevolutionär? Wohl kaum! 8 Die Achte: Eine Caprice Unmittelbar nach der Fertigstellung der siebten Sinfonie begann Beethoven mit einem Werk, das in den Skizzen zunächst auf ein Klavierkonzert hindeutete, sich ziemlich bald aber zu seiner achten Sinfonie in F-Dur entwickeln sollte. Die hauptsächliche Kompositionszeit fiel in den Sommer 1812, in dem der Gehörleidende abermals zur Kur nach Teplice reiste, wo er, unmittelbar nach seiner Ankunft, am 6. und 7. Juli den verzweifelten Brief an eine »Unsterbliche Geliebte« verfasste. Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich heute sagen, dass es sich bei der namenlosen Adressatin um Antonie Brentano handelt, die im Jahr 1810 in Beethovens Leben getreten war. 1780 in Wien als Johanna Antonia Josepha Edle von Birkenstock geboren und aufgewachsen, hatte sie 1798 den Kaufmann Franz Brentano geheiratet, den Halbbruder der Dichter-Geschwister Clemens Brentano und Bettina von Arnim. Seither lebte sie mit ihrem Mann in dessen Heimatstadt Frankfurt am Main, kehrte jedoch, um die Verlassenschaft ihres Vaters zu ordnen, mit ihren Kindern 1809 für drei Jahre zurück nach Wien. Dort lernte sie Ludwig van Beethoven kennen, zu dem sie eine große »Wahlverwandtschaft« empfand. Wenige Monate vor Beethovens Brief des Sommers 1812 (den sie vermutlich nie erhielt), hatte er ihr – das von ihr selbst erbetene – Autograf seines Liedes »An die Geliebte« überlassen. Noch im Herbst dieses Jahres kehrte Antonie zurück zu ihrem Mann, blieb dem verehrten Komponisten aber freundschaftlich verbunden. Sein berühmtes Porträt von der Hand des Malers Joseph Karl Stieler aus dem Jahr 1820 wurde von ihr in Auftrag gegeben. Beethoven wiederum widmete Antonie Brentano die englische Veröffentlichung seiner letzten Klaviersonate (op. 111) und die Diabelli-Variationen (op. 120). Der zweite Sommer in Teplice, der Sommer der Achten, brachte auch die mehrfachen Begegnungen mit Johann Wolfgang von Goethe mit sich. Der schrieb resümierend am 2. September an seinen Freund Zelter: »Beethoven habe ich in Töplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht Unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freilich dadurch 9 weder für sich noch für andere genussreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verlässt, das vielleicht dem musikalischen Teil, seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er, der ohnehin lakonischer Natur ist, wird es nur doppelt durch diesen Mangel.« Beethoven also fand die Welt »detestabel«. Seine Taubheit schritt voran. Es quälte ihn die ewig unerfüllte Sehnsucht nach einem erfüllten Liebesleben. Vom Glück schien er weit entfernt. Und doch könnte der von Goethe attestierte Weltekel gerade zu einem Humor der grimmigen Sorte geführt haben. Denn genau jetzt schrieb er mit der achten Sinfonie ein Werk, dem man fast schon romantische Ironie attestieren könnte. Robert Schumann lobte ihre »humoristische Tiefe«. Der Achten eignet eine überraschende Kürze und Knappheit. An Haydns Maß und Klarheit würde sie erinnern und sei deshalb besonders traditionsbezogen, so ist immer wieder zu lesen. Ein solches Urteil übersieht zum einen, dass Joseph Haydn auf sinfonischem Gebiet beständig Experimente gewagt hatte und gerade sein Werk erfreulicherweise nicht dazu angetan ist, verbindlich »klassische« Maßstäbe ins Treffen zu führen. Zum Anderen überhört es geflissentlich, dass Beethoven eine solche akademisch genormte Gattungskonvention gerade hier hinterfragt. Er tut dies freilich nicht vordergründig. Subtil spielt er mit rhythmischen Irritationen, komponiert keinen wirklich langsamen Satz, verwischt innerhalb der Sätze formale Abgrenzungen oder scheint im Finale die eigene, zu keinem Ende finden wollende Steigerungswut zu parodieren. Vielleicht ist es dieser »klassizistische« Boden, dem nie zu trauen ist, der seit der öffentlichen Uraufführung der Sinfonie am 27. Februar 1814 in Wien die erwartungsfrohen Zuhörer immer wieder skeptisch sein lässt. Beethoven selbst soll sie für »viel besser« als die vom Publikum bevorzugte Siebte gehalten haben. Der erste Satz (Allegro vivace e con brio) beginnt gut gelaunt, doch schlummert in diesem Frohmut immer eine Unsicherheit, verbirgt sich ein getriebenes Suchen. Man kann sich nie ganz entspannt »fallen lassen«, denn: Lauert nicht doch vielleicht etwas Unvorhergesehenes ums Eck? Immer wieder führt einen der Komponist in die Erwartungsirre und führt den Satz zu einem 10 verschmitzten Ende. Der zweite Satz (Allegretto scherzando) präsentiert sich spitzbübisch, um nicht zu sagen hinterhältig. Man meint das Ticken der Zeit zu hören, sollte sich aber nie ganz sicher sein, ob darauf Verlass ist. Der Ausklang steckt voller irritierender Ansätze und Abbrüche. Volkstümlich erklingt der dritte Satz (Tempo di Menuetto), der weit eher an einen Ländler als ein höfisches Menuett erinnert. Von Blitzesschnelle ist der vierte Satz (Allegro vivace) geprägt. Es ist ein bisweilen fiebriges Fort- und Davonlaufen, jedes Ausruhen bereitet nur den nächsten »Sprint« vor. Auch hier immer wieder: Störungen und Irritationen, hinter der nächsten Mauer lugt immer irgendwo eine bizarre Fratze hervor. Das Ende will kein Ende nehmen. Spätestens hier mag sich Beethovens sonst eher hintergründiger Humor nicht mehr verstecken. Oliver Binder 11 Größe, Glanz, Tradition Das 50. Konzert der Wiener Philharmoniker in der Kölner Philharmonie »Es wäre ganz falsch, den Bericht von diesem unvergesslichen Konzerterlebnis mit dem Dirigenten zu beginnen. Vom ungemein vitalen 88-jährigen Herbert Blomstedt zu sprechen, der nicht nur mit jenem »elastischen Schritt« zum Pult eilt, den die Zeitungen der Monarchie laut Joseph Roth gern dem Kaiser nachrühmten, sondern der auch eine jugendliche Frische und Musizierfreude ausstrahlt, die manch deutlich Jüngerem zur Ehre gereichte. Wie Blomstedt ohne Taktstock und lebhafte Mimik die Wiener Philharmoniker immer wieder zu vollmundiger Herzhaftigkeit animiert, aber auch differenzierte Klänge erzielt. Und wie er zuletzt vom jubelnden Publikum nach Abgang des Orchesters nochmals aufs Podium zurückgerufen wird. Nein, das alles würde von der Hauptsache ablenken: dem von Liebe und Sorgfalt getragenen, völlig uneitlen Dienst am musikalischen Werk.