EMDEN IM LUFTKRIEG 1939 1945 Öffentliche Trauerfeier in Twixlum für die Bombenopfer vom 6./7. Juni 1942 Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende legt der Arbeitskreis Bunkermuseum e.V. eine öffentliche Gedenkschrift vor mit den Namen der Menschen, die in Emden durch Luftangriffe getötet wurden. In Emden forderte der Luftkrieg 409 Menschenleben, von denen 33 namentlich nicht ermittelt werden konnten. Die Schrift berichtet über das Sterben im Luftkrieg in Emden, wobei vor allem die Perspektive der Zivilbevölkerung betrachtet wird. Doch nicht nur auf deutscher Seite gab es Opfer: Zahlreiche Bomber wurden während der Angriffe auf Emden durch die Flak oder von Jagdflugzeugen abgeschossen. Exemplarisch werden deshalb auch die Schicksale einiger alliierter Fliegerbesatzungen dokumentiert, die bei Emden abstürzten. Hinzu kommt im Anhang erstmalig eine Zusammenstellung aller Angriffe auf unsere Stadt. Der Abeitskreis Bunkermuseum e.V. Postfach 1164 26691 Emden www.bunkermuseum.de Sie kamen ums Leben Dallinga/Janßen/Klose Das Bunkermuseum Chr.-G. Dallinga Dietrich Janßen Marten Klose Sie kamen ums Leben Emden im Luftkrieg 1940 - 1945 Herausgeber: Das Bunkermuseum e.V. Bildnachweis: 2., erweiterte Auflage 2006 Alle Rechte vorbehalten, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der fotomechanischen Wiedergabe. Die Urheberrechte verbleiben bei den einzelnen Verfassern. Gestaltung: Dietrich Janßen Herausgeber: Das Bunkermuseum Postfach 1164 26691 Emden www.bunkermuseum.de Vorwort 55 Jahre nach der fast vollständigen Zerstörung unserer Stadt im Zweiten Weltkrieg am 6. September 1944 wurden im Emder Bunkermuseum der Öffentlichkeit vier Tafeln zugänglich gemacht, die die Namen der durch kriegerische Ereignisse oder Fliegerbomben Getöteten aufführt. Wir wurden damals und in der nachfolgenden Zeit oft gefragt, warum nicht schon früher nach den Namen geforscht wurde? Musste eine so lange Zeit „Wenn ich mir vorzustellen versuche, verstreichen, um die Namen der Toten, auch die wie die einzelnen gestorben sind, der Fremd- und Zwangsarbeiter, Kriegsgefanunter welchen Umständen, genen sowie der Wehrmachtsangehörigen in ununter welchen Schmerzen, Flüchen, Gebeten serer Stadt öffentlich zu nennen und zugänglich und Schreien, zu machen? dann wird es ein gigantisches Konzert geben.“ Durch die tatkräftige Unterstützung der Emder Bevölkerung, des Standesamtes Emden, der reHeinrich Böll formierten und lutherischen Kirchengemeinden und des Stadtarchivs Emden wurde es möglich, 60 Jahre nach der Kapitulation, eine neue Schrift vorzulegen, die die Namen der inzwischen gefunden Bombentoten in das „Öffentliche Gedenkbuch“ mit aufnimmt. Insgesamt erfassten wir 408 Tote, von denen bisher 34 Personen nicht namentlich genannt werden können, da es sich entweder um Fremdarbeiter, russische Kriegsgefangene oder Wehrmachtangehörige handelte, die gar nicht oder in ihren Heimatorten registriert wurden. In diesem Zusammenhang möchten wir das Schicksal von drei russischen Kriegsgefangenen ansprechen, die innerhalb der Flakbatterie Larrelt an den Geschützen als Artilleristen standen und die am 11. Dezember 1943 ihr Leben verloren. Begraben wurden die Russen am 17. Dezember 1943 auf dem Friedhof Larrelt und am 11. Oktober 1955 als unbekannte Tote auf den Friedhof Tholenswehr umgebettet. Es ist schwer, sich heute eine auch nur halbwegs zureichende Vorstellung zu machen von dem Ausmaß der Zerstörungen gerade zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Noch schwerer der Gedanke an das Grauen in den Trümmerlandschaften deutscher Städte. Aus einer Erhebung des Bundesamtes für Statistik und aus anderen offiziellen Quellen geht hervor, dass an 600.000 Zivilpersonen in Deutschland den Krieg nicht überlebten, dass dreieinhalb Millionen Wohnungen zerstört wurden, dass bei Kriegsende siebeneinhalb Millionen Menschen obdachlos waren. Welche Spuren hat das Grauen hinterlassen im Bewusstsein der Menschen, die Tag für Tag, Nacht für Nacht, über Monate und Jahre hinaus dem unmittelbaren Sterben wahllos ausgesetzt waren. Fast jede Nacht wurden sie durch die Luftschutzsirenen aus ihren Häusern in die Bunker getrieben. Es sah so aus, als ob sich die das Inferno Überlebenden auf den Straßen zwischen den fürchterlichen Ruinen zwanglos bewegten, als wäre nichts geschehen oder als ob die Stadt immer so ausgesehen hätte. Die vorliegenden 3 Fotografien aus der Zeit nach dem 6. September 1944 zeigen z.B. auf der Straße Am Delft geschäftige, lächelnde Menschen, die zur Arbeit gehen. Selbst in den vorliegenden Berichten oder Briefen, die zu den Angehörigen außerhalb Emdens nach den vielen Angriffen geschickt wurden, sind Opfer nicht erwähnt worden, wohl der Verlust an baugeschichtlich wertvollen Bauten aus Jahrhunderten. Die Verluste an Menschenleben wurden, wie Victor Klemperer in seinen Tagebüchern schrieb, verdrängt. Es war der Alltag, den zu überleben es galt. Nicht auszudenken ist, was geschehen wäre, wenn Emden nicht wie andere Städte den ausreichenden Bombenschutz durch die Bunker gehabt hätte. Weit mehr Menschen wären bei den Angriffen ums Leben gekommen oder verletzt worden. Dank der Bunker, die das Luftschutzbauamt unter dem damaligen nationalsozialistischen Oberbürgermeister Carl Renken errichtete, behielten so viele Emder Bürger ihr Leben. „Eine wabernde Hitze, kein Sonnenlicht durchdrang die bleierne Düsternis über der Stadt. Gefunden wurden Tage darauf Menschen, die überwältigt von Monoxydgas, noch an der Wand gelehnt in Kellern saßen. Wiederum waren andere in der fast tausend Grad heißen Feuersglut zu Asche geworden.“ (Sebald, S. 51). Wenige Tage nach dem großen Brand in der Emder Innenstadt am 6. September 1944 blühten viele Bäume und Büsche, insbesondere die Obstbäume, Kastanien und Fliedersträucher ein zweites Mal. Es hatte den Anschein, als wäre nichts geschehen, was es zu berichten gäbe. Opfer gab es auch auf der gegnerischen Seite unter den Bomberbesatzungen, die Luftangriffe auf deutsche Städte flogen. So wurde der englische Flieger-Sergeanten Sposton, der am 30. September 1939 über Wangeooge sein Leben liess, in Emden auf dem Bolardusfriedhof mit militärischen Ehren beigesetzt. In den Emder Kriegstagebüchern und Chroniken der Flakbatterien werden eine große Anzahl von alliierten Bombern genannt, die die schwere Flak abgeschoss. Einige dieser Flugzeuge liegen noch heute im Dollart. Beispielhaft soll in dieser Schrift das Schicksal einiger Bomberbesatzungen aufgeführt werden, die in unserem Bereich mit ihren Flugzeugen abstürzten. Chris.-G. Dallinga Dietrich Janßen Marten Klose 4 Chris.-G. Dallinga Auf der Suche nach den Opfern Die Ermittlung der Bombentoten in unserer Stadt war ein ergreifendes, aber dringend notwendiges Thema, gab es doch bisher keine zusammenhängende Namenliste der im Bombenkrieg umgekommenen Menschen in unserer Stadt. In den Vororten Emdens und auch im Stadtteil Conrebbersweg sind die Kriegstoten und die Bombentoten namentlich auf Denkmälern verzeichnet. In der Stadt Emden gab es bisher Gedenkstätte, auf der die Toten des Zweiten Weltkrieges verzeichnet waren. Um diese Lücke ist die nachstehende Namensauflistung in den Jahren 1998 und 1999 entstanden. Auch wurde erstmalig versucht, den Toten wieder ein Gesicht zu geben, indem wir Fotografien und die Geschichten der Opfer sammelten. Zum 6. September 1999, genau 45 Jahre nach dem schwersten Bombenangriff auf unserer Stadt lag eine Liste vor, die damals 352 Namen enthielt. Inzwischen wurde durch den Oberbürgermeister Alwin Brinkmann der Stadt Emden im Haupteingang des Bunkermuseums eine Gedenktafel eingeweiht, die am 6. September 2000 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Durch unsere weitere, intensive Forschungsarbeit in den nachfolgenden Jahren ist die Anzahl der ermittelten Toten auf 408 angewachsen. Im Einzelnen sind 302 Zivilisten, 46 Zwangs- oder Fremdarbeiter und 60 Wehrmachtsangehörige umgekommen. Dabei waren 34 Namen nicht zu ermitteln, da es sich entweder um Zwangs- und Fremdarbeiter oder um russische Kriegsgefangene, die in den Flakstellungen als Munitionsträger eingesetzt waren, sowie um Wehrmachtssoldaten handelte, die nicht in Emden, sondern in ihren Heimatorten standesamtlich erfasst wurden. Auch heute fehlen noch bei einigen der Toten die Orte, an denen sie bestattet wurden. Gar keine Daten gibt es bisher von Ausschnitt aus der Gedenktafel im Eingangsden französischen Zwangsarbeitern, die in Emden umge- bereich des Bunkermuseums kommen sind. Ohne das Standesamt Emden, die Friedhofsverwaltung auf Tholenswehr, die Kirchengemeinden mit ihren Kirchen- und Sterbebüchern und die Hilfe der vielen privaten Personen hätte diese Auflistung nicht erstellt und weitergeführt werden können. Hinzu kamen die vorliegenden Kriegstagebücher, wie das des Emder Luftschutzes oder des Kommandaten im Abschnitt Emdens des 6. Marine Flak-Regiments, die besondere Quel5 len waren, da sie nicht nur die Namen der Opfer nannten, sondern auch noch einen Teil der privaten Lebensgeschichte der Familie enthielten. Hier handelte es sich um die Tagebücher 1942 und 1943 der Maria Barghoorn, die täglich die Geschichte ihrer Familie akribisch festhielt. Auch der frühere Standesbeamte Walter Theßmer notierte sich die Namen der Toten. Hinzu kamen die damaligen Tageszeitungen, die sich in Emden und Leer in den Archiven befanden, in denen die Traueranzeigen und damit die Namen aufgesucht wurden. Nachdem u.a. in der Emder Zeitung und in der Ostfriesenzeitung am 09. Juli 1999 und in weiteren Zeitungsartikel über unsere Suche berichtet wurde, war das Echo aus der Emder Bevölkerung überwältigend. Mit so viel Zuspruch hatten wir damals nicht gerechnet. Viele Bürger riefen an, nannten weitere Kontaktpersonen, die Informationen geben könnten. In diesem Zusammenhang wurde viele erschütternde Gespräche geführt, da bisher von den Angehörigen der schmerzliche Verlust von Eltern, Geschwister oder näheren Verwandten, selbst 55 Jahre nach dem Kriegsende oder auch bis heute, nicht aufgearbeitet worden ist. Es kamen von den überlebenden Angehörigen sehr persönliche Lebensgeschichten, die auf tief greifende Wunden und seelische Langzeitfolgen einer Kriegskindheit schließen ließen. Auch die zunächst unsichtbaren seelischen Folgen von Kriegserlebnissen hielten Jahrzehnte an. Die damaligen Wahrnehmungen wurden in der Nachkriegszeit oftmals mit den Worten abgetan: „Sei froh, dass du überlebt hast.