#01 #05TANZ THEATER THEATERSTANDORT HANNOVER Hannover ist Hannover ist Kultur Kultur FIGURENTHEATER NEUMOND & THEATER FENSTERZURSTADT „WO DIE WILDEN KERLE WOHNEN“ FOTO: KLAUS FLEIGE INHALTSVERZEICHNIS #05 / THEATER WERKSTATTBERICHT THEATERSTANDORT HANNOVER 4 Vorwort und Ausblick Theaterstandort Hannover 8 Ausbildung und Vermittlung – Lernort Theater 30 Interview: „Ein Türöffner für viele Bühnen“ 38 Das Theater in der modernen Stadtgesellschaft 70 Interview: Auf den Punkt gebracht 76 Festivals: Die Stadt als Bühne 88 Boulevard- und Privattheater: Unterhaltung nach Maß 96 Adressen: Netzwerk Theater in Hannover 2 / 3 Impressum VORWORT UND AUSBLICK ZUM THEATERSTANDORT HANNOVER #05 / THEATER 2002 wurde in Hannover erstmals eine Lange Nacht der Theater veranstaltet – ein Format, das die gesamte Theaterszene, große und kleine Bühnen, Profis und Amateure, Experimentelles, Unterhaltendes und viele Spielarten dazwischen miteinander verbindet zu einem großen Fest. Das Format haben mittlerweile viele andere Städte übernommen – in Hannover ist das Original noch immer lebendig und entwickelt sich weiter. Ein wunderbares Beispiel für Hannover als Theaterstadt. Eben dieser vielfältigen Theaterlandschaft widmet sich dieser weitere Band der Werkstattberichte. Da geht es einerseits um ihre Traditionen und Wurzeln, um Geschichte und Würdigung des bedeutsamen Staatstheaters, um den Dialog von Wissenschaft und Kunst zu Leibniz' Zeiten und die Ursprünge des Freien Theaters. Genauso geht es auch um Potentiale und Neuerungen in unserer Theaterstadt: Um Ausbildungsstätten, wie die renommierte Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, das Darstellende Spiel an der Leibniz Universität, aber auch um aktuelle Entwicklungen innerhalb der Theaterlandschaft. Hannover hat eine breite, gut etablierte Freie Theaterszene. Ich stelle sie mir immer wie- der gern virtuell als Theaterhaus vor: 18 Freie Theater als Produktionsteams, 20 Premieren in einem Jahr, dazu Gastspielreihen, Festivals und Rahmenprogramm – ein bunter Strauß verschiedener Stile und Stücke, Fragestellungen und Umsetzungsformen, an ungewöhnlichen oder etablierten Orten, für diverse Zielgruppen. Unter anderem hat dieses virtuelle Theaterhaus im / 5 Repertoire, mehr als 30 Stücke haben die Figuren- 4 eine ganz starke Kindertheatersparte: Allein im Kindertheaterhaus stehen aktuell 17 Stücke theater am Figurentheaterhaus Theatrio gemeinsam für den Spielplan zur Verfügung. Darüber hinaus produzieren etliche weitere (Projekt-) Ensemb- les gelegentlich oder regelmäßig für Kinder und Jugendliche. Trotz zumeist intimer Aufführungssituationen von 30 bis 100 Plätzen werden so durch die Vielzahl der Aufführungen übers Jahr etliche tausend Kinder und Jugendliche erreicht. Jenseits des Vorstellungsbetriebes bietet die- ses virtuelle Theaterhaus auch eine Vielzahl von theaterpädagogischen Projekten und Formaten an – ein wichtiges Feld für die Freien Theater, ebenso wie für das Staatstheater und auch die Stadtteilkulturarbeit. Theaterpädagogik ist die aktuelle Boombranche des Theaterbetriebs. Das Bedürfnis, sich dafür besser zu vernetzen, Kräfte zu bündeln und Synergien zu nutzen, kristallisierte sich in den Werkstattgesprächen heraus. Ein Theaterpädagogisches Zentrum gibt es bereits, hier ließe sich andocken. Das Potential ist vorhanden, nun gilt es – gemeinsam mit den Akteuren des Zentrums, den Ausbildungsstätten, der Freien Szene und dem Staatstheater – dieses zu nutzen und weiterzuentwickeln zu einem Kompetenzzentrum Theaterpädagogik. Auch der Dialog zum Werkstattbericht Theater war – wie schon bei den zuvor entstandenen Berichten – ein konstruktiver, anregender Prozess. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei allen Beteiligten bedanken und hoffe, dass die Impulse der Werkstattgespräche konkrete Veränderungen bewirken werden und der belebte Dialog innerhalb der Szene fortgesetzt wird. Unser Dank gilt an dieser Stelle auch all den Partnerinnen und Förderern, die mit uns gemeinsam die Theaterlandschaft stützen und entwickeln, fordern und fördern. Machen wir weiter gemeinsam Theater, vielfältig und bunt! Marlis Drevermann 6 / 7 Kultur- und Schuldezernentin AUSBILDUNG UND VERMITTLUNG LERNORT THEATER #05 / THEATER Im Studiengang Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien, kann man lernen, wie man auf der Bühne steht, am Niedersächsischen Staatstheater, was hinter den Kulissen zu tun ist und von Theaterpädagogen, „Die ganze Welt ist eine Bühne wie man zuschauen und mitspielen Und Männer, Frauen, alle sind kann. Ein Blick auf die Zentren treten wieder auf. Und spielen eine Rolle nach der andern.“ – SHAKESSPEARE: „WIE ES EUCH GEFÄLLT.“ / 9 und Vermittlung. 8 und Schnittstellen von Ausbildung bloß Spieler. Sie gehen ab und DIE SPIELWÜTIGEN Die Anspannung steigt. Das Ritual ist jedes Mal neu und aufregend für die Kandidaten. Achthundert bewerben sich, zehn pro Jahrgang schaffen es – sie gehören zu den Auserwählten. Der Studiengang Schauspiel an der hannoverschen Hochschule für Musik, Theater und Medien hat einen exzellenten Ruf. Bekannte Film- und Theaterschauspieler wie Matthias Brandt, Ulrike Folkerts oder Katharina Schüttler haben in Hannover studiert – um nur einige prominente Absolventen zu nennen. Andere gehören zu den Gründern der Freien Szene, die sich in den 1970er und 1980er Jahren in Hannover entwickelt hat und bis heute die hiesige Theaterlandschaft in ihrer Vielfalt prägt. Wieder andere sind am Schauspiel Hannover engagiert, einer von ihnen ist Philippe Goos, der dort seit 2007 in zahlreichen Rollen auf den Bühnen steht. Der Studiengang Schauspiel ist ein Aushängeschild für die Stadt: Es gibt viele Querverbindungen zwischen werden Bühne, Film regelmäßig und Fernsehen. Produktionen der Bei Festivals Studierenden aus Hannover ausgezeichnet, viele angehende Schauspieler erhalten Stipendien, unter anderem von der angesehenen Studienstiftung des deutschen Volkes, nach ihrem Abschluss finden die meisten Absolventen schnell ein Engagement, die Vermittlungsquote ist hoch. Kein Wunder, ihre Lehrer kommen aus der Praxis – vom Theater, vom Film, vom Rundfunk. Das gehört zum Erfolgsrezept: „Es ist beides, die Nähe zum Praxisbetrieb und das solide Handwerk. Wir vermitteln das klassische Rüstzeug für alle theatralen Formen und wir schaffen Freiräume, damit die Studierenden selbständig Projekte entwickeln und früh eigene Netzwerke knüpfen können“, betont Schauspielprofes- STUDIENGANG SCHAUSPIEL, HMTMH „DING DONG! THE WITCH IS DEAD“ FOTO: TOBIAS BRABANSKI sor und Studiengangssprecher Titus Georgi. „Dafür ist Qualitätssicherung eine zentrale Vorausset- zung“. Der 45jährige gelernte Regisseur ist derzeit auch der Vorsitzende der Ständigen Konferenz für staatliche und städtische Schauspielausbildung im tiker, knüpft Kontakte, setzt auf Impulse von außen und strebt eine internationale Zusammenarbeit an. Er hat viele Pläne, gern würde er das renommierte 10 / 11 deutschsprachigen Raum (SKS). Georgi ist ein Prak- Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender, das 1990 ins Leben gerufen wurde, im Jahr 2020 in Hannover ausrichten: Zum 75jährigen Bestehen des Studiengangs Schauspiel. Ein guter Anlass, um Zukunftsvisionen und Traditionen zu verbinden. Die Geschichte der Schauspielausbildung ist eng mit dem Wiederaufbau der Stadt nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs verbunden. Aufbruchsstimmung kam auf, auch kulturell waren die Menschen offen für Neues. 1945 gründete der Schauspieler und Theaterpädagoge Hans-Günther von Klöden die „Hannoversche Schauspielschule“. Sie war zunächst an die „Kammerspiele Hannover“ angeschlossen, 1950 wurde der Studiengang in die „Akademie für Musik und Theater Hannover“ eingegliedert, die wiederum wurde 1973 zur künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschule erweitert, 2010 schließlich wurde ihr Name ergänzt zur „Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH). Der Studiengang Schauspiel ist heute auf dem ehemaligen Expo-Gelände an der Expo-Plaza zu Hause – auf dem neuen Kultur-Campus vor den Toren der Stadt. Eine „Rauszeit“ für die Kunst, hier draußen herrscht konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Die einzelnen Elemente der Ausbildung werden eng vernetzt, Körpersprache, Stimme, Szene, Spiel und Theorie zur Entwicklung der schauspielerischen Persönlichkeit, Rollenarbeit und Rollenidentifikation: Es geht um die Entwicklung eigener ästhetischer Linien auf einem möglichst breiten Fundament. Georgi spricht von einem „Hochleistungstraining“, in vier Studienjahren werden die angehenden Schauspieler fit gemacht für unterschiedliche künstlerische Bereiche. Im Zentrum aber steht das Spiel vor Publikum – und das verlangt vor allem Bühnenerfahrung, wenn möglich nicht im Schonraum der Hochschule, son- dern unter den Bedingungen des regulären Theaterbetriebs. Deshalb arbeitet die HMTMH mit festen Kooperationspartnern im Norden zusammen: Neben dem Schauspiel Hannover gehören dazu das Deutsche Theater Göttingen, das Deutsche Schauspielhaus Hamburg, das Staatstheater Oldenburg und das Theater Bremen, die Verantwortlichen denken über weitere Vernetzungen nach. Auch in der Zusammenarbeit mit den Theatern gab es einen Richtungswechsel. Wurden früher ganze Schauspieljahrgänge in den laufenden Theaterbetrieb eingebunden, sind es heute einzelne Studierende, die sich im jeweiligen Ensemble behaupten müssen. Das schult für die Arbeitswelt. Theaterschaffende schließen sich zunehmend zu Künstler-Kollektiven zusammen, vernetzen sich multimedial, trennen sich, finden in neuen Konstellationen wieder zusammen. In der Ausbildung wird daher auch die Trennlinie zwischen Bühne und Film längst nicht mehr so scharf gezogen wie noch vor zwei oder drei Jahrzehnten. Verändert hat sich auch das altgediente Meister-Schüler-Verhältnis der frühen Jahre. Heute geht es vor allem um Flexibilität – als Antwort auf die Anforderungen an Künstler im digitalen Zeitalter. „Kreativ, präzise, voller Energie“, beschreibt Titus Georgi die Studierenden. Sie stehen regelmäßig auf der Studiobühne an der Expo Plaza, jüngst etwa mit der eigenen Theaterfassung von F. M. Dostojewskis großem Roman „Verbrechen und Strafe“, bekannt auch als „Schuld und Sühne“, ein verwegener Stoff mit extremen Charakteren. Ein Kraftakt Während des Studiums müssen die angehenden Schauspieler fünf eigene Projekte erarbeiten. Es gibt viele mutige, wilde, verrückte und intensive In- 12 / 13 für alle Beteiligten. szenierungen, viele Produktionen der Studierenden finden beim Publikum großes Interesse. So gibt es immer wieder Überlegungen, von der Expo Plaza aus ein Schaufenster zur Stadt zu öffnen und die Aufführungen auch andernorts zu zeigen. Die Freie Szene signalisiert großes Interesse an einer Zusammenarbeit. Bühnenerfahrung und Präsenz in der Stadt – darum geht es auch im Studiengang „Darstellendes Spiel“ an der hannoverschen Leibniz-Universität. Diese Ausbildung an der Schnittstelle zwischen Theorie und Theater-Praxis ist relativ jung, sie wird innerhalb eines Hochschulverbundes in der Region Hannover, Braunschweig und Hildesheim angeboten. Ein Pionierprojekt des Landes als Studiengang für angehende Gymnasiallehrer, 1997 wurde das Schulfach Darstellendes Spiel in Niedersachsen als drittes künstlerisches Fach der gymnasialen Oberstufe eingeführt – neben Musik und Kunst. In Hannover sind derzeit etwa 80 Studierende immatrikuliert. Sie kommen nicht nur als Lehrer zum Einsatz, sondern auch als Kultur-, Theater- oder Medienpädagogen. Der Studiengang Darstellendes Spiel beschränkt sich daher auch nicht auf Lehrveranstaltungen im Hörsaal, man kooperiert eng mit den Schulen, mit den Theatern der Freien Szene und anderen Kulturreinrichtungen der Stadt. Die Studierenden treten regelmäßig mit eigenen Projekten öffentlich auf, etwa im Kulturzentrum Faust. „Der Studiengang ist ein lebendiger Teil der städtischen Theaterszene“, betont vom Seminar Deutschen Fachleiter der Ole Hruschka Leibniz-Universität Hannover. Kunst und Vermittlung bilden hier eine Einheit. Seit vielen Jahren arbeitet der Studiengang Darstellendes Spiel intensiv mit dem Staatstheater Hannover zusammen, Künstler, Regisseure und Theaterpädagogen nehmen regelmäßig Lehrauf- TECHNIKER BEIM UMBAU, SCHAUSPIELHAUS HANNOVER träge an der Leibniz Universität wahr und prägen so auch den neuen Studiengang erheblich. HINTER DEN KULISSEN Wie viel Zauber sich hinter den Kulissen verbirgt, hat der französische Regisseur Philippe Quesne in Szene gesetzt. In seinem Stück „Pièce pour la Technique du Schauspiel de Hanovre“ drehte er die Situation einfach um: Nicht die Schauspieler standen im Mittelpunkt, sondern diejenigen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass das Spiel reibungslos über die Bühne geht – die Bühnentechniker. Ein „Bühnentechnikwunderland“, jubelte die Kritik, als das ungewöhnliche Spektakel 2011 in Kooperation mit dem Festival Theaterformen aufgeführt wurde – als Hommage an die Akteure, die sonst unsichtbar bleiben. Mit seinen rund 900 festen Mitarbeitern ist das Niedersächsische Staatstheater Hannover mit den Abteilungen Oper, Schauspiel, Ballett und Konzert ein wichtiger Arbeitgeber und ein großer Ausbildende auf ihren Beruf vor. Das Spektrum reicht von der Veranstaltungstechnik bis zur Maskenbildnerei, vom Schneidern zur Raumausstattung, vom Orthopä- 14 / 15 dungsbetrieb, derzeit bereiten sich 28 Auszubil- dieschuhmacher zur Elektronikerin, vom Hutmacher zur Metallbauerei. Die Bühnenwerkstätten sind in der Maschstraße hinter dem Aegidientorplatz untergebracht, das Besondere daran: Hier greifen Handwerk und Kunstverständnis auf besondere Weise ineinander. Zu den ältesten Berufen gehört der des Requisiteurs, er sorgt dafür, dass alles zur rechten Zeit am rechten Ort auf der Bühne steht und räumt die Requisiten nach der Vorstellung wieder zusammen. Voraussetzung: eine abgeschlossene Ausbildung etwa als Dekorateur oder auch Florist, der Rest ist „learning by doing“, in den Theaterwerkstätten können sich die angehenden Requisiteure auf die staatliche Prüfung vorbereiten. Als Ausbilder arbeitet das Niedersächsische Staatstheater mit der Handwerkskammer zusammen – und mit der Deutschen HINTERBÜHNE SCHAUSPIEL HANNOVER Event-Akademie in Langenhagen. BÜHNE SCHAUSPIELHAUS FOTO: KATRIN RIBBE Das Theater als Ausnahmebetrieb: Nicht alles, was vor und hinter der Bühne zu tun ist, lässt sich über klassische Ausbildungsberufe erlernen. Oft führen Wege zum Ziel, die Seiten- oder Quereinsteigern offen stehen. Auch hier gilt die Zauberformel „learning by doing“. In den unterschiedlichsten Bereichen werden Praktikumsplätze und Hospitationen angeboten, auch über ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur (FSJ Kultur) lässt sich „Theaterluft“ schnuppern. Das gilt für sämtliche Einsatz- bereiche, für Management und Verwaltung ebenso wie für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, für Jugendarbeit und Pädagogik. Neben den Staatstheatern bieten einzelne Freie Theater Praktikanten und Hospitanten an, sich im Kulturbereich zu orientieren. Mittlerweile haben sich verschiedene Netzwerke gebildet: Schulen, Hochschulen und Universitäten, und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim, arbeiten in diesem Bereich der Ausbildung nachhaltig zusammen. 