« Auch mit dieser Hymne wurden vor nur wenigen Tagen all die Musiker für ihren Beethoven gefeiert. Im altehrwürdigen Musikverein hatten die Wiener Philharmoniker gerade ihr erstes Abonnementkonzert der jungen Konzertsaison gegeben – mit eben den einst in Wien uraufgeführten Symphonien Nr. 7 & 8. Und am Pult stand der wohl auf ewig älteste Debütant in der nun wirklich nicht unbedingt ereignisarmen Geschichte dieses Traditionsorchesters. Als schließlich Herbert Blomstedt 2011 im Rahmen der Salzburger Mozartwoche erstmals die Wiener Philharmoniker leitete, war er bereits knapp über Achtzig. Aber eben auch in den zwei nachfolgenden Konzerten im philharmonischen, am Musikvereinsplatz 1 gelegenen Wohnzimmer unterstrich der schwedisch-amerikanische Maestro erneut, dass musikalische Gesprächs- und Klangkultur auf diesem Niveau keine Altersgrenzen kennt. Und so zeigte sich die Wiener Kritik, die eigentlich immer ein Haar in der Suppe findet, geradezu berauscht und berückt von der jüngsten Zusammenarbeit zwischen den Philharmonikern und Blomstedt. Nun gastiert also diese noch recht frische Musikerfreundschaft mit dem durchschlagenden Erfolgsprogramm in der Kölner Philharmonie. Was an sich natürlich schon deswegen ein 12 Die Wiener Philharmoniker im Oktober 1999 in der Kölner Philharmonie Ereignis ist, da dieses Gastspiel exklusiv in Deutschland stattfindet. Zugleich steht das Konzert aber noch unter zwei besonderen Sternen. Damit läuten nämlich die Wiener Philharmoniker in der Philharmonie ihren schon 11. Konzertzyklus ein, dessen insgesamt vier Konzerte sich traditionell auf zwei Spielzeiten verteilen. Außerdem ist es überhaupt das 50. Konzert dieses Weltklasse­ orchesters in der Kölner Philharmonie! Und mit welchen Dirigentenstars hat man hier nicht alles für überwältigende Musikstunden gesorgt. Mit Claudio Abbado zählte man im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten der Philharmonie im Jahr 1986 zu den ersten Gratulanten – und brachte Beethovens Fünfte und Sechste mit. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten triumphierten die Philharmoniker dann mit solchen gegensätzlichen, aber stets enthusiasmierenden Pultgranden wie Pierre Boulez, Riccardo Chailly, Mariss Jansons, Riccardo Muti, Georg Solti und Simon Rattle. Und erst im vergangenen Mai war man beim Festival ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln zu Gast und hob unter der Leitung von Daniel Harding ein neues Werk der Österreicherin Olga Neuwirth aus der Taufe. Diese enge, intensive und vor allem freundschaftliche Bindung zwischen den Wiener Philharmonikern und der Musikstadt Köln war andererseits überfällig. Denn überraschenderweise hatte sich das Orchester bis zur Eröffnung der Philharmonie am Rhein äußerst rar gemacht. Nach den beiden allerersten, von Bruno Walter geleiteten Konzerten, die 1924 bzw. 1925 noch in der Messhalle stattfanden, hatte man tatsächlich 1956 unter dem Dirigat von Rafael Kubelik seinen vorerst letzten Auftritt. Doch seit Köln eben mit der Philharmonie über einen glänzenden Konzertsaal verfügt, 13 kehren die Wiener regelmäßig Jahr für Jahr und mit einem exklusiven Abo-Zyklus zurück. Seit dem von Lorin Maazel im September 1995 dirigierten Konzert gibt es diese spezielle Wiener Konzertreihe in der Kölner Philharmonie. Wobei man immer wieder auch illustre Solisten mitbringt – wie in den zurückliegenden Jahren etwa Sopranistin Barbara Bonney, Pianisten wie Alfred Brendel und Yefim Bronfman sowie Geiger Frank Peter Zimmermann und Schlagzeuger Martin Grubinger. Ob aber nun Orchesterwerke von Mozart über Bruckner bis hin zu Mahler auf dem Programm stehen, die längst zur zweiten Muttersprache der Philharmoniker geworden sind, oder auch Zeitgenössisches von Jörg Widmann oder Friedrich Cerha – die Wiener verkörpern seit nunmehr über 150 Jahren eine Musikkultur und Tradition, die kaum ein zweites Orchester von dieser Qualität vorweisen kann. Dementsprechend ist es von jeher für einen Dirigenten ein Ritterschlag, wenn er an das Pult treten darf, um mit diesem Orchester musikalisch in den 7. Himmel zu entschweben. Und wer diese Chance einmal in seinem Leben bekommen hat, der war danach nicht mehr der Alte. Wie schnell man diesem typischen Wiener Sound, diesem weichen und fülligen, facettenreichen, glänzenden und satten Klang für immer erliegen kann, lässt sich am Beispiel Zubin Mehta ablesen. Mitte der 1950er Jahre hatte er seine indische Heimtat verlassen, um in Wien Kontrabass und Dirigieren zu studieren. Und als Mehta zum ersten Mal die Philharmoniker hörte, kam ihm ihr Spiel wie eine Erleuchtung vor. Fortan schlich er sich in jeder freien Minute mit seinem Kommilitonen Claudio Abbado in den Musikverein, um die Philharmoniker in den Proben mit Karajan, Karl Böhm und Bruno Walter hautnah mitzuerleben. Diese Schule hat ihn als Musiker, aber vor allem als Menschen geprägt. »Meine wahre Herkunft habe ich erst an der immer noch schönen blauen Donau entdeckt«, so Mehta. Weshalb er sich gerne auch als ein »zufällig in Bombay geborener Wiener« bezeichnet. Jeder seiner Pultkollegen, die die Wiener Philharmoniker seit ihrem Gründungsjahr 1842 leiteten, dürften ähnlich gefühlt haben. Was sich auch in vielen Zitaten widerspiegelt, mit denen sich Musiker von höchstem Rang und Namen verbeugt haben. Richard Wagner nannte das Orchester eines der allervorzüglichsten der Welt. Johannes Brahms sah sich als »Freund und Verehrer« des Orchesters. 