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Schwerpunkt
Bestimmung der Alkalinität in Meerwasser
durch Granberechnung
Ein Titrationsverfahren zur Quantifizierung der Versauerung der Meere durch CO2-Aufnahme
In den letzten 200 Jahren ist der CO2-Gehalt der Luft von etwa 280 ppm auf
über 380 ppm angestiegen. Der Anstieg des CO2 wird dabei als eine der
Ursachen der „globalen Erwärmung“ diskutiert. Während sich in der Atmo­
sphäre etwa 800 Gigatonnen Kohlendioxid berechnet als Kohlenstoff befinden,
beträgt die in Meerwasser gelöste Menge 38000 Gigatonnen, also das
50-­fache. Die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre führt auch zu einer fast 50
fachen Erhöhung des gesamten gelösten Kohlenstoffs und im speziellen des
CO2 im Meer. Dies führt wiederum zu einer Absenkung des pH-Wertes und einer
Beeinflussung des Aragonit- und Calcit-Gleichgewichtes. Zahlreiche Meeres­
lebewesen werden dadurch in ihrem Wachstum behindert.
22 Dr. Jürgen Peters, SI Analytics
Die Quantifizierung des CO2 im Meer ist daher
von besonderem Interesse. Die Methode der
Wahl ist die Titration der Gesamtalkalinität und
die Messung des pH-Wertes. Die größere Herausforderung stellt hierbei die Bestimmung der
Gesamtalkalinität dar. Da dies nicht unter Idealbedingungen stattfindet, sind besondere Berechnungsmethoden erforderlich. Auf internationaler Ebene hat sich die Granmethode mit einer
Regressionsanalyse des überschüssigen Titriermittels durchgesetzt. Dieses Verfahren und seine
technische Umsetzung unter Zuhilfenahme moderner und automatischer Titriersysteme werden
im Folgenden beschrieben.
Das CO2 als Hydrogencarbonat im Meer
Wie jedes andere Gas löst sich CO2 im Meerwasser. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gasen reagiert CO2 jedoch auch mit Wasser. Es
bildet sich Kohlensäure, die dann zu Hydrogencarbonat und Carbonat dissoziiert. Der gesamte
gelöste „anorganische Kohlenstoff“ im Meerwasser liegt also in den genannten Formen vor,
wobei die Konzentration der Kohlensäure derart
gering ist, dass sie vernachlässigt werden kann.
In normalem Meerwasser sind ca. 90 % Bi- oder
Hydrogencarbonat, 10 % Carbonat, und weniger
als 1 % CO2 enthalten (man nennt diese Aufteilung auch Speziation). Dies entspricht einem pHWert von etwa 8,1 bis 8,3. Der pH-Wert des
Meerwassers spiegelt zum großen Teil die Speziation des Karbonatsystems wieder. Für den CO2Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre ist
der Unterschied der Partialdrücke (pCO2) ent240 • GIT Labor-Fachzeitschrift 4/2012
schwerpunkt
Abb. 1: Das Prinzip der Granauswertung
scheidend. Der pCO2 der Atmosphäre beträgt heute etwa 380
µatm (entspricht ca. 380 ppm).
Die Konzentrationen der einzelnen Spezies des Kohlensäuregleichgewichtes können nicht
direkt, sondern lediglich durch
Säure-Base-Titration mit einer pHEinstabmesskette erfasst werden.
Mit einer Glaselektrode werden
die Wasserstoffionenaktivitäten,
jedoch nicht die Wasserstoffkonzentrationen erfasst. Die Aktivitäten ermitteln sich aus der Gleichung:
Abb. 2: Verwendung einer Excel-Auswertung in der Titrationssoftware
a=f·c
a = Aktivität
f = Aktivitätskoeffizient
c = Konzentration
Der Aktivitätskoeffizient f hängt
von der Ionenstärke und von der
Konzentration aller Ionen in der Lösung ab. Das bedeutet eine variierende Aktivität in Abhängigkeit
von der Matrix. Im Meerwasser mit
etwa 3 % Salzgehalt ist die Konzentration der Ionen deswegen
deutlich anders als in Süßwasserkanälen, Seen und Flüssen. Dies
führt in der Praxis zu unterschiedlichen Methoden zur Bestimmung
des Carbonatgleichgewichtes.
