Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2000 · 43:839–844 © Springer-Verlag 2000 Leitthema: Infektionsschutzgesetz Einsatz der RKI-Falldefinitionen zur Übermittlung von Einzelfallmeldungen Zusammenfassung Mit Einführung des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) werden erstmals gemäß § 4 (2) Falldefinitionen zur routinemäßigen Übermittlung der meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten in Deutschland in verbindlicher Form eingeführt.Mit Hilfe der Falldefinitionen werden Krankheitsbezeichnungen mit einer definierten Beschreibung der Erkrankung in Verbindung gebracht.Die damit einhergehende Abstraktion führt zur Schaffung “nosologischer Entitäten”. Die gemäß IfSG vom Robert Koch-Institut erstellten Falldefinitionen versetzen die Gesundheitsämter in die Lage, die ihnen gemeldeten Erkrankungsoder Todesfälle sowie die Nachweise von Krankheitserregern nach einheitlichen Kriterien zu bewerten und über die Landesgesundheitsbehörden der Bundesländer an das Robert Koch-Institut (RKI) zu übermitteln. Durch die Einführung der Falldefinitionen wird die Qualität der Meldedaten deutlich verbessert, da jede gemeldete Erkrankung/Infektion definierte Kriterien erfüllt und somit unklare Erkrankungsfälle oder Diagnosen nicht mit gesicherten vermischt werden. Schlüsselwörter Infektionsschutzgesetz · Übermittlung · Falldefinitionen Warum überhaupt Falldefinitionen? Allgemein gesprochen, versuchen Falldefinitionen, eine Krankheitsbezeichnung mit der möglichst charakteristischen Beschreibung einer Erkrankung in Verbindung zu bringen. Die damit einhergehende Abstraktion führt zur Schaffung “nosologischer Entitäten”.Verbunden ist dies mit der Erwartung, dass überall dort, wo die gleiche Falldefinition benutzt wird, dann auch tatsächlich gleiche “nosologische Entitäten”erfasst werden. Ähnlich klinischen Testverfahren oder Laboruntersuchungen bewegen sich Falldefinitionen zwischen den Polen “Spezifität” und “Sensitivität”. Man wird bei Falldefinitionen für die Übermittlung meldepflichtiger Erkrankungen einer hohen Spezifität den Vorzug geben. Zusätzlich ist es nach den hier vorgestellten Falldefinitionen möglich, den gemeldeten Fall gestaffelt nach festen Kriterien,gemessen an der diagnostischen Sicherheit,zu übermitteln (siehe unten). Dies schließt auch Bedingungen ein, unter denen Fälle mit einer hohen Sensitivität erfasst werden (siehe z. B. Falldefinition zu Masern oder Tuberkulose). Falldefinitionen sind in epidemiologischen Untersuchungen – seien es FeldstudienoderklinischeStudien–unabdingbare und inzwischen auch gebräuchliche Instrumente in der Erfassung und Präsentation von Erkrankungen.Dagegen sind sie bei der routinemäßigen Übermittlung der meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten in Deutschland in verbindlicher Form bisher nicht üblich und auch in andereneuropäischenLändern noch nicht so weit verbreitet,wie es von der Sache her geboten wäre. Die in diesem Heft gemäß § 4 (2) IfSG veröffentlichten Falldefinitionen sind keine Falldefinitionen, die das Meldekriterium für meldepflichtige Ärzte darstellen. Vielmehr sollen diese Falldefinitionen dazu benutzt werden, die Ge- sundheitsämter in die Lage zu versetzen, die ihnen gemeldeten Erkrankungsoder Todesfälle sowie die Nachweise von Krankheitserregern nach einheitlichen Kriterien zu bewerten und über die Landesgesundheitsbehörden der Bundesländer an das Robert Koch-Institut zu übermitteln. Die hier vorgestellten Falldefinitionen wurden vom RKI erstellt. Fachgesellschaften, Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie Infektiologen, Epidemiologen und Mikrobiologen mit speziellen Erfahrungen wurden in die Erstellung mit einbezogen. Die Falldefinitionen werden in Abhängigkeit von der Entwicklung neuer diagnostischer Tests sowie vom Erkenntnisgewinn in Bezug auf die erfassten Erkrankungen in gewissen Zeitabständen fortgeschrieben werden. Um dies zeitnah zu ermöglichen, wurden sie nicht als fester Gesetzes-Bestandteil in das IfSG aufgenommen. Auf EU-Ebene werden z. Z. ebenfalls allgemeine Falldefinitionen erarbeitet. Die zuständige europäische Arbeitsgruppe hat einen ersten Entwurf vorgelegt,der derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird.Dieser Entwurf ist über das Internet einsehbar (http://www. smittskyddsinstitutet. se/archive. asp? theSection=4). Ziel ist es,in absehbarer Zeit allgemeingültige Falldefinitionen für die Europäische Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, so dass im Rahmen von europäischen Netzwerken Erkrankungen nach den gleichen Falldefinitionen gemeldet werden.Bei der Erstellung der deutschen Falldefinitionen für das IfSG wurde versucht, den Entwurf der europäischen Falldefinitionen nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Kriterien der Falldefinitionen Grundanliegen der Falldefinitionen ist es, für die einzelnen nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtigen Krankheiten und labordiagnostischen Nachweise nach dem Stand der Wissenschaft zu regeln, welche Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11•2000 839 Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2000 · 70:839–844 © Springer-Verlag 2000 Use of the RKI case definitions for transmission of single case reports Abstract With the institution of the Protection against infection Act, case definitions will be officially introduced for the routine transmission of notifiable infectious diseases from local health departments to state and national health institutions in Germany for the first time.Case definitions link the disease entity with a defined description of the disease.The abstraction thereby required leads to the creation of “nosological entities”.The case definitions, which were developed by the Robert Koch Institute (RKI) according to the Protection against infection Act, enable the local health departments to assess and categorise reported cases, deaths and laboratory reports of pathogens according to uniform criteria prior to transmission to the RKI via the state health institutions.The quality of surveillance data will be significantly improved, as each reported case/infection will fulfil defined criteria, thereby enabling unclear cases/diagnoses to be separated from those that are confirmed. Keywords Protection against infection Act · Transmission of data · Case definitions Leitthema: Infektionsschutzgesetz Kriterien erfüllt sein müssen, um eine Zählung als “Fall”im Berichtswesen über Infektionskrankheiten und damit einen Übermittlungsvorgang an die zuständige Landesbehörde und das RKI auszulösen (einen kompletten Überblick über die verschiedenen Melde- und Übermittlungskriterien gibt Tabelle 1). Bei diesen Kriterien handelt es sich um ◗ das klinische Bild, ◗ den epidemiologischen Zusammenhang zwischen Erkrankungen und ◗ den labordiagnostischen Nachweis. Aus der Kombination dieser Kriterien ergeben sich folgende Gruppen, die gleichzeitig Stufen der diagnostischen Sicherheit markieren, mit der vom Vorliegen der Infektion/Erkrankung ausgegangen werden kann. Klinisch bestätigte Erkrankung (klinisch bestätigte Erkrankung ohne labordiagnostischen Nachweis und ohne epidemiologischen Zusammenhang mit einer durch labordiagnostischen Nachweis bestätigten Infektion) Eine klinisch bestätigte Erkrankung, ohne labordiagnostischen Nachweis und ohne epidemiologischen Zusammenhang mit einer durch Erregernachweis bestätigten Infektion gilt bei ◗ hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS), ◗ akuter Hepatitis Non A–E nach Ausschluss aller bekannten Virushepatitiden, ◗ Masern, ◗ Tuberkulose, ◗ Poliomyelitis, ◗ Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) als übermittlungspflichtiger Fall. Für diese Diagnosen werden krankheitsspezifische klinische Kriterien angegeben, die eine Einordnung als “klinisch bestätigte Erkrankung” in Abgrenzung zum Krankheitsverdacht regeln. Klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung (klinisch bestätigte Erkrankung, ohne Erregernachweis, mit epidemiologischem Zusammenhang zu einer durch labordiagnostischen Nachweis bestätigten Infektion) Eine klinisch bestätigte Erkrankung ohne labordiagnostischen Nachweis kann dann als Fall gezählt werden und ist bei 840 Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11•2000 den meisten Erkrankungen (Ausnahmen siehe unten) zu übermitteln, wenn ein epidemiologischer