14 Gustav Mahler fühlte sich »durch das Band der Kunst« verbunden. Und anlässlich des 100. Orchestergeburtstags im Jahr 1942 gratulierte Richard Strauss ihm mit den Worten: »Die Philharmoniker preisen heißt Geigen nach Wien tragen. Doch schätze ich das Piano der Bläser, den Glanz ihrer Harfen und die unerbittliche Pauke nicht minder. Eure künstlerischen Leistungen werden von den begeisterten Zuhörern der ganzen Welt umjubelt. Ich möchte mein Lob heute nur in zwei kurze Sätze fassen: ›Nur wer die Wiener Philharmoniker dirigiert hat, weiß, was sie sind!‹ Doch das bleibt unser eigenstes Geheimniß! Ihr versteht mich schon: hier – wie am Pult!« Im Gegensatz zu den anderen Top-Orchestern haben sich die Wiener Philharmoniker jedoch ihre Einzigartigkeit auch über eine nicht unbedingt alltägliche Verwaltungsstruktur bewahrt. Immerhin beweist man seit 1933 der ganzen Musikwelt, dass man auch ohne einen Chefdirigenten im Konzertsaal Maßstäbe setzen kann. Gerade die ständige Neu- und Wiederbegegnung mit Dirigenten aus unterschiedlichen Generationen sorgt da für eine ständige Frischzellenkur im Klangdenken der 130 bis 140 Philharmoniker. »Wir haben pro Saison feste Dirigenten für unsere Abonnements«, so Andreas Großbauer, seines Zeichens seit 2014 Vorstand der Wiener Philharmoniker. – Wir freuen uns, wenn sie da sind, und wir freuen uns dann auch wieder auf den nächsten.« So sehr die Philharmoniker damit ihre Zukunft ständig neu erfinden und gestalten, so liegt der Schlüssel ihrer Magie nicht zuletzt auch in ihrer Vergangenheit. Und genau darauf wies Starbariton Thomas Hampson in seiner Laudatio hin, die er 2014 auf die Wiener Philharmoniker als Träger des »Herbert von Karajan«-Preises halten durfte: »Eine Qualität, die das Orchester darüber hinaus im Sinne Karajans auszeichnet, ist die Tugend der Demut. Jede/r einzelne für sich – unverwechselbar und großartig – verschmelzen sie doch zu einem einzigen künstlerischen Ganzen, einem tönenden Zusammenschluss orchestralen Klanges. Was daran hörbar wird, ist die Einsicht, dass wir als Individuen in eine musikalische Gemeinschaft geboren wurden, in der alle vorangegangenen Generationen ihre Spuren hinterlassen haben – sie sagen uns, woher wir kommen. Auf diese Weise sind die Wiener Philharmoniker auch eine Art Gedächtnis.« Guido Fischer 15 BIOGRAPHIEN Wiener Philharmoniker Kaum ein anderer Klangkörper wird enger mit der Geschichte und Tradition der europäischen Musik in Verbindung gebracht als die Wiener Philharmoniker. Im Laufe ihres 173-jährigen Bestehens prägten die Mitglieder dieses in der »Hauptstadt der Musik« beheimateten Ensembles die europäische Musikgeschichte maßgeblich. Herausragende musikalische Persönlichkeiten waren bzw. sind dem Orchester verbunden. So beschrieb Richard Wagner das Orchester als eines der allervorzüglichsten der Welt und Anton Bruckner nannte es »den höchsten Kunstverein in der Musik«. Johannes Brahms bezeichnete sich als »Freund und Verehrer« des Orchesters, Gustav Mahler fühlte sich »durch das Band der Kunst« mit ihm verbunden, und Richard Strauss fasste zusammen: »Die Philharmoniker preisen heißt Geigen nach Wien tragen«. Der Beginn Bis zum ersten Philharmonischen Konzert am 28. März 1842 besaß die Stadt der nach ihr benannten »Wiener Klassiker« – Haydn, Mozart und Beethoven – kein aus Berufsmusikern bestehendes 16 Konzertorchester. Für Aufführungen sinfonischer Werke wurden jeweils nach Bedarf eigene Ensembles zusammengestellt. Nur an den Theatern gab es Orchester, die ausschließlich aus Berufsmusikern bestanden. Der naheliegende Gedanke, mit einem dieser Klangkörper zu konzertieren, wurde bereits Ende des 18. Jahrhunderts realisiert: Wolfgang Amadeus Mozart verpflichtete 1785 das Orchester des Wiener Hofburg-Theaters für einen Zyklus von sechs Konzerten, und auch Ludwig van Beethoven engagierte dieses Ensemble für seine Akademie vom 2. April 1800, in deren Rahmen er seine erste Sinfonie zur Uraufführung brachte. Bei der Uraufführung seiner Neunten am 24. Mai 1824 spielte hingegen das vom Orchester der Gesellschaft der Musikfreunde und der Hofmusikkapelle verstärkte Hofopernorchester. Ehe dieses Ensemble, das größte und beste Wiens, selbst als Veranstalter klassischer Sinfoniekonzerte auftrat, bedurfte es aber noch eines aus heutiger Sicht bemerkenswerten »Umweges«: Der bayerische Komponist und Dirigent Franz Lachner, seit 1830 als Kapellmeister am Hofoperntheater tätig, brachte in den Zwischenakten der Ballettvorstellungen Sinfonien Beethovens zur Aufführung. Von diesen Experimenten bis zur unternehmerischen Initiative des Opernorchesters war es nur ein kleiner Schritt, welcher erstmals im Januar 1833 unter Lachners Leitung vollzogen wurde; der von ihm gegründete »Künstler-Verein« löste sich jedoch aufgrund struktureller Mängel nach vier Veranstaltungen wieder auf. Die Geburtsstunde: Otto Nicolai 1841 wurde Otto Nicolai (1810 – 1849) als Kapellmeister an das Kärntertortheater berufen. Er griff die Idee Lachners auf und dirigierte am 28. März 1842 im Großen