16 / 17 unter anderem der Studiengang Kulturwissenschaften DIE BRÜCKENBAUER Wie es euch gefällt: Sie lärmen, lachen, diskutieren und bringen auf ihre Weise frischen Wind in die „heiligen Hallen“ des Theaters. Junge Leute erobern die Bühne, aber auch Senioren haben Spaß am Spiel. Theaterarbeit mit sozialem Schwerpunkt und Theater als Kunstform gehen nicht mehr getrennte Wege, das Verhältnis von Ästhetik und Pädagogik hat sich verändert. Experten sprechen längst vom „Cultural turn“. Bertolt Brecht nennt es noch „Zuschaukunst“. Heute ist ein zeitgemäßer Theaterbetrieb ohne Theaterpädagogen kaum noch vorstellbar: Das Berufsfeld der professionellen Vermittler ist ebenso komplex wie unscharf. Welche Rolle sollen sie spielen? Theaterpädagogen sind die neuen Grenzgänger zwischen kultureller Bildung und Sozialarbeit, zwischen Kulturvermittlung und Kunstproduktion. Mit u.a. Einführungen, Matineen und speziellen Begleitprogrammen wenden sie sich gemeinsam mit engagierten Dramaturgen dem Publikum zu. Dabei führen zwei Wege zu dem, was Politiker gern programmatisch als „kulturelle Teilhabe“ bezeichnen: Sehen lernen und mitmachen – aus Sicht der Theaterpädagogen lässt sich beides nicht voneinander trennen. Entsprechend breit ist das theaterpädagogische Angebot, neben Kindergärten und Schulen richtet es sich an die unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen, Betriebe und Begegnungsstätten, Jugendzentren, Seniorenheime, Vereine und Kirchengemeinden. Theaterpädagogen müssen mobil und flexibel sein, sie gehören zu den Dienstleistern der Wissensgesellschaft, und erweitern gleichzeitig mit ihrer Arbeit das künstlerische Repertoire um neue Spielarten der Kunst. Sie sind Brückenbauer. Das theaterpädagogische Angebot entwickelt sich zu einer Wachstumsbranche, von der auch die Theater der Freien Szene profitieren. Einige professionelle freie Gruppen haben sich mit diesem Bereich sogar ein zweites Standbein geschaffen. Sie bieten Seminare, Workshops, Kurse, Raumkonzepte in unterschiedlichen Ausrichtungen an. Dabei setzen sie auf die Vernetzung vor Ort mit passgenauen Aktionen und Projekten. Im Norden Hannovers, in Vahrenwald beispielsweise, haben die Ensembles von Theatrio im Figurentheaterhaus am Großen Kolonnenweg generationsübergreifende Projekte für Kinder und Senioren entwickelt – vom Rollenspiel bis zum Bau von Figuren oder Handpuppen. Das Programm ist bewusst breit gefächert. Theatrio legt großen Wert auf den sozialen Aspekt: „Uns interessiert in der Theaterpädagogik wesentlich, was zwischen den Menschen passiert“, betont der Figurentheatermacher und Musiker Achim Fuchs-Bortfeld. Theater als Nachbarschaftshilfe: In der Region Hannover etwa initiieren das Theater fensterzurstadt und die Kulturmanagerin Iyabo Kaczmarek gemeinsam theaterpädagogische Aktionen auf dem Kulturgut Poggenhagen bei Neustadt. Dort veranstalten sie Lesungen, Werkstattberichte oder Schreibwerkstätten 18 / 19 FREIE THEATERPRODUKTIONEN, IYABO KACZMAREK „ALS WENN WIR GEISTER WÄREN“ und beschäftigen sich mit Formen des biografischen THEATERWERKSTATT HANNOVER „DER TAG, AN DEM MEIN BRUDER NICHT NACH HAUSE KAM“ Theaters. Die Theateranbieter arbeiten eng mit örtlichen Vereinen und Gruppen zusammen – von der Freiwilligen Feuerwehr bis zum Konfirmandenunterricht. Einzelne Theaterkollektive sind hier besonders aktiv. Die Agentur für Weltverbesserungspläne z.B. bietet theaterpädagogische Rauminszenierungen in Scheunen oder Fabrikhallen an, die Theatergruppe entwickelt unter anderem auch Projekte für Migranten: Hier öffnen sich neue Begegnungsräume innerhalb der Stadtgesellschaft, an denen sich viele Theaterschaffende beteiligen. Einen ganzen „Warenkorb“ an Angeboten, die sich jeweils an die Bedürfnisse der Kunden anpassen lassen, hält die Fräulein Wunder AG bereit, von der Vortragsgestaltung bis zur Organisation eines „Flashmops“, von der Performance bis zur Walderkundung. Im Rahmen der theaterpädagogischen Arbeit haben sich vielfältige Kontakte ins Ausland entwickelt – etwa über Städtepartnerschaften. An internationalen Projekten beispielsweise ist seit vielen Jahren auch die Theaterwerkstatt Hannover beteiligt. Auf Heimspiele in der Nachbarschaft wiederum setzt Commedia Futura in der Südstadt. Hier laden die Commedia Futuristen seit einigen Jahren zu einem offenen Theaterkurs für spielbegeistere Amateure jeden Alters ein. Die Gruppe unter professioneller Leitung nennt sich „Gören & Rabauken“ und präsentiert regelmäßig die Ergebnisse ihrer Arbeiten in der Eisfabrik. Zu einer zentralen Anlaufstelle für Theaterpädagogik in Hannover hat sich das Kindertheaterhaus im Alten Magazin unter der Leitung von Harald Schandry Klecks entwickelt. Theaters Der spricht Gründer gern von und Chef einer des „Empa- thiefabrik“: Wer lerne, sich in andere hineinzuversetzen, sei auch eher bereit, die Welt der anderen kennenzulernen, so das theaterpädagogische Credo des Theatermachers. Dabei versteht sich das Kindertheaterhaus vor allem als Anstifter: Als Berater und Bereitstel- 20 / 21 KLECKS-THEATER HANNOVER „MONSTA!“ FOTO: MARK EICHENSEHER ler für Kostüme und Requisiten, als Anleiter für alle, die selbst spielen wollen – auch außerhalb des Schulunterrichts. Mit Nachmittagskursen und verschiedenen Ferienaktionen, mit szenischen Übungen, mit Arbeiten zu bestimmten Themen, mit Projekte in den einzelnen Stadtteilzentren oder verstärkt auch mit Angeboten für Migranten und muslimische Jugendgruppen. Eine Hochburg der Theaterpädagogik in Hannover ist der Ballhof – der neue Jugend-Kultur-Treff in Hannovers Altstadt. Im Ballhof Eins, im etwas kleineren Ballhof Zwei und im Ballhof Café macht das Niedersächsische Staatstheater junges Theater für junge Leute – und mit ihnen. 2007 ging das Junge Scauspiel an den Start, wenig später die Junge Oper. Mit Inszenierungen speziell für junge Zuschauer und einem bunten theaterpädagogischen Angebot wird jugendliche Spielkultur in all ihren Facetten gezeigt und praktiziert. Ein Team aus festen und zahlreichen freien Mitarbei- JUGENDTHEATERGRUPPE BALLHOF FOTO: SCHAUSPIEL HANNOVER tern am Theater und an der Oper „erfindet“ ständig neue theaterpädagogische Formate und Aktionen, um junge Zuschauer mit Theater zu infizieren. Zuschaukunst. Erwachsene bilden eine eigene Zielgruppe für Theaterpädagogen: Nicht alle Inszenierungen erschließen sich sofort, neue Ästhetiken sind oftmals auch herausfordernd, und auch hier wollen die Vermittler mit unterschiedlichen Projekten erklären und Zusammenhänge aufzeigen. Das Schauspiel Hannover etwa bietet inzwischen eine Zuschauerakademie an. Zuschauer und Experten treffen sich, sie diskutieren über persönliche Theatererlebnisse wie über allgemeine Entwicklungen von zeitgenössischer Bühnensprache, und dann wird gemeinsam gekocht – Theater für alle und für alle Sinne. THEATER MACHT SCHULE Theater – ein Ort des Möglichen. Begegnung, Staunen, Spiel und Ernst. Auszeit und Rollenwechsel. Zum Kernbereich moderner Theaterpädagogik gehört die Zusammenarbeit mit Schulen. Freie wie Staatstheater sind hier stark eingebunden. Die einzelnen Theater bieten Vorstellungen für Schulklassen an, dazu Programme zur Vor- und Nachbereitung mit den Schülern. Sie kommen mit fertigen „Klassenzim- merstücken“ in den Unterricht, Theaterpädagogen erarbeiten mit den Schülern im Klassenzimmer aber auch Stücke zu unterschiedlichen Themen. Und auch Lehrer können im Theater lernen. Regelmäßig werden spezielle Lehrer-Vorstellungen angeboten, Theaterpädagogen versorgen die Schulen sonauftakt und Lehrersprechstunden, Workshops und Fortbildungen. Das wachsende Angebot der Theater 22 / 23 mit Unterrichts-Material zu den aktuellen Inszenierungen, außerdem gibt es Lehrertreffen zum Sai- ist aber auch einer anderen Entwicklung geschuldet. Nur noch wenige Lehrer können sich heute eigenständig mit ihren Klassen auf einen Theateroder Opernbesuch vorbereiten. Hier unterstützen die Kultureinrichtungen selbst, sie koordinieren die Zusammenarbeit mit den Künstlern der großen Häuser und halten Kontakt zu den Schulen. Theaterpädagogen bieten spezielle Einführungen für Schulgruppen, Vor- und Nachgespräche, Probenbesuche, Künstlergespräche an. So genannte „Premierenklassen“ begleiten eine Inszenierung von ihrer Entstehung bis zur Premiere. Schulklassen können ihre Theaterbesuche auch mit verschiedenen Workshops kombinieren. In einem speziellen „Theaterlabor“ bereiten sich die Klassen im Theater gemeinsam auf einen Vorstellungsbesuch vor. Dabei lernen die Schüler, mit Texten und Spielformen zu experimentieren. Im Sommer 2013 wurde das Projekt „Partnerschule“ ins Leben gerufen, eine Kooperation des Niedersächsischen Staatstheater mit den weiterführenden Schulen der Stadt: Während der gesamten Schulzeit gehen die Schüler regelmäßig einmal pro Spielzeit ins Theater oder in die Oper – zu Aufführungen, die jeweils für ihr Alter geeignet sind; auch dies mit vielen theaterpädagogischen Zusatzleistungen für den Unterricht – ein Angebot, das auf Nachhaltigkeit setzt. Ein weiterer Indikator für die Professionalisierung von Theater und Schule ist das traditionelle Schüler-Theaterfestival „Jugend spielt für Jugend“. Seit Jahrzehnten wird in Hannover im Sommer – zum Ende des Schuljahres – eine Art Theaterwettstreit unter den Theater-AGs der Schulen ausgetragen. Das Konzept hat sich inzwischen verändert: Aus der Besten-Schau der Schüler entwi- MITMACHTHEATER FOTO: SCHAUSPIEL HANNOVER ckelt sich Schritt für Schritt ein Theatertreffen, das von Mitarbeitern des Staatstheaters professionell „gecoacht“ und begleitet wird. Daraus haben sich auch internationale Verknüpfungen ergeben. So sorgte im Sommer 2013 das Jugendtheaterprojekt „fairCulture“ für intensive Begegnungen mit jungen Theatermachern aus aller Welt. Bärbel Jogschies, Chefin der Theaterpädagogik am Schauspiel Hannover, freut sich über den eingeschlagenen Kurs: „Wir machen aus der Leitungsschau ein Arbeitstreffen, und – das ist der Paradigmenwechsel – verständigen uns mit den vielfältigen Mitteln der Kunst über die Welt.“ Theater und Schule – das gehört zum Kernanliegen des Klecks Theaters mit Sitz im Alten Magazin. Harald Schandry und sein Team legen pro Jahr hunderte von Kilometern zurück, um vor Ort Theaterar- schulen aktiv, inzwischen auch in berufsbildenden Schulen und verstärkt in Inklusionsklassen. Das 24 / 25 beit zu leisten, auch mit flexiblen Formaten. Seit Jahrzehnten ist das Klecks in Grund- und Haupt- FENSTERZURSTADT WWW.HANNOVER.DE Foto: Klaus Fleige „GRAUS UND GRIMM“ THEATER SYSTEMA WWW.HANNOVER.DE Foto: Lukas Papierak „CAMERE TEATRALI“ bedeutet vor allem Basisarbeit und verlangt größte Bodenhaftung. Die Rolle von „Hilfssozialarbeitern“ wollen die Kleck-Theatermacher jedoch nicht übernehmen. Ihr Kompass bleibt die Kunst: In einem Modellprojekt hat eine Berufsschulklasse in Hannover ein eigenes Rap-Theaterstück zur Aufführung gebracht. Der Schul-Unterricht im Fach „Darstellendes Spiel“ wiederum gestaltet sich an den Gymnasien immer noch qualitativ sehr unterschiedlich und ist zu häufig einem konventionellen Theaterbegriff verhaftet, beobachtet Holger Warnecke, Fachleiter für Darstellendes Spiel am Studienseminar I in Hannover, Theaterlehrer an der hannoverschen Goetheschule und Dozent am Studiengang Darstellendes Spiel an der Leibniz-Universität. Es gälte von dem traditionellen Schultheater weg zu einem modernen Theater an der Schule zu kommen. An der Goetheschule sei bspw. auch die spielpraktische Vermittlung postdramatischer Theaterformen von Bedeutung. Der Gymnasiallehrer ist zudem Mitglied des Theaterbeirats der Stadt Hannover und intensiv in der Theaterszene vernetzt, aus seinen verschiedenen Funktionen heraus kann er Theorie und Praxis der ästhetischen Bildung besonders gut in seiner theaterpraktischen Arbeit verbinden. Die Inszenierungen, die er mit den Schülern der Goetheschule in der Theater-AG auf die Bühne bringt, werden immer wieder zu Jugendtheaterfestivals und auch zu internationalen Gastspielen eingeladen. Mit Blick auf die grundsätzliche Situation des Faches Darstellendes Spiel an den Schulen sieht Warnecke jedoch Nachholbedarf: Es sei dringend notwendig, Theater und moderne kulturelle Bildung noch fester und mit ausreichend Stunden ausgestattet in den Lehrplänen zu verankern, denn ohne fundierte ästhetische Bildung bleibe die persönliche Reifung jedes Lernenden unvollständig. EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT: Kräfte bündeln, Synergieeffekte nutzen – das ist eine Herausforderung und zugleich eine Chance für die Theaterstadt Hannover. Ein Kristallisationspunkt mit Bündelungspotential ist das Theaterpädagogische Zentrum (TPZ), das an der IGS Mühlenberg verortet ist. Seit 1987 bietet das TPZ schulische und außerschulische Projekte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Theater für alle und mit allen: Was zunächst als Modellversuch an den Start ging, wurde 1995 zur festen Einrichtung der Stadt Hannover. Hier werden Interessierte beraten, Projekte unterstützt, Veranstaltungen organisiert. Das TPZ ist ein Bestandteil der kulturellen Kinder- und Jugendbildung der Stadtteilkulturarbeit. Darüber hinaus ist es Mitglied im Bundesverband Theaterpädagogik und in Zusammenarbeit mit der Leibniz-Universität Hannover mit der Weiterbildung von Pädagogen und Pädagoginnen befasst. Die ambitionierte Theater- (pädagogik-) Keimzelle hat sich in eine Baustelle verwandelt. Derzeit wird die IGS Mühlenberg saniert, doch neben baulichen Belangen stehen vor allem grundsätzliche organisatorische Fragen an. Das TPZ ist im Vergleich nur mit mit anderen geringen TPZs in der finanziellen Bundesrepublik und personellen Ressourcen ausgestattet. Organisiert werden hier allerdings zwei zentrale theaterpädagogische Festivals: Das Festival für Schul-, Jugend- und Amateurtheatergruppen im Kindertheaterhaus und das Klatschmohn-Festival, ein inklusives Theater-Projekt mit behinderten und nichtbehinderten Akteueine und breite knüpfen Teilhabe damit an unterschiedlicher die offenen Kulturwerkstatt an. Gründungsidee Gruppen dieser 26 / 27 ren und Akteurinnen. Beide Festivals ermöglichen Ausblick: Inzwischen hat sich, maßgeblich durch die Kooperation mit dem TPZ, eine Vielfalt an theaterpädagogischen Angeboten in der Stadtteilkultur und in den Schulen entwickelt. Aus diesen veränderten Bedingungen ergeben sich neue Herausforderungen und Aufgaben. Aus dem politisch bewegten Pionierprojekt der späten 1980er Jahre könnte sich aber ein Modell für die Zukunft entwickeln: Ein neu ausgerichtetes „Kompetenz Zentrum Theaterpädagogik Hannover“ als Ort der Vernetzung und Beratung, als Fortbildungs- und Übungszentrum, als Veranstalter und Lobbyist für gute und nachhaltige TPZ FESTIVAL „NACHTS IM BAUMARKT“ FOTO: JONAS GONELL Theater(vermittlungs-)Arbeit. 