Zusammenhang mit einer labordiagnostisch gesicherten Infektion (z. B. Mensch, Tier, Lebensmittel) vorliegt. Der “epidemiologische Zusammenhang” muss ausdrücklich den Nachweis mindestens einer labordiagnostisch gesicherten Infektion beim Menschen einschließen. Folgende Konstellationen kommen in Betracht: ◗ Erkrankung ohne labordiagnostischen Nachweis, die binnen der erregerspezifischen Inkubationszeit nach übertragungsrelevantem Kontakt zu einer anderen Person aufgetreten ist, bei der eine gleichartige labordiagnostisch gesicherte Infektion zum Zeitpunkt des Kontakts bestand. ◗ Erkrankung ohne labordiagnostischen Nachweis, die binnen der erregerspezifischen Inkubationszeit nach übertragungsrelevantem Kontakt zu einem Tier oder Tierprodukt aufgetreten ist, bei dem der die Erkrankung auslösende Erreger labordiagnostisch nachgewiesen wurde und die als Infektionsquelle einer gleichartigen labordiagnostisch gesicherten Infektion bei mindestens einer anderen Person anzusehen ist. So ist beispielsweise die Infektion nach Kontakt zu einem an Bacillus anthracis infizierten Tier nur dann als klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung zu übermitteln, wenn mindestens eine labordiagnostisch gesicherte Infektion bei einem Menschen aufgetreten ist, der binnen der erregerspezifischen Inkubationszeit einen übertragungsrelevantem Kontakt zu diesem Tier hatte. Insektenstiche oder Zeckenbisse gelten nur in einem ausgewiesenen Hochrisikogebiet als hinreichender epidemiologischer Zusammenhang. ◗ Erkrankung ohne labordiagnostischen Nachweis, die binnen der erregerspezifischen Inkubationszeit nach Verzehr eines Lebensmittels oder Genuss von Wasser aufgetreten ist, bei dem der die Erkrankung auslösende Erreger labordiagnostisch nachgewiesen wurde und das als Infektionsquelle einer gleichartigen labordiagnostisch gesicherten Infektion bei mindestens einer anderen Person anzusehen ist. So ist beispielsweise die Infektion nach Genuss eines mit Botulismus-Toxin kontaminierten Lebensmittels nur Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11•2000 841 14 g)*15 13 12 b f)* 12 a g)*11 9 10 c) 8 6 a) 7 4 5 3 j) 2 1 Nr. 1 X* X X X X X X X Namentliche Meldung des labordiagnostischen Nachweises nach § 7 (1) Namentliche Meldung des Verdachts, der Erkrankung und des Todes nach § 6 § 6 (1) § 6 (1) 1 2 X X X X X X X X X X X X X X X X* Nichtnamentliche Meldung direkt an das RKI nach §7(3) Meldepflichtig an das Gesundheitsamt Escherichia X* coli (EHEC) Escherichia coli sonst. darmpathogene Stämme Francisella tularensis FSME-Virus GelbfieberX* virus Bacillus anthracis Borrelia recurrentis Brucella sp. Campylobacter spp.darmpathogen Chlamydia psittaci Clostridium botulinum od.Toxinnachweis Corynebacterium diphtheriae,Toxin bildend Coxiella burnetii Cryptosporidium parvum Ebolavirus Adenoviren Nennung nach Erreger IfSG §6 §7 §7 (1)(1) (3) X X* X X Nichtnamentliche Übermittlung des Verdachts, der Erkrankung oder des Todes an RKI über zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde nach § 12 X* klinisch bestätigte Erkrankung bestätigte Erkrankung X X X X X X X X X X X X X X X X klinischepidemiologisch tisch bestätigte X X X X X X X X X X X X X X X X* Klinisch und labor diagnosNachweis– asymptomatisch X X X X X X X X X X X X X X X X* X X X X X X X X X X X X X X X X* Verlauf *bei hämorrhagischem *bei hämorrhagischem Verlauf * nur HUS * nur direkter Nachweis im Konjunktivalabstrich LaborNur labor- Anmerkungen diagnos- diagnostitischer scher Nachweis – klin. Bild nicht ermittelbar Vom Gesundheitsamt an RKI über zuständige Landesbehörde zu übermitteln Übersicht über die nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Erreger sowie über die Kategorien der Übermittlung nach den §§ 11 und 12 IfSG Tabelle 1 842 Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11•2000 Masernvirus X Mycobacterium leprae h) 30 31 X* X* X X X X X X X* X* X X X X X X X X X* X X X X X X X X Namentliche Meldung des labordiagnostischen Nachweises nach § 7 (1) Namentliche Meldung des Verdachts, der Erkrankung und des Todes nach § 6 § 6 (1) § 6 (1) 1 2 Marburgvirus Legionella sp. Leptospira interrogans Listeria monocytogenes Lassavirus