Redoutensaal ein »Großes Concert«, das vom »Sämmtlichen Orchester-Personal des k.k. Hof-Operntheaters« veranstaltet wurde. Diese »Philharmonische Academie«, so der ursprüngliche Titel, gilt mit Recht als die Geburtsstunde des Orchesters, weil erstmals alle Prinzipien der bis heute gültigen »Philharmonischen Idee« verwirklicht wurden: nur ein im Orchester der Wiener Staatsoper (früher: Hofoper) engagierter Musiker kann Mitglied der Wiener Philharmoniker 17 werden; es besteht künstlerische, organisatorische und finanzielle Eigenverantwortlichkeit; alle Entscheidungen werden von der Hauptversammlung der aktiven Mitglieder auf demokratische Weise getroffen; die eigentliche Verwaltungsarbeit wird von einem demokratisch gewählten Ausschuss, dem zwölfköpfigen Komitee, durchgeführt. Noch vor den politischen Ereignissen des Jahres 1848 wurde mit Hilfe eines revolutionär neuen Modells – demokratische Selbstbestimmung und unternehmerische Initiative einer Orchestergemeinschaft – die Basis für den Fortbestand des Orchesters und die künstlerische Bedeutung des Orchesters geschaffen. Freilich war dies erst ein Anfang. Es bedurfte schwerer Rückschläge und leidvoller Erfahrungen, ehe die Musikervereinigung zu tatsächlicher Stabilität gelangte. Die Philharmonischen Abonnementkonzerte Als Nicolai 1847 Wien für immer verließ, brach das junge Unternehmen beinahe zusammen, fehlte ihm doch nun nicht nur der künstlerische, sondern auch der administrative Leiter. Nach zwölf Jahren der Stagnation brachte schließlich eine grundlegende Neueinführung die ersehnte Wende: Am 15. Januar 1860 fand im Kärntnertortheater das erste von vier Abonnementkonzerten unter der Leitung des damaligen Operndirektors Carl Eckert (1820 – 1879) statt. Seither bestehen die »Philharmonischen Konzerte« ohne Unterbrechung. Otto Dessoff (Abonnementdirigent 1862 – 1875) Unter der Führung Otto Dessoffs (1835 – 1892) wurde das Repertoire konsequent ausgebaut, wichtige organisatorische Grundlagen (Notenarchiv, Geschäftsordnung) geschaffen und ein drittes Mal das Konzertlokal gewechselt: Mit Beginn der Saison 1870/71 übersiedelte man in den Goldenen Saal des Musikvereinsgebäudes in Wien, der seither die ideale Wirkungsstätte der Wiener Philharmoniker ist und durch seine akustischen Qualitäten Klangstil und Spielweise des Ensembles beeinflusste. 18 Die »Goldene Ära«: Hans Richter (Abonnementdirigent 1875 – 1898) Es gibt in der Geschichte der Wiener Philharmoniker keinen Dirigenten, der das Orchester so nachhaltig prägte wie Hans Richter (1843 – 1916), der legendäre Dirigent der Bayreuther Uraufführung von Richard Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen. Richter leitete die Philharmoniker in mindestens 243 Konzerten und stand dem Unternehmen – mit einjähriger Unterbrechung – von 1875 bis 1898 vor. Mit Hans Richter gelang die endgültige Etablierung als Orchester von Weltruf und unvergleichlicher Tradition. Dazu trugen auch Begegnungen u. a. mit Richard Wagner, Giuseppe Verdi, Anton Bruckner, Johannes Brahms und Franz Liszt bei, die als Dirigenten bzw. Solisten mit den Wiener Philharmonikern konzertierten. In der »Goldenen Ära« Richters wurden die zweite und dritte Sinfonie von Johannes Brahms, die vierte und achte Sinfonie von Anton Bruckner sowie das Violinkonzert von Peter Iljitsch Tschaikowsky uraufgeführt. Der Anfang des 20. Jahrhunderts Von 1898 bis 1901 war Gustav Mahler (1860 – 1911) Abonnement­ dirigent der Wiener Philharmoniker, in deren Zyklus er die Uraufführungen von Anton Bruckners sechster Sinfonie und Antonín Dvořáks sinfonischer Dichtung Heldenlied dirigierte. Unter seiner Leitung trat das Ensemble im Jahr 1900 anlässlich der Pariser Weltausstellung erstmals im Ausland auf. Das Verhältnis zwischen Mahler und dem Orchester war von künstlerischen Höhepunkten ebenso geprägt wie von schweren Auseinandersetzungen, klang aber in Versöhnung aus. 1901 übernahm Joseph Hellmesberger jun. (1855 – 1907) für zwei Jahre die Leitung der Abonnementkonzerte. Nach dem Rücktritt des begabten Komponisten (der bis dahin elf Mal im Programm eines Neujahrskonzerts vertreten war) erprobten die Philharmoniker, die sich 1908 als behördlich genehmigter Verein konstituierten, das heute praktizierte Gastdirigentensystem, wählten aber ab der Saison 1908/09 Felix von Weingartner (1863 – 1942) zum Abonnementdirigenten. In seiner 19 Jahre dauernden Ära setzte 19 die eigentliche Reisetätigkeit des Orchesters ein, das 1922 erstmals Europa verließ und in Südamerika gastierte. Zwischen 1906 und 1944 spielten die Wiener Philharmoniker 85 Konzerte sowie zahlreiche Opernvorstellungen in Wien und Salzburg unter der Leitung von Richard Strauss (1864 – 1949). Diese Beziehung stellt einen Höhepunkt in der Geschichte des Ensembles dar und wurde von Strauss 1942 anlässlich der 100-JahrFeier der Wiener Philharmoniker folgendermaßen beschrieben: »Die Philharmoniker preisen heißt Geigen nach Wien tragen. […] Ich möchte mein Lob heute nur in zwei kurze Sätze fassen: ›Nur wer die Wiener Philharmoniker dirigiert hat, weiß, was sie – sind!‹ Doch das bleibt unser eigenstes Geheimniß! Ihr versteht mich schon: hier – wie am Pult!