“ Gesprochen wurde über das Geschehene in den Familie nicht. Das Schweigen diente dem Überleben im Angesicht von Hunger, Kälte und Obdachlosigkeit. Bleibt uns, auch an dieser Stelle nochmals allen Dank zu sagen, die mitgeholfen haben, die nachstehende Liste zu erstellen und zu erweitern. 6 Chris. G. Dallinga Bombenopfer in Emden, 1940 – 1945 13. Juli 1940 Eilers, Reina Meentzen, Günther Meyer, Fritz Meyer, Wilhelm Strunk, Helene Voogdt, Helene Vügt van, Magiel 15 Jahre 15 Jahre 38 Jahre 31 Jahre 50 Jahre 27 Jahre 45 Jahre 24. Oktober 1940 Janßen, Ewald 14 Jahre 17. Januar 1941 Bekkering, Gerhard Bekkering, Jan Lukas Bekkering, Maria Bekkering, Margaretha Gerdes, Dettmer-Herm. Gerdes Harmina Epkea Gerdes, Dettmer-Herm. 7 Jahre 57 Jahre 13 Jahre 8 Jahre 62 Jahre 63 Jahre 17 Jahre 31. März 1941 Bauersfeld, Hilke Bauersfeld, Jürren Bleeker, Dirk Boomgaren, Adolf Funk, Engeline Maria Gerspacher, Luise Goldenstein, Heikea Harms, Johann Harms, Meta Heeren, Wilhelm Heerma, Hermann L. Heerma, Margarethe Kraner, Janette Mescher, Frieda 65 Jahre 65 Jahre 49 Jahre 18 Jahre 76 Jahre 40 Jahre 41 Jahre 79 Jahre 81 Jahre 63 Jahre 75 Jahre 67 Jahre 42 Jahre 21 Jahre Päuler, Johann Bernhard 39 Jahre Schröder, Gebkea 64 Jahre 09. April 1941 Goth, Maria 57 Jahre 12. April 1941 Risius, Eppo 11. Mai 1941 Ennen, Georg Gehlen, Emma Gehlen, Hans Gehlen, Henriette Gehlen, Waltraud Haseloop, Anna Haseloop, Antje Haseloop, Christian Huismann, Reinder Opolka, Robert Raveling, Geske Spree, Gerhardus Spree, Helene 42 Jahre 19 Jahre 11 Jahre 17 Jahre 4 Monate 71 Jahre 38 Jahre 70 Jahre 39 Jahre 33 Jahre 49 Jahre 49 Jahre 70 Jahre 13. Mai 19411 Heyen, Wilke, Kapt. Nebuhr, Hinrikus, Matr. Wilke, Max, Ing. 25. Juli 19412 Derventer van, Emanuel 26 Jahre Kikkert, Jan 21 Jahre Klemens, Hendrik 51 Jahre Koning de, Sievert 42 Jahre Laferte, Jans 28 Jahre Mühlenbrock, Evert Johann 49 Jahre 7 Roerig, Johannes Tuinman, Johannes Vries de, Jan Roelof 48 Jahre 50 Jahre 25 Jahre 26. Juli 1941 Bandy, Friedrich Burmeister, Karoline Cirksena, Ihne Gronewold, Harm Häfen von, Bernhard Hugen, Janna Beeta Jaeckel, August Julius Körner, Helene Lübbers, Evert Johann 52 Jahre 25 Jahre 71 Jahre 35 Jahre 69 Jahre 71 Jahre 60 Jahre 49 Jahre 49 Jahre 20. September 1941 Lübberts, Klaas 53 Jahre 02. November 1941 Hjalmarsen, Berthold (schw. Matr.) 33 Jahre 30. November 1941 Barghoorn, Meta Christine 89 Jahre Duis, Jürgen 26 Jahre Fokken, Anna 53 Jahre Hoffmann, Eintje 35 Jahre Hoffmann, Harm 59 Jahre Hoffmann, Helene 56 Jahre Hoffmann, Reiner Ihno 31 Jahre Jacobs, Johannes 55 Jahre Kurowski, Johann 52 Jahre Maas, Anna Hajedine 33 Jahre Maas, Bernhard 34 Jahre Schütte, Friedrich 37 Jahre Wirtz, Friedrich August 50 Jahre 28./29. Dezember 1941 Ammerksen, Jan Berends, Edith Bier, Oskar (Wehrm.) 8 60 Jahre 15 Jahre 19 Jahre Bruns, Meta 81 Jahre Dettum van, Hinrike 32 Jahre Dettum van, Katharine 6 Jahre Dettum van, Reinhard ½ Jahre Dettum van, Reint 34 Jahre Ewen, Margarethe 26 Jahre Endelmann, Johann 42 Jahre Franken, Aafkea 15 Jahre Gerdes, Anna Habben 69 Jahre Gerdes, Hinrich Lüken 72 Jahre Heinz, Christa 5 Jahre Hoinka, Bernhard 17 Jahre Hönfeld, Karl-H. (Wehrm.) Ocken, Käthe 31 Jahre Pauels, Talea Hermanna 39 Jahre Poelmeyer, Käthe Lina 11 Jahre Schade, Friedrich59 Jahre Schooneboom, Derk 36 Jahre Schooneboom, Olga 30 Jahre Schooneboom, Oltmann 2 Jahre Schönfeld, Wilhelm 35 Jahre Schwill, Otto Smidt, Ewald Richard 2 Jahre Smidt, Heike 33 Jahre Tönjes, Johann 56 Jahre Tellinghusen á, Meinhard 47 Jahre Tripp, Gerrit 29 Jahre 10. Januar 1942 Louwers, Johann 38 Jahre Milanomic, Mikosco (Serbe) 32 Jahre Milanomic, Grecko (Serbe) 29 Jahre 15. Januar 1942 Fischer, Georg Hartgenbusch, Theodor Janßen, Johann Klinkhammer, Josef Junker, Hermann Leroy, Maurice (frz.) 20 Jahre 41 Jahre 17 Jahre 19 Jahre 21 Jahre 29 Jahre Luszczyk, Franz Müller, Paul Schellenberg, Erich Schmitz, Wilhelm 32 Jahre 23 Jahre 34 Jahre 20 Jahre 17. Januar 19423 ein unbek. Wehrmachtsangehöriger ein unbek. Wehrmachtsangehöriger 11. Februar 1942 Bulling, Carl Feldmeyer, Elfriede Feldmeyer, Johanne Hinrichs, Christoph Schmidt, Johann 71 Jahre 21 Jahre 70 Jahre 35 Jahre 40 Jahre 07. Juni 1942 Bootsmann, Almuth Bootsmann, Johannes Dirks, Talina Dirks, Töpke Dirks, Peter Dorneck, Albrecht Dorneck, Hinderika Engelberts, Künna Geiken, Harm Grensemann, Janna Groot de, Klaas Hagen, Johann Harms, Hinrich Harms, Inge Harms, Reina Jacobs, Bertha Jacobs, Jan Kirchhoff, Greytje Raveling, Bette Remmers, Therese Saueressig, Peter Saueressig, Töpke Terbuyken, Frieda 6 Jahre 34 Jahre 4 Jahre 33 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 33 Jahre 77 Jahre 16 Jahre 52 Jahre 43 Jahre 13 Jahre 32 Jahre 1 Jahr 29 Jahre 68 Jahre 36 Jahre 78 Jahre 51 Jahre 3 Jahre 74 Jahre 68 Jahre 31 Jahre Terbyken, Horst Terbuyken, Liane Terbuyken, Paul Terbyken, Paul Terbuyken, Richard Wortelker, Johann 2 Monate 8 Jahre 36 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 16 Jahre 23. Juni 1942 Beuth, Meint 50 Jahre Bröcker, August 33 Jahre Bröcker, Elisabeth Dorothea 32 Jahre Holten van, Heinz 4 Monate Holten van, Johann 2 Jahre Kuper, Wilhelm Mente 16 Jahre Nanninga, Johann 71 Jahre Zuppinger, Walter (Wehrm.) 29 Jahre 12. Juli 1942 Schlötel, Friedrich 33 Jahre 23. August 1942 Baumann, Arthur Tschebotarew, Michael 33 Jahre 35 Jahre 27. Januar 1943 Arndt, Erich Arndt, Talea Fokkea Brands, Dina Mensing, Gesine Mensing, Jan Weert Mülder, Elise Rinderhagen, Venno Salge, Helmut Salge, Minna 1 Jahr 24 Jahre 60 Jahre 39 Jahre 14 Tage 36 Jahre 2 Jahre 6 Jahre 34 Jahre 04. Februar 1943 Schultze, Christian 39 Jahre 21. Mai 1943 Pauk, Friedrich Johann 53 Jahre 9 Rendering, Harm (holl.) 37 Jahre Schmenolda, Dragina Hapka 23 Jahre eine unbek. Fremdarbeiterin, Twixlum4 22. September 1943 Boomgarden, Janette Lucassen, Irmgard Lucassen, Marga Meyer, Eberhard Meyer, Luise Stomberg, Tini 27. September 1943 Bock, Friedrich Derr, Johann Hinrich Eckhof, Jakob Fißer, Wilhelm Groenevold, Sophia Heeren, Hilde Janßen, Altje Janßen, Wilhelm Kirchhoff, Johann Lömker, Johann Meyer, Grietje Harms Siemers, Agathe Suhr, Anna Wächter, Lina Weiland, Anna Weiland, Engelke 02. Oktober 1943 Barra, Leon (Luxbg.) Becker, Heyke Beermann, Reinhard Bergmann, Meinhard Boomgaarden, Bernhard Boutemy, Robert (frz.) Deppe, Ursula Fiege, Franz (Wehrm.) Fischer, Marie-Luise 10 19 Jahre 4 Jahre 28 Jahre 42 Jahre 40 Jahre 18 Jahre 69 Jahre 90 Jahre 65 Jahre 13 Jahre 29 Jahre 42 Jahre 44 Jahre 14 Jahre 69 Jahre 68 Jahre 77 Jahre 64 Jahre 36 Jahre 73 Jahre 70 Jahre 30 Jahre 79 Jahre 41 Jahre 38 Jahre 41 Jahre 45 Jahre 7 Jahre 70 Jahre Gougne, Jean (frz.) 31 Jahre Groß, Willi (Wehrm.) 18 Jahre Hentschel, Josef 59 Jahre Klamer, Lukas (holl.) 43 Jahre Klebs, Charles (frz.) 34 Jahre Klosse, Otto Berend 5 Jahre Lambert, Ralf (Wehrm.) 18 Jahre Le Moullee, Hypolyte (frz.) 31 Jahre Meynol, Felix (frz.) 44 Jahre Meyertöns, Johann 36 Jahre Mielke, Otto 38 Jahre Neubauer, Otto 65 Jahre Paier, Spartaco (frz.) 17 Jahre Perron, Jules (frz.) 37 Jahre Poppinga, Rudolf 36 Jahre Schick, Hasso 14 Jahre Viens, Victor (frz.) 41 Jahre Wahl van der, Hugo 40 Jahre 11. Dezember 1943 Diekmann, Friedrich 85 Jahre Dinkela, Wilhelm 65 Jahre Focken, Bertraud Hurk van der, Antoine (holl.) 28 Jahre Oostermann, Zwanette 80 Jahre Opitz, Rudolf 34 Jahre Poppinga, Johann 51 Jahre Reints, Hermannus 76 Jahre Sanders, Egbert 39 Jahre Schmidt, Katharina 92 Jahre Stober, Herbert (Wehrm.) 19 Jahre Wagner, Felix (Wehrm.) 47 Jahre Wall de, Norbert (Wehrm.) 20 Jahre Weber, Johann Conrad 65 Jahre Wiegmann, Wilhelm 85 Jahre Wilken, Hermann 9 Jahre 03. Februar 1944 Siebrands, Koert 37 Jahre 24. Mai 1944 Luth, Otto (Wehrm.) 38 Jahre 30. Juni 1944 Aswegen von, Johannes Schmidt, Hermann A. 57 Jahre 64 Jahre 27. August 1944 Albers, Johann Wilko 79 Jahre Albers, Lauke 40 Jahre Albers, Lena 45 Jahre Bleeker, Johannes 12 Jahre Braaksma, Wytze 23 Jahre Boer, Evert (holl.) 44 Jahre Bruns, Ludwig 49 Jahre Ebbinge, Dirk (holl.) 17 Jahre Fritzen, Harm 85 Jahre Groeneweg, Ebbedine 54 Jahre Hartmann, Anna 20 Jahre Hassler, Eugen 62 Jahre Hellmann, Maria 29 Jahre Hilfers, Hermann 63 Jahre Hillinga, Gerard (holl.) 29 Jahre Hillenga, Pieter (holl.) 26 Jahre Hoogestraat. Hans-Willi 1 Jahr Hove van, Christoffer 40Jahre Janßen, Pieter 56 Jahre Jurkat, Max 66 Jahre Kiedys, Alexander (russ.) 23 Jahre Lay, Geerad Geerds 59 Jahre Leeling, Johann 61 Jahre Lüken, Wilhelm 42 Jahre Marosz, Michael (jugo.) 54 Jahre Marosz, Semen (jugo.) 37 Jahre Meinen, Hilke 69 Jahre Meinen, Konke 69 Jahre Minolts, Minold 79 Jahre Müller, Gesina 62 Jahre Müller, Helmut 13 Jahre Müller, Hilde 27 Jahre Müller, Johannes 63 Jahre Müller, Tadea 21 Jahre Poppinga, Gerhard 26 Jahre Reints, Wilhemine 21 Jahre Röling, Ingeborg Ruth (Wehrm.) 20 Jahre Schmitt, Armand (frz.) 39 Jahre Schreiber, Georg Arnold 44 Jahre Schüür, Trientje 60 Jahre Stavermann, Elisabeth 30 Jahre Stevens, Gerhard 38 Jahre Sparberg, Otto 44 Jahre Vorneweg, Josef 54 Jahre Weening, Wieger (holl.) 25 Jahre Zuidhof, Derk (holl.) 36 Jahre 06. September 1944 Baczkiewiez, Aaldert 16 Jahre Barczus, Moritz 63 Jahre Bartsch, Moritz (Wehrm.) Berg van den, Frauke 17 Jahre Boomgaarden, Anton 19 Jahre Boyen, Gerhard Nittert 67 Jahre Bufferne, Paul (frz.) 31 Jahre Buss, Eilert Coobs 84 Jahre Buss, Georg 16 Jahre Dreux, Andre (frz.) 22 Jahre Engelberts, Theodor 36 Jahre Fetten, Maria 65 Jahre Gerdingen van, David (holl.) 37 Jahre Geerds, Helga 18 Jahre Geerds, Ingrid 16 Jahre Geerds, Otto 59 Jahre Grothe, Hermann 31 Jahre Henning, Albert 40 Jahre Hermeling, Jannette 22 Jahre Jakobs, Erich 14 Jahre Janssen, Gerke 66 Jahre Janssen, Harm Tjarks 73 Jahre Janssen, Jantje Janssen, Hilko Heien 38 Jahre 11 Karlowski, Erich (Wehrm.) 19 Jahre Kiewiet, Jan (holl.) 46 Jahre Mans, Alphone (frz.) 57 Jahre Menke, Marten 37 Jahre Mensen, Geertje 68 Jahre Müller, Johannes Müller, Deke 84 Jahre Paschier, Hermann 44 Jahre Poth, Peter (Wehrm.) 41 Jahre Stomberg, Jakob 44 Jahre Terbeek, Albert-Jürgen ½ Jahr Terbeek, Antonie 4 Jahre Terbeek, Gebke 64 Jahre Terbeek, Stienje 34 Jahre Thiele, Hermann 32 Jahre Valentin, Andre (frz.) 29 Jahre Vorobjers, Leontys (Lette) 23 Jahre Wagner, Heykeline Gesine 24 Jahre Wagner, Hugo (Wehrm.) 24 Jahre West, Therese 62 Jahre West, Deddine 36 Jahre unbek. Bombentoter5 Willerts, Dirka 33 Jahre 08. September 1944 Heilemann, Johann Heilemann, Maria Oser, Leopold Rölling, Gerda Wagner, Heti Wagner, Hugo (Wehrm.) 