28 / 29 INTERVIEW #05 / THEATER „EIN TÜRÖFFNER FÜR VIELE BÜHNEN“ Der Theatermacher und Arzt Tugsal Mogul, Absolvent des Studiengangs Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, im Gespräch über seine Eindrücke von den Lehrjahren an der Leine. HERR MOGUL, PARALLEL ZU IHREM MEDIZINSTUDIUM HABEN SIE VON 1993 BIS 1997 IN HANNOVER AUCH SCHAUSPIEL STUDIERT. WIE HABEN SIE SICH AUF DIE AUFNAHMEPRÜFUNG FÜR DEN STUDIENGANG SCHAUSPIEL VORBEREITET? Nach meinem Physikum in Lübeck habe ich noch zwei Semester Medizin in Wien studiert. Dort war ich regelmäßig im Theater, im Burgtheater und im Akademietheater, das war die große Zeit von Claus Peymann mit ganz vielen tollen Regisseuren von Peter Zadek bis George Tabori. Von Tabori habe ich mir fast alle Stücke sogar mehrmals angeschaut, und große Schauspieler wie Gert Voss oder Ignaz Kirchner bewundert, das waren meine großen Idole. Ich habe auch selbst viel Theater gespielt, in Lübeck an der Uni und auch vorher schon in der Schule. Und so hatte ich mir auch schon ein paar Rollen zurecht gelegt, für den Fall, dass ich mich doch einmal an einer Schauspielschule bewerben sollte. Mit diesen Rollen habe ich mich dann in Hannover vorgestellt, da war ich 23 Jahre alt. Für die Aufnahmeprüfung bin ich von Lübeck nach Hannover getrampt, dort waren rund 800 Bewerber am Start. Nach der ersten Runde habe ich vor Freude erst einmal eine Flasche Prosecco geköpft, vier Tage später ging es in die 2. Runde, und nach der dritten Runde kam die Zusage: Ich gehörte zu den 13 Kandidaten des Studienjahres, die es geschafft hatten. Bei der Ausbeteiligt, das war ein kompliziertes Verfahren mit einem Punktesystem, auch die Gruppe musste zusammen passen. 30 / 31 wahl waren neben den Dozenten auch die Studierenden Wie war denn Ihr Jahrgang zusammengesetzt? Erinnern Sie sich noch an einige Kollegen? Wir waren damals fast alle schon Anfang, Mitte Zwanzig, also deutlich älter als andere Klassen zum Studienbeginn, und wir waren in unserem Jahrgang auch eine multikulturelle Truppe mit Migrationshintergrund aus Chile, aus Italien oder wie ich, aus der Türkei, obwohl ich in Deutschland geboren und groß geworden bin. Dazu kamen so kurz nach der Wende auch noch die Kollegen aus Ostdeutschland. Ich glaube, das war damals schon so eine Art Experiment. Ich erinnere mich beispielsweise noch genau an Doreen Nixdorf, sie hat unter der Regie von Andreas Kriegenburg am hannoverschen Staatsschauspiel die Margaret in „I Hired a Contract Killer“ nach dem Film von Aki Kaurismäki gespielt, mit Alexander Simon zusammen, das war für Doreen die Paraderolle. Ich war sogar mit beim Vorsprechen, weil ich mit ihr eine Partnerszene erarbeitet hatte. WIE SAH DER ARBEITSALLTAG FÜR ANGEHENDE SCHAUSPIELER AUS, WO LAGEN IHRE SCHWERPUNKTE? Unsere Lehrer und Dozenten kamen meist aus der 1968-Bewegung. Sie haben uns viel Freiraum für eigene Projekte gelassen, wir konnten auch selbst Stücke auf die Beine stellen, und auch der Kontakt zu Freien Szene wurde gepflegt, etwa zum Theater an der Glocksee. Dort haben wir als angehende Schauspieler viele Stücke mit gestaltet, unter anderem „Die Macht der Liebe“ mit Szenen von Shakespeare, ich war der Orsino. Und im Klecks-Theater bei Harald Schandry war ich mindestens 40 Mal der Tiger in Janoschs Kinderstück „Oh, wie schön ist Panama“. Andere Kollegen waren am Staatstheater, damals unter Ulrich Khuon, der 1993 von Konstanz nach Hannover kam. Wir hatten an der Hochschule nicht mehr dieses enge Meister-Schüler-Verhältnis. TUĞSAL MOĞUL IM KLECKS-THEATER Eher brenzlig war es allerdings, wenn es um Drehtage bei Film und Fernsehen ging. Damals wurde immer in großer Runde besprochen, ob das im Einzelfall überhaupt erlaubt werden soll. Man befürchtete wohl, dass sich die Studierenden dort zu sehr beeinflussen lassen könnten – zu Lasten der künstlerischen Vielfalt und Qualität. Da hat sich inzwischen bestimmt einiges geändert. WAS HAT SIE UND IHRE ARBEIT IN DIESEN JAHREN KÜNSTLERISCH BESONDERS GEPRÄGT? Natürlich hatte jeder Studierende seine Lieblingsdozenten, denen man vertraut und denen man sich geöffnet hat. Mich hat mein Lehrer Walter D. Asmus besonders geprägt. Er war sehr skeptisch und auch sehr direkt und hat mich gefragt, warum ich, als spielers überhaupt erlernen wollte, das war sehr wichtig für mich. Er war eben ein toller Künstler und ein guter Pädagoge und als Regieassistent von 32 / 33 angehender Arzt, diese brotlose Kunst des Schau- Samuel Beckett kannte er dessen Arbeit aus erster Hand, er sprach immer von „Sam“. Ja, an Walter D. Asmus denke ich noch heute oft und gern. WIE HABEN SIE ALS STUDENT DENN HANNOVER ALS THEATERSTADT WAHRGENOMMEN? Für mich war die Theaterszene in Hannover unglaublich reich, es war die Eröffnung von neuen Möglichkeiten, nicht nur als Zuschauer, sondern weil ich auch selbst aktiv daran teilnehmen konnte. Die Schauspielschule war natürlich ein Türöffner für die anderen Bühnen in der Stadt. Ich habe diese offene Theaterlandschaft damals wirklich sehr genossen. 15 JAHRE NACH IHREM SCHAUSPIELDIPLOM SIND SIE ALS ARZT UND THEATERMACHER MIT EINEM BESONDEREN PROJEKT WIEDER NACH HANNOVER GEKOMMEN – INS THEATER AN DER GLOCKSEE. Ja, mit dem Stück „Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt“. Da geht es um Mediziner, allerdings um Hochstapler, die Jahre lang in Kliniken gearbeitet haben. Es sind authentische Fälle, wir haben aus diesem Stoff drei Figuren geformt und das Stück im Mai 2012 in Hannover uraufgeführt. Der Kontakt war über Helga Lauenstein entstanden. Sie gehört zu den Absolventen des Studiengangs Schauspiel, die das Theater an der Glocksee 1989 gegründet haben. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich mit meinem Projekt wieder einmal zurück nach Hannover kommen konnte. Und dem Theater an der Glocksee tat es auch gut, weil es dort – nach dem Wechsel in der Leitung durch den Rückzug von Claire Lütcke – zu einem Umbruch gekommen war. Wir haben das Stück gemeinsam erarbeitet, als „work in progress“ im Team mit Helga Lauenstein und den beiden jungen Schauspielern Lena Kußmann und Jonas Vietzke. Es war also auch ein Neustart für das Leitungstrio. Der Erfolg war riesig und natürlich für beide Seiten sehr schön. Wenn das Stück auf dem Spielplan steht, sind alle Vorstellungen sofort ausverkauft. Wir haben das Projekt mit medizinethischen Themen fortgesetzt, 2013 mit der Uraufführung von „Die Ware Mensch“. Dabei stehen Fragen nach dem Wert des menschlichen Körpers aus unterschiedlichen Perspektiven im Mittelpunkt – aus Sicht der Versicherungen, im Kontext der Reproduktions- und der Transplantationsmedizin. Für diese Themen muss man brennen, mal schauen, vielleicht kommen noch weitere Stücke dazu. MEDIZIN UND THEATER – DAS IST JA EHER UNGEWÖHNLICH. WANN HABEN SIE DIESE IDEE ENTWICKELT? Das war ein weiter Weg. Ich habe lange danach gesucht, was ich eigentlich machen will. Nach dem Schauspieldiplom habe ich lange Zeit als Arzt gearbeitet und meinen Facharzt in Anästhesie und Notfallmedizin gemacht. Und ich stand an vielen Theatern auf der Bühne, in Oberhausen, in Bonn oder in Hamburg an den Kammerspielen, dafür habe ich dann Urlaub genommen. Da habe ich gemerkt, dass ich gern beide Berufe verbinden würde. Der Schlüsselmoment war 2008. Damals habe ich meine Stelle als Arzt im Krankenhaus reduziert und in Münster die freie Gruppe „Theater Operation“ mit professionellen Schauspielern und Regisseuren gegründet, um Projekte mit medizinischen Themen auf die Bühne zu bringen. In dieser Zeit entstand das Stück „Halbstarke Halbgötter“, das in Münster im Pumpenhaus uraufgeführt wurde. SIE ERARBEITEN IHRE STÜCKE FÜR DAS OFF-THEA- TER SELBST. WELCHE CHANCEN HABEN DIESE THEMEN IM Nach meinen Erfahrungen gibt es bislang nur in der Off-Szene überhaupt die Möglichkeit, etwa diese 34 / 35 THEATERBETRIEB? medizinethischen Themen auf die Bühne zu bringen. Dabei habe ich an verschiedene Türen geklopft. In der Off-Szene hat man mir vertraut. Ich inszeniere ja auch an Stadt- und Staatstheatern, aber da geht es meist um meinen Migrationshintergrund und meine Erfahrungen mit einem anderen Kulturhorizont, an den großen Häusern ist es immer der gleiche Modus. Aber ich möchte zeigen, dass ich auch andere Rollen und Geschichten entwickeln kann. Die Stücke „Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt“ oder „Halbstarke Halbgötter“ sind bundesweit mehr als 60 mal aufgeführt worden, meist auf Off-Bühnen und nur selten als Gastspiel an großen Häusern. Insofern bieten die Freien Theater nach wie vor die Chance, experimentelle Stoffe mit ungewöhnlich Perspektiven auf die Bühne zu bringen, ja, auch wenn inzwischen die Grenzen durchlässiger geworden sind und einige Ensembles und Projekte, wie etwa Rimini Protokoll, später auch an Staatstheatern Erfolge feiern: In der Off-Szene kann man sich einfach viel mehr trauen. TUĞSAL MOĞUL TUĞSAL MOĞUL Tuğsal Moğul wurde 1969 in Neubeckum geboren. Der diplomierte Schauspieler und Anästhesist mit türkischen Wurzeln lebt in Münster. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit arbeitet er an verschiedenen Bühnen als Autor und Regisseur. Er studierte Medizin an den Universitäten Lübeck, Wien und Hannover sowie parallel Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Sein Debütstück „Halbstarke Halbgötter“ wurde 2011 zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. 2014 bekam sein Stück „Die Deutsche Ayşe“ den Publikumspreis und den Preis der Jugendjury beim NRW-Theatertreffen in Dortmund. Theater an der Glocksee das Stück „Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt“, 2013 wurde dort unter seiner Regie das Projekt „Die Ware Mensch“ uraufgeführt. 36 / 37 In Hannover erarbeitete Mogul 2012 am STADTGESELLSCHAFT #05 / THEATER DAS THEATER IN DER MODERNEN STADTGESELLSCHAFT Hannover liebt das Theater. Das Schauspiel und die Staatsoper Hannover besitzen bundesweite Strahlkraft, die freie Theaterszene ist in ihrer Vielfalt überregional herausragend: Rund 20 professionelle Off-Theater präsentieren sich dem Publikum unter der Dachmarke „Freies Theater HannoSemiprofessionelle Bühnen, Laienspielgruppen, kleine Bühnen, Kleinkunst und Kabarett ergänzen die bunte Palette der Darstellende Künste. „Die Schaubühne jede andere stalt der des Staats praktischen Wegweiser liche ist eine ein das als An- Schule Weisheit, durch Leben, mehr öffentliche ein bürger- unfehlbarer Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen Seele. – FRIEDRICH SCHILLER: „DIE SCHAUBÜHNE ALS MORALISCHE ANSTALT BETRACHTET.“ 38 / 39 ver“. „SCHAUT, DA SIND WIR!“ Da steht sie. Eine Kunstfigur, ganz Königin, machtbewusst, scheinbar unnahbar und doch eitel bis zur Einfältigkeit. Beatrice Frey als Elisabeth von England in Friedrich Schillers Königinnen-Drama „Maria Stuart“ Leicester lässt sich umschmeicheln. von ihrem Charmant Liebhaber umgarnt der machtgierige Intrigant diese alternde Frau in ihrem zu kurzen Kleidchen mit dem gewaltigen Kragen, der ihren faltigen Hals majestätisch stützt. Vielleicht ahnt sie sogar, dass dieser Mann sie nur benutzt. Er will sie zu einer Begegnung mit ihrer schönen Widersacherin Maria von Schottland überreden, um Maria vor dem Tod zu bewahren. In diesem Augenblick scheint alles möglich zu sein. Atemberaubend, wie es Beatrice Frey gelingt, alles in Schwebe zu halten. Sie kokettiert, schaut, flüstert fast, setzt sprechende Pausen: Das Theater lebt vom Zauber solcher Momente. In der Inszenierung von Dusan David Parizek am Schauspiel Hannover ist jüngst ein solches Theaterwunder geglückt. Hannover erlebt Auch immer und viele noch dieser mit Theaterwunder. Friedrich Schiller. Kurz nachdem Schauspiel-Intendant Lars-Ole Walburg und sein Team 2009 an den Start gegangen waren, sorgte der Stadtgesellschaft große für Theaterdichter einen Aufreger. in der Leiden- schaftlich, maßlos und mit heißem Herzen wollten Walburg und sein Ensemble die Stadt erobern, mit dem Projekt „Republik Freies Wendland – reaktiviert“ verwandelten sie den Ballhof-Platz in ein Anti-Atom-Dorf, auf einem verlassenen Kasernengelände kalyptische inszenierten sie Untergangsszenarien ökologisch-apomit dem Lang- zeit-Pflanzentheaterprojekt „Die Welt ohne uns“. Das alles sorgte erst einmal für Irritationen. SCHAUSPIELHAUS HANNOVER „MARIA STUART“ FOTO: KARL-BERND KARWASZ „Ja, man fängt an und sagt: Schaut, das sind wir!