Abiturprüfung Physik 2016 (Nordrhein-Westfalen) – Leistungskurs Aufgabe 1: Induktion bei der Torlinientechnik Im Fußball sorgen regelmäßig umstrittene Entscheidungen über zu Unrecht gegebene bzw. nicht gegebene Tore für Diskussionen. Technische Hilfsmittel, die überprüfen, ob der Ball die Torlinie vollständig, d. h. mit vollem Durchmesser, überquert hat oder nicht, werden als Torlinientechnik bezeichnet (siehe Abbildung 1). In den letzten Jahren wurden unterschiedliche Systeme der Torlinientechnik entwickelt. Mehrere von ihnen nutzen Magnetfelder, um die Position des Balles zu bestimmen. Abb. 1: Der Schiedsrichter kann auf Tor entscheiden, obwohl der Ball vom Torhüter verdeckt wird. © Fraunhofer IIS In einem einfachen Modellversuch soll ein mögliches System dargestellt werden, das sich Magnetfelder zunutze macht (siehe Abbildung 2). Hierbei dient eine Spule mit großem Durchmesser als „Tor“ und eine Spule mit deutlich kleinerem Durchmesser als „Ball“. Die Spulen werden im Folgenden der Einfachheit halber als Torspule bzw. Ballspule bezeichnet. Außerdem befindet sich eine HallSonde in einiger Entfernung hinter der Torspule, um die Position der Ballspule relativ zur Torlinie zu bestimmen. Zur Anzeige der Entscheidung „Ball im Tor“ bzw. „Ball nicht im Tor“ wird ein Voltmeter verwendet. LK 2016-1 Abb. 2: Aufbau des Modellversuchs 1.1 Die Hall-Sonde misst die Stärke B des magnetischen Feldes indirekt über die sogenannte Hall-Spannung UH (siehe Abbildung 3). Abb. 3: Skizze einer Hall-Sonde • Beschreiben Sie den Aufbau der Hall-Sonde. • Erläutern Sie ihre Funktionsweise. • Zeigen Sie mithilfe eines geeigneten Kraftansatzes, dass sich die HallSpannung UH proportional zur Feldstärke B verhält. LK 2016-2 10 P. 1.2 Das Magnetfeld der Torspule ist stark inhomogen. Dies hat praktische Bedeutung für den Modellversuch, da die von der Stromstärke I in der Torspule abhängige Stärke BI des magnetischen Feldes hinter der Torspule stark abfällt. Entlang der in Abbildung 4 dargestellten x-Achse (Symmetrieachse) gilt: μ ⋅n ⋅I R2 B I (x) = 0 T ⋅ 3 2 (R 2 + x 2 ) 2 Vs die magnetische Dabei ist μ 0 = 4π ⋅10 −7 Am Feldkonstante, nT die Anzahl der Windungen, R der Radius und x der Abstand von der Spulenmitte. Der zugehörige Graph ist in Abbildung 5 dargestellt. Hierbei ist die vertikale Achse in der Einheit des maximalen Wertes BI(0) skaliert. Abb. 4: Skizze der Torspule Abb. 5: Stärke BI des magnetischen Feldes entlang der Symmetrieachse (Die t-Achse wird in Teilaufgabe 1.3 d benötigt.) LK 2016-3 Zur experimentellen Bestimmung der Feldstärke BI wird die Hall-Spannung durch das Betriebsgerät der Hall-Sonde zunächst verstärkt. Die verstärkte Hall-Spannung UH wird dann zur Anzeige gebracht. Um sie in die Feldstärke BI umrechnen zu können, misst man Werte für UH in der Mitte der Torspule (x = 0) in Abhängigkeit von der Stromstärke I (siehe Tabelle 1). Der Spulenradius beträgt R = 20,0 cm, die Spule hat nT = 154 Windungen. I (in A) 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 UH (in V) 0,00 0,45 0,94 1,45 1,98 2,39 BI(0) (in mT) Tab. 1 a) Zeigen Sie mithilfe der gegebenen Gleichung für BI(x), dass die Stärke des magnetischen Feldes in der Spulenmitte durch die Gleichung μ ⋅n ⋅I B I (0) = 0 T 2R gegeben ist. b) • Berechnen Sie mithilfe der Gleichung aus Teilaufgabe 1.2 a die Werte für BI(0) in Tabelle 1 in Abhängigkeit von der Stromstärke I. • Bestimmen Sie anhand einer grafischen Auswertung den Proportionalitätsfaktor c für den Zusammenhang B = c ⋅ UH bei der hier verwendeten Hall-Sonde. c) Zeigen Sie rechnerisch, dass die Feldstärke BI für x = 2R weniger als 9 % der Feldstärke in der Spulenmitte beträgt. 