37 Jahre 30 Jahre 39 Jahre 44 Jahre 24 Jahre 23 Jahre 03. Februar 1945 ein unbek. Wehrmachtsangehöriger6 03. März 1945 Buchhorn, Ferdinand Linde van der, Haukea Paetsch, Karl Tapper, Christa 12 64 Jahre 31 Jahre 50 Jahre 2 ½ Jahre Uhde, Minna 87 Jahre 02. April 1945 Graalmann, Christian 58 Jahre 08. April 1945 Theeßen, Frerich 52 Jahre 15. April 1945 Nistabet, Oskar (Wehrm.) 32 Jahre 20. April 1945 Meyer, Dirk 37 Jahre 23. April 1945 Jentsch, Martin (Wehrm.) 28 Jahre7 Manske, Paul (Wehrm.) 37 Jahre Ohlmann, Erich (Wehrm.) 25 Jahre Schottstedt, Rudolf (Wehrm.) 24 Jahre Sporn, Anton (Wehrm.) 25 Jahre Rätsch, Max (Wehrm.) 25 Jahre Weiß, Wolfgang (Wehrm.) 16 Jahre 25. April 1945 Franken, Bauwinus 13 Jahre Habighorst, Johann (Wehrm.) 25 Jahre Kroitzsch, Siefried (Wehrm.) 31 Jahre Meinen, Gertrud 64 Jahre 26. April 1945 Hinrichs, Tönjes Meyer, Wilhelm 9 Jahre 13 Jahre 27. April 1945 Breitschuh, Kurt (Wehrm.) 44 Jahre 28. April 1945 Schoon, Johann Wilhelm 65 Jahre Staden van, Gerriet 59 Jahre 29. April 1945 Grüter, Ludwig 49 Jahre Kautsmann, Wilhelm (Wehrm.) 31 Jahre Lübke, Hans-Joachim 19 Jahre 16. Mai 1945 Spiegel, Wilm 14 Jahre 1 01. Mai 1945 Meyer, Anna 35 Jahre 02. Mai 1945 Schoof, Adam 42 Jahre 03. Mai 1945 Rudolph, Artur (Wehrm.) 23 Jahre 04. Mai 1945 Märker, Hans Tonnenleger „Friesland“, Beschuss auf der Ems. Holländische Arbeiter. 3 Chronik der Stabsbatterie 6. Marine-Flak-Abt. 236. 4 Kriegstagebuch des Kommandanten im Abschnitt Emden. 5 Grabstein auf dem Bolardusfriedhof. 6 LS-Kriegstagebuch Emden, Beschuss des Lotsendampfers „Emden“ auf dem Dollart. 7 Wehrmachtsangehörige, die alle durch Tieffliegerbeschuss oder Bombenabwurf umkamen. 2 18 Jahre Niederländische Bombenopfer in Emden Evert Boer Durch das nicht mehr bestehende niederländische „Museum 1939 – 1945“ in Uithuizen und durch Mh. Pit Vader (†) erhielten wir die Namen der niederländischen Gefallenen. Die Suche nach den Opfern gestaltete sich, wie auch in Emden, sehr schwierig. Der Mh. Pit Vader schaltete neben der Presse auch Behörden, Gemeinden, sogenannte „Oorlogsgravenstichting“ ein und rief Angehörige an, um nähere Einzelheiten zu erfragen. Der Verbleib der Opfer konnten, bis auf den Belgier van Derventer, ermittelt werden, obwohl diese Gräber über dem gesamten nordholländischen Raum verteilt sind. Es stellte sich im Rahmen der Suche nach den Opfern heraus, dass trotz der Kriegswirren alle niederländischen Bombentoten, genau wie die Opfer in Emden, innerhalb einer Woche nach dem Tod beigesetzt wurden. Einige sind später nach dem Zweiten Weltkrieg vom Heimatort auf zentrale Heldenfriedhöfe innerhalb der Niederlande umgebettet worden. Nachfolgend werden die Namen, der Todestag und der Begräbnisort aufgeführt: Boer, Evert, gestorben am 27.08.1944 beim Luftangriff auf die Bahnanlage Emden-Süd, beerdigt am 01.09.1944 in Nieuweschans. Derventer van, Emanuel, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden. Es sind leider keine weiteren Angaben von dem Belgier gefunden worden. Ebbinge, Dirk, gestorben am 28.08.1944 im Krankenhaus Sandhorst an den Folgen seiner schweren Verletzungen vom 27.08.1944 beim Bombenangriff auf die Bahnanlage Emden-Süd, beerdigt in Groningen, Noorderbegraafplaats, 3° klas, rij 7, nr. 26. Gerdingen van, David, gestorben beim Großangriff auf Emden am 06.09.1944 in der Stadtmitte Hinter der Halle, beerdigt auf dem Hegerfriedhof in Osnabrück, niederländisches Ehrenfeld Reihe B, Nr. 3. 13 Hillinga, Gerard, gestorben am 27.08.1944 beim Luftangriff auf die Bahnanlage Emden-Süd, beerdigt in Nieuw Beerta. Hillenga, Pieter Eltjo, gestorben am 27.08.1944 beim Luftangriff auf die Bahnanlage Emden-Süd, beerdigt in Nieuw Beerta. Hurk van der, Antoin Johann, gestorben am 11.12.1943 beim Luftangriff auf Emden in der Innenstadt Kirchstraße, beerdigt auf dem Ehrenfriedhof „erefeld“ Loenen, vak C, nr. 237. Kiewiet, Jan, gestorben am 08.09.1944 im Marinelazarett an den Folgen seiner schweren Verletzungen beim Großangriff auf die Stadt Emden vom 06.09.1944. Der Verstorbene wohnte seit dem 10.05.1940 fest in Deutschland, war daher in den Niederlanden abgemeldet. Kikkert, Jan, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, 1993 umgebettet zum Ehrenfriedhof („ereveld“) Loenen, vak A, Nr. 775. Klamer, Lukas, gestorben am 02.10.1943 beim Luftangriff auf Emden, beerdigt auf dem Niederländischen Ehrenfriedhof in Osnabrück. Klemens, Hendrik, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, umgebettet am 17.03.1958 nach Apeldoorn – Orlogsgraven „Ereveld“ in Loenen, Vak E, graf nr. 411. Koning de, Siewert, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, beerdigt Zuiderbegraafplaats te Groningen, 4e klas, Rij 50, nr. 122. Laferte, Jans, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, beerdigt Zuiderbegraafplaats te Assen, Uitbreiding 1925, Perc D-1. Rendering, Harm, gestorben am 21.05.1943 in der Klinik Dr. Lüken in Emden an den Verletzungen des Angriffes am selben Tag im Bereich Twixlum, beerdigt in Oude Pekela. Roerig, Johannes, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, beerdigt R.K.-begraafplaats te Groningen am 30.07.1941. Tuinman, Johannes, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, beerdigt auf dem Zuidergraafplaats te Groningen. Vries de, Jan Roelof, gestorben am 25.07.1941 im Gemeinschaftslager Eichstraße in Emden, beerdigt algemene begraafplaats te Assen am 30.07.1941. Weening, Wieger, gestorben am 27.08.1944 beim Luftangriff auf die Bahnanlage Emden-Süd, beerdigt auf dem Noorder Begraafplaats in Groningen. Zuidhof, Derk, gestorben am 27.08.1944 beim Luftangriff auf die Bahnanlage Emden-Süd, beerdigt am 01.09.1944 in Veendam 4° klas, nr. 1154, umgebettet zum „Ereveld“ Loenen, Vak A, Nr. 315. Waren die in Deutschland arbeitenden Niederländer „Zwangsarbeiter“? In der Anfangszeit nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht am 10. Mai 1940 auf die Niederlande waren die Grenzgänger zwar „freiwillig“ hier beschäftigt, aber diese „Freiwilligkeit“ sah wie folgt aus: Es gab in den Niederlanden in der Kriegszeit fast keine Arbeit. Die Arbeitslosen erhielten Angebote aus Deutschland, und wenn diese nicht angenommen wurden, gab es Abzüge oder den völligen Entzug des Arbeitslosengeldes. Aus diesem Grunde waren die Menschen als Zwangsarbeiter zu bezeichnen, die zwar als Pendler oder auch als Wochenendfahrer nach Hause fahren durften. Auch andere allgemein hier gewährte Vergünstigungen wurden ihnen begrenzt zuteil, wie z.B. Raucherkarten, Textilbezugscheine und Lebensmittelkarten. 14 Dietrich Janßen „Sie gaben ihr Leben“ Formen des Umgangs mit dem Sterben im Bombenkrieg während des Zweiten Weltkrieges Zu Anfang möchte ich aus der Veröffentlichung von Utz Jeggle, „In stolzer Trauer“, Umgangsformen mit dem Kriegstod während des 2. Weltkriegs zitieren: „Der falsche Stolz auf angebliche Heldentaten muss erst untergehen, dann kann wirkliche Trauer als Einsicht in einen unwiederbringlichen Verlust stattfinden. Erst wenn dieser Heldentod gestorben ist, können die Toten in unserer Erinnerung anders, aber eben realitätsgemäß weiterleben. Solange sie Opfer – für was auch immer – zu sein scheinen, ist ihre Hinterlassenschaft gefährlich, weil sie uns zu Testamentsvollstreckern machen könnten. Der alte Krieg wird nicht wieder aufgenommen, es werden neue Kriege seine Erbschaft verwalten. Die Zeiten stehen schlecht, noch nicht einmal die Tatsache, dass der nächste große Krieg der letzte sein wird, scheint die Mehrheit zur Umbesinnung bewegen zu können.“(Jeggle, S. 259) Obwohl inzwischen, Utz Jeggle schrieb die vorherigen Zeilen 1986, fast 19 Jahre vergangen sind, finden weiterhin kriegerische Auseinandersetzungen unter anderen Vorzeichen statt. Die weltweite Entspannung in dem Bereich der ideologischen Auseinandersetzung hat nicht zu weniger Terror gegen die Zivilbevölkerung oder Kriegen geführt. Es ging so weiter, als hätte es keine Entspannung gegeben. Die Welt geht auch weiterhin zur allgemeinen Tagesordnung über. Die bedingungslose Kapitulation liegt 60 Jahre zurück und heute erscheinen in deutschen Tageszeitungen Gedenkanzeigen „auf dem Felde der Ehre“ gefallener Soldaten. Diese Anzeigen, wie zum Beispiel in der FAZ vom 11. Dezember 1999, stellen eine besondere Form der dauernden Trauer dar, der nicht überwundene Tod eines Angehörigen, die auch in den Anrufen, die der Mitarbeiter des Bunkermuseums, Christoph G. Dallinga, bei der Suche der Namen entgegen nahm, deutlich wurden. Auch sollen die heutigen Anzeigen klarstellen, dass diese im Zweiten Weltkrieg gefallenen Wehrmachtssoldaten nicht mit dem in der „Wehrmachtsausstellung“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung dargestellten Vernichtungskrieg „Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ in Verbindung zu bringen sind. Unsere Forschung hat ein vielfaches Echo ausgelöst, da die „Emder Zeitung“ und die „Ostfriesenzeitung“ vom 9. Juli 1999 über die Namensuche berichtete. In der „Emder Zeitung“ erschien in der Wochenendausgabe vom 31. Juli 1999 eine Auflistung von 352 Toten, deren Namen damals aufgefunden worden sind. Insgesamt hat es bei den Angriffen 408 Tote Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Novon Emder Bürgern, Fremd- und Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und vember 1999 Wehrmachtangehörigen gegeben, die hier eingesetzt waren. Auslöser der Namenssuche für die Stadt Emden war die von Werner Dettmar erstellte Dokumentation, die im Anhang eine Liste der Toten von einem Angriff auf Kassel am 22. Oktober 1943 enthält. Die Liste nennt ca. 6000 Tote, die nach diesem Großangriff namentlich erfasst und identifiziert werden konnten (Werner Dettmar, Anhang Seiten 257-375). 15 Gedenktafel im Eingangsbereich Das Bunkermuseum hatte in Erinnerung der fast völligen Zerstörung der Stadt Emden am 6. September 1999 die Bürger zu einer kleinen Andacht eingeladen, an der 60 vorwiegend ältere Emder teilnahmen. Im Eingangsbereich des Museums wurden vier Tafeln mit den Namen der Toten, Todesanzeigen, fotografische Aufnahmen der Aufbahrungen auf dem Neuen Markt und einzelne Zerstörungen in einer Kollage, die der Verfasser erstellte, den Besuchern zugänglich gemacht. An diesem Tage wurden vom Oberbürgermeister Alwin Brinkmann in einer schlichten Zeremonie die vier Tafeln der Öffentlichkeit übergeben. Der Oberbürgermeister mahnte dazu, aus der Geschichte zu lernen. „... Hinter jedem Namen steht ein Schicksal und eine Erinnerung... Es muss tagtäglich dafür gearbeitet werden, dass das ‚Nie wieder‘ gilt...