4 Bipolare Transistoren 4.1 Aufbau und prinzipielle Funktionsweise Betrachten wir zunächst nochmals die Verhältnisse bei einem in Flussrichtung gepolten pn-Übergang (Abbildung 4.1). p n Abb. 4.1: pn-Übergang im Flussbetrieb Dabei interessiert uns vor allem, wie sich der gesamte Flussstrom auf Elektronenund auf Löcherstrom aufteilt. Unter der Voraussetzung, dass das p-Gebiet wie auch 2 Bipolare Transistoren das n-Gebiet gleich stark dotiert ist, also die Ladungsträgerdichten in beiden Gebieten gleich sind, dürfte sich eine Stromaufteilung einstellen, wie sie in Abbildung 4.2 dargestellt wird: p n Löcherstrom Elektronenstrom Abb. 4.2: Stromaufteilung bei symmetrischer Dotierung Im Bereich der Sperrschicht besteht der Strom je zur Hälfte aus Löchern und aus Elektronen. Je weiter man sich von der Sperrschicht entfernt, desto kleiner wird der Anteil der jeweiligen Minoritätsträger am Gesamtstrom. An den Enden des Kristalls besteht der Strom nur noch aus den Majoritätsträgern; die Minoritätsträger sind alle rekombiniert. Etwas anders liegen die Verhältnisse, wenn das p-Gebiet sehr viel stärker dotiert wird als das n-Gebiet; man drückt das durch die Bezeichnung p+ aus. In diesem Fall haben wir die folgende Stromaufteilung zu erwarten: p n Löcherstrom Elektronenstrom Abb. 4.3: Stromaufteilung bei stark asymmetrischer Dotierung Da im Gebiet der Sperrschicht viel mehr Löcher als Elektronen als freie Ladungsträger zur Verfügung stehen, wird sich auch der Strom in Flussrichtung zu einem überwiegenden Teil aus Löchern zusammensetzen. Diese Löcher können dank ihrer Überzahl auch recht weit in das n-Gebiet vordringen, ehe sie schliesslich doch noch rekombinieren. An den Kristall-Enden besteht auch in diesem Fall der gesamte Strom wieder aus Majoritätsträgern (Elektronen im n-Gebiet, Löcher im p-Gebiet). Zur Repetition wollen wir auch nochmals den gesperrten pn-Übergang untersuchen. Wie bereits im Kapitel 2 ausgeführt wurde, fliesst ein kleiner Strom in Sperrichtung, der aus Ladungsträgern gebildet wird, die im Bereich der trägerentblössten Zone durch (vorwiegend thermische) Generation von Ladungsträgern entstehen. Diese Minoritätsträger werden im elektrischen Feld der Sperrschicht beschleunigt und durchdringen die Trennzone zwischen p- und n-Gebiet. Im n-Gebiet der Sperrschicht entstandene Löcher können also die Sperrschicht nicht nur ungehindert 4.1 Aufbau und prinzipielle Funktionsweise 3 durchdringen, sie werden dabei auch noch beschleunigt und gewinnen Energie. Diese Verhältnisse sind nochmals in Abbildung 4.4 veranschaulicht: p n FD FE Abb. 4.4: Gesperrter pn-Übergang mit beschleunigten Minoritätsträgern Die Grundidee beim bipolaren Transistor1 ist, dass man in einem Kristall zwei pnÜbergänge aneinanderfügt. Der eine Übergang wird in Flussrichtung gepolt, der andere in Sperrichtung. Die folgende Abbildung 4.5 soll das illustrieren: p+ n p Abb. 4.5: Transistor-Struktur Der in Flussrichtung gepolte pn-Übergang ist hier auf der p-Seite sehr stark dotiert (p+). Die n-leitende Zwischenschicht ist sehr dünn (0.2 ... 1 µm). Der in Sperrichtung gepolte pn-Übergang ist normal bis eher schwach dotiert, um eine relativ hohe zulässige Sperrspannung sicherzustellen. 1. Die hier behandelten Transistoren werden bipolare Transistoren (BPT) genannt, weil bei ihnen beide Ladungsträgerarten am Stromfluss beteiligt sind; dies im Gegensatz z.B. zu den später behandelten Feld-Effekt-Transistoren. 