Die Bestimmung des Hydrogencarbonats in Meerwasser
Einen detaillierten Überblick über
die Carbonatchemie in Seewasser
erhält man im „Handbook of methods for the analysis of the various parameters of the carbon dioxide system in sea water” [1]. An
dieser Stelle soll von diesen Methoden die wichtige Bestimmung
der Gesamtalkalinität (Total Alkalinity TA) in offenen Titrationsgefäßen beschrieben werden. Die TA
ist immer höher als der Anteil des
Hydrogencarbonats im Meerwasser, da noch andere Säurekomponenten bei der Methode miterfasst werden. Wird Meerwasser
mit einer Säure titriert, die hauptsächlich den Hydrogencarbonatgehalt bestimmen soll, werden
viele weitere Ionen ebenfalls (je
nach pKS-Wert) erfasst. Die im
Meerwasser noch vorhandenen
Säuren/Basen sind:
Schwerpunkt
Abb. 3: Beispiel einer Alkalinitätauswertung
Die TA-Bestimmung wird daher
mittels Gran-Titration durchgeführt. Das Gran-Verfahren wurde
bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von Gunnar Gran
publiziert. Die erste Publikation
von 1950 zeigt schon die Linearisierung von Titrationskurven [2].
Die zweite Publikation 1952 erwies sich als richtungsweisend [3].
Sie beschreibt die Linearisierung
von Titrationskurven auf Basis der
Delogarithmierung für Säure-BaseTitrationen und auch zahlreiche
weitere Titrationsanwendungen.
Die potentiometrische Titration
basiert auf der Nernstschen Gleichung. In dieser Gleichung ist das
Säure-Base-Gleichgewicht in einer
logarithmischen Form enthalten.
Eine exponentielle Schreibweise
führt damit zu einer Linearisierung
der Titrationskurve. Wenn also unter Berücksichtigung der Volumenkorrektur eine Titration einer Lauge
mit einer starken Säure nach der
Formel
(Start-Vol. + Titr.-Vol.) · 10 pH
berechnet (und der höchste Wert
auf 1 skaliert) wird, erhält man die
grüne Gerade in Abbildung 1. Die
„Gran“-Werte erreichen den Wert
„0“ nicht, werden aber sehr klein.
Legt man jetzt eine Gerade durch
die Gran-Funktion bis kurz vor den
Äquivalenzpunkt, schneidet die
Gran-Gerade die x-Achse genau im
Äquivalenzpunkt. Die Werte kön-
Abb. 4: Titrator,
auch zur Alkalinitätsbestimmung
nen auch linear extrapoliert werden, die Titration muss diesen
Punkt dann nicht erreichen. Der
Vorteil ist natürlich, dass „spätere“ Störungen nicht mit erfasst
werden. Analog kann der Überschuss der Salzsäure mit der GranFunktion zurückgerechnet werden:
(Start-Vol. + Titr.-Vol.) · 10 – pH
Diese Gran-Funktion ist als orange
Funktion in Abb. 1 erkennbar. Mit
ihr kann der Überschuss einer starken Säure auf den letzten Äquivalenzpunkt zurückgerechnet werden. Um keine weiteren Basen
oder Säuren zu erfassen, darf der
Geradenbereich nicht zu nahe an
den Äquivalenzpunkt gelegt werden. Nach diesem Verfahren werden auch die Titrationen des Meerwassers zur Bestimmung aller
schwachen Säuren und Basen mit
einer starken Säure durchgeführt.