“ (OZ vom 17. September 1999). Danach hielt der Landessuperintendent Werner Könitz eine Andacht im Gedenken an die Toten des Zweiten Weltkrieges mit folgenden Worten. Er sagte u.a.: „ ... Geschichte macht uns nur betroffen, wenn sie mit persönlichen Erinnerungen versehen ist, und wir müssen dieser Zeit gedenken und davon erzählen, damit dies nicht verloren geht...“ (EZ vom 07. September 1999). Den Abschluss bildete das Glockengeläut der Martin-Luther Kirche, um an den schwersten Angriff auf die Stadt Emden und der Toten der Kriege zu gedenken. Gedacht wurde in dieser Zeremonie dem Sterben im Bombenkrieg, aber auch dem an den Fronten beider Seiten, in den Konzentrationslagern, unter den Zwangsarbeitern und der Menschen, die sich für eine Beseitigung der NSDiktatur einsetzten. Hierbei darf nicht verwechselt werden zwischen dem öffentlichen Bekenntnis und dem privaten Kummer, denn die Trauer der Hinterbliebenen kann so nicht ausgelöscht werden. Die Söhne und Ehemänner an der Front, sie haben sicherlich in der Erinnerung ein menschliches Antlitz, das heißt aber nicht, dass der Krieg, den sie führten oder führen mussten, auch von dieser Menschlichkeit gekennzeichnet war (Vgl. Utz Jeggle, Seite 243). Dieses gilt auch für die Toten des Bombenkrieges, deren Leben vernichtet wurde. Die bleibende Trauer der unmittelbar Hinterbliebenen ist vom Ansatz her gleich zu setzen. Öffentliche Trauerfeieren Hier fragt es sich, ob es nicht noch andere Orte als Friedhöfe und Denkmäler, auf denen der Schmerz verbannt ist, geben kann. Ist nicht die Trauer über einen Toten ein unantastbares Gefühl im stillen Gedenken, das nach unserem heutigen Verständnis keine Öffentlichkeit verlangt? Dieses wurde von den Parteileitungen der NSDAP im Allgemeinen anders gesehen, da die Toten als Helden öffentlich zu ehren waren. Deshalb fand eine öffentliche Trauerfeier auf dem Neuen Markt am 05. April 1941 statt, auf der 16 Bombentote aufgebahrt wurden. Mit den Menschen, die ihr Leben gaben, wurden Treue, Pflichtbewusstsein und Heldentum verknüpft. Der Nazismus hatte es besser als andere politische Systeme verstanden, solche Verschmelzung zwischen privatem Schmerz und öffentlichem Dienst durch seine spezifische „politische Liturgie“ herbeizuführen (Vgl. Georg L. Mosse, 1976). Die Toten wurden zu Opfern, so wurde ihr Sterben idealisiert und zugleich wurden durch die Kraft des Blutes auch Zweifelnde eingebunden in dieses System der legalisierten Kriminalität und der kriminellen Legalität (Dazu Wolfgang Loch, Seiten 336-345). Hier beginnt die Verbindung zwischen öffentlich anerkanntem Opfer und privatem Sterben. Bei der Analyse des seelischen Geschehens, das die Trauer ausmacht, finden wir Schmerz um den Verlust 16 eines Wesens, mit dem der Trauernde in einer tiefer gehenden mitmenschlichen Gefühlsverbindung verbunden war. Mit dem betrauerten Objekt ging etwas verloren, das ein wertvoller Inhalt unserer erlebten Umwelt war (Mitscherlich, Seite 40). Aus diesem Grunde ist es heute wenig verständlich, warum in den vielen Kriegstodesanzeigen des 2. Weltkrieges die Begriffe, wie „In treuer Pflichterfüllung für Führer und Vaterland“ (OTZ vom 15. Juli 1940) „In stolzer Trauer“ genannt werden. Unter den offiziellen Nachrufen stehen die Sätze: „Sie gaben ihr Leben für Großdeutschlands Freiheit und Zukunft“ (OTZ vom 12. Mai 1941) oder „Auch sie starben im Kampf um Deutschlands Freiheit. Die Toten selbst ehren wir am besten dadurch, indem wir unsere Pflicht erfüllen, wohin uns auch der Befehl des Führers stellen mag.“ (OTZ Todesanzeige zum Angriff auf Emden am 27. Januar 1943). Oder die Überschrift über einer Anzeige vom 15. Oktober 1943: „Ihr Opfertod wird uns Verpflichtung sein!“ Das bisherige Leben der Toten, so kann aus den Anzeigen entnommen werden, ist Vermächtnis und Verpflichtung für die Lebenden. Um die Lebenden jedoch geht es in erster Linie. In diesem Sinne soll ein Leben „unvergessen“ sein. Der Tote „bleibt“ im Gedächtnis der Lebenden: Wer im Gedächtnis der Seinen lebt, ist nicht tot, er ist nur fern, tot ist, wer vergessen wird. Dieses „unvergessen“ im öffentlichen Gedenken der Anzeigen, soll die Überlebenden anspornen, den Unvergessenen nachzueifern und ihr Leben für die „ehrliche“ Sache hinzugeben. Die Toten erhielten in den Gefallenen-Listen, sichtbar ab März 1942, das Eiserne Kreuz hinzu, welches den Tod zum „Heldentod“, gefallen an der „Heimatfront“, hoch stilisierte und die Toten nachträglich „dekorierte“. Verständlicher für uns heute lesen sich die Familienanzeigen, die nach dem ersten Angriff auf Emden in der Tageszeitung als Kriegstodesanzeigen erschienen: „Ein tragisches Geschick entriss uns durch Fliegerangriff...“, „Es verschieden infolge Fliegerangriffs die Inhaber...“ oder „Es fielen einem feindlichen Fliegerangriff zum Opfer...“ Weiter heißt es: „Durch Bombenangriff wurde unsere innigstgeliebte Tochter... im blühenden Alter von 15 Jahren von uns gerissen“ und „Bei einem feindlichen Fliegerangriff verunglückte meine liebe Frau...“. Es wird in den Anzeigentexten die eigene Ohnmacht deutlich als das Ende des menschlichen Wollens. Die im Kriege einsetzende unbegreifliche Übermacht tritt in Folge eines feindlichen Eingriffs, des Bombenkrieges, von außen in das Leben der Mitmenschen ein. Hier hat nicht Gottes Wille „eingegriffen“, sondern ein Bombenangriff zerstörte die Lebenden. Daneben steht eine Todesanzeige der NS-Frauenschaft in der OTZ vom 15. Juli 1940 mit der offiziellen Sprachregelung: „Feindeshand vernichtete in der Heimat das Leben unserer lieben Kameradinnen...“ Auch die vom NS-Lehrer17 bund aufgegebene Todesanzeige zwei Tage vorher nimmt diese Sprachregelung auf: „Dem verbrecherischen Ueberfall auf unsere Stadt fiel auch unser Mitglied... zum Opfer.“ Oder: „An den Folgen des feigen Bombenanschlages auf die Zivilbevölkerung starb unser Gefolgschaftsmitglied... im blühenden Alter von 18 Jahren. Sein Tod ist uns Verpflichtung.“ In den Todesanzeigen des 15. Juli 1940 wird neben dem tragischen Geschick sehr viel Raum für den Opfertod der Gefallenen für den Führer und die Volksgemeinschaft gegeben, die selbst in den Anzeigen vom 13. Juli 1940 wurde zur Teilnahme an den Beerdigungen aufgerufen: „Unsere Mitglieder nehmen an der Beerdigung teil.“ oder „Antreten sämtlicher Kameraden zur Teilnahme an der Beerdigung am Dienstag, nachmittags um 4 ½ Uhr, Apfelmarkt, ist Pflicht.“ Dieses sind nur zwei der vielen Beispiele, in denen die Hinterbliebenen eine Hebung ihrer seelischen Widerstandskraft im Kriege durch die NS-Frauenschaft und durch die Kameraden, die geschlossen an der Beerdigung teilzunehmen haben, in der Gemeinschaft erfahren. Aus der Formulierung der Texte wird ein Widerspruch der Hinterbliebenen gegen eine Teilnahme der NS-Frauenschaft oder der Kameraden von vorn herein ausgeschlossen. Die Teilnahme an der Trauerfeier war Dienst am Volk. Nach der Meinung der Partei sollten die Angehörigen in der Totenfeier eine sie erhebende Ehrung ihres gefallenen Angehörigen sehen. Die Anteilnahme der Volksgemeinschaft soll ihnen ihr Opfer leichter machen, die Volksgemeinschaft zusammenschweißen und ihren Opfer- und Einsatzwillen bestärken (Boberach, S. 1734). Hieraus entwickel- Anzeige in der OTZ vom 13. Juli 1940 te sich die „totale“ Erfassung, sowohl der Lebenden wie auch der Toten, die für den Endsieg zu kämpfen bzw. ihr Leben für das deutsche Volk zu geben hatten, wie Dr. Goebbels in seiner Rede am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast zum totalen Krieg aufrief (Reuth, S. 1897, Fußnote 33 oder S. 1898). „Die Trauerfeier findet eine halbe Stunde vor der Beerdigung statt.“ Hieraus ist nicht erkennbar, ob es sich bei der Trauerfeier um einen kirchlichen Trauergottesdienst oder um eine kurze Andacht handelt, die am offenen Grab gehalten wurde. Die meisten der Toten wurden auf dem Ehrenteil des Bolardusfriedhofes und später auf dem städtischen Friedhof Tholenswehr bestattet. Die Todesanzeigen, alle militärischen Meldungen, Beiträge und Anzeigen unterlagen einer Vorzensur. Dabei wurden nicht nur wehrpolitische, sondern auch stilistische Beanstandungen vorgebracht und dem Sprachgebrauch angepasst. Schließlich sollten die Anzeigen die weltgeschichtliche Größe des Kampfes um Großdeutschlands Sieg veranschaulichen und dass die Opfer nicht umsonst gegeben wurden (Steinert, S. 38). Dem gegenüber bemerkt Boberach in „Auswirkungen der allgemeinen Propaganda, Presse- und Rundfunkmeldungen in der Zeit vom 9.7. – 11.7.1940“ unter Punkt 3: „Zahlreiche Meldungen weisen darauf hin, dass in den letzten 2 Monaten im Anzeigenteil bezüglich der Gefallenenanzeigen eine Wandlung zu würdigerer Gestaltung eingetreten ist. Leider würden von zahlreichen Zeitungen noch immer Sprache und Gedichte aufgenommen, die oftmals konfessionell (Stahlberg, S. 229 ff) bestimmt und in der Art der Abfassung geradezu geschmacklos sind. Es ergab sich auch oft eine Kluft, beispielsweise zwischen der Anzeige einer Ortsgruppe, die zum Ausdruck bringt, dass der gefallene Kamerad nur eines kannte: Deutschland, und in der Anzeige, von Angehörigen aufgegeben, die mit „Jesus, Maria und Joseph“ 18 überschrieben ist und in der aufgezählt wird, wie vielen konfessionellen Vereinen der Gefallene angehört hat.“ (Boberach, Seite 1365). Die ersten Bomben auf Emden Als die ersten Bomben auf unsere Stadt fielen, da wurde am 15. Juli 1940 in der Ostfriesischen Tageszeitung von „Opfern des britischen Bomben-Attentats“ geschrieben, deren Zahl sich leider auf sieben Tote erhöht hatte. Das tragische Geschick, gerade dort gewesen zu sein, wo die Bomben fielen, wurde zur bitteren Erfahrung. Ein Schicksalsschlag, den jede Familie treffen konnte. Die Stadt Emden blieb, wie andere Städte auch, vor Luftangriffen nicht verschont. Die damals 13-jährige Ingrid Penon zeichnete in ihrem Tagebuch die Angriffe auf, klebte die Zeitungsberichte und Todesanzeigen, die in der Ostfriesischen Tageszeitung (OTZ) veröffentlicht wurden, dort zusätzlich ein. Handschriftlich vermerkte sie: 12. Juli 1940: 7 Tote, Januar 1941: 7 Tote, 30. März 1941: 17 Tote, 10. April 1941: 3 Tote, 12. Mai 1941: 11 Tote, 27. Juli 1941: 8 Tote... Von dem Angriff am 30. März 1941 berichtete sie: „Von 22 ¼ - 2 ½ Uhr ununterbrochen geschossen, Maschinengewehr. Kurz vor 23 Uhr brennt die Stadt. 2 Sprengbomben in der Nähe. Wenig Flugzeuge. A.G. Cramer, Schostek, Alfred Richter, Bruns Drogerie, Weber (Butter), Scheinert bis auf die Grundmauern abgebrannt. Kein telefonieren, Telegrafenamt bis Ecke Hof von Holland ganz weg. 13 Tote. Für Deutschland gestorben: Dirk Bleeker, Engerline Funk, Hermann Herma, Luise Gersbacher, Gebka Schröder, Johann Harms - Lehrer, Meta Harms, Adolf Boomgaren, Wilhelm Heeren, Frieda Mescher, Herr Bauersfeld, Janette Kramer.