« Einen weiteren Höhepunkt bildete die Zusammenarbeit mit Arturo Toscanini (1867 – 1957), der in den Jahren 1933 bis 1937 unverrückbare Maßstäbe setzte, sowie mit Wilhelm Furtwängler (1886 – 1954), der von 1927 bis 1930 Dirigent der Abonnementkonzerte war. Ihm folgte in dieser Position von 1930 bis 1933 Clemens Krauss als letzter Dirigent im Abonnementdirigentensystem (seither laden die Wiener Philharmoniker Gastdirigenten ein). Zwischen 1933 und 1945 wiederum war Wilhelm Furtwängler prägender Dirigent des Orchesters. Die Wiener Philharmoniker in der NS-Zeit (1938 bis 1945) 1938 griff auf brutalste Weise die Politik ins philharmonische Geschehen ein: Die Nationalsozialisten entließen fristlos alle jüdischen Künstler aus dem Dienst der Staatsoper und lösten den Verein Wiener Philharmoniker auf. Lediglich die Intervention Wilhelm Furtwänglers und anderer Personen bewirkte die Annullierung des Auflösungsbescheides und rettete bis auf zwei die als »Halbjuden« und »Versippte« Stigmatisierten vor Entlassung aus dem Staatsopernorchester. Fünf Orchester-Kollegen verstarben trotz Intervention des neuen NS-Vorstandes, der sie vor der Deportation retten wollte, an den Folgen der KZ-Haft oder wurden ermordet. Weitere zwei Musiker kamen in Wien als direkte Folge von versuchter Deportation oder Verfolgung ums 20 Leben. Insgesamt neun Kollegen wurden ins Exil vertrieben. Die elf verbliebenen Orchestermitglieder, die mit Jüdinnen verheiratet waren oder als »Halbjuden« stigmatisiert wurden, lebten unter der ständigen Bedrohung des Widerrufs dieser »Sondergenehmigung«. Doch auch im Orchester selbst gab es bereits eine im Rahmen der Nationalsozialistischen Betriebsorganisation Staatsoper (NSBO) sehr aktive »illegale« Zelle, sodass bereits vor 1938 während des Verbots der NSDAP der Anteil der NSDAP-Mitglieder rund 20% betrug. 1942 waren 60 von 123 aktiven Musikern Mitglieder der NSDAP geworden. In den letzten Jahren wurde das Thema ›Wiener Philharmoniker im Nationalsozialismus‹ verstärkt aufgearbeitet. Seit April 2011 hat Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb neues Material zu den NS-Opfern und Exilanten der Wiener Philharmoniker zusammengetragen. Auf Initiative des damaligen Vorstands der Wiener Philharmoniker, Prof. Dr. Clemens Hellsberg, wurde eine unabhängige Historikergruppe beauftragt, die ihre Forschungsergebnisse auch für die Website der Wiener Philharmoniker aufbereitet hat (www.wienerphilharmoniker.at). Die Moderne Ära Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzte das Orchester seine 1933 begonnene Linie fort und band alle bedeutenden Dirigenten an sich. Einen besonderen Stellenwert in der Orchestergeschichte nach 1945 nimmt die erneute Zusammenarbeit mit Wilhelm Furtwängler ein, der die Wiener Philharmoniker zwischen 1947 und 1954 besonders prägte. Große Bedeutung haben auch die beiden Ehrendirigenten Karl Böhm und Herbert von Karajan sowie Ehrenmitglied Leonard Bernstein. Zu den weiteren Dirigenten, die das Orchester in jüngerer Zeit leiteten, gehören so namhafte Künstler wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Pierre Boulez, Christoph Eschenbach, Sir John Eliot Gardiner, Daniele Gatti, Carlo Maria Giulini, Daniel Harding, Nikolaus Harnoncourt, Mariss Jansons, Carlos Kleiber, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Ingo Metzmacher, Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Georges Prêtre, Sir Simon Rattle, Sir Georg Solti, Christian Thielemann und Franz Welser-Möst. 21 Die Wiener Philharmoniker haben zahlreiche Schallplatten-, CDund DVD-Aufnahmen vorgelegt, darunter u. a. sämtliche Beethoven-Sinfonien mit Christian Thielemann, die Sinfonien von Schubert und Schumann mit Riccardo Muti, Bruckners Sinfonie Nr. 8 sowie Mahlers Sinfonien Nr. 2, 3 und 6 mit Pierre Boulez und Bruckners Sinfonie Nr. 9 mit Nikolaus Harnoncourt, die Klavierkonzerte von Chopin mit Lang Lang und Zubin Mehta, alle Beethoven-Klavierkonzerte mit Rudolf Buchbinder, die Violinkonzerte von Brahms und Berg mit Renaud Capuçon sowie von Brahms und Korngold mit Nikolai Znaider, Musorgskijs Bilder einer Ausstellung mit Valery Gergiev und Strauss’ Eine Alpensinfonie und die Rosenkavalier-Suite mit Christian Thielemann, ferner Mozarts Da-Ponte-Opern, Strauss’ Arabella, Die Frau ohne Schatten, Elektra, Salome und Ariadne auf Naxos, Wagners Ring des Nibelungen (mit Sir Georg Solti) und Alban Bergs Lulu (Salzburger Festspiele 2011). Die zahlreichen Schallplatten- und Filmaufnahmen, Konzertreisen in alle Welt und Gastspiele bei den bedeutendsten Festivals weisen die Wiener Philharmoniker als einen international bedeutenden, im modernen Musik-»Betrieb« agierenden Klangkörper aus. Dabei setzt das Orchester aber auch individuelle Akzente, etwa mit dem Neujahrskonzert, mit seiner dominierenden Rolle bei den Salzburger Festspielen oder mit den WienerPhilharmoniker-Zyklen in New York, Japan und Köln bzw. mit dem Euro-Zyklus (je zwei bis drei Abonnementkonzerte in London und Paris). Eine lange Tradition und ein bis heute hochrangiges gesellschaftliches Ereignis im Musikleben der Stadt Wien ist der seit 1924 (mit Unterbrechungen) jährlich stattfindende Ball der Wiener Philharmoniker im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Große Bedeutung haben für die Wiener Philharmoniker nicht zuletzt die Bereiche Musikvermittlung und Nachwuchsförderung. Unter dem Titel »passwort:klassik« bieten die Philharmoniker Workshops, Probenbesuche und Konzerte für Schüler sowie Lehrerworkshops an. Mit der Angelika Prokopp Sommerakademie, der Patronanz beim Internationalen Orchesterinstitut Attergau (in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wiener Klangstil der Universität für Musik Wien), internationalen Meisterkursen und ihrer 22 Patenschaft für das Musikgymnasium Wien übernehmen die Wiener Philharmoniker wichtige Aufgaben in der Förderung des musikalischen Nachwuchses. Die Wiener Philharmoniker wurden 2005 zu Goodwill Botschaftern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ernannt. Für ihre künstlerischen Leistungen erhielten sie zahlreiche Preise, Schallplatten in Gold und Platin, nationale Auszeichnungen sowie die Ehrenmitgliedschaft vieler kultureller Institutionen. In der Kölner Philharmonie sind die Wiener Philharmoniker mit ihrem »Köln-Zyklus« seit vielen Jahren regelmäßig zu Gast. Zuletzt spielten sie bei uns im Mai dieses Jahres unter der Leitung von Daniel Harding. In dieser Spielzeit sind die Wiener Philharmoniker am 11. Juni 2016 ein weiteres Mal bei uns zu Gast, dann wird Yannick NézetSéguin am Pult stehen. 