Mit z.B. Salzsäure wird deutlich
übertitriert und der Überschuss der
Säure auf den tatsächlich letzten
Äquivalenzpunkt zurückgerechnet.
Die praktische Titration
Die Proben werden exakt abgemessen (bei kalten Proben muss eine
Volumenkorrektur erfolgen) oder
gewogen (dann wird die Dichte dieser Probe bei der aktuellen Temperatur benötigt). Meist werden die
Proben gekühlt in einen Probenwechsler gestellt, um zunächst die
Raumtemperatur anzunehmen. Für
jeden pH-Wert wird auch die aktuelle Temperatur gemessen. Eine Kalibration der Elektrode ist erforderlich. Bei der Titration muss
auf die Temperatur geachtet
werden. Das
„richtige“ Volumen von Bürette und Probe,
sofern diese nicht
gewogen wird, bezieht sich auf 20 °C. Die
gemessenen pH-Werte
müssen dann auf diese
Temperatur kompensiert werden.
Die Titration
erfolgt in vielen
Fällen mit kleinen
Volumina und der
pH-Wert wird mit
Mikro-pH-Elektroden
in 50 ml Bechergläsern detektiert.
Die Titration erfolgt mit einer verdünnten Salzsäure z.B. 0,05 mol/l.
Der letzte Teil der Titration, bei einem pH-Wert von 4,0 bis 3,0, wird
mit gleichen Schritten linear 0,025
ml durchgeführt.
Der Aufwand der externen manuellen Berechnung ist für diese
Methode der zeitbestimmende
Arbeitsschritt. Neben der Automatisierung mit dem Probenwechsler
sind vor allem die objektive und
dokumentierte Berechnung und
Bewertung ein wichtiger Punkt der
Rationalisierung. Sie kann mit der
geeigneten Software [3] auf einfache Art und Weise realisiert werden. In einer TitriSoft-Formel kann
eine Excel-Datei aufgerufen werden. Die Software kopiert die komplette Titrationskurve in ein ExcelDatenblatt, das die vollständige
Granberechnung durchführt, eine
Grafik erstellt und das Ergebnis an
die Titrationssoftware zur automatischen Dokumentation zurückgibt.
Von der Excel-Berechnung wird
eine Kopie in einem beliebig definierbaren Verzeichnis erstellt. Der
Ablauf wird in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 3 zeigt eine Gesamtübersicht der verschiedenen
Auswertemöglichkeiten. In dunkelblau ist die Titrationskurve des
Meerwassers mit HCl zu sehen.
Hellblau ist die erste Ableitung und
in Grün wird der nichtlineare, erste
Teil der Granfunktion dargestellt.
Die Nichtlinearität ist zu erwarten, da die Meerwasserprobe kein
freies Alkali enthält. Der Anteil an
freiem Hydroxid würde als linearer
Anteil angezeigt werden. Deutlich
ist erkennbar, dass die Gran-Gerade einen eindeutiger definierten
Äquivalenzpunkt ergibt, als die
Auswertung der ersten Ableitung.
Zusammenfassung
Das CO2 der Atmosphäre steht im
Gleichgewicht mit den viel größeren chemisch gebundenen Mengen
in den Ozeanen. Dort reduziert sich
der pH-Wert, was erheblichen Einfluss auf die Umwelt hat. Eine
wichtige Größe zur Quantifizierung
ist die Gesamtalkalinität TA. Die
Auswertung erfolgt dabei mittels
Gran-Titration. Diese Messgröße
TA ist durch ein geeignetes Titrationssystem (Abb. 4) mit Software
sogar mit zahlreichen Proben einfach und automatisch bestimmbar.
Die Nachvollziehbarkeit auch aller
Berechnungsschritte mit übersichtlicher Grafik wird mittels einer automatisch erstellten Kopie einer
Excel-Tabelle sichergestellt.
Literatur beim Autor erhältlich.
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Tel.: 06131/66-5062
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