“ Trauerfeier auf dem Neuen Markt Die erste große öffentliche Trauerfeier für die Fliegertoten, die bei einem Großangriff am 31. März 1941 starben, fand in Emden am 5. April 1941 auf dem Neuen Markt statt. Die OTZ berichtete einen Tag vor der Trauerfeier: „... findet um 13 Uhr auf dem Neuen Markt die Feierstunde zu Ehren der Opfer des letzten Fliegerangriffes statt. Die Emder Bevölkerung versammelt sich bis 12.45 Uhr ... zur Teilnahme an dieser Trauerfeier. Es wird gebeten, nach der Feier nicht eher den Platz zu verlassen, bis die letzten Särge überführt sind. Die Betriebsführer werden gebeten, den Arbeitsschluss am Sonnabend auf 12 Uhr festzulegen, um ihren Gefolgschaftsmitgliedern die Teilnahme zu ermöglichen. Die Angehörigen aller Gliederungen, wie Poltische Leiter, SA., NSRR. und HJ. sind entsprechen früher zu beurlauben. Der Oberbürgermeister hat angeordnet, dass die Verkaufstellen aller Arten des Einzelhandels innerhalb des Stadtkreises von 12 bis 14 Uhr zu schließen sind.“ Gleichzeitig wird in Die erste öffentliche Trauerfeier auf dem Neuen der Zeitung darauf hingewiesen, dass die Partei den Krieger- Markt 19 hinterbliebenen hilft. In der Zeitung am 7. April 1941 berichtete die OTZ über die von der NS-Partei durchgeführten Totenfeier: „Auch diese Toten sind für Deutschland gefallen“ und darunter „Würdige Trauerfeier für die Opfer des Fliegerangriffes auf dem Neuen Markt“. „... Eine große Menschenmenge nahm an der Feier teil, die in ihrer schlichten und würdigen Weise einen tiefen Eindruck hinterließ. Das Parteihaus, dessen Stirnwand mit Fahnentuch behangen war, und die umliegenden Häuser hatten halbstock geflaggt. Auf dem Marktplatz waren die Särge aufgestellt, umhüllt mit der Hakenkreuzfahne und mit Kränzen geschmückt. SA.-Männer hielten die Ehrenwache. Inmitten von Lorbeergrün standen zwei Pylonen, aus deren Schalen die Flammen loderten ... Dann sprach der Gauleiter-Stellvertreter Joel. „Wieder einmal“ – so führte er aus – „haben wir uns hier zusammengefunden, um Abschied zu nehmen vom Männern und Frauen unserer Volksgemeinschaft, die zu Tode gekommen sind bei einem Luftangriff unseres Feindes ... Trauerfeier auf dem Neuen Markt, im Hintergrund die Waage Trostworte für die Angehörigen der Toten zu sprechen, ist in einer solchen Stunde wie heute nicht möglich. Eins können wir euch nur sagen, dass eure Toten nicht vergessen werden, sie sind und bleiben in unserer deutschen Volksgemeinschaft. Denn das ist das Große unserer Zeit, dass wir ein einig Volk geworden sind, dass jeder Deutsche weiß, dass er nicht allein steht, dass er aufgehoben ist in der Gemeinschaft seiner Brüder und Schwestern. Auch diese Toten sind gefallen für die große Gemeinschaft ... So wollen wir in diesen Tagen nicht zusammenbrechen, sondern das Schicksal, das uns auferlegt ist, tragen in der Gewissheit, dass ihr Tod nicht umsonst gewesen ist. Das weihevolle Volksgebet von Burkle leitete darauf über zur Totenehrung, wie die OTZ vom 07. April 1941 berichtete. Die Fahnen senkten sich, und unter dumpfen Trommelwirbel verlas ein SA-Mann die Namen der bei dem Fliegerangriff ums Leben gekommener Volksgenossen ... Wir haben der Toten gedacht und sind voll Mitgefühl für die Angehörigen; denn sie haben Blut von ihrem Blut verloren. Aber wir alle wollen in dieser Stunde das Gelöbnis ablegen, nicht zu verzagen, sondern Vertrauen zu haben und auszuhalten, bis durch die endgültige Freiheit des ganzen deutschen Volkes diese Saat aufgegangen ist ...“ Durch die Trauerfeier und in der Rede versuchte Joel, die Toten festzuhalten, denn diese gehören zur verschworenen Schicksalsgemeinschaft. „Ein merkwürdiges Bündnis, das die Grenze zum Tod leichter machen sollte, den Leben20 den die Angst vor dem Sterben nehmen wollte, indem es den Toten ein Weiterleben verhieß. Hier konnte die christliche Religion als Vorbild dienen; denn ihre Sorge um die Hinterbliebenen – das Wort schon ist aufschlussreich, gerade als ginge der Tote voran – bediente sich eines vergleichbaren Tröstungsverfahrens, das den Lebenden die Illusion schenkt, dass die Toten so tot gar nicht wären. Illusionen sind freilich zwiespältige Geschenke, sie schützen zwar vor der unerträglichen Realität, aber eben indem sie sich an die Stelle von Realität setzen ... Wenn eine Nation vermeint, ihre Kriegstoten lebten im Sieg weiter, versucht sie zu siegen, auch wenn sie dabei alles – auch sich selbst – zerstört.“ (Jeggle, Seite 259) Den Hinterbliebenen wird durch die öffentliche Trauerfeier die schmerzhafte Einsicht versperrt, dass der Mensch schlicht und einfach sterblich ist und nur dieses eine Leben zu verlieren hat. Kirchliche Trauerfeiern in Emden Zu den ebenfalls stattgefundenen kirchlichen Trauerfeiern gibt es keine Aussagen. Dieses gilt auch für die religiöse Einstellung der Toten. Darüber ist bisher nur sehr wenig bekannt geworden. Für Emden gibt es bisher nur ein sehr seltenes Beispiel, in dem der Glaube des Toten und seine Einstellung zu Gott, gegenüber den zur gleichen Zeit veröffentlichten Todesanzeigen, sichtbar wird. Die Familie Päuler ließ zusätzlich ein kleines Gedenkkärtchen mit schwarzem Rand und Kreuz drucken. Der religiöse Text lautet: „Herr, Dein Wille geschehe! Zur Erinnerung an den Organisten und Musiklehrer Bernhard Päuler geboren am 7. Februar 1902 in Kupferdreh, gestorben am 31. März 1941 zu Emden. Er wurde das Opfer eines Fliegerangriffes auf Emden. Mitten aus der Arbeit hat ihn Gott zu sich gerufen. Sein Leben war ausgezeichnet durch tiefreligiöse Gesinnung, durch gewissenhafte Berufs- und Pflichterfüllung und hingebende Liebe und Sorge für seine Familie. Der Herr schenke ihm die ewige Ruhe! Und das ewige Licht leuchte ihm!“ Unübersehbares Kennzeichen dieses Gedenkkärtchen ist das Kreuzzeichen, das in den privaten Todesanzeigen in der NS-Zeitung nicht verwandt wird. Dieses in den heutigen Anzeigen oft dargestellte Kreuzzeichen wurde bei den Soldaten, die auf dem Felde der Ehre für Deutschlands Freiheit fielen, durch das Eiserne Kreuz mit Hakenkreuz ersetzt. Bereits die Todesanzeigen der Soldaten des 1. Weltkrieges schmückte ebenfalls das Eiserne Kreuz, z.B. in der Emder Zeitung vom 12. Februar 1916 abgebildet. Im Gegensatz zum Eisernen Kreuz, dem Zeichen des Kriegstodes, soll das hier verwandte Kreuz als Zeichen für Leiden und Tod Jesu Christi gelten. Es weist auf das Zerbrechen aller menschlichen Maßstäbe hin angesichts des Todes Jesu Christi und auf eine darin gelegene, den Tod überwindende Hoffnung. Tod und Leid, wie sie von Menschen erfahren wird, könnten unter diesem Zeichen das Ende des menschlichen Rühmens und der Beginn einer christlichen Lebens- Gedenkkärtchen für Bernhard hoffnung sein. Die Hinterbliebenen wollten, auch durch die Verwendung christ- Päuler licher Sprüche, bewusst die christliche Haltung des Verstorbenen Bernhard Päuler hervorheben (Geischer, S. 255), der vor der öffentlichen Trauerfeier auf dem Neuen Markt am 5. April 1941 morgens um 8 Uhr in der katholischen Pfarrkirche in Emden das feierliche Seelenamt erhielt. 21 Die katholische und die evangelische Kirche veranstalten in zunehmenden Maße für Gefallene an den Fronten Gedächtnisfeiern, die trotz der gegenteiligen Versuche der NS-Parteileitungen in den Kirchen stattfanden. Diese Andachten waren losgelöst von den öffentlichen Trauerfeiern der Partei, an denen die Hinterbliebenen teilnehmen mussten. Nach den „Mitteilungen aus dem Reich“ von Boberach wurden die Gedächtnisfeiern für Gefallene von Seiten der Kirchen propagandistisch äußerst wirksam gestaltet und waren im allgemeinen sehr gut besucht. „Durch die Anwesenheit der Angehörigen der Gefallenen waren diese Gedächtnisfeiern, nach einer Münchener Meldung, Erinnerung an einen Toten, in einem Rahmen, der bis heute weder von Seiten des Staates noch der Partei zum Ausdruck gebracht wurde. Der äußere Eindruck dieser Feier wurde durch Blumen und zahlreiche Kränze derart verstärkt, dass es niemanden auffiel, dass der Pfarrer weder vom Führer noch von den Taten des siegreichen Heeres sprach, sondern lediglich hervorhob, dass der Tote für Gott und die Kirche gefallen sei. Die Predigten waren zum Teil geeignet, die Trauer über den Verlust zu erhöhen und Zweifel an der Notwendigkeit des Opfers zu erwecken. Der Schlusssatz einer dieser Predigten lautete: Herr erbarme Dich unserer Jugend, die ohne ein Ziel durchs Leben geht (Potsdam).“ (Boberach, S. 1427). Die vorliegenden Berichte aus dem Reich bestätigen ziemlich übereinstimmend, dass in der letzten Zeit die Kirchen mit allen Mitteln versuchten, sich die Führung auf diesem Gebiet einer seelischen Betreuung zu erhalten oder wieder zurückzugewinnen. Abgesehen von der intensiven Betreuung der Angehörigen der Gefallenen, mit der die Geistlichen sofort bei Bekanntwerden der Todesnachricht beginnen, nimmt der Klerus jede sich bietende Gelegenheit wahr, seine reichen Erfahrungen in der Feiergestaltung für die Heldenehrung auszunützen, wobei man durchaus nicht schematisch verfahre, sondern jeweils an örtliche Traditionen und Brauchtumsformen geschickt sich anpasse. Die kirchlichen Heldenehrungen verstärkten dadurch nach zahlreichen Beobachtungen ganz offensichtlich ihre Breitenwirkung und erhöhten gleichzeitig den seelischen Einfluss (Boberach S. 4311). Nach den Aussagen der SD-Berichte erreichte insbesondere die katholische Kirche eine außerordentliche Phantasie in der Ausgestaltung der Totenfeiern. Die Kirche erhält damit einen tiefen und nachhaltigen Einfluss auf die Angehörigen, die ergriffen von der einfachen und schlichten Feier nach der Beerdigung in Begleitung des Geistlichen den Friedhof verlassen. Die Kirche verstand den Schmerz der Hinterbliebenen besser zu beeinflussen und ihnen zu versichern, dass diesem Tod nichts Endgültiges innewohne und dass er einen zufriedenstellenden Sinn besitze. Es ist der Neid der Parteileute zu verspüren, dass sie im Grunde Ähnliches anstrebten, nur andere und profanere Formen zu benützen versuchten. Es ging auch um die Aufhebung des Todes, aber eben nicht im Reich Gottes, sondern im Dritten Reich der Zukunft, das es zu schaffen galt, und das die vielen Opfer einzelner rechtfertigte (Jeggle, S. 256). Wie lange soll der Krieg noch dauern? In weiteren Verlauf des Krieges wurde immer wieder die Frage gestellt: „Wie lange wird der Krieg noch dauern? Ein Ende ist noch immer nicht abzusehen!