4 Bipolare Transistoren Der Strom durch die in Flussrichtung gepolte p+n-Diode besteht auch in der n-leitenden Zwischenschicht fast nur aus Löchern. Das elektrische Feld der Sperrschicht des zweiten pn-Überganges reicht nun tief in die Zwischenzone hinein. Die von der p+-Zone her in die Zwischenschicht injizierten Löcher werden von diesem Feld erfasst und durchdringen die Sperrschicht des rechten pn-Überganges. Dadurch steigt der Sperrstrom dieser Diode stark an. Man kann dieses Verhalten auch mit einem Staubsauger vergleichen, der die Löcher absaugt. Allerdings schaffen nicht alle injizierten Löcher den kurzen Weg bis zur Sperrschicht; einige rekombinieren. Man kann davon ausgehen, dass immer ein gleicher Prozentsatz der injizierten Löchern in der Zwischenschicht rekombiniert. Dadurch wird die Zwischenschicht positiv aufgeladen (Raumladung). Diese Raumladung würde nun den Stromfluss im leitenden p+n-Übergang stark behindern, wenn sie nicht durch über den Anschluss der n-leitenden Zone zugeführte Elektronen kompensiert würde. Die übrigen Löcher gelangen in den Sog des gesperrten Überganges und bilden den Sperrstrom. Offenbar ist also dieser Sperrstrom abhängig vom Elektronenstrom, der der Zwischenschicht zugeführt wird. Je grösser dieser Elektronenstrom ist, desto mehr Löcher können rekombinieren. Je mehr Löcher rekombinieren können, desto mehr Löcher können den gesperrten Übergang durchdringen. Man kann also durch den kleinen Elektronenstrom den bei der angenommenen stark asymmetrischen Dotierung viel grösseren Sperrstrom steuern. Die Stromaufteilung in dieser DreischichtStruktur entspricht also etwa der folgenden Darstellung: p+ n p Löcherstrom Elektronenstrom Abb. 4.6: Stromaufteilung im Transistor Aus dieser Darstellung erkennt man auch, dass die Dicke der Zwischenschicht das Verhältnis zwischen Elektronenstrom und Sperrstrom stark beeinflusst. Je dünner diese Schicht ist, desto kleiner sind die Rekombinationsverluste des Löcherstromes, desto kleiner muss bei gleichem Sperrstrom der Elektronenstrom sein, der ja eben diese Rekombinationsverluste decken muss. Die für die drei Anschlüsse gewählten Bezeichnungen erinnern an die Funktion der einzelnen Elektroden: das stark p-dotierte Gebiet wird Emitter E (“Sender”) genannt, das andere p-Gebiet heisst Kollektor C (“Sammler”) und die Zwischenschicht wird Basis B genannt. 4.2 Symbole und Kennlinien 4.2 Symbole und Kennlinien 4.2.1 Symbole und Bezugsrichtungen C UCB C UCB IC IB B UCE IE UBE 5 IC IB B UCE IE UBE E E npn pnp Abb. 4.7: Transistor-Symbole mit Bezugsrichtungen Wie man der vorhergehenden Abbildung entnehmen kann, existieren neben den Transistoren mit einer pnp-Schichtfolge auch solche mit einer npn-Schichtfolge. Die Funktionsweise ist gleich, man muss nur die Begriffe “Löcher” und “Elektronen” und die Polarität der externen Spannungsquellen vertauschen. Im Falle eines npn-Transistors sind alle Grössen im Normalbetrieb positiv, bei pnp-Transistoren sind alle Grössen negativ. 4.2.2 Kennlinien Wegen der drei Elektroden gibt es auch sechs Ströme und Spannungen. Glücklicherweise gelten aber auch hier Knoten- und Maschensatz, so dass wir unter Berücksichtigung der folgenden Beziehungen U CB = U CE – U BE I E = IC + IB für die Beschreibung des Transistors mit den vier Grössen UCE, UBE, IC und IB auskommen. Selbst diese Reduktion der Variablen erlaubt es uns noch nicht, den Transistor ähnlich wie die Diode durch eine einzige Kennlinie zu beschreiben. Wir müssen hier mit einem Kennlinienfeld arbeiten, bei dem gewisse Grössen als Parameter einer Kurvenschar erscheinen. Vom Funktionsprinzip aus wissen wir, dass die Basis-Emitter-Diode in Flussrichtung gepolt ist; hier erwarten wir 6 Bipolare Transistoren eigentlich eine normale Diodenkennlinie für den Zusammenhang zwischen UBE und IB. Der Kollektorstrom IC sollte einigermassen proportional zum Basisstrom IB sein; hier wird also auch eine Kennlinie genügen, wenn man berücksichtigt, dass der Kollektorstrom als Sperrstrom nach unserem Modell eigentlich nicht von der Kollektor-Emitter-Spannung UCE (.UCB) abhängig sein sollte. Interessanter wird der Zusammenhang zwischen UCE und IC sein; hier werden wir den Basisstrom IB als Parameter verwenden. Zur messtechnischen Bestimmung des Kennlinienfeldes kann die folgende Schaltung verwendet werden: A2 RV A1 V1 V2 Abb. 4.8: Mess-Schaltung