“ erinnert sich Chefdramaturgin Judith Gerstenberg. Hannover rieb sich die Augen. Klimaschutzdebatten, politische Diskurse, dazu die Auseinandersetzung mit religiösen Themen etwa in dem dokumentarischen Theaterstück „Mosche:DE“ als Beitrag zur Integrationsdebatte, die Inszenierung wurde 2010 mit dem Kulturpreis der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ausgezeichnet. Dennoch fühlten sich viele Zuschauer belehrt. Ein Missverständnis, davon war der neue Chef Lars-Ole Walburg überzeugt. Und deshalb wollten der Intendant und sein Ensemble mit diesem Missverständnis spielerisch umgehen – in der Tradition des großen Dichters Friedrich Schiller. Also griffen sie auf dessen berühmte Abhandlung über „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet“ aus dem Jahr 1784 zurück – jenes glühende Plädoyer für die Wirkmacht des Theaters wenige Jahre vor „Bildung des Geistes, Bildung des Herzens, das, finde ich, ist für das Theater eine ganz wichtige Maxime“, kommentierte Walburg Schillers Manifest 40 / 41 Ausbruch der Französischen Revolution. in einem Rundfunkinterview. Schließlich warb das Schauspiel Hannover sogar mit dem Slogan „Das Theater – Deine moralische Anstalt“. Auch das nahmen manche Hannoveraner zunächst ein wenig krumm. Dabei betonte der Intendant: „Wir wollen niemanden belehren, aber wir wollen die Menschen anregen, über verschiedene Dinge nachzudenken. Also dachten wir, dann schreiben wir doch gleich drunter: Deine moralische Anstalt. Und das „Deine“ groß geschrieben, ist eben schon das Augenzwinkern.“ Moral mit Augenzwinkern – das hannoversche Stadttheater-Publikum ist treu. „Es gibt hier fast eine familiäre Stimmung“, freut sich Dramaturgin Judith Gerstenberg. „Wir haben Themen gesucht, die uns dieser Standort schenkt, die hier in Hannover einen besonderen Resonanzboden finden“. Zum Amtsantritt bescherten sie der Stadt einen überreichen Premierenreigen und setzten damit zugleich eine Art künstlerisches Ausrufezeichen. Sie dachten dabei – ganz Stadt-Theater – auch an Gottfried Wilhelm Leibniz, den großen Universalgelehrten und frühen Kunstvernetzer am Hof der Welfen und griffen seine Idee von den „Wunderkammern“ auf, die Vision von einer Synthese aus Wissenschaft und Kunst. Mit einem Füllhorn an Stoffen und Projekten wollte die neue Theatertruppe daran anknüpfen. Bis heute begibt sich das Ensemble auf Spurensuche in der Stadt und holt sich dafür immer wieder auch Künstler und Inspirationen aus der Freien Szene ans Haus. Stoffe mit regionalem Bezug stehen im Vordergrund, es geht um VW-Arbeiter aus Niedersachsen, wie in Stefan Kaegis neuem dokumentarischen Stück „Volksrepublik Volkswagen“: Kaegi ist einer der Gründer des Künstlerkollektivs Rimini Protokoll, das kürzlich auch „Remote Hannover“ und „Bodenprobe Kasachstan“ am Schauspiel Hannover inszeniert hat. Und wenn der Kabarettist Rainald Grebe hier sein theatrales Langzeitprojekt zur digitalen Revolution ansiedelt, dann auch mit Blick auf den Messestandort Hannover, die Cebit und auf die Leibniz– Universität. Schließlich arbeitete ihr berühmter Namenspatron, der in Hannover begraben liegt, vor mehr als 300 Jahren an der Darstellung von Zahlen im Dualsystem, ohne zu ahnen, dass mit dem „binären Code“ das Fundament der digitalen Revolution gelegt sein würde. Doch die Staatstheatermacher wissen auch: Das bildungsbürgerliche Publikum interessiert sich traditionell für klassische Theater-Stoffe. Für Shakespeare und Schiller, für Romane, die für die Bühne bearbeitet werden, wie Leo Tolstois „Anna Karenina“ oder „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque – mit überwältigenden Bildern aktuell in Szene gesetzt von Lars-Ole Walburg. Auf dem Spielplan stehen Stücke zeitgenössischer Autoren wie Nis Momme Stockmann, Katja Brunner oder Dirk Laucke, Filmstoffe oder dokumentarische Produktionen. Für diese Formen des zeitgenössischen Theaters hat Walburg in den Räumen an der Prinzenstraße einen neuen Spielort eingerichtet: Die Cumberlandsche Bühne. „Theater sind Orte für Heterotopien, für Gegenentwürfe, wir schaffen Räume für andere Wirklichkeiten“, sagt Judith Gerstenberg. „Das verbindet uns mit anderen Theatern der Stadt, aber auch mit Kirchen oder Museen. Es gibt keine Berührungsängste und man bekommt schnell Kontakt zu anderen kulturellen Institutionen.“ Das Theater als Abbild der Stadtgesellschaft des 21. Jahrhunderts: „Wir wollen bei uns die ganze Bandbreite zeigen“, so bewusst hohe Sprache des Theaters mit Goethe und Schiller, man muss dem Publikum auch etwas zumuten können. Aber wir nehmen auch die Alltagssprache 42 / 43 die Chefdramaturgin. „Das heißt, wir pflegen die auf.“ Theater als Ort der Begegnung, Gemeinschaft auf Zeit, als gemeinsamer Erfahrungsraum. Der hannoversche Soziologe Oskar Negt spricht vom „Rastplatz der Reflexion.“ DAS NEUE SCHAUSPIELHAUS Mit der Eröffnung des Schauspielhauses in der Prinzenstraße begann in Hannover eine neue Ära: Endlich hatte das Theater wieder ein eigenes Zuhause – fast 50 Jahre nach der Zerstörung der alten Schauburg in der Hildesheimer Straße im Zweiten Weltkrieg. Das war ein langer und mühsamer Weg: Seit Anfang der 1960er Jahre hatte Hannovers Stadtgesellschaft für ein modernes Stadt-Theater in der City gekämpft. Der Slogan „Hannover braucht ein Schauspielhaus“, mit dem die „Gesellschaft der Freunde des hannoverschen Schauspielhauses“ unermüdlich für einen Neubau stritt, dürfte vielen theaterbegeisterten Hannoveranern noch in Erinnerung sein. Ein Neubau für die Lücke: Nach Plänen des Schweizer Architekten Claude Paillard entstand Anfang der 1990er Jahre auf dem Gelände des Amerikahauses mit der Cumberlandschen Galerie in der Prinzenstraße das neue, mit weiß lackierten Aluminiumplatten verkleidete Haus, das mit seinen gelben Schränken im Parterre den burschikosen Charme einer „Badeanstalt“ nicht ablegen konnte – inzwischen ist die kühle Außenhaut Markenzeichen des Hauses, das innen, auf der Bühne, mit mutigen Inszenierungen für überregionale Strahlkraft sorgt. Die Eröffnung Ende November 1992 wurde mit drei großen Premieren gefeiert: Ein junges Regieteam unter anderem mit Klaus Emmerich, Matthias Fontheim und Matthias Hartmann rüttelte die Theaterstadt Hannover mit eigenwilligen Inszenierungen auf und lockte auch AGENTUR FÜR WELTVERBESSERUNGSPLÄNE „WILLKOMMEN IM PREKARIAT“ FOTO: ANDREAS HARTMANN zunehmend jüngeres Publikum ins Schauspielhaus. Intendant Eberhard Witt löste 1993 auf eigenen Wunsch vorzeitig seinen Vertrag auf. Ihm folgte mit Ulrich Khuon ein ausgewiesener Liebhaber zeitgenössischer Dramatik. „Wir wurden mit großer Neugier und Sympathie empfangen“, erinnert sich Khuon, heute Intendant am Deutschen Theater Berlin an seinen Amtsantritt in Hannover. Khuon und seine Mitstreiter brachten die Theaterstadt Hannover weiter nach vorn, sie schufen neue Orte, gewannen den Ballhof zurück, der zwischenzeitlich der Oper als Probenbühne diente, und sorgten dafür, dass das neue Schauspielhaus einen einladenden Hinterhof erhielt – heute ist der Hof zwischen Schauspielhaus, Künstlerhaus und der Cumberlandschen Galerie mit ihrer kalkulierten Vergänglichkeitsästhetik ein wunderbarer Treffpunkt für Sommerund Theaterfeste. schuf er mit seinem innovativen „Autorentheater“ eine Plattform für Gegenwartsdramatik, er band viel beachtete Regisseure ans Haus, die mit spekta- 44 / 45 Ulrich Khuon hat in Hannover Spuren gelegt. Hier kulären Inszenierungen für Aufsehen sorgte. Unter Khuon arbeitete hier auch die Autorin Dea Loher, eine der erfolgreichsten deutschen Dramatikerinnen. Ihre Stücke „Fremdes Haus“ und „Adam Geist“ wurden in Hannover uraufgeführt, Regie: Andreas Kriegenburg, Khuon sprach von seinem „Dreamteam“. Unter seiner Intendanz fand auch das ursprünglich für Braunschweig konzipierte „Festival Theaterformen“ einen zweiten Spielort in Hannover. Hannover 2000: Als Ulrich Khuon im Expo-Jahr an das Hamburger Thalia Theater wechselte, waren in der Leinestadt die Weichen für zeitgenössisches Theater gestellt. Daran konnte Wilfried Schulz bei seinem Amtsantritt anknüpfen. Im Landeanflug auf die Landeshauptstadt legte er mit dem signalroten „X“ als Logo einen Meilenstein. Beim Abflug 2009 nach Dresden hinterließ er eine satte Erfolgsbilanz. Hannover war endgültig im Gegenwartstheater angekommen. Schulz, ganz kluger Beweger und geschickter Manager des modernen Theaterbetriebs zu Beginn des THEATER IM PAVILLON „SHILPA – THE INDIAN SINGER APP“ FOTO: MIKE WILFING neuen Jahrtausends, gelang das Kunststück, voll- kommen unterschiedliche Erwartungen zu erfüllen: Für das gediegene Stadttheaterpublikum spielte er Klassiker, allerdings mit der Theaterästhetik der Gegenwart, er führte das Publikum an unterschiedliche Projekte und dokumentarische Produktionen heran, mit Rimini Protokoll holte er erstmals so genannte „Experten des Alltags“ auf die Bühne. Musiktheaterproduktionen von Rüdi Häußermann, intelligent gemachte Unterhaltung, dazu Familienstücke wie „Don Quixote“ oder „Tintenherz“, die zu regelrechten „Blockbustern“ wurden. „Die Aufgabe des Theaters in einer Stadt und einer Gesellschaft besteht darin, auch ein Ort für das Fremde und Andere, das Merkwürdige und Verdrängte, das Sehnsüchtige und Nichtzugelassene zu sein, ein Ort der Verschwendung von Gefühl und Gedanken, Energie und Liebe, ein Ort des Unmaßes in dieser so ökonomisierten Gesellschaft. Jenseits der Sumpflandschaft der Krise, die auch durchschritten wurde, hat Hannover, haben die Menschen in dieser Stadt das zugelassen, akzeptiert, sogar gewollt und gesucht“, schrieb Schulz „seinem“ Publikum zum Abschied ins Stammbuch. „Theater ist eine Kunst des Gebens und des Nehmens“. Es war eine Liebe auf Gegenseitigkeit. Deshalb gelang es Intendant Wilfried Schulz schließlich auch, 2007 das Junge Schauspiel am Ballhof zu etablieren. „Wir sind stolz auf die Gründung und die Wirkung, die es in der Stadt hatte und hat. Es sollte nicht wieder verschwinden, wenn ich die Stadt verlasse“, betonte Schulz rückblickend in einem großen Zeitungsinterview. „Dass wir auf junges Publikum zugehen, ist selbstMit dem Jungen Schauspiel und der Jungen Oper ist der Ballhof in der Altstadt heute ein Ort der Jugend. 46 / 47 verständlich.“ Die Staatsoper Hannover zog nach. MUSENHOF HANNOVER In Hannovers Altstadt begegnen sich Tradition und Aufbruch. Schließlich gehört der Ballhof mit seiner wechselvollen Geschichte zu den historischen Theaterorten der Stadt. Erbaut wurde er von Herzog Georg Wilhelm Mitte des 17. Jahrhunderts – jedoch zunächst als fürstliche Sporthalle für Ballspiele. Der Herzog war aber auch ein ausgesprochener Opernfreund und setzte fort, was seine Vorgänger auf den Weg gebracht hatten. Als Hannover zur Residenz wurde, ließen die Welfen 1637 das ehemalige Minoritenkloster an der Leine zum Schloss umbauen, wenige Jahre später wurde die Schlosskirche geweiht und mitten im Dreißigjährigen Krieg auch eine Hofkapelle gegründet – ein frühes Fundament für die Kulturstadt Hannover. Die Leitung der Musikerschar übernahm Heinrich Schütz, einer der bedeutendsten Musiker jener Zeit. Aus der fürstlichen Hofkapelle entwickelte sich wenige Jahrzehnte später die Oper. Kurfürst Ernst August ließ dann ein hölzernes Opernhaus neben dem Schloss erbauen und startete damit eine Kulturoffensive: Am 31. Januar 1689 wurde mit der eigens für diesen Anlass von Agostino Steffani komponierten Oper „Enrico Leone“ („Heinrich der Löwe“) Hannovers erstes Opernhaus eröffnet, schon damals ein repräsentativer Bau mit 1300 Plätzen, heute steht hier der Landtag, und ein Beweis dafür, welch hohen Stellenwert die Kunst damals an der Leine besaß. Die Eröffungspremiere wurde zum Riesenerfolg. Zum 300. Bestehen der hannoverschen Staatsoper 1989 wurde das Stück in der Inszenierung von Herbert Wernicke wieder aufgeführt. Die Kulturstadt Hannover blühte auf: Unter der ehrgeizigen Herrschaft von Ernst August und seiner klugen Gattin Kurfürstin Sophie wurde auch die Som- merresidenz Herrenhausen ausgebaut, die Anlage des Großen Gartens mit dem Gartentheater ist bis heute ein Glanzlicht der Barockzeit: Macht und Repräsentation – Herrenhausen wurde zum ersten deutschen Musenhof. Damals kamen auch erste Schauspieler in die Stadt. Sie ließen sich jedoch nicht in Herrenhausen nieder, sie traten im Schloss und in der herzoglichen Sporthalle am Ballhof auf. Seit dem ist der Ballhof ein Ort des Schauspiels, zunächst für das fahrende Völkchen der Schauspieler, später dann, im Zuge der Aufklärung, als Hort der Bildung für das bürgerliche Publikum im 18. und 19. Jahrhundert. EIN HAUS FÜR DIE KÜNSTE Als Ernst August von Cumberland den hannoverschen Königsthron bestieg, erwies sich der neue Landesvater ebenfalls als Förderer der Künste. Zwischen 1845 und 1852 ließ er von Oberhofbaurat Georg Ludwig Friedrich Laves in bester Innenstadtlage das Opern- und Schauspielhaus errichten. Mit dem repräsentativen Bau im Herzen der Stadt begann zugleich ein neues Kapitel in der hannoverschen Bühnengeschichte: Im Lavesbau spielte die Oper die Hauptrolle, das Theater rückte an den Rand. Als 1866 die Preußen nach Hannover kamen, wurde die Leinestadt zur Provinz – auch kulturell, man blickte nur noch nach Berlin. Das Hoftheater war eher behäbig, die Moderne fand, wenn überhaupt, andernorts in der Stadt ihre Nischen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte dem Theater in Hannover wieder der Denn am Hoftheater hatte man den Anfang einer neuen Bühnenästhetik verschlafen. Sozialkritische Themen wie sie etwa der Naturalismus mit den Dramen 48 / 49 Anschluss an die Moderne gelingen. von Gerhart Hauptmann aufbrachte, kamen in Hannover nicht vor. Der Literat und Dramaturg Johann Frerking sprach bitter von „geistiger Bequemlichkeit“. Forderungen wurden laut, Oper und Schauspiel räumlich voneinander zu trennen. Schauspielintendant Willy Grunwald (1921-1924) und sein streitbarer Dramaturg Frerking brachten neuen Schwung in die Theaterstadt Hannover, der Spielplan wurde entrümpelt und generalüberholt: Stücke von Henrik Ibsen, Carl Sternheim oder Arthur Schnitzler kamen ins Programm. Hoch im Kurs standen damals auch die Dramen des Expressionismus – der neue Mensch in der Moderne rückte in den Mittelpunkt, die Künste und die Künstler rückten zusammen, Bühnenbildner kooperierten mit Regisseuren und Akteuren. Das Schauspiel gewann an Format. Hannover reagierte darauf: 1921 übernahm die Stadt das Opernhaus, 1923 pachtete sie die 1911 von dem Architekten und Theatermann Franz Rolan erbaute Schauburg an der Hildesheimer Straße, ein funktionsgerechtes Gebäude mit 800 Plätzen. Das war ein entscheidender Schritt für Hannover als Theaterstadt: Endlich hatte das Schauspiel ein eigenes Haus in guter Lage, hier stand auch der ehemalige Goetheschüler Theo Lingen erstmals auf der Bühne. Wenig später kaufte die Stadt den stattlichen Bau, die Schauburg wurde in „Schauspielhaus“ umbenannt. Wie die Oper im Lavesbau gehörte auch sie fortan zu den „Städtischen Bühnen“. Beide Häuser fielen 1943 den Bomben zum Opfer. DER BALLHOF-STIL Der künstlerische Neuaufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt, wie viel Kraft und Neugierde in Hannover lebendig geblieben waren. Als die Stadt noch in Schutt und Asche lag, wurde die Theater- saison am 15. September 1945 im Galeriegebäude in Herrenhausen mit Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ eröffnet. Zwei Monate später war dann die erste Nachkriegsaufführung im Ballhof zu sehen. Unter der Generalintendanz von Kurt Ehrhardt wurden hier Werke der Weltliteratur aufgeführt: Goethes „Urfaust“, Lessings „Emilia Galotti“, aber auch zeitgenössische Dramatik aus Amerika, England und Frankreich, Jean Anouilhs „Antigone“ oder Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen.“ Besonders beeindruckend: Wolfgangs Borcherts bittere Kriegsheimkehrertragödie „Draußen vor der Tür“. Es waren wichtige Jahre für die Theaterstadt Hannover, denn unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde hier ein eigener Stil geprägt – der so genannte „Ballhof-Stil“. Eine Art „magischer Realismus“, befand der Kritiker Gerd Schulte: „Er verbindet, bei entschiedener Abkehr vom Illusionstheater, geistige Sachlichkeit mit strömender Phantasie. Die Erhellung des Wortes wird mit der farbigen Vielfalt des Szenischen durchtränkt. Dieser Stil ist nicht modern, weil er etwa experimentierte, sondern weil er aus einer echten Beziehung zu unserer geistigen und realen Gegenwart erwächst.“ Franz Reichert als Nachfolger von Kurt Ehrhardt interessierte sich ebenfalls für zeitgemäßes Theater: Stücke von Jean Paul Sartre, Martin Walser, Rolf Hochhuth oder Peter Weiß standen auf dem Spielplan. Man hatte den aus Wien stammenden Reichert mit der Zusage nach Hannover geholt, ein neues Schauspielhaus am Weißekreuzplatz zu bauen. Daraus wurde bekanntlich nichts. Nach mehreren Anläufen in den 1960er Jahren lag das Vorhaben fast drei Jahrzehnte sprünglich ein Ort des Kinos, wieder aufgebaut, damals das modernste Theater der Stadt. 1994 wurde das Haus mit seinen rund 1100 Plätzen privatisiert. 50 / 51 lang auf Eis. 1953 wurde das Theater am Aegi, ur- Von 1958 an blieb das Theater am Aegi 30 Jahre lang auch die reguläre Spielstätte der Landesbühne Hannover. Unter der langjährigen Intendanz von Reinhold Rüdiger war sie eine Institution – unter seiner Leitung wuchs das Ensemble, spielte zunächst im Gemeindehaus der Gartenkirche in der Dietrichstraße, danach im Haus der Jugend. In den 1950er Jahren war die Landesbühne auch draußen im Gartentheater Herrenhausen zu Gast, von 1964 bis 1993 regelmäßig im Rahmen des Sommerfestivals „Musik und Theater in Herrenhausen“. 1987 schließlich bezog die Landesbühne Hannover ein eigenes Haus in der Bultstraße. Doch die Theaterlandschaft in der Stadt veränderte sich, unter der Leitung von Jörg Gade ist die Landesbühne schrittweise im Theater für Niedersachsen (TfN) mit Sitz in Hildesheim aufgegangen, gastiert aber regelmäßig in ihrer Heimatstadt. THEATER IM MUSEUM Figurinen, Bühnenbilder, Programmzettel, Plakate, Fotografien von Künstlern. Momente der Erinnerung – dabei ist Theater die Kunst des Augenblicks. Ein Theatermuseum einzurichten, erscheint geradezu paradox. Das Theatermuseum Hannover löst diesen Widerspruch auf und übernimmt die Rolle des „Vermittlers zwischen Vergangenheit und Gegenwart“. Hausherr Carsten Niemann weist auf die Brückenfunktion des Museums hin, das im Schauspielhaus in der Prinzenstraße untergebracht ist – eine bislang wohl einmalige Nachbarschaft. Auf drei Etagen finden sich Erinnerungsstücke, in Sonderausstellungen stehen einzelne Schauspieler oder Autoren im Zentrum, in der Schriftenreihe „prinzenstraße“ wird die Entwicklung des Theaters dokumentiert, es gibt Lesungen und Vorträge. Ein kultureller Knotenpunkt. Gegründet wurde das Theatermuseum bereits 1928, damals war es im Opernhaus untergebracht, doch die Sammlung wurde im Krieg zerstört. Anfang der 1960er Jahre baute der Bühnenbildner Kurt Söhnlein den Bestand neu auf. 1984 zog das Museum ins ehemalige Kröpcke-Center, bevor es 1992 in den Theaterneubau in der Prinzenstraße integriert wurde. Im Untergeschoss auf der kleinen Bühne wird regelmäßig sonntags um 11 Theater für Kinder gezeigt – Figurentheater der Freien Szene finden im Theatermuseum einen 52 / 53 FIGURENTHEATER DIE ROTEN FINGER „RICARDO IN RIO“ FOTO: HILDEGARD WEGNER verlässlichen Auftrittsort. IM ZEICHEN DER UNGLEICHHEIT Die hannoversche Theaterlandschaft besteht jedoch nicht nur aus dem Schauspielhaus mit seinen unterschiedlichen Spielstätten. Im Nachklang der 1968 Jahre hat sich in Deutschland das Freie Theater entwickelt und die Organisationsformen, Ensemblestrukturen und Produktionsweisen haben sich vervielfältigt. Junge Schauspieler und Theaterpraktiker suchten oft auch an ungewöhnlichen Orten nach neuen Wegen des Theaters, sie wollten Hemmschwellen niederreißen, flache Hierarchien einführen, politische und kulturelle Teilhabe ermöglichen – Theater als Lebensform, das hatte vor allem gesellschaftspolitische Dimensionen. Die Freie Szene der Stadt Hannover gehörte zu den Pionieren dieser Bewegung. 1976 gründete Peter Henze mit einigen Mitstreitern die Theaterwerkstatt Hannover und sorgte auch überregional für Aufmerksamkeit. Diese Entwicklung hat die Theaterlandschaft nachhaltig verändert. Die Freie Szene hat damals die Institutionen wachgerüttelt – die Staatstheater haben die Herausforderung angenommen. Heute hat sich auch die Freie Szene gewandelt, vernetzt, in Teilen verjüngt. Das Angebot ist bunt und vielgestaltig. Hannovers Freie Theatermacher sprechen heute gern von einer „Ladenzeile mit inhabergeführten Geschäften“: Kleine Theater mit unterschiedlichen Ansätzen und Konzepten, die sich gegenseitig anregen und sich aneinander messen: Performance, Dokumentartheater, Recherche, work in progress, in manchen Vorstellungen ist auch das Publikum Teil der Inszenierung – angeboten wird eine Vielfalt an Formen und Formaten. Flexibilität, Spontanität, Urbanität, die Verankerung in den einzelnen Stadtteilen – das gehört heute zum Markenkern der Freien Szene, die für sich proklamiert, mit besonderen Spielorten in verschiedenen Stadtteilen nah bei den Menschen zu sein und oft unkomplizierter und intensiver auf brennende Themen reagieren zu können als der „große Apparat Staatstheater“. Und doch muss das Spielfeld immer wieder neu vermessen werden – Förderstrukturen werden überdacht, korrigiert und teils neu erfunden. Einen richtungsweisenden Schritt unternahm die Stadt Hannover bereits Anfang der 1990er Jahre: Damals berief die Stadt als eine der ersten im gesamten Bundesgebiet einen Theaterbeirat – ein bemerkenswertes Förderkonzept und ein geschickter Schachzug. Die Pointe: Nicht mehr die Politiker in den einzelnen Fraktionen sollten über die städtische Unterstützung der einzelnen Theater und Projekte entscheiden, sondern ein Beirat aus Fachleuten, dessen Mitglieder die Theater selbst bestimmen. Dieser passgenaue Theaterbeirat aus sechs Experten berät den Kulturausschuss der Stadt bis heute bei der Vergabe von Fördergeldern und nimmt auf diese Weise entscheidenden Einfluss auf das künstlerische Angebot innerhalb der Stadt. Die einzelnen kleinen Freien Theater mussten auf diese Weise erstmals zusammenrücken und so entwickelte sich die „Interessenvertretung Freies Theater Hannover“. Doch der Wettbewerb verschärft sich – dabei geht es um die Gunst des Publikums wie um die städtische Förderung. Die Freien Theater müssen für einzelne Projekte zusätzliche Fördergelder einwerben, das macht die Spielplangestaltung nicht leichter. Um neben der herrschenden Konkurrenz auch die Gemeinsamkeiten zu stärken, überzeugte die Stadt Hannover die Freien Theater zu gemeinsamer Marketingarbeit Unter der Dachmarke „Freies Theater Hannover“ (FTH) treten die Freien Bühnen gemeinsam in der Stadtgesellschaft auf, sie geben einen gemeinsamen 54 / 55 und fördert diese auch. LOGO FREIES THEATER HANNOVER Spielplan heraus und betreiben einen gemeinsamen Internet-Auftritt, zwei Sprecher vertreten die Kooperative in der Öffentlichkeit. 2013 wurde der gemeinsame Auftritt gründlich renoviert. Das FTH als eine Art modernes Zunftzeichen: Derzeit unterstützt die Stadt 18 Freie Theater. Die Zusammensetzung kann sich verändern, sobald die Fördermittel der Stadt neu verteilt werden – Zusammenhalt und Flexibilität im Zeichen der Vielfalt. Schwerpunkte setzen. In einem weiteren Schritt wurde die Theaterlandschaft innerhalb der Freien Szene jüngst neu strukturiert und der Etat entsprechend aufgestockt. Über das ganze Stadtgebiet verteilt unterstützt die Stadt Hannover vier zentrale Spielstätten. Die dort ansässigen Ensembles zeigen wie bisher ihre Eigenproduktionen, fungieren aber auch als Gastgeber und stellen ihre Bühne anderen Freien Gruppen zur Verfügung. Eine Quadratur des Kreises – doch mit dieser Neuordnung soll es künftig gelingen, zwei Entwicklungen in Einklang zu bringen: Die angestammten Freien Theater, die sich in der Stadt ihren Platz und ihr Publikum er- spielt haben, erhalten zuverlässige Unterstützung, und neue, junge Kooperativen oder Künstlergruppen ohne eigene Produktionsmittel finden eine Bühne für ihre Aufführungen. DIE FABELHAFTEN VIER Theater hinter dem Bahnhof: Eigentlich sollte das ehemalige Kaufhaus nach Abschluss des U-Bahnbaus abgerissen werden, doch dann wurde der Raschplatzpavillon zur Heimat der Soziokultur. Jüngst hat die Stadt den legendären Raschplatzpavillon generalsaniert. Nun gibt es vier verschieden große Säle, die unabhängig voneinander bespielt werden können. Die Verantwortlichen konnten so den Veranstaltungsort auch als Theaterort „neu denken“ – als Zentrum für Gastspiele der Freien Szene Hannovers und für auswärtige Freie professionelle Gruppen, geplant sind auch internationale Gastspielreihen, der Pavillon als eine Art Schaufenster und Impulsgeber. Als wesentlicher Partner mit im Boot ist dafür die ebenfalls im Pavillon beheimatete Theaterwerkstatt Hannover. Ursprünglich von Absolventen der Hochschule für Musik und Theater Hannover gegründet, ist die Theaterwerkstatt Hannover das Freie Theater mit der längsten Geschichte in der Stadt und gehört zu den ältesten bundesweit. Seit der Gründung 1976 stehen anspruchsvolle Inszenierungen für Kinder und Jugendliche gleichberechtigt neben Produktionen für Erwachsene im Abendspielplan. Stückvorlagen und theaterfremde Texte bilden die Grundlage dafür. Zunehmend fließen die langjährigen Erfahrungen im Publikum ein, in dem sich die Theaterwerkstatt hannover vermehrt mit gesellschaftspolitischen Themen der modernen Gesellschaft beschäftigt. 56 / 57 Ausland in die Produktionen für das hannoversche THEATER IN DER EISFABRIK FOTO: COMMEDIA FUTURA Mit Gastspielen und Festivaleinladungen im In- und Ausland ist die Theaterwerkstatt Hannover weit über die Grenzen der Landeshauptstadt Hannover bekannt und wurde national und international für ihre Produktionen mit Preisen ausgezeichnet. 2014 fuhr das Ensemble im Auftrag der Niedersächsischen Staatskanzlei nach Israel / Palästina. Ein Lebenstraum im Hinterhof: Die ehemalige Klareisfabrik im Hof der Seilerstraße ist heute ein Kunst- und Kulturtreff mit mehreren Sälen, Ausstellungshallen, Studios und Ateliers – eine Künstlerkolonie, initiiert und geprägt von Commedia Futura. 1982 gründete der bildende Künstler und Performer Wolfgang A. Piontek zusammen mit Michael Habelitz das freie Theater Commedia Futura, 1987 zog das Ensemble in die Eisfabrik, seit 1991 leiten Piontek und sein Cousin, der Autor und Dramaturg Peter Piontek, das Ensemble aus Schauspielern, Tänzern, Film- und Video-Künstlern und Bühnenbildern. Ihr Markenzeichen sind multimediale Projekte und Stückentwicklungen – mittlerweile sind dort mehr als 50 experimentelle Arbeiten entstanden, etwa „Lost in Twin Peaks“ nach David Lynch oder „Lovers & Killers. Tarantino Samples“ – postmodernes Körper- theater auf den Spuren bekannter Filmregisseure, ein Cross-Over der Künste und Stile. Seit 2006 arbeitet Commedia Futura dem erfolgreichen hannoverschen Tänzer und Choreografen Felix Landerer zusammen. „Die Eisfabrik ist einer der attraktivsten Theaterorte in Niedersachsen“, schwärmte Peter Piontek aus Anlass des 30. Geburtstags von Commedia Futura im Frühjahr 2012. Wer eins der raumgreifenden Koproduktionsprojekte der letzten Jahre wie „Himmel und Hölle“ gesehen hat, wo auf Bühnen, in Kellergängen und Nebenräumen gespielt wird, wird ihm Recht geben. Seit 2015 wird die Commedia Futura nun als Betreiber der Spielstätte „Theater in der Eisfabrik“ mit dem Schwerpunkt Tanz, Theater und Performance gefördert. Eigene Stücke, internationale Gastspiele und Kooperationen richten sich an diesem Profil aus. Treffpunkt für Kinder: Seit November 2011 hat Hannover ein Kindertheaterhaus – mit Sitz im Alten Magazin. Der schmucke Backsteinbau wurde vor mehr als 100 Jahren als Kulissendepot des königlichen Hoftheaters errichtet, Ende der 1980er Jahre nutzte dann das Staatstheater kurzfristig die imposanten Räume mit den zehn Meter hohen Innensäulen für experimentelle Aufführungen. 