“ Oder: „Was wird uns noch alles bevorstehen?“ Es gab zunehmende Versorgungsschwierigkeiten, Einschränkungen auf allen Gebieten des täglichen Lebens, die an Heftigkeit und Umfang ständig zunehmenden feindlichen Luftangriffe. Es nahmen auch die Sorgen um das Leben der Angehörigen an der Front und nicht zuletzt die Blutopfer der Soldaten an der Front und die in der Heimat feindlichen Luftangriffen ausgesetzte Zivilbevölkerung zu. Diese Faktoren beeinflussten immer mehr die Stimmung weiter Bevölkerungskreise, und es wurde häufig der Wunsch nach einem baldigen Kriegsende geäußert. Um Lebenszeichen an die Angehörigen, die außerhalb der Luftnotgebiete (Bezeichnung für bombardierte Bereiche 22 in der NS-Presse) wohnen, schnell zu ermöglichen, wurde durch die Reichspost ein Eilnachrichtendienst eingerichtet. Diese Karten sollten den Angehörigen und insbesondere den Soldaten an der Front die Ungewissheit, ob die Angehörigen die schweren Angriffe überlebt hatten, nehmen. Nach dem schweren Angriff auf Hamburg im Juli/August 1943 forderte die „Hamburger Zeitung“ am 5. August 1943 die Überlebenden auf: „Schreibt euren Soldaten! Angehörige von Soldaten, die sich innerhalb oder außerhalb Hamburgs befinden, sollten so schnell wie möglich mit ihren Männern und Söhnen an der Front die Verbindung aufnehmen und den Soldaten mitteilen, dass sie wohlbehalten sind. Damit wird den Kämpfern draußen die Ungewissheit genommen...“ Auch in Emden wurde die Bevölkerung nach den Angriffen aufgefordert, die Angehörigen zu benachrichtigen. Auf einer Karte, die gebührenfrei und kostenlos abgegeben wurde, konnten kurze Nachrichten als Lebenszeichen geschrieben werden, z.B.: „Lebenszeichen von Familie Brahms aus Emden, Zeppelinstr. 36. Datum 7.9.44. Angriff gut überstanden. Haus steht, wir waren im Bunker.“ Die „Meldungen aus dem Reich“ sprachen auch davon, dass es in zahlreichen Städten zu einer regelrechten „Angstpsychosen“ vor Luftangriffen gekommen sei, die alle anderen Ereignisse überlagerte. Übertriebene Alliiertes Flugblatt, welches auch über Emden Gerüchte über das Ausmaß der Schäden und über alliierte Flugblätter, abgeworfen wurde die weitere Vernichtungen angekündigt hatten, trugen zu ihrer Vertiefung bei. Die Presse erhielt den Auftrag, zur Hebung der Moral „das tapfere Verhalten der Bevölkerung der betroffenen Städte“ durch Berichte und Bilder herauszustellen, Aufnahmen und Hinweise auf Schäden und Zerstörungen hingegen möglichst zu vermeiden. In Emden hat es bis zum 13. Mai 1944 insgesamt 1000 mal Fliegeralarm gegeben (Jöhnke, 1. Flum. Res. Komp. M2, Emden), in denen die Bürger die Schutzräume aufsuchen mussten . Die günstige Beeinflussung der Stimmung durch die Westoffensive erhielt kurze Zeit Auftrieb durch ein Nachlassen der Luftangriffe. Hatte der steigende Bombenterror 1943 und während der ersten Hälfte 1944 eher zu einer Stärkung der Kriegsmoral beigetragen, indem er den Hass gegen den äußeren Feind aktivierte und damit gleichzeitig der gärenden Unzufriedenheit im Inneren ein Ventil verschaffte, wirkte sich nun allmählich die kontinuierliche Zermürbung aus. Mehr und mehr beherrschte der Luftkrieg das Leben in der Heimat und wurde zum Thema Nummer eins. Nervosität und Todesangst steigerten sich von Tag zu Tag. In den Städten gab es keine normale Nachtruhe mehr. Das Leben wurde zum Provisorium. Man lebte für den Augenblick und verschloss die Augen vor der Zukunft (Steinert, S.531). Ehrentafeln für die Gefallenen Ende 1943 wurden die vielen Todesanzeigen, auch aufgrund der Papierverknappung, immer kleiner und es erschienen in den Tageszeitungen Ehrentafeln, auf denen oftmals 25 Namen und mehr zusammengefasst, unterzeichnet vom Gauleiter und Reichstatthalter Paul Wegner, in der OTZ vom 15. Oktober 1943 veröffentlicht wurden. Ver23 zeichnet waren in der Zeitung die Namen der Toten der Bombenangriffe des 22. Septembers, 27. Septembers und 2. Oktobers 1943. Es wurde zu den Namen noch das Eiserne Kreuz und etwas schmückendes Beiwerk in Worten hinzugefügt: „Auch sie gaben ihr Leben für Volk und Reich. Ihr Opfertod wird uns Verpflichtung sein, nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis Deutschlands Freiheit und Zukunft gesichert ist.“ Ein Jahr später schrieb Victor Klemperer in seinen Tagebuchaufzeichnungen am 16. August 1944: „Die häufigen Beobachtungen über „sonnige“ Todesanzeigen werden nun wohl ein Ende haben. Seit Montag bringt die „Dresdener Zeitung“ nur noch sozusagende Massengräber oder Ehrentafeln. D. h. innerhalb eines schwarz umrandeten Feldes, eines großen allgemeinen Feldes, stehen die einzelnen Anzeigen in der Raumknappheit der „kleinen Annoncen“, nur dürftigste Angaben auch diese mit Abkürzungen, so daß alles schmückende Beiwerk fortfällt und nicht viel mehr als die Notiz früherer Gefallenen-Listen bleibt.“ (Klemperer, S. 100). Am 12. Oktober 1944 wird im Tagebuch von Klemperer angeführt: „In der „Dresdener Zeitung“ vom 10. und vom 11. Oktober stehen im Rahmen der Heldentoten für Großdeutschland zusammen sechsundzwanzig Namen, davon etwa zwanzig Frauennamen, bei allen heißt es stereotyp: „wurden uns durch tragisches Geschick entrissen“, und dann wurde das Datum der Beerdigung angegeben. Das sind natürlich einige der Opfer des Bombenangriffs. In früheren Anzeigen, in der „Dresdener Zeitung“ wie in der „DAZ“, sah ich wiederholt die Angabe: „beim Terrorangriff auf München“ oder Ähnliches. Jetzt und hier müssen Bagatellen verschwiegen werden. Wenn es nicht zur Erwähnung im Heeresbericht langt, hat Anzeige der Gauleitung Weser-Ems vom 15. Oktober 1943 in der eine Stadt eben nichts abbekommen. - Bisher sollOTZ ten von allen deutschen Großstädten nur Dresden und Breslau verschont sein. Breslau ist vor wenigen Tagen im Bericht genannt worden und soll furchtbar verwüstet sein. Als ich ... Fleischbrühe holte, berichtete man ihr im Laden, die Luftlage sei „mies“, „sie“ seien in der Nähe – die Orte kann man nicht behalten.“ (Klemperer, S. 140) Weiter am 26. November 1944: „Gestern mittag dreiviertel zwölf bis halb eins Alarm, nach wenigen Minuten im Keller. In großer Entfernung, aber sehr deutlich und also nicht weitab, wurde eine gute halbe Stunde lang pausenlos heftig geschossen. Also muß es sich um einen sehr ernsten Angriff gehandelt und in unserer Nachbarschaft wieder Zerstörung und Tod gegeben haben - aber niemand erfährt, wo, alles wird verschwiegen. (Höchst charakteristisch: In den Todesanzeigen nach dem Angriff auf Dresden wurde Dresden nie genannt, es hieß immer nur „durch tragisches Geschick entrissen“. Dagegen liest man hier häufig, daß jemand einen Angehörigen durch Terrorangriff auf Darmstadt oder München verloren hat. Über den eigenen Bezirk also wird man im dunkeln gehalten.) – Wir sind auch sonst im dunkeln.“ (Klemperer, S. 153 und 154). Wie oben bereits ausgeführt, schrieb Victor Klemperer in seiner Tagebuchaufzeichnung vom 16. August 1944, dass 24 nur noch sozusagende „Massengräber“ oder Ehrentafeln in einem schwarz umrandeten Feld die Seiten der Zeitungen füllte. Hier wird erkennbar, dass der Tod immer unberechenbarer wurde und die vielen Toten des Bombenkrieges, der die deutschen Städte systematisch zerstörte, nur noch in Massengräber beigesetzt werden konnten. Gegen Ende des Krieges blieb von den früheren großen Trauerfeiern mit den Aufmärschen der HJ., NS-Frauenschaft, der Partei und sonstigen Formationen des NS-Staates nichts übrig. Die Toten wurden einfach verscharrt. All dieses ist heute unfassbar geworden und die davongekommen, die die Städte brennen sahen, die Toten, mussten mit einer Überladung und Lähmung des Denkens und Fühlens kämpfen. Die Überlebenden unterdrückten jedes Denken, um das Schreckliche zu vergessen oder umschrieben das Gesehene, das Erfahrene. Die Augenzeugen versteckten sich hinter Schutzschildern, um überhaupt mit dem innerhalb weniger Stunden sich vollziehenden Feuertod „ihrer“ Stadt fertig zu werden. Was hinter ihnen blieb, waren die verkohlten Ruinen der Stadtlandschaften, finstere zerrissene Silhouetten, im irgendwo! Als W.G. Sebald im Herbst 1997 seine Thesen zu Luftkrieg und Literatur an der Züricher Universität zum ersten Mal vortrug, war das Echo unerhört. Sebald sprach über „die Unfähigkeit einer ganzen Generation deutscher Autoren, das, was sie gesehen hatten, aufzuzeichnen und einzubringen in unser Gedächtnis“, und es scheint, dass er in der Nachkriegsliteratur damit eine offene Wunde getroffen hat, die auch ein halbes Jahrhundert später noch nicht verheilt ist (Sebald,, Buchbesprechungstext im Umschlag). Nur sehr wenige Autoren haben die Schrecken des Luftkrieges beschrieben oder sind darauf eingegangen. Die finstersten Aspekte des von der weitaus überwiegenden Bevölkerung miterlebten Schlussaktes der Zerstörung blieben ein schandbares, mit einer Art Tabu behaftetes Familiengeheimnis, das die Überlebten vielleicht nicht einmal sich selbst eingestehen konnte. Von sämtlichen Ende der vierziger Jahre entstandenen literarischen Werken ist es eigentlich nur Heinrich Bölls Roman „Der Engel schwieg“, der eine annähernde Vorstellung vermittelt von der Tiefe des Entsetzens, das damals jeden zu erfassen drohte, der wirklich sich umsah in den Ruinen (Sebald, S. 18). A. Ungedruckte Quellen Vom 1. bis zum 1000. Fliegeralarm in Emden. Vom Fähnrich MA. Hans Jöhnke, 1. Flum. Res. Komp. M2, Emden. Quelle: Stadtarchiv Emden. B. Periodika Ostfriesische Tageszeitung, (OTZ) Jahrgänge 1940 – 1943. Emder Zeitung, Jahrgang 1999. Ostfriesenzeitung, Jahrgang 1999. C. Sonstige gedruckte Quellen und Literatur Boberach, Heinz (Hrsg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938 – 1945. Band 1 – 17. Herrsching, 1984. Dettmar, Werner: Die Zerstörung Kassels im Oktober 1943. Eine Dokumentation. Fuldabrück, 1983. Anhang S. 257-375. Geischer, Hans-Jürgen: Tod und Leben. Volksfrömmigkeit im Spiegel von Todesanzeichen, Beispiele und Entwürfe, in Theologia Practica 6. Hamburg 1971. S. 254 – 271. Jeggle, Utz: In stolzer Trauer. Umgangsformen mit dem Kriegstod während des 2. Weltkriegs, in Tübinger Beiträge 25 zur Volkskunde. 69. Band. Untersuchung des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, 1986. S. 242 – 259. Klemperer, Victor: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 – 1945. Bände I – VIII. Berlin, 1998. Mitscherlich, Alexander und Margarete: Die Unfähigkeit zu Trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. 