für das Kennlinienfeld Die verwendeten Messinstrumente messen die folgenden Grössen: A1 misst IB, V1 misst UBE, A2 misst IC und V2 misst UCE. Das gemessene Kennlinienfeld für den Transistor 2N2219A ist in Abbildung 4.9 gezeigt. Dieses Kennlinienfeld muss noch etwas interpretiert werden. Zunächst ist zu bemerken, dass ein Kennlinienfeld nur immer gerade für den Transistor gilt, der ausgemessen wurde. Bedingt durch die Herstellungstechnologie unterliegen gewisse Parameter relativ grossen Exemplar-Streuungen. Das Kennlinienfeld kann deshalb nur dazu dienen, gewisse grundsätzliche Eigenschaften eines Transistors zu untersuchen, niemals aber um exakte Zahlwerte herauszulesen. Anregung: Man untersuche mit Hilfe eines Kennlinienschreibers (z.B. mit dem HM8042 von Hameg) die Ausgangskennlinien von mehreren Transistoren desselben Typs und achte auf die Unterschiede. Die Transistor-Kennlinien sind nichtlinear; eine genaue mathematische Beschreibung ist mit Ausnahme der Eingangskennlinie (Dioden-Kennlinie) nicht ohne weiteres möglich. Damit die grundsätzliche Funktionsweise von Schaltungen auch ohne exakte Analyse verstanden werden kann, muss man sich ein möglichst einfaches Modell für den Transistor machen. Falls es sich in der Folge zeigen wird, dass dieses Modell unter gewissen Umständen nicht mehr genügt, wird man sich um ein genaueres Modell bemühen müssen. Man sollte aber immer mit einem möglichst einfachen Modell arbeiten, um den Rechenaufwand in Grenzen zu halten. 4.2 Symbole und Kennlinien 7 IC Ausgangs-Kennlinien UCE = 15V IB = 100µA 15mA IB = 80µA IB = 60µA 10 IB = 40µA 5 TransferKennlinie IB IB = 20µA IB = 0 100µA 50 5 10 15 20V UCE Eingangs-Kennlinie 500mV Transistor 2N2219A UCE = 15V Vollständiges Kennlinienfeld UBE Abb. 4.9: Kennlinienfeld des Transistors 2N2219A Wenn man das gemessene Kennlinienfeld betrachtet, so stellt man fest, dass die Krümmung der meisten Kurven verschwindet, wenn man sie mit einem geraden Lineal von einer gewissen Breite zudeckt. Aus den Kurven werden also in erster Näherung Geraden; die entsprechenden mathematischen Zusammenhänge werden linear (Abbildung 4.10). Der bipolare Transistor kann offenbar in erster Näherung durch die folgenden vier Merksätze beschrieben werden: 1. Die Spannung UBE zwischen Basis und Emitter ist konstant und beträgt etwa 0.6 bis 0.7 V. 2. Der Kollektorstrom ist proportional zum Basisstrom. Der Proportionalitätsfaktor heisst Stromverstärkung $ und liegt typisch in der Grössenordnung von 100. 3. Der Emitterstrom IE ist etwa gleich dem Kollektorstrom IC. 4. Der Kollektorstrom ist praktisch unabhängig von der Kollektor-EmitterSpannung UCE. 8 Bipolare Transistoren IC IB = 100µA UCE = 15V 15mA IB = 80µA IB = 60µA 10 IB = 40µA 5 IB = 20µA IB IB = 0 100µA 50 5 10 15 20V UCE 500mV Transistor 2N2219A UCE = 15V Näherungen für die Kennlinien UBE Abb. 4.10: Kennlinienfeld mit Näherungen In der Literatur wird zum Teil zwischen einer sogenannten Gleichstromverstärkung B ( = IC / IB) und der Wechselstromverstärkung $ ( = )IC / )IB) unterschieden. Die beiden Stromverstärkungen unterscheiden sich bei einem Transistor nur unwesentlich, hingegen streuen beide Stromverstärkungsfaktoren zwischen einzelnen Transistoren recht beträchtlich. Beim vorher untersuchten Transistor 2N2219A beträgt der zulässige Bereich für die Stromverstärkung $ gemäss Datenblatt 75 ... 375. Bei anderen Transistoren kann diese Streuung noch ausgeprägter sein. Angesichts dieser Unsicherheit macht die Unterscheidung von B und $ keinen grossen Sinn. In den folgenden Kapiteln wird einheitlich nur noch mit dem Stromverstärkungs-Faktor $ gearbeitet. Der vierte der obigen Merksätze wurde mit etwas schlechtem Gewissen geschrieben, da die Ausgangskennlinie mit wachsender Kollektor-Emitter-Spannung doch deutlich anwächst. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass mit wachsender Spannung in Sperrichtung sich die Sperrschicht in einem pn-Übergang ausdehnt und dass dadurch die Basisschicht etwas dünner wird. Damit werden auch weniger der injizierten Ladungsträger rekombinieren und darum kann bei gleichbleibendem Basisstrom der Kollektorstrom grösser werden. Dieser Effekt wird nach seinem Entdecker Early-Effekt genannt. 4.3 Wichtige Daten und Bauformen 4.3 Wichtige Daten und Bauformen 4.3.1 Grenzdaten 9 Unter den Grenzdaten (engl. maximum ratings) eines Halbleiters versteht man die Werte für Ströme, Spannungen, Temperatur etc., die unter keinen Umständen überschritten werden dürfen; andernfalls würde das Bauelement zerstört. Die wichtigsten Grenzdaten eines Transistors sind UCEO (zulässige Sperrspannung zwischen Kollektor und Emitter bei offener, d.h. nicht angeschlossener Basis), UCBO (zulässige Sperrspannung zwischen Kollektor und Basis bei offenem, d.h. nicht angeschlossenem Emitter), UEBO (zulässige Sperrspannung zwischen Emitter und Basis bei offenem, d.h. nicht angeschlossenem Kollektor), ICmax (der maximal zulässige, dauernde Kollektorstrom), PDmax (die maximal zulässige Verlustleistung; die entsprechenden Angaben in den Datenblättern erfolgen in der Regel für eine bestimmte Umgebungstemperatur und für eine bestimmte Gehäusetemperatur) sowie die zulässige Betriebs- und Lagerungstemperatur Tj. 4.3.2 Kenndaten Die Kenndaten (engl. electrical characteristics) beschreiben die Eigenschaften der Transistoren im Normalbetrieb. Die wichtigsten Kenngrössen sind die Stromverstärkung $ und die sogenannte Transitfrequenz fT (die Frequenz, bei der der Betrag der Stromverstärkung gerade gleich 1 wird); in den Datenblättern findet man aber noch eine Fülle von weiteren Informationen. Auf die Bedeutung dieser Kenndaten wird bei der Besprechung der entsprechenden Anwendungen genauer eingegangen. 4.3.3 Bauformen Transistoren werden je nach Verwendungszweck in den verschiedensten Gehäuseformen angeboten. Einige wichtige Gehäusetypen sind in der folgenden Abbildung dargestellt: Abb. 4.11: Gehäuseformen mit Transistoren Die Bezeichnungen für die Gehäuse sind von links nach rechts: TO-18, TO-39, TO126, TO-220 und TO-3. Die Bezeichnung “TO” bedeutet übrigens “Transistor Outline”. Die Gehäuse sind nach steigender zulässiger Verlustleistung geordnet. 10 Bipolare Transistoren Für die Anschlussbelegungen sei auf die Datenbücher verwiesen. Für zwei häufig verwendete Gehäuse finden wir die Anschlussbelegung in Abbildung 4.12: E TO-39: Ansicht von unten TO-126: Ansicht von oben B C E C B Abb. 4.12: Anschlussbelegung für die Gehäuse TO-39 und TO-126 Neben in den hier gezeigten Gehäuseformen sind die Halbleiter in immer grösserer Zahl in den sogenannten SO-Gehäusen (Small Outline) für die SMD-Technik (Surface Mounted Devices = Teile für die Montage an der Oberfläche) erhältlich. Bei dieser Technik werden die Anschlüsse nicht wie bei gewöhnlichen Printplatten durch Löcher gesteckt und auf der Unterseite verlötet, sondern die Bauelemente werden direkt auf der Bestückungsseite verlötet. Die Abmessungen dieser SMDBauelemente sind viel kleiner (nur noch 25% der Fläche) als die der herkömmlichen. Um einen Eindruck von den Grössenordnungen zu vermitteln, sind in der folgenden Tabelle Grenz- und Kenndaten der im Labor normalerweise verwendeten Transistoren aufgeführt. Kurzdaten Typ 2N2219A 2N2905A BD237 BD238 Polarität npn pnp npn pnp Gehäuse TO-39 TO-39 TO-126 TO-126 UCEO 40 V 60 V 80 V 80 V ICMAX 800 mA 600 mA 2A 2A PDMAX@ TA=25°C 400 mW 600 mW 1.25 W 1.25 W TjMAX 200 °C 200 °C 150 °C 150 °C $ 75..375 100..300 > 25 > 25 fT 300 MHz 200 MHz 3 MHz 3 MHz 4.3 Wichtige Daten und Bauformen 4.3.4 11 Bezeichnungen von Halbleitern Bezüglich der Bezeichnung der Halbleiter existieren im wesentlichen zwei verschiedene Normen: die amerikanische und eine europäische. Bezeichnungen nach amerikanischer Norm beginnen mit einer Ziffer, gefolgt vom Buchstaben N und weiteren