1994 zog hier der Schauspieler und Regisseur Harald Schandry mit seinem Klecks Theater ein: Das 1987 gegründete freie Theater mit seinem breiten Repertoire an Kinder- und Jugendstücken, darunter viele preisgekrönte Inszenierungen, gehört mit rund 25.000 Zuschauern pro Jahr zu den besucherstärksten Freien Bühnen Niedersachsens. Das Klecks bietet auch jungen Autoren regelmäßig eine Plattform, großen Erfolg hat das Ensemble mit seiner Theater-Arbeit für Kinder und Klecks-Chef Harald Schandry ist mittlerweile Generalintendant im neu gegründeten Kindertheaterhaus. 58 / 59 Familien mit Migrationshintergrund. Denn mit der Generalsanierung des Alten Magazins wurde auch das Konzept umgekrempelt: Das Kindertheaterhaus beherbergt nicht mehr allein das Klecks. Als Spielstätte öffnet sich das Kindertheaterhaus anderen Freien Gruppen und ergänzt seinen FIGURENTHEATER DIE FÜCHSE „ARTHUR UND DER FUCHS“ FOTO: DIE FÜCHSE auch Spielplan um ausgewählte Gastspiele und Kooperationen. Gespielt wird für Kinder zwischen drei und zwölf Jahren, eine Ausweitung in den Jugendtheaterbereich ist angedacht. Angeschlossen sind entsprechende theaterpädagogische Angebote. Ein Stadtteil wird bunter: Das liebevoll eingerichtete blauen sonnengelbe Fensterrahmen Figurentheaterhaus am Großen mit den Kolonnenweg ist Sitz, Spielstätte und Treffpunkt der hannoverschen Figurentheater Marmelock, Neumond, Die Füchse und dem hannoverschen Puppenspieler Gerhard Seiler, die FIGURENTHEATER MARMELOCK „HAYDN GEISTREICH“ FOTO: MÜLLER-WOLFRAM vier Gründungsmitglieder haben sich unter dem Namen Theatrio zusammengeschlossen. Das Haus dient als Fundus, Werkstatt für Workshops, Gastspielort und zentrale Anlaufstelle für Figurentheater aus dem In- und Ausland. Ein Treffpunkt für Kinder, Eltern, Großeltern und Wahlverwandte. Die Akteure haben unterschiedliche Spielformen im Repertoire, Märchen, Mitsing-Stücke und Puppentheater für Erwachsene. Hier wurde auch der kleine Opernvampir Heini geboren, eine Kooperation mit der Staatsoper Hannover. HEIMSPIEL ODER HERBERGSSUCHE Als sicherer „Geheimtipp“ gilt das Theater an der Glocksee an der neuen Ihme-Promenade. Hinter den bunten Graffitiwänden trifft sich ein Publikum, das auch im Stadttheater gesehen wird. Denn auf dem abgelegenen Gelände eines ehemaligen Straßenbahnbetriebshofs in Nachbarschaft zum Jugendzentrum Glocksee gelingen immer wieder Theaterwunder. Das kleine Theater wurde 1989 von Schauspiel-AbsolTheater gegründet. Viele Jahre sorgte Regisseurin Claire Lütcke, die mit der Schauspielerin Helga Lauenstein zu den Gründungsmitgliedern gehört, für 60 / 61 venten der hannoverschen Hochschule für Musik und ebenso eigenwillige wie hochkarätige Inszenierungen literarischer Vorlagen und zeitgenössischer Theatertexte. Handwerk und Mut – das ist ein Markenzeichen des Freien Theaters, das mit Inszenierungen wie „Mutter Courage“ oder „Babettes Fest“ viele Preise gewann und bei den Zuschauern nachhaltig großes Interesse findet. Nach dem Rückzug von Frontfrau Claire Lütcke gab es einen Neustart an der Ihme. Heute leiten die jungen Theatermacher Lena Kußmann und Jonas Vietzke gemeinsam mit Helga Lauenstein das Theater an der Glocksee. Zeitgenössische Dramatik, eigene Projekte, aber auch Experimente wie 2014 die Produktion „#Neuland. Ein digitales Lebensgefühl“ bestimmen den Spielplan. Mit der Erfolgsproduktion „Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt“ von Tugsal Mogul gelang dem neuen Team der Durchbruch, mit der Theaterfassung von Janne Tellers existentialistischem Jugendroman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ oder dem Gedankenexperiment „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ greift das Ensemble auch THEATERERLEBNIS „VERMUMMTE“ FOTO: SERKAN LACIN komplexe, oft sperrige Stoffe auf. Intelligentes, THEATER TRIEBWERK „JO IM ROTEN KLEID“ FOTO: THEATER TRIEBWERK zeitgemäßes Theater, das nah am Publikum ist. Es gibt neuerdings auch Angebote, schon während der Proben mit den Theatermachern ins Gespräch zukommen. Ein guter Weg, inzwischen mischen sich auch viele junge Besucher unter die bürgerlichen Gäste. Unterwegs und daheim: Ihren Durchbruch verdanken sie ihren theatralen Stadterkundungen, doch Erfolge feiern sie auch mit ihren Inszenierungen in der Alten Tankstelle in der Nordstadt. Dort hat sich das Theater fensterzurstadt 2007 eine Art „Basisstation“ eingerichtet, ein Kleinod der hiesigen Szene. Unter der Leitung von Ruth Rutkowski und Carsten Hentrich wurde das Theater fensterzurstadt gleich nach der Gründung 2000 zum „Shooting Star“ der Szene. Das Freie Ensemble spielt in leer stehenden Läden, im oft sehr poetischen Inszenierungen begeben sich die Theatermacher in Grenzbereiche zwischen Schauspiel und Performance, als Material verwenden sie 62 / 63 Bus oder im Amtsgericht. Mit ihren phantasievollen, literarische Vorlagen, eigene Recherchen und Notizen. Staunen und schauen: Derzeit beschäftigt sich das Team in unterschiedlichen Varianten mit Märchen und Mythen, die Akteure nähern sich der Epoche der Romantik mit ihrem Wunderpotential. Theater fensterzurstadt kooperiert auch mit anderen Freien Ensembles. Besonders erfolgreich ist die Zusammenarbeit mit der Theaterwerkstatt Hannover und dem Theater Triebwerk, in dieser Konstellation haben die Theatermacher bereits mehrere Preise gewonnen. Mobiles Theater für alle Sinne – Sprache, Musik Licht und Farbe – verspricht das Theater Erlebnis, das der Schauspieler und Regisseur Tim von Kietzell und seine Kollegen 1998 gegründet haben. 2013 gab es einen Relaunch. Kietzell und sein Team haben nun eine feste Spielstätte in einem ehemaligen Weinladen in der Kornstraße, zuvor gab es eine kurze Zusammenarbeit mit dem Theater in der List im ehemaligen Aldi-Markt. Das Theater Erlebnis ist vor allem im soziokulturellen Bereich aktiv, seine Inszenierungen siedelt es gern auch andernorts an – in Schlachthöfen oder im Parkhaus. THEATERGRUPPEN OHNE EIGENE SPIELSTÄTTE Längst gibt es in Hannover viele Freie Theatermacher ohne festen Ort. Zu den Pionieren dieser Spielart gehört die ausgebildete Tänzerin und Theaterproduzentin Iyabo Kaczmarek mit ihrem Label Freie Theaterproduktionen. Sie versammelt für ihre Projekte Schauspieler, Tänzer, Experten und Laien, sie spielen dann „mitten im Leben“ – in Wohnungen, auf Dachböden oder in Seniorenheimen. Die Kulturvernetzerin engagiert sich seit gut einem Jahrzehnt für eine urbane Stadtkultur, an der möglichst viele Menschen teilhaben können, die sonst nicht den Weg ins Theater finden. Für das Projekt im Bahnhof „Han- nover Central Station“ wurden Iyabo Kaczmarek 2013 mit dem Pro Visio Preis der Kulturregion Hannover ausgezeichnet: Projekttheater auf Zeit – und zum Mitmachen. Seit 2004 experimentiert auch die Frl. Wunder AG mit ästhetischen Formaten von theatraler Performance bis hin zu Aktionen im öffentlichen Raum. Das siebenköpfige Gemeinschafts- Team und spricht von Erfahrungsräumen“ „theatralen und bietet verschiedene Formen der Begegnung an. Im Zentrum steht dabei die Auseinandersetzung mit gesell- schaftspolitischen Themen als ästhetische Erfahrung, die sich mal mit aktuellen Utopie-Entwürfen auseinandersetzt, mal ein Dinner-Theater als Reflexionsraum unseres Verhältnisses zu Tieren konzipiert oder zum Theaterabend als partizipatives multikulturelles Familienfest einlädt. Das experimentierfreudige Künstlerkollektiv wurde bereits zwei Mal von der Stiftung Niedersachsen zum Best-OFF-Festival der Freien Szene eingeladen. Die Arbeiten der Frl. Wunder AG stehen für ein „Universum aus Hoch- und Popkultur“, bei dem die Performer die Grenzen zwischen Kunst, Sozialstudie und Kulturvermittlung außer Kraft setzen. Ebenfalls ohne festen Spielort, oft jenseits etablierter Theaterräume und ausschließlich projektorientiert arbeitet die Agentur für Weltverbesserungspläne unter der Leitung von Regisseurin Ulrike Willberg. Die Produktionsgemeinschaft fand in Braunschweig zusammen und arbeitet jetzt in Hannover. Deren Augenmerk liegt ebenfalls „in der Inszenierung von Alltagsräumen“. Ein Künstler-Team aus unterschiedlichen Bereichen nähert sich aktuelden Leiharbeitern und Scheinselbständigen, die von ihrer Arbeit nicht leben können. Die Theaterperformance „Willkommen im Prekariat“ setzt sich aus 64 / 65 len Problemen, derzeit den so genannten Jobhoppern, unterschiedlichen Elementen zusammen, dazu gehören Körperarbeit, Komik und Musik. Auch das Theater innerhalb der sýstema, Freien die Szene jüngste Gründung Hannover, ist ein Theater ohne Ort. Die künstlerische Leitung hat die „Unverändert geblieben aber ist der Zauber der Bühne. Sie vermag, den Menschen einen kritischen Spiegel vorzuhalten, sie mit- leiden und mitlachen zu lassen, ihnen in ihren Zweifeln und Ängsten beizustehen und, vielleicht, Hoffnung zu schenken.“ Tänzerin, lerin und SchauspieRegisseurin Laetitia Mazzotti, sie steht auch regelmäßig im Klecks Theater auf der Bühne und wirkt darüber hinaus in zahlreichen Freien Produk- – RUDOLF LANGE (1914-2007), BE- tionen KENNENDER gehören der Schauspie- THEATERLIEBHABER, SCHRIFTSTELLER UND LANGJÄHRIGER FEUILLETONCHEF DER HANNOVER- SCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG. von ler mit. Zum Theater Kern sýstema Christoph Linder, Innenarchitekt Frank Olle und die Ausstatterin und Kostümbildnerin Dorothea Hoffmann. Theater sýstema hat ein klares Profil: Im Mittelpunkt stehen ein frischer Zugriff auf zeitgenössische Literatur und die Lust am Experimentieren und Spielen. Auf welche Weise das gelingen kann, zeigt das kleine Theater aktuell mit dem Stück „Jeanne – Träume von einem wirklichen oder eingebildeten Leben“. In der Titelrolle: Laetitia Mazzotti. In Anlehnung an Jean Anouilhs Burleske „Jeanne oder Die Lerche“ holt sie die 600 Jahre alte Geschichte der Jeanne d`Arc in die Gegenwart und bringt die Mission des katholischen Bauernmädchens aus der Perspektive einer modernen Frau des 21. Jahrhunderts neu und mit großer Spielfreude auf die Bühne, ein kluger und zugleich unterhaltsamer Zugriff. Schwierigkeiten bereitet es den Freien Gruppen ohne feste Spielstätten jedoch häufig, verlässliche Spielorte in Hannovers Thea- terlandschaft zu finden. Jüngst wurde ein zentraler Probenraum in der ehemaligen Bibliothek im Freizeitheim Linden eingerichtet. GEMEINSAM IN DER STADT Es gibt unterschiedliche Erwartungen an Theater, doch viele Kulturbegeisterte in der Stadt haben gern alle Bühnen im Blick: So traten Ende der 1990er Jahre die Freien Theater erstmals gemeinsam mit dem Niedersächsischen Staatstheater in der hannoverschen Stadtöffentlichkeit ins Rampenlicht. Hendrik Brandt, heute Chefredakteur der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, übernahm damals die Leitung der Kulturredaktion. In dieser Funktion gab er den Impuls für die Neuausrichtung der Theaterbeilage „Spielzeit“, die bislang nur von den Staatstheatern „bespielt“ wurde. Unter redaktioneller Begleitung entwickelte sich das Projekt zu einem zentralen Theatermagazin, in dem sämtliche Bühnen der Stadt ihren Auftritt haben. Eine Begegnung auf Augenhöhe: Egal ob im Staatstheater oder auf einer kleinen Stadtteilbühne – in der „Spielzeit“ werden alle Aktivitäten gebündelt. Während der Theatersaison liegt das Magazin regelmäßig einmal monatlich der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ bei, die einzelnen Theater halten zusätzliche Exemplare für ihre Besucher bereit, mittlerweile lässt sich die „Spielzeit“ auch online abrufen. Ein breit gefächertes Angebot, das auch von Gelegenheitstheaterbesuchern gern angenommen wird – und zugleich ein Zeichen dafür, wie stark die Theaterszene in die Stadtgesellschaft hinein- Kultur bleibt in Bewegung. Man ist sich näher gekommen, inzwischen gibt es zahlreiche Schnittstellen 66 / 67 gewachsen ist. und weit weniger Berührungsängste als noch in den Gründerjahren der Freien Theater. Zu den Meilensteinen gehört die „Lange Nacht der Theater“. Seit 2002 präsentieren sich die großen Bühnen, die Freien professionellen Theater und andere Freie Bühnen der Stadt einmal im Jahr gemeinsam mit Ausschnitten aus ihren Programmen. Hannover gehört zu den Erfindern dieses „Theater-Events“ – für die Beteiligten ist es jedes Mal organisatorischer wie logistischer Kraftakt. Und ein Erfolgsmodell. Das Publikum war von Anfang an begeistert, regelmäßig kommen Gäste von außerhalb zur „Langen Nacht der Theater“ nach Hannover. Mittlerweile haben viele andere Städte dieses Modell für sich entdeckt – unter anderem die Bundeshauptstadt Berlin. Hannover setzt Impulse. Eine Win-win-Situation: Freie Theatermacher sprechen gern von „Imagetransfer“. Dennoch gibt es beim Freien Theater Hannover Überlegungen, zusätzlich zur „Langen Nacht der Theater“ ein eigenes Format anzubieten: Eine Art Boulevardbummel durch die Stadtviertel der Freien Szene, möglicherweise unter bestimmten Themen. Städtisches Lebensgefühl im 21. Jahrhundert. „Unsere Geschichten finden wir in der Nachbarschaft“, betont Theatermacher Carsten Hentrich von Theater fensterzurstadt. „Die Träume sitzen in den Wänden.