HepatitisA-Virus HepatitisB-Virus Hepatitis C-Virus Hepatitis D-Virus HepatitisE-Virus Akute Virushepatitis Non A–E Influenzaviren Giardia lamblia Haemophilus influenzae Hantaviren Nichtnamentliche Meldung direkt an das RKI nach §7(3) Meldepflichtig an das Gesundheitsamt g)*29 26 27 28 g)* 25 24 e) 23a e) 23 e) 22 e) 21 e) 20 e) 19 g)*18 16 17 Nr. 1 Nennung nach Erreger IfSG §6 §7 §7 (1)(1) (3) Fortsetzung Tabelle 1 X* X* X* X* Nichtnamentliche Übermittlung des Verdachts, der Erkrankung oder des Todes an RKI über zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde nach § 12 X X X* klinisch bestätigte Erkrankung X X X X X X X X X X X X klinischepidemiologisch bestätigte Erkrankung X X X X X X X X X X X X X X X X Klinisch und labor diagnostisch bestätigte X X X X X X X X X X X X X X X Labordiagnostischer Nachweis– asymptomatisch X X X X X X X X X X X X X X *nur bei gastroenteritischem Verlauf *bei hämorrhagischem Verlauf *bei Ausschluss bekannter Hepatitis-Erreger *nur direkte Nachweise von Influenzaviren *bei hämorrhagischem Verlauf *bei hämorrhagischem Verlauf Nur labor- Anmerkungen diagnostischer Nachweis – klin. Bild nicht ermittelbar Vom Gesundheitsamt an RKI über zuständige Landesbehörde zu übermitteln Leitthema: Infektionsschutzgesetz Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11•2000 843 d) 2) d) 1) l) 46 g)*47 45 1 2 3 4 5 6 Treponema pallidum HIV Echinococcus sp. Plasmodium sp. Rubellavirus Toxoplasma gondii Neue Variante CJK X Vibrio X cholerae O 1 und O 139 Yersinia enterocolitica, darmpathogen Yersinia pestis X andere X* Erreger hämorragischer Fieber Klassische X CJK 42 43 41 n) 40 b) 44 X X X X Rickettsia prowazekii Rotavirus Salmonella X Paratyphi Salmonella X Typhi Salmonella, sonstige Shigella spp. Trichinella spiralis Neisseria meningitidis Norwalkähnliches Virus Poliovirus Rabiesvirus Mycobacterium tuberculosis Komplex 37 38 n) 39 k) 35 m) 36 34 i) 33 32 X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X* X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X* X* X X X X X X X X X X X X X X X X* X X X X X X X X X X X X X X X X* X X X X X X X X X X X X X X X X* *bei hämorrhagischem Verlauf *klinisch und pathologisch/ histologisch bestätigt *klinisch und pathologisch/ histologisch bestätigt *nur bei gastroenteritischem Verlauf Erkrankung *auch nach dem Tode bestätigte Leitthema: Infektionsschutzgesetz dann als klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung zu übermitteln, wenn mindestens eine labordiagnostisch gesicherte Infektion bei einem Menschen aufgetreten ist, der das kontaminierte Lebensmittel ebenfalls konsumiert hat. ◗ Erkrankung ohne labordiagnostischen Nachweis, die binnen der erregerspezifischen Inkubationszeit nach übertragungsrelevantem Kontakt zum Erreger selbst (z. B. im Labor) oder zu einem Material aufgetreten ist, in dem der Erreger labordiagnostisch nachgewiesen wurde und das als Infektionsquelle einer gleichartigen labordiagnostisch gesicherten Infektion bei mindestens einer anderen Person anzusehen ist. Ausnahmen Für Hepatitis B-D und Lepra wurde wegen der langen Inkubationszeiten in Kombination mit einem wenig charakteristischen Krankheitsbild auf die Übermittlung einer klinisch-epidemiologisch bestätigten Erkrankung verzichtet. Hier sollte in jedem Fall eine Labordiagnostik angestrebt werden. Für die Non A-E-Hepatitis und die CJK ist die Übermittlung einer klinisch-epidemiologisch bestätigten Erkrankung ebenfalls nicht vorgesehen. Durch Erregernachweis bestätigte Infektion/Erkrankung Die nach § 7 IfSG gemeldeten labordiagnostischen Nachweise bedürfen vor ihrer Übermittlung und erst recht vor der Einleitung von Umgebungsuntersuchungen oder Maßnahmen des Infektionsschutzes stets einer ergänzenden Information seitens des Patienten oder des behandelnden (bzw. des das Untersuchungsmaterial einsendenden) Arztes, aus der hervorgeht, ob die klinischen Symptome und Befunde des Patienten mit der durch den Erregernachweis nahegelegten Diagnose vereinbar sind. Bei Vorhandensein des klinischen Bildes liegt eine klinisch und durch labordiagnostischen Nachweis bestätigte Erkrankung vor. Ist das klinische Bild nicht vorhanden, liegt eine durch