Ziffern. Nach unbestätigten Gerüchten soll die Ziffer vor dem N die Zahl der im Bauelement vorhandenen pn-Übergänge angeben. Für dieses Gerücht lassen sich viele Gegenbeispiele finden. Wahrscheinlicher ist die These, wonach diese Ziffer die um Eins verminderte Zahl der Anschlüsse des Bauelementes angibt. Die übrigen Ziffern haben keinerlei Aussagekraft. Kurz gesagt, aus einer amerikanischen Typ-Bezeichnung kann man nichts herauslesen, Transistoren, Thyristoren, Triacs: alle beginnen mit 2N! Wenden wir uns der ergiebigeren europäischen Norm zu, die unterdessen auch in den USA Anklang findet. Die europäischen Typ-Bezeichnungen bestehen aus zwei Buchstaben, die von einer Seriennummer gefolgt sind. Der erste Buchstabe kennzeichnet das verwendete Halbleiter-Material gemäss der folgenden Übersicht: A B C D R Germanium Silizium GaAs etc. Indium-Antimonid Verbundmaterialien, wie sie in Hall-Generatoren und Photowiderständen verwendet werden Der zweite Buchstabe enthält Informationen über die Art bzw. den Verwendungszweck des Bauelementes: A B C D E F H K L M N P Q Signaldiode, Schaltdiode Kapazitätsdiode Kleinsignal NF-Transistor Leistungs-NF-Transistor Tunneldiode (Esaki-Diode) Transistor für HF-Anwendungen Magnetfeldempfindliche Diode Hall-Sensor Leistungstransistor für HF-Anwendungen Hall-Generator (mit magn. Kreis) Optokoppler Strahlungsempfindliches Bauelement Strahlung erzeugendes Bauelement 12 Bipolare Transistoren R S T U Y X Z Elektrisch getriggertes Bauelement kleiner Leistung Schalttransistor kleiner Leistung Elektrisch getriggertes Bauelement hoher Leistung Schalttransistor hoher Leistung Gleichrichter-Diode Vervielfacher-Diode Z-Diode Die Seriennummer besteht aus einem Buchstaben und zwei Ziffern für Bauelemente, die primär in professionellen (und in militärischen) Geräten eingesetzt werden. Bauelemente, deren primäres Einsatzgebiet die Unterhaltungselektronik oder Haushaltelektronik ist, erhalten drei Ziffern als Seriennummer. Einige Beispiele für Typenbezeichnungen: BC107 BTY79 AAY32 CNY47 BPW34 BD237 NF-Transistor kleiner Leistung für Unterhaltungselektronik Leistungs-Thyristor für professionellen Einsatz Germanium-Signaldiode für professionellen Einsatz Opto-Koppler Foto-Diode NF-Leistungstransistor für Unterhaltungselektronik An die Typenbezeichnung angefügt werden häufig noch sogenannte VersionsBuchstaben. Damit werden beispielsweise bei Transistoren nach Stromverstärkung aussortierte Typen gekennzeichnet (BC107A, BC107B, ... ). Bei Dioden kann es eine Unterteilung je nach zulässiger Sperrspannung bedeuten. Manchmal wird auch ein Versionsbuchstaben verwendet, um verschiedene Gehäuseformen anzugeben. Weitere Informationen zu diesem Thema findet man in den Datenbüchern der grossen Halbleiterhersteller. 4.4 Halbleiter-Technologie 4.4 13 Halbleiter-Technologie In diesem Abschnitt werden die Verfahren beschrieben, die zur Herstellung von Halbleitern notwendig sind. Wir beschränken uns dabei auf den sogenannten Epitaxial-Planar-Prozess, der vor allem zur Herstellung bipolarer integrierter Schaltungen verwendet wird. Für das Verständnis der Elektronik sind die hier vermittelten Inhalte nicht überlebensnotwendig; sie dienen vielmehr der Abrundung für besonders interessierte Leser. 4.4.1 Ausgangsmaterial Das zur Herstellung von Halbleiter-Bauelementen verwendete Silizium muss äusserst rein sein; die Dichte der Störstellen darf höchstens in der Grössenordnung der Eigenleitungsdichte ni liegen. Für die Verfahren zur Herstellung und Reinigung von Silizium und anderer Halbleitermaterialien sei auf die Literatur1 verwiesen. In der Regel sind es grosse Chemie-Firmen, die den Halbleiterherstellern das Rohmaterial in Form von monokristallinen Siliziumstäben mit einigen Zoll Durchmesser liefern. Das Silizium ist dabei bereits definiert dotiert, und zwar im Falle des EpitaxialPlanar-Prozesses leicht p-leitend. Diese Stäbe werden dann im Halbleiterwerk in dünne Scheiben (sogenannte Wafer) geschnitten. Dazu werden Innenloch-Diamantkreissägen verwendet. Diese Wafer werden noch poliert und sind dann für die Weiterverarbeitung bereit. 