“ Ungewöhnliche, vielleicht auch vergessene Ecken und Winkel entdecken, spielen, erobern oder wieder zu verlassen – auch das gehört zum Theaterschauplatz Hannover. Wo überall derzeit etwas geschieht, lässt sich an den neuen weißen Bannern mit dem schwarzen Schriftzug „Freies Theater Hannover“ ablesen, die in den einzelnen Stadtquartieren hängen. Wegmarken einer zeitgemäßen urbanen Stadttheaterkultur – eine vitale Stadt wie Hannover leistet sich diese Vielfalt. Darauf kann sie stolz sein. 68 / 69 INTERVIEW AUF DEN PUNKT GEBRACHT #05 / THEATER Neue Formen, neue Wege. Auf dem Fundament von Friedrich Schillers Theaterbegriff der aufgeklärten bürgerlichen Gesellschaft hat sich das Theater des 21. Jahrhunderts neu verortet. Vor welchen Herausforderungen steht die freie Szene heute und wo das Festival Theaterformen, das 2015 sein 25jähriges Jubiläum feiert? Anne Bonfert (AB) und Harald Schandry (HS), die beiden Sprecher des Freien Theaters Hannover (FTH), sowie Martine Dennewald (MD), die neue Leiterin des Festivals Theaterformen, beziehen Position – zu fünf Aspekten jeweils in einem Satz. Eine Punktlandung. BEI SCHILLER IST DIE REDE VOM THEATER ALS ORT DER ÄSTHETISCHEN UND MORALISCHEN BILDUNG. IN WIE WEIT TRIFFT DIESE IDEE HEUTE NOCH ZU? MD: Das Theater als Vermittler eines vorab definierten Wertekanons interessiert mich nicht, als Ort der Befragung unserer selbst und unserer Lebensformen ist es immer hochaktuell. AB: Ich verstehe Theater als Ort des Spiels, der einen Reflexionsraum öffnet, weil alles zur Diskussion und damit auch zur Disposition gestellt werden kann – denn so ist Theater für mich interessant, wenn es etwas mit mir zu tun hat, mich bewegt und mich einlädt, mich einzulassen. HS: Das Theater ist längst nur noch ein Debattenort unter vielen: es muss sich in seiner Daseinsfrage gut auf seine wirklichen Kräfte, das allmächtige So-tun-als-ob und das heilige Jetzt, besinnen. IN WELCHER FORM ZEIGT SICH DAS IN AKTUELLEN PRODUK- AB: Teilen der Freien Szene wird zugesprochen ein gesellschaftlicher Seismograph zu sein und die 70 / 71 TIONEN DER FREIEN SZENE? FESTIVALZENTRUM THEATERFORMEN FOTO: ANDREAS ETTER akuten Themen einer Gesellschaft mit experimentellen und diskursiven Ansätze schnell aufgreifen zu können. HS: In der durchaus mit der Situation der staatlich finanzierten Theatern vergleichbaren stets neuen Formatsuche: neue Orte, neue Formen der Zuschauerpartizipation, Crossover-Formate zwischen Tanz, Performance, Sprechtheater etc. MD: Es zeigt sich in der Dekonstruktion von tradierten Geschichten und Begrifflichkeiten (wie in Marja Christians und Isabel Schwenks Genderschleuder auf Grundlage von Hebbels „Judith“), in der akribischen Recherche globaler Zusammenhänge (wie in „Situation Rooms“ von Rimini Protokoll), in dem Platz, der dem Publikum innerhalb der Aufführung eingeräumt wird (wie in „low pieces“ von Xavier Le Roy). IN DER URBANEN GESELLSCHAFT DES 21. JAHRHUN- DERTS GEHT ES AUCH UM TEILHABE. KÖNNEN DIE FREIEN THEATER DARAUF ANDERS REAGIEREN ALS DIE STADT- UND STAATSTHEATER? MD: Die Stadt- und Staatstheater können, wenn sie möchten, darauf genauso schnell und publikumsnah reagieren wie die freie Szene; die freie Szene kann, wenn sie möchte, darauf genauso verbindlich und zuverlässig reagieren wie die Stadt- und Staatstheater. HS: Genauso gut oder schlecht. Die Staatstheater und die Freien Theater unterscheiden sich immer weniger in ihrer Inhaltlichkeit als vielmehr in ihren Produktionsbedingungen. AB: Die Stadt- und Staatstheater bleiben durch die große Institution in der Regel als Theater gerahmt. Freie Gruppen können sich hier flexibler an andere Institutionen oder Akteure angliedern. Auch haben sie vielleicht einen weniger großen Druck dem bürgerlichen Kunstbegriff zu entsprechen. WELCHE ROLLE SPIELT DIE PUBLIKUMSBETEILIGUNG BEI DEN INSZENIERUNGEN, ENTWICKELT SICH HIER EINE NEUE 72 / 73 KINDERTHEATERHAUS IM ALTEN MAGAZIN THEATERÄSTHETIK? FRÄULEIN WUNDER AG FOTO: MARKUS GUSTAV BRINKMANN HS: Sowohl in der Freien Szene als auch im Staatstheaterbetrieb beobachte ich Experimente mit der Ästhetik von Workshop-Situationen, oder einer munteren Unterrichtsstunde in einem Volkshochschulkurs: die Schmierseifenebene zum bloßen Infotainment ist dann nur noch einen Schritt entfernt. AB: Eine neue Ästhetik sehe ich hier nicht, eher ein neues Bewusstsein für die Funktion der Zuschauenden einer Aufführung. MD: Es handelt sich eher um eine Einbindung des Publikums in die Ästhetik, egal welcher Art: Ein Teil des Werks wird an die Zuschauer delegiert, und die Zuschauer werden als Teil des Werkes sichtbar. BRAUCHEN WIR EINE NEUE QUALITÄTSDEBATTE? AB: Mich interessiert darüber nach zu denken, was das besondere an Theater ist, was es abhebt von anderen Künsten und welche Aspekte in diesem Bereich noch zu erforschen sind. MD: Wir brauchen eine Debatte, die unterschiedliche Qualitätsbegriffe formulieren und diskutieren kann, die sich immer wieder neu am künstlerischen Schaffen ausrichtet. HS: Wir brauchen eine Struktur- und Finanzdebatte, denn Theater ist in seinem innersten Wesen immer 74 / 75 idealerweise der Umbruch. FIGURENTHEATER SEILER WWW.HANNOVER.DE Foto: Figurentheater Seiler „SHAKESPEARE IN EILE“ THEATER AN DER GLOCKSEE WWW.HANNOVER.DE Foto: Jonas Woempner „BEN X“ FESTIVALS DIE STADT ALS BÜHNE #05 / THEATER KUNSTFESTSPIELE HERRENHAUSEN, NEED COMPANY FOTO: HELGE KRÜCKEBERG Mit den „Kunstfestspielen Herrenhausen“, den internationalen „Theaterformen“ und „Best Off“, der Leistungsschau der Freien Szene Niedersachsens, ist die Landeshauptstadt Hannover ein lebendiger Festivalort von überregionaler Bedeutung. Maßgeschneidert für Hannover: Musiktheater, Filmkonzerte, Performances, Objektkunst, Klanginstallationen und wissenschaftliche Diskurse – das ist der Markenkern des Festivals in den Herrenhäuser Gärten und in dieser Form bundesweit einmalig: In der ehemaligen Sommerresidenz der Welfen trifft Barock auf Avantgarde. Die „Kunstfestspiele Herrenhausen“ ergeben ein Gesamtkunstwerk aus ungewöhnlichen Formaten, von denen viele gewachsen und einige auch gescheitert sind – ein interdisziplinäres Experimentierfeld und zugleich ein Prestigeprojekt der Landeshauptstadt, über das zu verkopft, zu wenig „populär“? 2010 gingen die Kunstfestspiele Herrenhausen unter der Intendanz von Elisabeth Schweeger an den Start, nun scheidet 76 / 77 heftig und kontrovers diskutiert wird. Zu elitär, sie aus dem Amt aus. Schweegers Nachfolge tritt der international renommierte Dirigent Ingo Metzmacher an. Der gebürtige Hannoveraner übernimmt die künstlerische Leitung der 7. Kunstfestspiele Herrenhausen 2016. Denn dann soll nachjustiert werden: Herrenhausen reloaded – für das hannoversche Publikum und für Touristen aus aller Welt. Schließlich sind die „Kunstfestspiele Herren- hausen“ am engsten mit der Geschichte Hannovers und dem Aufführungsort, dem Barockensemble der Herrenhäuser Gärten verknüpft, das Festival hat zudem gleich mehrere Vorläufer: 1953 bereits gab es die Festwochen „Musik in Herrenhausen“, von KUNSTFESTSPIELE HERRENHAUSEN, AKADENIE DER SPIELE FOTO: HELGE KRÜCKEBERG 1956 bis 1986 die Reihe „Musik und Theater in Herrenhausen“, seit 1956 wurde auch unter freiem Himmel im Gartentheater gespielt, seit 1985 hat sich das „Kleine Fest“ etabliert und zum Publikumsmagneten entwickelt, 1987 wurde das Format „Festwochen Herrenhausen“ eingeführt und fast ein Vierteljahrhundert später von den „Kunstfestspie- len Herrenhausen“ als Wechselspiel der Künste abgelöst. Dieses eigens für Herrenhausen entwickelte Profil nimmt die mehr als 300jährige Geschichte des Großen Gartens von Hannover auf, der zu den bedeutendsten barocken Gartenensembles in Europa gehört, und steht zugleich für neue künstlerische Formen. Tradition und Aufbruch: beides lässt sich an diesem historischen Ort aus der Zeit um 1700 festmachen. Ein repräsentatives Architektur- und Gartenen- semble, erbaut von Welfenherzog Ernst August und Kurfürstin Sophie als Zeichen politischen Machtbewusstseins. Ihr Sohn Georg Ludwig bestieg als Georg I. den englischen Thron und begründete die 123jährige Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien. Zwischen 1676 und 1716 wirkte auch der bedeutende Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz in der Stadt. Herrenhausen wurde zum Begegnungsort der Künste, Komponisten wie Georg Friedrich Händel und Agostino Steffani setzten mit ihren Barockopern neue Maßstäbe, Karneval und Feuerwerk gehörten ebenfalls zum Repertoire höfischer Vergnügungen. Leibniz als Berater der Herrschenden förderte diesen Dialog, der bedeutende Philosoph, Mathematiker und Diplomat erfand auch die „Akademie der Spiele“ – als Ergänzung zur „Akademie der Wissenschaft“, allerdings konnte er die Idee eines gesellschaftswissenschaftlichen „Labors“ nicht umsetzen, offenbar war er damals seiner Zeit weit voraus. Der Garten als Ort der Künste, des philosophischen Feste und der „spielerischen Aneignung von Welt“ – auf diesem reichen kulturellen Erbe also basiert das Konzept der „Kunstfestspiele Herrenhausen“. 78 / 79 Gesprächs, des wissenschaftlichen Diskurses, der FESTIVAL THEATERFORMEN, RIMINI PROTOKOLL, „REMOTE HANNOVER“ FOTO: ANDREAS ETTER Internationale und regionale Künstler, alte und neue Musik, Chöre, ungewohnte Musiktheaterformen in den historischen Gebäuden und im Dialog mit der Gartenarchitektur sollen verstärkt überregionale Strahlkraft entwickeln. Das anspruchsvolle Format musste sich zunächst jedoch in der Landeshauptstadt fester verankern. In Verbindung mit hannoverschen Institutionen und Partnern gelingt es Schritt für Schritt, die Besucher an innovative Kunstangebote heranzuführen. Die „Akademie der Spiele“, die von internationalen Künstlern in Zusammenarbeit mit hannoverschen Schulen gestaltet wird, findet bereits großen Anklang und öffnet das Festival für ein breiteres und auch jüngeres Publikum. Die Welt zu Gast in der Landeshauptstadt: Vor allem jüngeres, urbanes Publikum, auch mit Migrationshintergrund, zieht das „Festival Theaterformen“ an, das haben aktuelle Publikumsumfragen ergeben. Geschäftsführerin Lavinia Francke spricht auch von unterschiedlichen „communities“ in der modernen Stadtgesellschaft, die sich zu den oft auch fremdsprachigen Produktionen zusammenfinden. Diese Öffnung ist zugleich Auftrag und Profil der „Theaterformen“, denn das Festival spricht heute bewusst ein breites Publikum jenseits des klassisch bildungsbürgerlichen Milieus an. Es ist Treffunkt und Plattform für innovative Performances, für Diskurse und Konzerte. Die neue Leiterin Martine Dennewald möchte das Festival 2015 in Hannover noch weiter in die Stadtgesellschaft hinein öffnen – teils mit Mitwirkenden aus der Region Hannover, die selbst auf der Bühne stehen werden. Das „Festival Theaterformen“ hat sich seit seiner Gründung 1990 in Braunschweig immer wieder neu erfunden. Seit Mitte der 1990er Jahre ist abwechselnd in Braunschweig und Hannover zu Gast – jeweils unter dem Dach der Staatstheater in beiden Städten, jedoch mit deutlich anderen Schwerpunkten als noch in den Gründerjahren. Es ist bunter und vielgestaltiger geworden, auf der Suche nach „posthumanen Dramaturgien“ und nach Partnerschaften mit anderen Ländern wie beispielsweise 2013 in Hannover mit der „Kinshasa Connection“. Gespielt wird längst auch außerhalb der Bühnen, in der City, im Museum, 80 / 81 DIE KÜNSTLERISCHE LEITERIN MARTINE DENNEWALD SCHNEIDET DIE THEATERFORMEN-TORTE ANLÄSSLICH DES 25. GEBURTSTAGES DES FESTIVALS AN. FOTO: ANDREAS ETTER im Kino, Rahmenprogramme ergänzen das jeweilige Theaterangebot. Viele Projekte werden speziell von den „Theaterformen“ in Auftrag gegeben oder als Koproduktionen vor Ort realisiert. Ein deutlicher Kurswechsel – denn das ehrgeizige Vorhaben zum Ausklang des 20. Jahrhunderts in Braunschweig startete zunächst mit einer anderen Zielsetzung: Es ging darum, große Namen und international bedeutende Regisseure nach Niedersachsen zu holen. Unter anderem aus Mitteln der Zonenrandförderung und mit Stiftungsgeldern brachte Initiator Bernd Kaufmann, damals Generaldirektor der Stiftung Niedersachen, das Vorhaben „Theaterformen“ in Braunschweig und Wolfenbüttel, den Wirkungsstätten Gotthold Ephraim Lessings, voran. Die ersten „Theaterformen“ 1990 waren dem zeitgenössischen Regietheater und der Auseinandersetzung mit Shakespeare gewidmet: Man lud Regiegrößen wie Peter Brook, Peter Stein oder George Tabori ein, die Messlatte konnte kaum höher liegen. Als sich FESTIVAL BEST OFF DISKUSSIONSRUNDE FOTO: SONJA OCH 1995 am Braunschweiger Staatstheater ein schwerer Bühnenunfall ereignete, mussten Ausweichquartiere gefunden werden. Und so kam die Landeshauptstadt Hannover ins Spiel: Zwei Teile von Tomacz Pandurs Trilogie der „Göttlichen Komödie“ wurden in die sogenannte U-Boot-Halle der Hanomag an der Göttinger Straße ausgelagert. Seit 1998 werden die Theaterformen regelmäßig in beiden Städten – in Braunschweig und Hannover – veranstaltet. Im Expo-Jahr 2000, zur Internationalen Weltausstellung, kamen die „Theaterformen“ nach Hannover. Zu den künstlerischen Höhepunkten gehörten Shakespeares „Hamlet“ in der Regie von Peter Zadek mit Angela Winkler in der Titelrolle und Genets „Die Zofen“, in Szene gesetzt und gespielt von Ignaz Kircher und Gert Voss. Theater verändert sich, längst gibt es Schnittstellen zur Bildenden Kunst und zum Film. Die damals frisch gegründete Formation Rimini Protokoll, die mit „Experten des Alltags“ arbeitet und sie auf die Bühne holt, ist seit 2002 immer wieder beim Festival dabei: in der Landeshauptstadt zunächst mit „Sonde Hannover“, zehn Jahre später in Braunschweig mit dem Stück „100 Prozent Braunschweig“. In Braunschweig, am Geburtsort, wurde auch das 20jährige Bestehen des internationalen Festivals „Theaterformen“ gefeiert. Im Jahresrhythmus wird es in beiden Städten speziell für das Publikum vor Ort fortgesetzt. Das 25 jährige Jubiläum des Festivals wurde im Juli 2015 in Hannover ausgerichtet – und zog rund 10.000 Besucher an. Ein Schaufenster der Freien Szene: Hannovers der Freien Theater Niedersachsens und gleichzeitig ein vernetzungsorientiertes Arbeitstreffen, wird seit 2011 von der Stiftung Niedersachsen aus- 82 / 83 jüngstes Festival „Best Off“, die Leistungsschau gerichtet – ein landesweites Theatertreffen, das im Zweijahresrhythmus zentral in der Landeshauptstadt veranstaltet wird. „Hier ist Exzellenz vorhanden“, betonte Generalsekretär Joachim Werren, als das Festival am Ballhof an den Start ging, als Heimspiel für regionale Gruppen und Theaterkollektive. Das Festival blickt dabei auf eine lange, sich ständig weiterentwickelnde Geschichte mit zwei Wurzeln zurück: zum einen das 1996 von Martina van Boxen (Theaterwerkstatt Hannover) und Cornelia Bothe (Pavillon) konzipierte Festival der professionellen Freien Theater Niedersachsens, mit dem Titel „arena“. Zum anderen der Förderpreis „Frühlingserwachen“ für die ausgelobt vom ver. niedersächsische Die Theaterbeirat Freien der Theater, Stadt Hanno- Lottostiftung nahm sich 1999 des Festivals