labordiagnostischen Nachweis bestätigte asymptomatische Infektion vor. Hierbei ist auch an die Möglichkeit einer Probenverwechslung oder eines falsch-positiven Labor- 844 befundes zu denken und auszuschließen, dass Auseinanderfallen von klinischem Bild und labordiagnostischem Nachweis auf dieser Fehlerquelle beruht. Sollte das klinische Bild ausnahmsweise nicht zu ermitteln sein, so können diese Fälle als durch labordiagnostischen Nachweis bestätigte Infektion übermittelt werden. Diese Kategorie sollte nur für die Fälle reserviert bleiben, in denen die mutmaßlich erkrankte Person durch das Gesundheitsamt nicht zu ermitteln ist. Gehäufte Übermittlungen von Erkrankungen über diese Kategorie weisen auf eine inkomplette Nachrecherche der Gesundheitsämter hin. Aufbau der einzelnen Falldefinitionen Die einzelnen Falldefinitionen sind nach folgendem Schema aufgebaut: a)Klinisches Bild Hier werden die charakteristischen Symptome der einzelnen Erkrankungen in kurzer Form und ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführt. Unter dem Begriff “Klinisches Bild” können in Einzelfällen auch diagnostische Befunde mit aufgeführt werden. b)Labordiagnostischer Nachweis Hier sind die entscheidenden Testmethoden aufgeführt, deren positive Ergebnisse nach dem gegenwärtigen Wissenstand als Nachweis des jeweiligen Erregers anzusehen sind. Die angegebene Reihenfolge der Testmethoden ist nicht als Wertung zu verstehen. Im Vergleich der gemeldeten Laborbefunde und der hier niedergelegten Kriterien ergibt sich, ob ein Fall die Qualität einer durch labordiagnostischen Nachweis bestätigten Infektion/Erkrankung hat oder ob es sich um eine nur klinisch/klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung handelt.Andere labordiagnostische Testverfahren die nicht explizit aufgeführt sind, zählen grundsätzlich nicht als labordiagnostische Nachweise im Sinne der Falldefinition und sind daher nicht als Entscheidungskriterium für die Übermittlung eines Falles einzubeziehen. c) Über zuständige Landesbehörde an das RKI zu übermittelnde Infektion/Erkrankung In diesen Abschnitt sind die jeweiligen Stufen der diagnostischen Sicherheit im Sinne von Bedingungen ausgeführt, die ein Fall erfüllen muss, um einen Über- Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11•2000 mittlungsvorgang und damit eine Zählung des Falles im Berichtswesen über Infektionskrankheiten auszulösen. Diese Einteilung ist auch für den internationalen Datenabgleich erforderlich. Es sind dies ◗ klinisch bestätigte Erkrankung, ◗ klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung, ◗ klinisch und durch labordiagnostische Nachweis bestätigte Erkrankung, ◗ durch labordiagnostische Nachweis bestätigte asymptomatische Infektion, ◗ nur durch labordiagnostische Nachweis bestätigte Infektion. Im Rahmen der Definition der klinischepidemiologisch bestätigten Erkrankung ist für die meisten Erkrankungen die Inkubationszeit angegeben. Die angegebenen Zeitintervalle sind als Richtangabe zu verstehen. Einzelerkrankungen mit Abweichung von den angegebenen Inkubationszeiten sind möglich.1 Unabhängig vom Übermittlungsverfahren nach § 11 IfSG besteht nach § 12 IfSG für bestimmte Infektionen eine unverzügliche Übermittlungspflicht. Die Schwelle für diese Informationsweitergabe ist im Sinne eines Frühwarnsystems für übertragbare Krankheiten bewusst niedrig gehalten. Die Übermittlung nach § 12 IfSG schließt Verdachtsfälle ausdrücklich mit ein. Die Übermittlungspflicht nach § 12 IfSG ist als zusätzliche Pflicht zu verstehen. Die Übermittlungspflicht nach § 11 IfSG bleibt davon unberührt. d) Anmerkungen In diesem Abschnitt werden Besonderheiten des jeweiligen Erregers/der Erkrankung in Bezug auf das Melde- und Übermittlungsverfahren behandelt. So finden sich hier beispielsweise Hinweise zu den Endemiegebieten. Insbesondere finden sich Hinweise, welche klinische Erscheinungsbilder explizit nicht an das Robert Koch-Institut übermittelt werden sollen (z. B. Verdachtsfälle). 1 Die hier angegebenen Inkubationszeiten wurden einheitlich aus Control of Communicable Diseases Manual, 2000, J. Chin, 17. Auflage, American Public Health Association, Washington DC, USA entnommen.