4.4.2 Der Epitaxial-Planar-Prozess Die Herstellung einer integrierten Schaltung benötigt eine Vielzahl von einzelnen, zum Teil sehr zeitaufwendigen Fabrikationsschritten. Diese Schritte werden nun auf den folgenden Seiten mit vielen Abbildungen erläutert. Dazu zunächst eine Vorbemerkung. Die Bilder sind nicht massstäblich; sie sind in der Breite stark gestaucht und in der Höhe ist nur die Schicht unmittelbar unter der Oberfläche dargestellt und nicht die gesamte Dicke des Wafers. Um die Zeichnungen nicht zu überladen, wurden die verschiedenen Materialien durch unterschiedliche Schraffuren gekennzeichnet und nicht mehr zusätzlich beschriftet; über die Bedeutung der Schraffuren gibt Abbildung 4.13 Auskunft. 1. Zum Beispiel Wolfgang Harth: Halbleitertechnologie. Teubner Stuttgart 1972. 14 Bipolare Transistoren p-Silizium SiO2 (Quarz) n-Silizium Photolack + n -Silizium (stark dotiert) Aluminium Abb. 4.13: Bedeutung der Schraffuren Das für den Epitaxial-Planar-Prozess verwendete Ausgangsmaterial ist ein Wafer aus werkseitig homogen p-dotiertem Silizium, das sogenannte Substrat. Abb. 4.14: Ausgangsmaterial (Substrat) Die nun folgenden Schritte werden zusammengefasst als photolithographischer Prozess bezeichnet und werden im Laufe der Herstellung einer integrierten Schaltung noch mehrfach wiederholt. Dieser Prozess wird deshalb nur einmal an dieser Stelle beschrieben. In einem ersten Schritt wird der Wafer in einer heissen Sauerstoff-Umgebung oxidiert. Dabei bildet sich an der Oberfläche eine dünne, aber sehr kompakte Schicht aus Siliziumoxid (SiO2 oder Quarz). Abb. 4.15: Oxidierter Wafer Auf diese Oxid-Schicht wird nun eine dünne Schicht eines lichtempfindlichen Materials (Photolack) aufgetragen. Abb. 4.16: Mit Photolack beschichteter Wafer Dieser Photolack hat die Eigenschaft, dass er an den Stellen aushärtet, die mit Licht (in der Regel UV-Licht) bestrahlt werden. Im nächsten Schritt wird der beschichtete Wafer mit Hilfe einer Photomaske belichtet und so die auf der Maske enthaltenen Strukturen auf den Wafer übertragen. 4.4 Halbleiter-Technologie 15 Abb. 4.17: Belichtungsvorgang mit Photomaske Bei der nachfolgenden Entwicklung wird der Photolack an den nicht vom Licht getroffenen, also nicht ausgehärteten Stellen entfernt. Abb. 4.18: Entwickelte Photoschicht Dadurch wird die Siliziumoxid-Schicht an bestimmten Stellen freigelegt. Die Oxidschicht kann nun an den freigelegten Stellen durch Ätzen mit HF (Fluss-Säure) entfernt werden. Abb. 4.19: Nach dem Ätzen mit Fluss-Säure Der restliche Photolack wird mit Hilfe von Lösungsmitteln entfernt. Abb. 4.20: Entfernen des Photolackes Jetzt ist der Wafer bereit für einen weiteren Schritt, der im Laufe des ganzen Prozesses immer wieder wiederholt wird. In diesem Schritt werden Fremdatome eingebaut, der Kristall also dotiert. Dazu werden verschiedene Verfahren verwendet; 16 Bipolare Transistoren beim meistverwendeten Verfahren werden die Wafer in einen Ofen gebracht, in dem die Fremdatome in einer gasförmigen Phase enthalten sind. Diese Fremdatome können an den Stellen, die eine blanke, also nicht oxidierte, Oberfläche aufweisen, in den Kristall eindringen und Silizium-Atome von ihren Gitterplätzen verdrängen. Dieser Prozess heisst Diffusion. Er kann durch verschiedene Temperatur-Zeit-Kurven in weiten Grenzen gesteuert werden, um definierte Eindringtiefen und Dotierungsprofile zu erhalten. In unserem Beispiel wird nun durch Diffusion eine stark n-leitende Zone (ein n+Gebiet) erzeugt, ein sogenannter “buried layer” (vergrabene Schicht). Der merkwürdig anmutende Name wird sich später von selbst erklären. Abb. 4.21: Diffusion für den ‘buried layer’ Vor der Weiterverarbeitung wird der Wafer durch