1988. Mommsen, Hans und Willems, Susanne: Herrschaftsalltag im Dritten Reich. Düsseldorf, Patmos Verlag, 1988. Reuth, Ralf Georg: Joseph Goebbels Tagebücher Band 5: 1943-1945. München, 1992. Sebald, W. G.: Luftkrieg und Literatur. München, Wien, 1999. Stahlberg, Alexander: Die verdammte Pflicht. Erinnerungen 1932 bis 1945. Berlin, 10. Auflage Oktober 1999. Steinert, Marlis: Hitlers Krieg und die Deutschen. Stimmung und Haltung der deutschen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Düsseldorf, Wien, 1970. 26 Zusammengestellt von Marten Klose Erlebnisberichte zu Bombenopfern 1941 - 1944 Nachstehend kommen einige Schicksale von Menschen zu Wort, die Angehörige in den Emder Bombennächten verloren haben. Es war nicht einfach, die Angehörigen zum Reden zu bewegen, da selbst nach über 60 Jahren der Schock noch immer tief sitzt, einen oder mehrere Familienangehörige verloren zu haben. Lange Zeit redeten viele unmittelbar Betroffene ihre eigenen Erlebnisse nicht, sondern behielten sie für sich. Der Dank gilt allen, die uns darüber hinaus auch weiteres Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben. Engeline-Maria Funk „Meine Großmutter war eine sehr energische, feine, kluge Dame. Verheiratet war sie mit dem aus Osteel stammenden Schneidermeister Christian-Gottlieb Funk, der ein gut gehendes Herren-Schneidergeschäft in seinem Haus am Stephansplatz, direkt an der Osterpiepe, hatte. Am 31. März 1941 war meine Großmutter in ihrem Haus in der Großen Osterstraße 16. Als die Sirenen heulten, eilte sie vom oberen Stockwerk nach unten in den Flur. In diesem Augenblick schlug in ihrem und dem Hause des Rektors Harms eine britische Luftmine ein. Durch den immensen Luftdruck wurde sie samt der massiven Haustür auf die Straße geschleudert. Ihr Körper lag halb auf dem Bürgersteig und halb auf der Straße. Die Giebelwand des Hauses stürzte auf die Straße und begrub meine Großmutter. Wir waren während des Angriffes im Keller des Lebensmittelgeschäftes Thiele in der Skagerrakstraße. Nachdem Entwarnung gegeben worden war, eilte mein Vater aus dem Keller und lief in die Große Osterstraße. Die kleine Osterstraße war fast völlig zerstört, Hof von Holland und die Häuser in der Großen Brückstraße waren eine Trümmerwüste. Mein Vater war verzweifelt, da nichts über den Verbleib meiner Großmutter bekannt war. Am nächsten Morgen gruben mein Vater und Soldaten der Marineflak in den Haustrümmern herum, bis sie gegen Mittag den Leichnam meiner GroßEngeline-Maria Funk mutter fanden. Die Eheleute Bauersfeld, die im gleichen Haus wohnten, hatten den Einschlag der Luftmine im Keller des Hauses überlebt. Die Decke des Hauses war zwar zusammengebrochen, hatte sich aber wie ein Zelt über den Keller gelegt. Durch eine beschädigte Wasserleitung stieg jedoch das Wasser im Keller, sodass beide ertranken. Die Wucht der Luftmine war so heftig, dass die Ofenplatte des Herdes aus dem Haus meiner Großmutter in der Webergildestraße wieder gefunden wurde.“ Heinrich Bender (Enkel) Luise Gerspacher Luise Gerspacher kam im Alter von 40 Jahren bei einem Bombenangriff am 31. März 1941 in Emden ums Leben. Ihr Sohn beschrieb den Angriff, den er im Keller des Hauses in der Großen Osterstraße 19 überlebte: „Als am späten Abend die Sirenen ertönten, begaben wir uns, meine Mutter und meine zwei Brüder, in den eingerichteten Luftschutzkeller. Mein Vater, Friedrich Gerspacher, war zum Sicherheitsund Hilfsdienst einberufen und dort hatte er jeden zweiten Tag Dienst. Auch an diesem Tag war es wieder so. Während wir im Keller saßen, fielen irgendwo in der Stadt Bomben. Meine Mutter sagte zu uns, sie gehe noch einmal nach oben um nachzusehen, ob bei uns am Haus etwas passiert ist. Nach etwa 10 Minuten gab es einen riesigen Knall und das Licht ging aus. Meine Brüder waren erschreckt aufgewacht und wir versuchten gemeinsam aus dem Keller heraus zu kommen, was uns auch irgendwie gelang. Ich kroch noch einmal in den Keller zurück, um ein Paar neue Schuhe zu holen, die ich zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Ich fand den Weg, den ich gekommen war, nicht wieder zurück. Es war stockdunkel im Keller und so suchte ich nach einem Licht. Die Kerze hatte ich schnell gefunden, nur die Streichhölzer nicht. Da hörte ich meine Mutter um Hilfe rufen. Ich meldete mich und rief: „Wo bist du?“ Sie sagte: „Ich liege auf der Kellertreppe und eine Tür Luise Gerspacher liegt auf mir. Ich kann mich nicht bewegen.“ Ich fand den Weg aus dem Keller nicht wieder. Dann wurde ich ohnmächtig, aber wohl nur kurz. Da ich Nässe an meinem rechten Bein fühlte, versuchte ich den Wasserabsperrhahn zu zudrehen. Mein Vater hatte uns früher einmal erzählt, dass viele Soldaten im Weltkrieg in den Unterständen ertrunken wären. Dann wurde ich wieder ohnmächtig und durch Lichtblitze wieder kurz wach. Mein Vater und andere schafften es, mich aus dem Keller zu befreien. Bewusst habe ich meine Rettung nicht erlebt, denn ich wurde wieder wach, als ich durch den großen Toreingang vom Telegrafenamt getragen wurde. Richtig aufgewacht bin ich erst wieder im Emder Krankenhaus. Dort erfuhr ich auch, dass meine Mutter tot war. Ich bekam danach im Keller des Krankenhauses immer panische Angst, wenn die Sirenen in der Stadt aufheulten. Selbst heute, nach über 60 Jahren, fühle ich mich im Keller nicht wohl. Die Angst kommt immer wieder.“ Karlheinz Gerspacher, Kirchhundem, November 2004 Johann Heinrich Tönjes „Meine Großeltern, Zwaantje und Johann Hinrich Tönjes, waren während des Angriffes vom 28. Dezember 1941 im Keller ihres Hauses An der Landstraße 20 (heutige Petkumer Straße). Meine Großmutter hatte kurz vorher Teewasser aufgesetzt. Der Teekessel pfiff und mein Großvater, der bei der Staatswerft als Tischler arbeitete, ging deshalb 28 die Treppe hoch. In diesem Augenblick schlug eine Luftmine in das Haus ein und mein Großvater wurde vom enormen Luftdruck getötet. Meine Großmutter wurde von einem Balken am Rücken getroffen und verschüttet. Sie hatte zeitlebens große Rückenprobleme. Die Söhne Hinderk und Wilhelm waren zur Zeit des Angriffes als Soldaten in Bozen und Frankreich stationiert. Während des Angriffes waren meine Mutter und ich bei ihren Eltern zu Besuch. Wir waren auf dem Weg nach Hause und konnten von der Schleuse aus sehen, wie die Luftmine ins Haus meiner Großeltern einschlug. Der Druck war so gewaltig, dass die persönlichen Schriftstücke meiner Großeltern später im Hammrich gefunden wurden. Bei diesem Angriff erhielt auch das Haus der Borssumer Familie Schoneboom einen Volltreffer. Die ganze Familie, bis auf ein Kind, das in der Badewanne lag und so vor den herabstürzenden Trümmern geschützt wurde, kam dabei um. Die Tiere der Schonebooms wurden nach dem Angriff erschossen, um sie von ihren Qualen zu erlösen.“ Die Großeltern Johann Heinrich Tönjes mit seiner Ehefrau Zwaantje und Enkeltochter. Aufgeschrieben von der Enkeltochter im November 2004 Die Aufnahme stammt aus dem jahre 1940. Angriff auf den Südbahnhof am 20. Januar 1942, links das Bahnhofsgebäude EmdenSüd Der Bahnhof Emden-Süd war als Verschiebebahnhof das meistbombardierte Gebiet innerhalb der Stadt, da dort die Erzzüge für das Ruhrgebiet zusammengestellt wurden. Das Erz wurde mit Schiffen aus Narvik transportiert und im Hafen auf Waggons umgeschlagen. Bereits beim ersten Angriff auf die Stadt Emden vom 12./13. Juli 1940 fielen in diesen Bereich sehr viele Sprengbomben. Das eigentliche Ziel war das Emder Telegrafenamt, welches nur leicht beschädigt wurde. Neben dem unten beschriebenen Angriff waren die Bombenangriffe vom 21. und 26. Januar 1942 besonders schwer, bei denen wichtige Teile der Bahnanlagen zerstört wurden. Aus der Luft waren die Bahnanlagen auf Grund ihrer Größe sehr gut zu erkennen und für den Erztransport von außergewöhnlicher Bedeutung. Deshalb wurde dieser Bereich immer wieder angegriffen. Friedrich Schütte „In der Nacht zum 1. Dezember 1941 griffen englische Bomber Emden an. Friedrich Schütte war zu dieser Zeit auf einer Lokomotive am Südbahnhof, auf der er als Heizer arbeitete. Was genau bei dem Alarm passierte, lässt sich nicht ganz eindeutig sagen, aber es ist wahrscheinlich, dass die Lok erst rangiert werden musste und die Bahnbediensteten „spät dran“ waren und noch nicht im Bunker waren, als die ersten Bomben fielen. Während die Arbeiter im Laufschritt über die Gleise zum Bunker am Südbahnhof eilten, fiel eine Bombe, durch deren Luftruck Friedrich Schütte gegen ein Puffer geschleudert wurde. Durch den heftigen Aufprall kam er – erst 36 Jahre alt - zu Tode. 29 Friedrich Schütte war verheiratet mit Wilhelmine Schütte, geborene van Vügt“. Von Helmut Gründig Dorothea und August Bröcker „Dorothea Elisabeth Bröcker geb. Nauschütt war 1942 mit ihrer kleinen Tochter Liesel ins bombensichere Chemnitz evakuiert worden. Für drei Wochen wollte sie wieder nach Emden, in ihre Geburts- und Heimatstadt. Ihr Mann August diente bei einer Polizei-Einheit an der Front und bekam Genesungsurlaub, da seine Hand zerschmettert war. Die Gelegenheit war günstig, einen Besuch in Emden zu machen. Das Ehepaar war gerade drei Tage in Emden, als am 23. Juni 1942 die Sirenen heulten. Die Engländer griffen wieder an! Bei der Gastwirtschaft Appel in Transvaal stand ein Rundbunker, von allen nur „Torntje“ genannt. In diesen Schutzraum wollte August Bröcker, doch seiner Frau erschien das zu unsicher. Sie wollte in den großen Luftschutzbunker in Transvaal. In diesem im Bau befindlichem Bunker war allerdings am gleichen Tag eine 40 cm dicke Decke gegossen worden, die noch nicht durchgehärtet war. Der Bunker bekam einen Treffer und Bombensplitter schlugen Dora Bröcker, die neben ihrem Mann auf der Bunkerbank saß, in den Nacken. Sie warf sich auf den Kinderwagen, der vor ihr stand und in dem ihre eindreiviertel Jahre alte Tochter Elisabeth (Liesel) lag. August Bröcker starb blutüberströmt neben seiner Frau. Die kleine Liesel, die nach ihrer Mutter fragte, kam zum Onkel und der Tante nach Stargard. Sie hatte beide Eltern verloren.