23 Viola Die Mitglieder der Wiener Philharmoniker Heinrich Koll Tobias Lea Christian Frohn Wolf-Dieter Rath Robert Bauerstatter Gerhard Marschner Mario Karwan Martin Lemberg Elmar Landerer Innokenti Grabko Michael Strasser Ursula Ruppe Thilo Fechner Thomas Hajek Daniela Ivanova Sebastian Führlinger Konzertmeister Rainer Küchl Rainer Honeck Volkhard Steude Albena Danailova Violine I Hubert Kroisamer Josef Hell Jun Keller Daniel Froschauer Maxim Brilinsky Eckhard Seifert Clemens Hellsberg Erich Schagerl Martin Kubik Milan Šetena Martin Zalodek Kirill Kobantschenko Wilfried Hedenborg Johannes Tomböck Pavel Kuzmichev Isabelle Ballot Andreas Großbauer Olesya Kurylyak Thomas Küblböck * Alina Pinchas * Violoncello Tamás Varga Robert Nagy Péter Somodari * Raphael Flieder Csaba Bornemisza Gerhard Iberer Wolfgang Härtel Eckart Schwarz-Schulz Stefan Gartmayer Ursula Wex Sebastian Bru Edison Pashko Bernhard Hedenborg David Pennetzdorfer * Violine II Raimund Lissy Tibor Kovác Christoph Koncz Gerald Schubert Helmut Zehetner Patricia Koll George Fritthum René Staar Alexander Steinberger Harald Krumpöck Michal Kostka Benedict Lea Marian Lesko Johannes Kostner Martin Klimek Jewgenij Andrusenko Shkëlzen Doli Dominik Hellsberg Holger Groh Kontrabass Herbert Mayr Christoph Wimmer Ödön Rácz Jerzy (Jurek) Dybal Iztok Hrastnik Alexander Matschinegg Michael Bladerer Bartosz Sikorski Jan-Georg Leser Jędrzej Górski Filip Waldmann Elias 24 Trompete Martin Mühlfellner Stefan Haimel Jürgen Pöchhacker Hans Peter Schuh Reinhold Ambros Gotthard Eder Harfe Charlotte Balzereit Anneleen Lenaerts Flöte Dieter Flury Walter Auer Karl-Heinz Schütz Günter Federsel Wolfgang Breinschmid Karin Bonelli Posaune Dietmar Küblböck Wolfgang Strasser * Mark Gaal Johann Ströcker Oboe Martin Gabriel Clemens Horak Harald Hörth Alexander Öhlberger Wolfgang Plank Herbert Maderthaner Tuba Paul Halwax Christoph Gigler Schlagzeug Anton Mittermayr Erwin Falk Klaus Zauner Oliver Madas Benjamin Schmidinger Thomas Lechner Klarinette Ernst Ottensamer Matthias Schorn Daniel Ottensamer Norbert Täubl Johann Hindler Andreas Wieser Die mit * Sternchen gekennzeichneten Musiker sind bestätigte Mitglieder des Orchesters der Wiener Staatsoper, die noch nicht dem Verein der Wiener Philharmoniker angehören. Fagott Michael Werba Štěpán Turnovský Harald Müller Wolfgang Koblitz Benedikt Dinkhauser Horn Ronald Janezic Manuel Huber Josef Reif * Sebastian Mayr Wolfgang Lintner Jan Janković Wolfgang Vladár Thomas Jöbstl Wolfgang Tomböck Lars Michael Stransky 25 Peter Pecha Friedrich Pfeiffer Josef Pomberger Kurt Prihoda Helmuth Puffler Reinhard Repp Werner Resel Franz Söllner Milan Sagat Herbert Schmid Rudolf Schmidinger Peter Schmidl Wolfgang Schuster Günter Seifert Reinhold Siegl Walter Singer Helmut Skalar Anton Straka Gerhard Turetschek Martin Unger Peter Wächter Hans Wolfgang Weihs Helmut Weis Alfred Welt Ewald Winkler Franz Zamazal Dietmar Zeman Im Ruhestand Alfred Altenburger Volker Altmann Roland Altmann Roland Baar Franz Bartolomey Walter Barylli Georg Bedry Roland Berger Bernhard Biberauer Walter Blovsky Gottfried Boisits Wolfgang Brand Reinhard Dürrer Rudolf Degen Alfons Egger Fritz Faltl Johann Fischer Jörgen Fog Gerhard Formanek Herbert Frühauf Wolfram Görner Peter Götzel Dietfried Gürtler Wolfgang Gürtler Heinz Hanke Bruno Hartl Richard Heintzinger Josef Hell Wolfgang Herzer Werner Hink Günter Högner Roland Horvath Josef Hummel Willibald Janezic Karl Jeitler Rudolf Josel Erich Kaufmann Gerhard Kaufmann Harald Kautzky Ferdinand Kosak Burkhard Kräutler Edward Kudlak Manfred Kuhn Walter Lehmayer Anna Lelkes Gerhard Libensky Erhard Litschauer Günter Lorenz Gabriel Madas Herbert Manhart William McElheney Horst Münster Rudolf J. Nekvasil Meinhart Niedermayr Hans Novak Hans P. Ochsenhofer Reinhard Öhlberger Ortwin Ottmaier 26 Herbert Blomstedt In den USA im Jahr 1927 als Sohn schwedischer Eltern geboren, erhielt Herbert Blomstedt seine erste musikalische Ausbildung am Königlichen Konservatorium in Stockholm und an der Universität Uppsala. Später studierte er Dirigieren an der Juilliard School in New York, zeitgenössische Musik in Darmstadt sowie Renaissance- und Barockmusik an der Schola Cantorum in Basel und arbeitete unter Igor Markevitch in Salzburg und Leonard Bernstein in Tanglewood. Vor mehr als 60 Jahren, im Februar 1954, gab Herbert Blomstedt sein Debüt als Dirigent mit dem Stockholmer Philharmonischen Orchester. Später leitete er als Chefdirigent so bedeutende skandinavische Orchester wie das Oslo Philharmonic Orchestra und das Dänische und das Schwedische Radio-Sinfonieorchester, letzteres bis 1983. Von 1975 bis 1985 war er Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, mit der er neben verschiedenen europäischen Ländern auch die USA und Japan bereiste und die er nach wie vor regelmäßig dirigiert. 