an, erhöhte das Preisgeld und verlieh ihn prominent und niedersachsenweit zunächst in den Räumen des Pavillon und der Theaterwerkstatt Hannover und schließlich – jetzt als Festival der Lottostiftung – an verschiedenen Orten Niedersachsens. Im Jahr 2016 kehrt das Festival, das in der Theaterlandschaft innovative Impulse setzen soll, an seinen Ursprungsort, den Pavillon zurück. Mit der neuen Festivalkonzeption hat die Stiftung Niedersachsen zugleich ein neues Fördersystem für die Freie Theaterszene entwickelt: Wer teilnehmen darf, ist schon Sieger. Bewerben können sich sämtliche Freien professionellen Theater im Land mit aktuellen Stücken für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, ausgewählt werden sechs Produktionen. Es geht um Qualität, Vielfalt, um relevante Themen und künstlerisches Niveau, die Nominierung ist aufwendig und arbeitsintensiv. Eine Jury mit Ex- perten aus Niedersachsen schaut sich sämtliche eingereichte Inszenierungen vor Ort an. Die gekürten Theatergruppen erhalten jeweils ein Preisgeld von 10.000 Euro und die Möglichkeit, sich während des Festivals einem breiten Publikum in der Landeshauptstadt vorzustellen, zudem wird von einer Festivaljury aus Intendanten auswärtiger Spielstätten ein zusätzliches Preisgeld von 5.000 Euro für besondere Leistungen verliehen. In Kooperation mit der Gastspielreihe „Spielplatz Niedersachen“ bekommen die Ensembles die Möglichkeit, die nominierten Inszenierungen aus dem Bereich Kinder- und Jugendtheater auch andernorts zu präsentieren. Das Festival „Best Off“ soll zugleich eine Startrampe für Gastspiele der freien Szene Niedersachsens sein – als Kulturbotschafter auch jenseits der Landesgrenzen. Von zentraler Bedeutung ist das Rahmenprogramm des Festivals mit Vorträgen, Künstlergesprächen und Debatten zu theaterrelevanten Fragen, das Festival wird auf diese Weise zugleich Treffpunkt und Austausch – mit Binnenwirkung für die Theaterschaffenden und im Gespräch mit dem Publikum. Kooperationspartner sind der Landesverband Freier Theater und der Studiengang Darstellendes Spiel. Zum Auftakt des Festivals 2011 hatten sich 62 Gruppen beworben, zu den Siegern gehörten das hannoversche Theater fensterzurstadt mit der Bühnenversion „Die Nacht, die Lichter“ nach dem Erzählband von Clemens Meyer und die Fräulein Wunder AG mit ihrem Projekt zur europäischen Migrationsgeschichte „Auf den Spuren von...“, die in dieser Ausgabe von „Best Off“ zusätzlich mit dem Festival- Die Fräulein Wunder AG gehörte auch beim zweiten „Best-Off“ im Oktober 2013 zu den sechs gekürten 84 / 85 preis ausgezeichnet wurde. Teilnehmern aus 69 Bewerbern, ausgezeichnet wurde das inzwischen in Hannover ansässige Ensemble mit Wurzeln in Hildesheim für die kritische Auseinandersetzung mit modernen Ernährungsformen in der Dinnertheater-Produktion „Ein Bankett für Tiere“. Das Festival war mit rund 1.300 Besuchern zu 90% ausgelastet. 86 / 87 FESTIVAL BEST OFF, FRÄULEIN WUNDER AG „EIN BANKETT FÜR TIERE“ FOTO: SONJA OCH #05 / THEATER BOULEVARD- UND PRIVATTHEATER UNTERHALTUNG NACH MASS Das Theaterprofil der Stadt prägen auch Boulevardund Privatbühnen wie das Neue Theater an der Georgstraße oder das Theater in der List in einem ehemaligen Discounter. Am Lindener Berge spielt seit 1970 das Mittwoch-Theater. Ein Boulevardbummel von der City zu den Quartieren. Das wäre doch gelacht – eine theaterbegeisterte Halbmillionenstadt wie Hannover ohne ein verlässliches Angebot an gut gemachter Unterhaltung. Eine feste Adresse ist das Neue Theater in der Georgstraße, das älteste Privattheater der Stadt liegt an der elegantesten Flaniermeile. Das Boulevardtheater wurde 1962 von dem leidenschaftlichen Theatermacher James von Berlepsch gegründet, zunächst als „Kleines Theater“ in der Mehlstraße, daraus wurde 1964 das Neue Theater in der Georgstraße – eine intime City-Bühne mit 152 Plätzen und einer kleinen Bar. Auf dem Spielplan steht modernes Unterhaltungstheater mit populären Titeln wie „Ladies Night“, „Suche impotenten Mann fürs Leben“ oder „Keinohrhasen“. Aber auch Klassiker des Boulevards wie die rund 100 Jahre alte Komödie „Der Mustergatte“ von Avery Hopwood, aufgefrischt von Regisseur Jan Bodinus und dem künstlerischen Leiter des Hauses, Florian Battermann, finden wieder großes Interesse. Nichts Verkopftes, sondern Theater nach Feierabend, das einfach nur Spaß machen soll. Doch gerade darin liegt die Schwierigkeit – es muss gelingen, mit den übrigen Angeboten einer überbordenden Unterhaltungsindustrie zu konkurrieren. Gemeinsam mit Geschäftsführer Christopher von Berlepsch, dem Sohn des 2008 verstorbenen Theatergründers James von Berlepsch, hat es Battermann geschafft, Hannovers traditionsreiches Rund 41 000 Besucher sahen sich in der Spielzeit 2013 / 2014 die 336 Vorstellungen an. Das grenzt schon 88 / 89 Boulevardtheater wieder flott zu machen. THEATER IN DER LIST an ein „kleines Wunder“, denn es war dort eine Zeit lang sehr still geworden. Die Besucher blieben weg, und die Kassen des Privattheaters blieben leer, die Auslastung war auf rund 30 Prozent gesunken. Hausherr James von Berlepsch, der als Regisseur und Darsteller aktiv war – und für viele unvergessen auf seiner Bühne als Professor Traugott Nägler in Curt Goetz´ Komödie „Das Haus in Montevideo“ – konnte am Ende seiner Dienstzeit nicht mehr an die Erfolge der früheren Jahre anknüpfen. Er hinterließ ein schweres Erbe. Doch das neue Führungsduo nahm die Herausforderung an. Boulevard ist und bleibt Schauspielertheater. In diesem Sinn steuert der vielseitige Theaterunternehmer Florian Battermann nicht nur den künstlerischen Kurs des Neuen Theaters, im Sommer 2013 übernahm er auch die Konzertdirektion Hannover und etablierte im Theater am Aegi zugleich eine neue Marke: „Die Komödie im Theater am Aegi“. Unterhaltung pur – dieses Konzept scheint auch hier zu greifen. Die Zahl der Abonnenten blieb stabil, schon in der ersten Spielzeit konnte der Einzelkartenverkauf für die Vorstellungen im Theater am Aegi mehr als verdoppelt werden, bilanziert Battermann zufrieden. Mit vier ausverkauften Vorstellungen beispielsweise war die Komödie „Urlaub mit Papa“ 2014 das erfolgreichste Stück der Startsaison. Inzwischen hofft der Geschäftsmann auf eine „schwarze Null“. Denn für den rührigen Theatermanager, Autor und Regisseur, Jahrgang 1971, zählt allein der Publikumsgeschmack: „Diesen Auftrag nehme ich gern an“, betont der Mann der Komödie, der als Jugendlicher viele Abende im Theater am Aegi verbrachte und regelrechte Heimatgefühle Gastspielhaus entwickelt für hat. Hannovers Mit zentrales seinem Unter- haltungsunternehmen ist der gebürtige Hannoveraner dort auch der größte „Untermieter“. Das Theater im Aegi wurde 1994 privatisiert und bietet mit seinen 1200 Plätzen ein buntes Programm aus allen Bereichen der Bühnenkunst. Auch in den einzelnen Stadtteilen präsentieren 90 / 91 KOMÖDIE IM THEATER AM AEGI kleine private Bühnen Unterhaltungstheater, manch- mal an ungewöhnlichen Orten, aber stets maßge- schneidert für ihr Publikum aus der Nachbarschaft. So ging 2008 das Theater in der List in einer ehemaligen Aldi-Filiale in der Spichernstraße an den Start, seit 2013 als gemeinnütziger Verein unter der künstlerischen Leitung von Willi Schlüter. Der Theatermacher, Jahrgang 1949, studierte Schauspiel in Hannover und gehörte in den 1970er Jahren zur NEUES THEATER Gründergeneration der Freien Szene, zunächst an der Theaterwerkstatt Hannover, 1985 gründete er das Junge Theater Hannover und leitete es bis zu dessen Schließung 1998, der Schauspieler ist auch auf Bühnen zwischen Hamburg und Basel zu Gast und gelegentlich in Film- und Fernsehrollen zu sehen. Im kleinen Theater in der List werden rund 150 Vorstellungen pro Jahr für Erwachsene, für Kinder und Jugendliche gespielt – das Repertoire reicht vom Weihnachtsmärchen zur zeitgenössischen Dramatik. Das Team um Willi Schlüter besteht aus zehn bis zwölf professionellen Künstlern und Schauspielern, auch Sibylle Brunner, die viele Jahre am Schauspiel Hannover engagiert war, steht hier regelmäßig auf der Bühne. Mit einigen seiner Stücke ist das Theater in der List niedersachsenweit unterwegs. In der Südstadt, im Hinterhof der Hildesheimer Straße, hebt sich seit 2006 regelmäßig der Vorhang in der kleinen Hinterbühne. In einer ehemaligen Leuchtreklamewerkstatt hat das „Hausensemble“ Theater Flunderboll eine Bühne mit rund 80 Plätzen eingerichtet. Aus der Amateurtheatergruppe, die sich 1987 im Gemeindesaal der Athanasiuskirche angesiedelt hatte, entwickelte sich ein verlässliches Stadtteil-Veranstalter-Team. Inzwischen ist die Hinterbühne ein beliebter Treffpunkt für Gastspiele unterschiedlicher künstlerischer Färbung – auf dem Spielplan stehen rund 90 professionelle wie semiprofessionelle Veranstaltungen pro Saison. „Vorhang auf“ heißt es auch Am Lindener Berge. Kenner wissen es längst: In den Räumen über dem Jazz-Club wird seit mehr als vier Jahrzehnten regelmäßig Theater gespielt – Schiller, Kafka, Yasmina Reza oder auch eigene Bühnenbearbeitungen. Das Mittwoch-Theater wurde 1970 gegründet, hat rund 30 Mitglieder und bringt pro Jahr zwei bis drei Produktionen heraus, die Vorstellungen sind meist ausverkauft. „Wir haben uns eine erfolgreiche Nische erarbeitet, die uns den künstlerischen Freiraum für Experimente und neue Wege ermöglicht“, sagt Oliver Gruenke. Er Amateurtheaters der Stadt, wobei die Mitglieder gern auf einen gewissen Anteil an Professionalität verweisen. Nach wie vor gehören zahlreiche 92 / 93 gehört seit vielen Jahren zum Team des ältesten Deutschlehrer und Lehrer im Fach „Darstellendes Spiel“ zum Ensemble, regelmäßig werden Seminare mit professionellen Trainern veranstaltet, viele Amateure haben mittlerweile eine langjährige Bühnenerfahrung, andere wechseln in den Profibereich und arbeiten heute im Theater oder beim Film. „Professionalität – woran macht man das fest?“, fragt Gruenke, im Brotberuf Bankangestellter. Er spricht von einer „Hybrid-Position“ zwischen Profiund Laientheater und erinnert an den hannoverschen Kunstkritiker Ludwig Zerull. Der ausgewiesene Kenner der Szene soll das Mittwoch-Theater einst als „professionellstes Amateurtheater des Landes“ bezeichnet haben. An den Schnittstellen entwickeln sich häufig semiprofessionelle Netzwerke. Vor allem Amateurtheater sorgen in den Stadtquartieren für ein Kulturprogramm. des so genanntes Jürgen niedrigschwelliges Baumgarten, Amateurtheaterverbands Vorsitzender Niedersachsen e. V., registriert eine „breite Teilhabe“ und wachsendes Publikumsinteresse. Amateurensembles verdienen kein Geld mit ihren Aufführungen, sie spielen in ihrer Freizeit. Das Spektrum reicht vom Kinderüber das Studenten- oder Seniorentheater bis zum nachbarschaftlichen Freiluft-Spektakel. Allein in Hannover gibt es weit mehr als 30 Laientheater, mit ihren Vorstellungen erreichen sie etwa 30.000 Zuschauer jährlich – ein beachtlicher Anteil, dabei sind längst nicht alle Hobby-Ensembles und deren Besucher registriert. Kultur für alle? Die „vielfältige Amateurthe- aterlandschaft ist ein wesentlicher Bestandteil der Breitenkultur“, so das Fazit der Studie „Amateurtheater in Niedersachen“, die die Universität Hildesheim 2014 herausgegeben hat. Die Lebendigkeit und Kreativitat einer Szene zeigt sich nicht MITTWOCH.THEATER FOTO: STEFFI SEECK nur in der Vielfalt ihrer Themen und ästhetischen Zugänge, sondern auch in der Bandbreite ihrer Or- 94 / 95 ganisationsformen und Zugangsmöglichkeiten. ADRESSEN #05 / THEATER NETZWERK THEATER IN HANNOVER FREIES THEATER HANNOVER [email protected] www.freies-theater-hannover.de COMMEDIA FUTURA | THEATER IN DER EISFABRIK [email protected] www.commedia-futura.de FIGURENTHEATERHAUS THEATRIO [email protected] www.figurentheaterhaus.de FIGURENTHEATER MARMELOCK [email protected] www.marmelock.de FIGURENTHEATER DIE FÜCHSE [email protected] www.fuchstheater.de FIGURENTHEATER NEUMOND www.figurentheater-neumond.de [email protected] FIGURENTHEATER SEILER www.figurentheater-seiler.de [email protected] KLECKS-THEATER | KINDERTHEATERHAUS HANNOVER [email protected] www.kindertheaterhaus-hannover.de THEATER IM PAVILLON [email protected] AWP - AGENTUR FÜR WELTVERBESSERUNGSPLÄNE [email protected] www.ulrikewillberg.de 96 / 97 www.pavillon-hannover.de FIGURENTHEATER DIE ROTEN FINGER www.die-roten-finger.de [email protected] FRÄULEIN WUNDER AG [email protected] www.fraeuleinwunderag.net FREIE THEATERPRODUKTIONEN | IYABO KACZMAREK [email protected] www.freie-theaterproduktionen.de THEATER AN DER GLOCKSEE [email protected] www.theater-an-der-glocksee.de THEATERERLEBNIS [email protected] www.theater-erlebnis.de THEATER FENSTERZURSTADT [email protected] www.fensterzurstadt.de THEATER SÝSTEMA [email protected] www.theater-systema.de THEATER TRIEBWERK [email protected] www.theater-triebwerk.de THEATERWERKSTATT HANNOVER [email protected] www.theaterwerkstatt-hannover.de HOCHSCHULE FÜR MUSIK, THEATER UND MEDIEN HANNOVER [email protected] www.hmtm-hannover.de LEIBNITZ UNIVERSITÄT HANNOVER | DARSTELLENDES SPIEL [email protected] www.darstellendesspiel.uni-hannover.de NIEDERSÄCHSISCHE STAATSTHEATER GMBH Tel: 0511-999900 www.staatstheater-hannover.de THEATERPÄDAGOGISCHES ZENTRUM [email protected] www.tpz-hannover.de THEATERBEIRAT DER LANDESHAUPTSTADT HANNOVER Kontakt über Kulturbüro [email protected] FESTIVAL THEATERFORMEN Niedersächsische Staatstheater GmbH Ballhofplatz 5 30159 Hannover FESTIVAL BEST OFF Stiftung Niedersächsen, Künstlerhaus Sophienstraße 2 30159 Hannover KUNSTFESTSPIELE HERRENHAUSEN Herrenhäuser Gärten Herrenhäuser Straße 4 98 / 99 30419 Hannover HERAUSGEBERIN: Landeshauptstadt Hannover Kultur- und Schuldezernat Trammplatz 2 30159 Hannover KONTAKT: Landeshauptstadt Hannover Kulturbüro Friedrichswall 15 30159 Hannover Tel. 0511 / 1684 4163 IMPRESSUM [email protected] V.I.S.D.P: Marlis Drevermann REDAKTION UND TEXTE: Karin Dzionara GESTALTUNG: e27, Berlin www.e27.com AUFLAGE: 1.500 Exemplare DRUCK: Gutenberg Beuys www.feindruckerei.de BILDRECHTE: Die Bildrechte können beim Herausgeber eingesehen und abgefragt werden. Hannover im Juli 2015