Ätzen mit Fluss-Säure von der restlichen Oxidschicht befreit. Abb. 4.22: Vom Oxyd befreiter Wafer Der nachfolgende Prozess-Schritt hat dem ganzen Prozess den Namen gegeben: Epitaxie. Epitaxie bedeutet Kristallwachstum, also allgemein das Wachsen von Kristallen aus Keimen, wie das zum Beispiel auch bei übersättigten Zuckerlösungen beobachtet werden kann. In unserem Fall wird der Wafer in eine heisse Atmosphäre von in der Gasphase bereit n-dotiertem Silizium gebracht. Das Silizium scheidet sich nun an der Oberfläche des Wafers ab und der Kristall wächst. Auf diese Weise wird eine ganze epitaktische Schicht aus n-leitendem Silizium auf dem Wafer abgeschieden. Diese Schicht ist absolut homogen dotiert. Abb. 4.23: Epitaktische Schicht 4.4 Halbleiter-Technologie 17 Anschliessend wird der photolithographische Prozess wiederholt (Oxidieren, beschichten mit Photolack, belichten, entwickeln, und ätzen). Die nun folgende Diffusion dotiert an den freigelegten Stellen die ganze epitaktische Schicht bis hinunter in das Substrat so, dass eine durchgängige p-leitende Schicht entsteht. Dieser Schritt wird Isolationsdiffusion genannt. Abb. 4.24: Isolationsdiffusion Durch die Isolationsdiffusion werden n-leitende Epitaxie-Gebiete voneinander durch p-leitende Gräben getrennt. Die dabei auftretenden pn-Übergänge haben natürlich eine Gleichrichterwirkung, wie das in Abbildung 4.25 gezeigt wird. Abb. 4.25: Isolationswirkung (Dioden-Modell) Man erkennt leicht, dass die verschiedenen n-leitenden Gebiete voneinander isoliert sind, solange das Substrat (und natürlich die damit verbundenen Gräben) an der negativsten Spannung liegen. In diesem Fall sind mit Sicherheit alle Dioden in Sperrichtung gepolt. Noch deutlicher wird die Sache, wenn man den Wafer von oben betrachtet (Abbildung 4.26). Was wir bis jetzt betrachtet haben, entspricht dem in Abbildung 4.26 eingetragenen Schnitt A-B. Der Wafer wird durch die Isolationsdiffusion offenbar in eine Vielzahl von voneinander isolierten n-leitenden Inseln aufgeteilt. Jede dieser Inseln kann später dann einen Transistor oder auch ein anderes elektronisches Bauelement enthalten. Diese Bauelemente können an der Oberfläche durch metallische Schichten miteinander verbunden werden (ähnlich wie bei gedruckten Schaltungen). So ist es möglich, komplexe Schaltungen auf einem einzigen Kristall zu realisieren, ohne dass sich die einzelnen Elemente gegenseitig beeinflussen. 18 Bipolare Transistoren A B Abb. 4.26: Isolierte Inseln (Aufsicht auf den Wafer) Der nächste Diffusionsschritt, die Basisdiffusion, erzeugt die spätere Basisschicht der Transistoren. Selbstverständlich geht auch diesem Diffusionsschritt wieder ein photolithographischer Prozess voraus. Abb. 4.27: Basisdiffusion Schliesslich wird in ähnlicher Weise noch eine stark n-leitende Schicht eindiffundiert, die Emitterdiffusion. Abb. 4.28: Basisdiffusion Auffällig ist, dass neben der relativ grossflächigen Emitterzone noch eine kleine Zone ins ohnehin schon n-leitende Epitaxie-Gebiet hinein diffundiert wurde. Dabei geht es um die Erzeugung einer Kontaktfläche. Wie schon erwähnt, ist die Epitaxie- 4.4 Halbleiter-Technologie 19 Schicht homogen dotiert. Bei einer metallischen Kontaktierung einer solchen schwach dotierten Schicht würde man eine Schottky-Diode erhalten, also keinen in beiden Richtungen leitenden Kontakt. Solche ohmschen Kontakte erhält man nur, wenn der Halbleiter an der Oberfläche sehr stark dotiert ist, was bei allen durch Diffusion entstandenen Gebiete automatisch erfüllt ist. Zum Schluss wird der ganze Kristall nochmals oxidiert, die späteren Kontaktstellen auf bekannte Weise freigelegt und durch Aufdampfen von Aluminium die Kontaktflächen erzeugt. C E B Abb. 4.29: npn-Transistor mit Kontaktflächen Nun stellt sich noch die Frage nach dem Sinn des “buried layers”. Betrachten wir dazu einmal den Stromfluss in einem Transistor ohne “buried layer”. 