1.3 In einem Gedankenexperiment ist das von der Torspule erzeugte Magnetfeld zunächst zeitlich konstant. Die Ballspule wird mit offenen Anschlüssen mit konstanter Geschwindigkeit v, wie in Abbildung 6 dargestellt, auf die Torspule zu und durch sie hindurch bewegt. Abb. 6: Bewegungsrichtung der Ballspule a) Begründen Sie, dass zwischen den offenen Anschlüssen der Ballspule eine Spannung U messbar ist. LK 2016-4 14 P. Lösungen zu Aufgabe 1 Vorbemerkung: In dieser Aufgabe geht es um die elektromagnetische Induktion, wie sie auftritt, wenn sich ein von einer Induktionsspule wahrgenommenes Magnetfeld zeitlich oder auch räumlich ändert. Der durchgehende Kontext ist der der Torlinientechnik: Hier stand längere Zeit in der Diskussion, über elektrische Spulen in der Ballhülle, in denen Induktionswirkungen bei geeigneten äußeren Magnetfeldern auftreten, die Position des Balles vor allem bei Torentscheidungen objektiv zu registrieren, um den Schiedsrichtern eine weitere Hilfe für ihre Entscheidung zu geben. 1.1 a) Aufbau der Sonde Die Hall-Sonde besteht aus einem Plättchen aus einem Halbleitermaterial, das der Länge nach von einem elektrischen Strom durchflossen wird. An der oberen und unteren Seite des Plättchens befinden sich zwei elektrische Kontakte bzw. Anschlüsse, über die eine Spannung gemessen wird. Funktionsweise Zur Messung der Stärke eines magnetischen Feldes bringt man das HallPlättchen so in das Feld, dass der Strom durch die Hall-Sonde senkrecht zum Magnetfeld verläuft. Durch eine Ladungsverschiebung innerhalb des Plättchens lässt sich dann die sog. Hall-Spannung UH zwischen der oberen und unteren Seite des Plättchens messen. Proportionalität zwischen Hall-Spannung und magnetischer Feldstärke Der Kraftansatz kann mithilfe einer Ergänzung in der Skizze auf dem Aufgabenblatt erläutert werden: Die Lorentzkraft F L sorgt für eine Verschiebung der Elektronen nach unten, sodass sich oben ein Elektronenmangel und unten ein Elektronenüberschuss bildet. Es entsteht dadurch ein elektrisches Feld E. Elektronen werden nur solange nach unten verdas Abb. 10 schoben, bis die durch elektrische Feld E hervorgerufene elektrische Feldkraft Fel und die Lorentz kraft F L ein Kräftegleichgewicht bilden, das sich betragsmäßig in der folgenden Weise darstellen lässt: FL = Fel Nach Einsetzen der zugehörigen Kraftterme und Umstellen erhält man U e ⋅ v ⋅ B = e ⋅ E ⇔ e ⋅ v ⋅ B = e ⋅ H ⇒ UH = v ⋅ d ⋅ B d und damit die gesuchte die Proportionalität UH ∼ B. LK 2016-10 1.2 a) Einsetzen von x = 0 in die gegebene Gleichung liefert die Magnetfeldstärke in der Spulenmitte: μ ⋅n ⋅I μ ⋅ n ⋅ I R 2 μ0 ⋅ n T ⋅ I R2 B I (0) = 0 T ⋅ = 0 T ⋅ = 3 2 2 2R R3 (R 2 + 0 2 ) 2 b) Durch Einsetzen der gegebenen Werte in die Gleichung aus Teilaufgabe 1.2 a ergeben sich für BI(0) die Werte in der dritten Zeile: I (in A) 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 UH (in V) 0,00 0,45 0,94 1,45 1,98 2,39 BI(0) (in mT) 0,00 0,48 0,97 1,45 1,94 2,42 Trägt man BI(0) gegen UH auf, ergibt sich das Diagramm rechts. Durch Bestimmung der Steigung erhält man für die Proportionalitätskonstante den Wert: mT c =1 V Abb. 11 c) Das Verhältnis von BI(2R) zu BI(0) ist: B I (2R) R3 1 = = 3 = 0,0894 = 8,94 % 3 2 2 B I (0) (R + (2R) ) 2 5 2 Also beträgt die Feldstärke für x = 2R weniger als 9 % der Feldstärke in der Spulenmitte. 1.3 a) Entstehung der Spannung U Wie in Abbildung 5 erkennbar, ist das von der Torspule erzeugte Magnetfeld räumlich sehr inhomogen. Bewegt sich die offene Ballspule durch dieses inhomogene Magnetfeld, ändert sich in jeder Windung ständig der Teil des Magnetfeldes, der diese Windung durchsetzt. Damit ändert sich der magnetische Fluss Φ in der Ballspule zeitlich. Nach dem Induktionsgesetz wird an je Windung induziert. den offenen Enden die Spannung U = −Φ r r r r Man kann – vereinfacht – auch über die gesamte Ballspule gemittelt (statt einzeln über jede ihrer Windungen) argumentieren: Die Ballspule bewegt sich in einem sehr inhomogenen Magnetfeld, sodass dadurch in ihr eine Spannung induziert wird. LK 2016-11