2007 würdigte ihn das Orchester mit der Goldenen Ehrennadel. Nach einer Serie erfolgreicher Konzerte mit dem San Francisco Symphony Orchestra wurde Herbert Blomstedt ab der Saison 1985/1986 zum Music Director dieses renommierten Orchesters berufen. Die gemeinsamen Konzertreisen zu den musikalischen Metropolen Europas, darunter Edinburgh, Salzburg, München und Luzern, wurden von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert. Nach zehn Jahren beendete Herbert Blomstedt seine erfolgreiche Tätigkeit in San Francisco, kehrte aber als Ehrendirigent alljährlich dorthin zurück. Von 1996 bis 1998 wirkte er als Chefdirigent des NDR-Sinfonieorchesters in Hamburg. Von 1998 bis 2005 leitete Herbert Blomstedt als 18. Gewandhauskapellmeister das Gewandhausorchester Leipzig, dem er ebenfalls als Ehrendirigent weiterhin verbunden bleibt. Diese Auszeichnung verliehen ihm auch vier weitere Orchester: das NHK Symphony 27 Orchestra in Japan, das Dänische und das Schwedische RadioSinfonieorchester sowie die Bamberger Symphoniker (Bayerische Staatsphilharmonie). Neben seinen Verpflichtungen bei diesen Orchestern führen ihn zahlreiche Gastdirigate zu den bedeutendsten Klangkörpern weltweit, darunter die Berliner Philharmoniker, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Königliche Concertgebouworchester Amsterdam, das Orchestre de Paris, das Israel Philharmonic Orchestra, das Orchestre Symphonique de Montréal, die Sinfonieorchester von Boston, Chicago, Cleveland und Philadelphia sowie das New York Philharmonic und das Los Angeles Philharmonic. 2011 feierte er ein spätes Debüt bei den Wiener Philharmonikern, das umgehend zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit führte. Von Herbert Blomstedt liegt eine umfangreiche Diskographie vor. Mit der Staatskapelle Dresden nahm er über 130 Werke auf, darunter alle Sinfonien von Beethoven und Schubert; mit dem Dänischen Radio-Sinfonieorchester spielte er sämtliche Orchesterwerke von Carl Nielsen ein. Im Rahmen eines Exklusivvertrags entstanden zusammen mit dem San Francisco Symphony Orchestra zahlreiche preisgekrönte Aufnahmen mit Referenzcharakter, darunter alle Sinfonien von Jean Sibelius und Carl Nielsen. 2014 erschien die Box The San Francisco Years, die auf 15 CDs einen repräsentativen Querschnitt durch Herbert Blomstedts Wirken in San Francisco bietet. Die Zusammenarbeit mit dem Gewandhausorchester wurde von verschiedenen Labels dokumentiert; es erschienen CDs mit Werken von Brahms, Bruckner, Hindemith, Mendelssohn Bartholdy und Strauss, besonders erwähnenswert sind außerdem die High Mass von Sven-David Sandström sowie Mendelssohn Bartholdys Elias. Darüber hinaus erschien eine Auswahl von Leipziger Konzertmitschnitten aus seiner Zeit als Gewandhauskapellmeister; die Gesamteinspielung der Sinfonien von Anton Bruckner mit dem Gewandhausorchester wurde 2013 mit dem International Classical Music Award ausgezeichnet. 28 Herbert Blomstedt ist ein gewähltes Mitglied der KöniglichSchwedischen Musikakademie und mehrfacher Ehrendoktor. 2003 erhielt er das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In der Kölner Philharmonie dirigierte er zuletzt im Dezember 2012 das Chamber Orchestra of Europe. 29 KölnMusik-Vorschau Oktober November DO SO 29 01 20:00 20:00 Allerheiligen Armida Quartett Martin Funda Violine Johanna Staemmler Violine Teresa Schwamm Viola Peter-Philipp Staemmler Violoncello Hossein Alizadeh Tar Alireza Ghorbani Gesang Ensemble Hamavayan Zarbang-Quartett Robert Schumann Streichquartett F-Dur op. 41,2 Hossein Alizadeh, einer der wichtigsten Protagonisten der persischen Gegenwartsmusik, entführt das Publikum mit seinen Kompositionen in eine neue Welt der persischen Klassik. Zu den virtuosen Percussionisten des ZarbangQuartetts gesellen sich außerdem die Musikerfreunde des Ensemble Hamavayan und der brillante Sänger Alireza Ghorbani. Jörg Widmann 1. Streichquartett Franz Schubert Streichquartett G-Dur op. 161 D 887 Quartetto 2 DO 29 DI 03 21:00 Stadtgarten 20:00 TRIPCLUBBING Johanna Wokalek Rezitation PEEL Sebastian Müller g Sebastian Gille sax Pablo Held p Daniele Camarda b Jonas Burgwinkel dr Balthasar-Neumann-Chor Thomas Hengelbrock Leitung Nachtwache Mit Chorwerken von u. a. Johannes Brahms, Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann sowie Lyrik der Romantik von u. a. Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine und Novalis Liederabende 2 30 Fantasien, Humoresken und Sonaten von Beethoven, Liszt und Tschaikowsky Elisabeth Leonskaja Klavier Foto: Marco Borggreve Freitag 6. November 2015 20:00 Die »letzte grande Dame der sowjetischen Schule« wird 70. Seit Eröffnung der Kölner Philharmonie war sie bereits 30mal zu Gast bei uns. Im November hat das Kölner Publikum gleich an zwei Abenden Gelegenheit, einer der gefeiertsten Pianistinnen unserer Zeit zu lauschen: im ersten Konzert solistisch mit Beethovens Fantasie H-Dur und der »Sturmsonate«, mit den »Elf Humoresken« von Jörg Widmann, mit einem Auszug aus Liszts »Années de pèlerinage« und Tschaikowskys »Grande Sonate G-Dur«. Um 19 Uhr findet eine Einführung in das Konzert statt. FR SO 06 08 20:00 Filmforum 16:00 Elisabeth Leonskaja Klavier Leonard Bernstein: The Gift of Music USA / D 1993 90 Min. Regie: Horant H. Hohlfeld Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Florian Donderer Violine und Leitung Elisabeth Leonskaja zum 70. Anlässlich des 25. Todestages von Leonard Bernstein OmU Franz Schubert Sinfonie Nr. 3 D-Dur D 200 Wolfgang Amadeus Mozart Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Es-Dur KV 452 KölnMusik gemeinsam mit Kino Gesellschaft Köln Karten an der Kinokasse Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 SA Sonntags um vier 2 07 20:00 MO Hélène