300µm C E B 5µm Abb. 4.30: Stromverlauf ohne ‘buried layer’ Wenn wir die Massangaben in Abbildung 4.30 betrachten, so stellen wir fest, dass der Kollektorstrom einen sehr langen Weg im schwach dotierten, also schlecht leitenden epitaktischen Gebiet zurücklegen muss. Die eigentliche Transistorwirkung kommt nur in der Zone unmittelbar unter dem Emitter zustande. Dieser Stromverlauf hat also einen grossen Zuleitungswiderstand und damit hohe Verluste zur Folge. Der “buried layer” ist nun der epitaktischen Schicht sozusagen parallel geschaltet und ist dank der sehr starken Dotierung ziemlich niederohmig. Der Strom sucht natürlich den Weg des geringsten Widerstandes und fliesst durch diese vergrabene Schicht. Damit können die Transistorverluste ganz erheblich reduziert werden. 20 Bipolare Transistoren C E B Abb. 4.31: Stromverlauf mit ‘buried layer’ Ähnliche Überlegungen können auch für den Basisstrom gemacht werden. Die Basisdiffusion muss ja auch schwach dotiert werden, damit der Transistor überhaupt funktioniert; dadurch muss auch der Basisstrom relativ lange Wege zurücklegen. Dem kann durch geeignete Geometrie des Transistors abgeholfen werden, indem man verzahnte Strukturen schafft, wie sie in Abbildung 4.32 gezeigt sind. Abb. 4.32: Transistor-Geometrie (Kantenlänge ca. 500µm) Mit den gleichen Produktionsschritten, wie sie zur Herstellung von Transistoren verwendet werden, lassen sich auch andere Bauelemente realisieren, wie anhand der folgenden Abbildungen gezeigt wird. Das einfachste Bauelement ist die Diode: Abb. 4.33: Realisierung einer Diode 4.4 Halbleiter-Technologie 21 Abb. 4.34: Mittelohmiger Widerstand Widerstände lassen sich auf verschiedene Weisen realisieren. Man erhält mittelohmige Widerstände, indem man die relativ schlecht leitende Basisschicht ausnützt. Die Grösse des Widerstandes kann in relativ weiten Grenzen durch die Geometrie (Länge und Breite des Widerstandes) bestimmt werden. Für grössere Widerstandswerte kann man mäanderförmige Strukturen verwenden. Wenn auch das nicht mehr ausreicht, kann man die Tatsache ausnutzen, dass die Emitterdiffusion den Querschnitt der Basisschicht verkleinert und so noch höhere Widerstandswerte realisierbar sind. Abb. 4.35: Hochohmiger Widerstand Zur Realisierung von niederohmigen Widerständen kann man die stark dotierte und daher gut leitende Emitterdiffusion verwenden: Abb. 4.36: Niederohmiger Widerstand Schliesslich können auch noch Kondensatoren mit dieser Technologie realisiert werden, wobei hier der grosse Platzbedarf nachteilig ins Gewicht fällt. Man wird also versuchen, möglichst keine Kondensatoren in den integrierten Schaltungen zu verwenden oder dann wenigstens nur solche mit kleinen Kapazitätswerten. 22 Bipolare Transistoren Abb. 4.37: Kondensator Zur Realisierung eines Kondensators wird eigentlich ein gewöhnlicher Plattenkondensator verwendet, bei dem die eine Elektrode aus dem gut leitenden Emittermaterial besteht und die andere durch aufgedampftes Aluminium gebildet wird. Als Dielektrikum dient Silizium-Oxid. 4.5 Fragen zur Lernkontrolle Es wird erwartet, dass die folgenden Fragen ohne Nachschlagen im Buch beantwortet werden können. 1. Weshalb muss die Basis-Emitter-Diode stark asymmetrisch dotiert werden? 2. Welchen Einfluss hat die Dicke der Basis-Zone auf die Eigenschaften des Transistors? 3. Wie lauten die vier Merksätze, mit denen das Verhalten eines Transistors in erster Näherung beschrieben werden kann? 4. Warum macht es keinen grossen Sinn, die Gleichstromverstärkung B und die Wechselstromverstärkung $ zu unterscheiden? 5. Welche Rolle spielt der Early-Effekt? 6. Was ist der Unterschied zwischen Grenzdaten und Kenndaten und wie lauten die entsprechenden englischen Begriffe? 7. Wie gross ist typischerweise die Stromverstärkung eines Signaltransistors? 8. Aus welchem Grund nennt man die hier behandelten Transistoren auch bipolare Transistoren ?