Hébrard Mezzosopran Marie-Eve Munger Sopran Omo Bello Sopran Julie Pasturaud Mezzosopran Sophie Pondjiclis Mezzosopran François Piolino Tenor Nathan Berg Bass Eric Owens Bass 09 20:00 Scharoun Ensemble Berlin Johannes Brahms / Detlev Glanert Variationen über ein Thema von Schumann op. 9 arrangiert für Oktett Chor des Bayerischen Rundfunks Kinderchor der Bayerischen Staatsoper Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Esa-Pekka Salonen Dirigent György Kurtág Hommage à R. Sch. op. 15d Mark-Anthony Turnage This silence für Oktett Esa-Pekka Salonen Karawane für Chor und Orchester Text von Hugo Ball Johannes Brahms Sextett für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli Nr. 2 G-Dur op. 36 Maurice Ravel L’Enfant et les sortilèges Fantaisie lyrique en deux parties 19:00 Einführung in das Konzert durch Bjørn Woll Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e. V. Kammermusik-Abo 2015/2016 2 18:00 Lengfeld’sche Buchhandlung Blickwechsel Musik und Literatur: »jolifanto bambla – Dada in Zürich« 19:00 Einführung in das Konzert durch Stefan Fricke Philharmonie für Einsteiger 3 32 Mittwoch 18. November 2015 20:00 Foto: Wolf Nolting Cantus Cölln Magdalene Harer Sopran Elisabeth Popien Alt Hans Jörg Mammel Tenor Wolf Matthias Friedrich Bass Konrad Junghänel Leitung Überirdische Schönheit Barocke Trauermusik von Bach, Telemann, Bruhns und Drese Zu Hause in der Tradition des frühen italienischen Renaissancemadrigals ebenso wie im deutschen Hochbarock ist Cantus Cölln bekannt für seine Wiederentdeckungen alter und geistlicher Musik. Für sein Kölner Konzert hat das Ensemble mit Leiter und Lautenist Konrad Junghänel ein bezwingendes Programm zum Thema Tod und Sterben zusammengestellt. DO SA 12 21 21:00 Stadtgarten 20:00 Hiromi p, keyb Anthony Jackson b, g Simon Phillips dr TRIPCLUBBING Ensemble Garage Georg Conrad Hiromi: The Trio Project Die japanische Jazz-Pianistin Hiromi ist eine Ausnahmeerscheinung. Ob Jazz-Rock, Funk, Swing oder Blues – Hiromi besticht durch ihre inspirierende Individualität. Das können auch Bassist Anthony Jackson und Drummer Simon Philips bestätigen, die seit 2011 mit Hiromi ein festes Trio bilden und sich weltweit auf allen großen Jazzfestivals an Intensität und Kreativität überbieten. Sound & Image Gefördert durch ON – Neue Musik Köln und die Kunststiftung NRW SO 15 20:00 Jazz-Abo Soli & Big Bands 3 Mariza Gesang José Manuel Neto portugiesische Gitarre Pedro Jóia Gitarre Fernando »Yami« Aráujo Bassgitarre Hugo »Vicky« Marques Percussion MI 25 Mundo 20:00 Stéphane Degout Bariton Fulvio Bettini Bariton Marcos Fink Bassbariton Anett Fritsch Sopran Sophie Karthäuser Sopran Giulia Semenzato Sopran Christophe Dumaux Countertenor Lawrence Zazzo Countertenor Dominique Visse Altus Johannes Chum Tenor 17:00 Ballettschule lindig.art Blickwechsel Musik und Tanz: »Fado – Stimme der Sehnsucht« FR 20 20:00 B’Rock Orchestra René Jacobs Dirigent Tine Thing Helseth Trompete NDR Radiophilharmonie Andrew Manze Dirigent Francesco Bartolomeo Conti Don Chisciotte in Sierra Morena Tragicommedia in fünf Akten Joseph Haydn Die Vorstellung des Chaos aus: Die Schöpfung Hob. XXI:2 Alte-Musik-Pionier René Jacobs präsentierte Anfang der 1990er Jahre die wohl erste Vertonung des DonQuichotte-Stoffes. Komponiert hatte die Oper 1719 der gebürtige Florentiner und Wiener Hofkomponist Conti. Diese herrliche Barock-oper ist nun konzertant und in einer exklusiven Besetzung unter Jacobs in Köln zu erleben. Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur Hob. VIIe:1 Bent Sørensen Konzert für Trompete und Orchester Johannes Brahms Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 extra mit Deutschlandfunk 1 Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e. V. Operette und ... 2 34 Ihr nächstes Abonnement-Konzert SA Sa 28 11 20:00 Juni 20:00 Fatoumata Diawara voc, git Roberto Fonseca p Sekou Bah git Drissa Sidibé kamale ngoni Yandi Martinez b Ramsés Rodríguez dr Wiener Philharmoniker Yannick Nézet-Séguin Dirigent Anton Webern Passacaglia op. 1 (1908) für Orchester Die stimmgewaltige, aus Mali stammende Sängerin und Gitarristin Fatoumata Diawara kehrt nach Köln zurück und hat diesmal den kubanischen Pianisten Roberto Fonseca an ihrer Seite. Anton Bruckner Sinfonie Nr. 9 d-Moll WAB 109 (1887 – 96) KölnMusik gemeinsam mit der Westdeutschen Konzertdirektion Köln Köln-Zyklus der Wiener Philharmoniker 2 SO 29 15:00 Filmforum Der Lieblingsfilm von Tine Thing Helseth The King’s Speech Großbritannien, USA, Australien, 2010, 119 Min Regie: Tom Hooper OmU. Wir zeigen eine DVD. Medienpartner: choices KölnMusik gemeinsam mit Kino Gesellschaft Köln Karten an der Kinokasse 35 Philharmonie-Hotline 0221 280 280 ­koelner-­philharmonie.de Informationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner ­Philharmonie! Kulturpartner der Kölner Philharmonie Herausgeber: KölnMusik GmbH Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Postfach 102163, 50461 Köln ­koelner-­philharmonie.de Redaktion: Sebastian Loelgen Corporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbH Textnachweis: Die Texte von Oliver Binder und Guido Fischer sind Original­­­beiträge für dieses Heft. Fotonachweise: Martin U. K. Lengemann S. 27; Terry Linke S. 16 Gesamtherstellung: adHOC ­Printproduktion GmbH Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur KV 271 Anton Bruckner Sinfonie Nr. 4 Es-Dur 2. Fassung Daniel Harding Dirigent Gefördert durch koelner-philharmonie.de 0221 280 280 Foto: Julian Hargreaves Maria João Pires Klavier London Symphony Orchestra Freitag 11.12.2015 20:00