“ Von Coba Nauschütt Heinrich Lömker „Als am 27. September 1943 vormittags die alliierten Bomberpulks unsere Stadt angriffen, war ich mit meiner Mutter, Großmutter und meinen beiden Geschwistern im Bunker Wolthusen. Mein Vater war mit meinem Großvater Heinrich Lömker in unserem Haus am Treckfahrtsweg 22. Bombenteppiche fielen im Treckfahrtsweg, der Ziegeleistraße und Tholenswehr. Eine Luftmine traf das Vorderhaus, in dem sich mein Vater und mein Großvater aufhielten. Mein Vater war Brandwachenführer und rettete sich in den Keller, wo er verschüttet wurde. Mit einem Vorhammer und einer Brechstange gelang es ihm schließlich, den massiven Splitterschutzstein vor dem Kellerfenster beiseite zu schieben und einen kleinen Durchgang zu schaffen. Eine weitere Angriffswelle traf das Nebenhaus, dessen Gebälk jedoch erneut vor das Kellerfenster stürzte und meinen Vater zum zweiten Mal verschüttete. Doch er konnte sich erneut befreien und eilte meinem Großvater zu Hilfe, der sich im Treppenhaus befand und nach Hilfe rief. Mein Vater konnte meinen Großvater schließlich bergen. Eine Phosphorbrandbombe ließ das Haus endgültig abbrennen. Als wir aus dem Bunker kamen und zu unserem Haus eilten, hörten wir schon von den Leuten, die sich darüber unterhielten, wen es diesmal getroffen habe, dass unser Haus zerstört sei. Voller Schreck lief ich schon vor und bald kam mir mein Vater entgegen, der mich mit der traurigen Tatsache konfrontierte. Mein Großvater hatte noch eine 30 Zeit gelebt, doch ein Krankenwagen kam wegen der Trümmer nicht durch, sodass Hilfe nur zu Fuß kommen konnte. Nachmittags starb mein Großvater dann an seinen inneren Verletzungen im Krankenhaus in der Großen Straße. Am 3. Oktober 1943 wurden die Toten des Bombenangriffes bei der Gastwirtschaft Mundt in der Wolthuser Straße aufgebahrt und schließlich auf dem Wolthuser Friedhof beigesetzt. Wir waren zwischenzeitlich im Filkuhlweg untergekommen, wo die Wohnung einer Bekannten leer stand, die mit ihren Kindern ins bombensichere Thüringen evakuiert worden war. Am Tag der Beisetzung gab es wieder einen Angriff auf die Stadt, bei dem auch Zerstörte Häuser am Treckfahrtsweg unsere Notunterkunft im Filkuhlweg zerstört wurde.“ Vom Enkel Hermann Lömker Josef Hentschel Mein Vater wurde am 13. Februar 1884 in Kleinschnellendorf (heute Male) in Oberschlesien geboren. Im Ersten Weltkrieg diente er als Leutnant bei der Artillerie, wo er auf Borkum meine Mutter kennen lernte. Meine Eltern heirateten am 15. September 1917 in Emden. Mein Mutter, eine geborene Ruhmkorf, deren Vater bei der Deutschen Transatlantischen Telegrafengesellschaft tätig war, starb bereits im Mai 1936. Mein Vater war Oberinspektor beim Postamt in Emden als Leiter der Packkammer tätig. Am Tag des besagten Angriffs am 2. Oktober 1943 hatte mein Vater mit weiteren Kollegen seines Amtes an der Beerdigung der Frau eines Kollegen, die einige Tage vorher bei einem Angriff auf Tholenswehr getötet wurde, teilgenommen. Auf dem Rückweg von dieser Beerdigung gab es Fliegeralarm und die Herren gingen in den Bunker an der Auricher Brücke (heute Thiele TeeBunker). Mein Vater entschied dann aber doch anders und ging zu uns nach Hause. Wir wohnten damals Außer dem Nordertor 18 in der Villa der DAT, einem sehr soliden Gebäude, dessen Keller als Luftschutzkeller ausgebaut war. Bei dem Angriff erhielt das Gebäude einen Volltreffer und der Luftschutzkeller wurde dabei zerstört. Vater fand dabei den Tod. Meine Stiefmutter, mein Bruder und ich erlebten den Angriff im Bunker in Wolthusen. Als wir nach dem Angriff vor dem zerstörten Gebäude standen, wussten wir noch nicht, dass mein Vater tot unter den Trümmern lag. Wir nahmen an, er sei nach der Beerdigung wieder zum Dienst gegangen. Erst nach langen Rückfragen wurden wir mit der traurigen Tatsache konfrontiert. Nach dem Verlust meiner Eltern blieben wir vom Krieg nicht verschont: Josef Hentschel 31 Ende 1943 sind wir noch einmal in der Boltentorstraße ausgebombt worden, wobei das Gebäude bis auf die Grundmauer ausbrannte. Mitte Mai 1945 wurden wir dann, wir wohnten jetzt in der damaligen Horst Wessel Straße gegenüber dem alten Wasserturm, von den Besatzungsbehörden aus unserer Wohnung gewiesen. Wir hatten zwei Stunden Zeit und durften nur das Notwendigste mitnehmen. Norbert de Wall „Mein Bruder war U-Bootfahrer und kam am 9. Dezember 1943 nach Emden auf Heimaturlaub, der bis zum 12. Dezember 1943 dauern sollte. Er war ein begeisterter Soldat, der sich freiwillig zur Marine gemeldet hatte und dessen Heimathafen in Plön war. Zunächst war er auf der Schreibstube, was ihm aber gar nicht gefiel. Er bat um seine Versetzung zu den U-Boot-Männern und hatte auch einen Einsatz in der Biscaya. Am 11. Dezember befand sich mein Bruder gerade in der Stadt, als vormittags alliierte Bomber angriffen. Er suchte Schutz im Lookvenne-Bunker. Nach einiger Zeit mussten die Soldaten und andere Männer den Bunker verlassen, um in der brennenden Stadt zu löschen. Dabei wurde er von einer Bombe getroffen und wurde sehr entstellt. Mein Vater sah seine Leiche und meinte zu meiner Mutter, es sei gut, dass sie ihn so nicht gesehen habe und sie solle ihn so in Erinnerung behalten. Die Bestattung meines Bruders fand auf dem Ehrenteil des Bolardusfriedhofes statt. Ich war zu der Zeit im Reichsarbeitsdienst in der Lüneburger Heide und bekam einen Tag Sonderurlaub. An eine militärische Abordnung kann ich mich nicht erinnern. Das U-Boot, auf dem mein Bruder fuhr, ist später mit der gesamten Besatzung in der Biscaya untergegangen. Mein Bruder hätte also auch ohne den Bombenangriff auf Emden den Krieg wahrscheinlich nicht überlebt.“ Norbert de Wall Bericht der Schwester Margot Dirks, geb. de Wall Dirka Willerts „Der 6. September 1944 war ein schöner Spätsommertag, an dem wir noch barfuß liefen. Zum Zeitpunkt des Alarms befand ich mich in der Innenstadt, denn ich war kurz zuvor bei meiner Großmutter in der Spiegelstraße gewesen. Obwohl ich in der Neutorstraße war und somit rasch im Stadtgartenbunker Schutz suchen konnte, lief ich weiter, da meine Mutter immer in großer Sorge war. Unseren Bunker in der Gartenstraße (heute Rudolf-Breitscheid-Straße) fand ich verschlossen vor, sodass ich und andere erst nach langem Klopfen Eintritt fanden. Am nächsten Morgen sahen wir das ganze Ausmaß des Angriffes: Einige Häuser brannten noch, andere stürzten im „Hitzesturm“ zusammen. Als mein Großvater uns über etliche Trümmerberge erreichte – er wohnte in der Neuen Reihe (Max-Wind32 müller-Straße), waren wir alle froh, den Angriff überstanden zu haben. Wie durch ein Wunder ist unser Haus in der Gartenstraße 18 stehen geblieben, in dem wir eine Etagenwohnung bewohnten. Im Laufe des darauf folgenden Vormittags fing unser Haus doch noch Feuer und brannte aus. Meine Mutter versuchte – nachdem der Bunker verlassen werden durfte - Möbel aus unserem Haus aus der Gartenstraße 18 zu retten. Dies war aufgrund der großen Hitze und der vom Phosphor brennenden Straße nicht leicht, obwohl meine Mutter noch Einiges retten konnte. Bei der Bergung der Möbel zog sie sich eine Phosphorvergiftung zu. Wir wurden nach der Zerstörung unseres Hauses nach Holtrop evakuiert und lebten in einem einfachen Behelfsheim. Als die Vergiftung zum Ausbruch kam, brachten wir meine Mutter eilig ins Sandhorster Krankenhaus. Wäre die Vergiftung frühzeitig erkannt worden, hätte meiner Mutter geholfen noch werden können. Doch es war zu spät und sie starb an den Aufnahme 1940 Folgen der Phosphorvergiftung am 9. Oktober 1944. Bestattet wurde die auf dem Friedhof in Tholenswehr. Wir hatten den Großangriff auf unsere Stadt also nur scheinbar gut überstanden.“ Bericht von Otto Willerts (Jahrgang 1933) Aufräumarbeiten bei den zerstörten Gebäuden neben dem Telegrafenamt an der Osterstraße. 33 Die Angriffe auf Twixlum vom 6./7. Juni 1942 und dem 21. Mai 1943 Twixlum hat besonders unten den Angriffen auf die Stadt Emden leiden müssen. Zwei schwere Angriffe vom 7. Juni 1942 sowie vom 21. Mai 1943 haben das Dorf fast vollständig zerstört. Die schwere der Angriffe wird aus den überlieferten Fotografien ersichtlich, die eine fast totale Zerstörung zeigen. Unser besonderer Dank gilt Frau Ewekea Gerdes, die ihre Erinnerung an ihre Kindheit und Jugendzeit aufschrieb sowie Herrn Johann Koch, der uns für einen Augenzeugenbericht zur Verfügung stand. Auch geben wir hier einen Bericht von Herrn Jan Remmers wieder. Twixlum hat unter den Kriegswirren viel durchmachen müssen. Neben den Gefallenen auf dem Felde, hatten wir im Dorfe noch acht Tote durch den Luftkrieg zu beklagen. Denen sei am Anfang des Berichtes in Ehren gedacht. Schon Ende 1939 wurden wir mit dem Fliegeralarm bekannt gemacht; täglich, besonders nachts flogen feindliche Flieger über uns hinweg. Zuerst gingen wir bei Alarm, der mittels eines Hornes, später Sirene, bekannt gemacht wurde, in die abgestützten Keller. Als dann 1941 die erste Bombe in der Nähe des Dorfes fiel, dabei Fensterscheiben klirrten und zerbrachen, wurden bald Splitterbunker gebaut, drei an der Zahl. Einer unter der jetzigen Bäckerei, einer hinterm Hause von H. Geiken und einer im Pfarrgarten, die dann auch fleißig bei Alarm aufgesucht wurden. Eine ältere Dame, Fräulein Schwanette Ulferts, zog Snackers Gaststätte am Dorfeingang Juni 1942 jeden Abend gegen fünf Uhr mit Decken und Stove in den Bunker, Alarm oder Nichtalarm. Morgens gegen 6 Uhr kam sie wieder zum Vorschein. Mehrmals täglich hatten wir Alarm, vor allen Dingen nachts. Zwei bis drei Mal zogen wir nachts mit zwei Kindern im Wäschekorb zum Bunker. Die Bevölkerung gewöhnte sich daran und ging zwischendurch der Arbeit nach, ohne viel Nachtruhe gehabt zu haben. Bis dann am 6./7. Juni 1942 in die Miststätte (Remmers) in der Nähe wo jetzt das Telefonhäuschen steht, nachts eine Luftmine fiel. Im Umkreis von 100 m waren sämtliche Häuser zerstört, abgedeckt oder dem Erdboden gleichgemacht. Da hatten wir acht Tote: Die Großeltern P. Saueressig und Frau (Töpmöh), die Tochter Töpke (Dirks) mit zwei Kindern Peter und Talina, unter dem Haus verschüttet, in dem selbem Hause die alte Frau Kirchhoff (Gretjemöh), der 14jährige Junge Harm Geiken, der sich das Schauspiel in der Tür ansehen wollte, die dreijährige Therese Remmers, tot im Arm der Mutter, der Bruder Geede (sechs Jahre) und Mutter mit zwei Russinnen verschüttet, aber gerettet. Herr Telkamp, der im Dorfe im Russenlager Soldat war, hat die Familie Remmers unter Einsatz seines Lebens, nachdem er noch Klopfzeichen und Schreie hörte, aus den Trümmern her- Therese Remmers Das Dorf Twilum mit den Gebäuden von Saueressig und Boes Juni 1942 34 ausgebuddelt. Frau Remmers kam mit gebrochenem Arm und Kopfwunden in die Lükensche Klinik. Der Schwiegervater Remmers hatte zwei Lungensplitter erhalten und kam ebenfalls in die Klinik, beide wurden gerettet. Frau Lübbine Janssen, die zehn Jahre auf dem Remmerschen Hof als Melkerin tätig war, saß mit ihrer Tochter Traute (sechs Jahre) im Keller. Das Haus wurde darüber buchstäblich wegrasiert. Die Beiden stiegen wohlbehalten wieder raus. Alsbald fand die Beerdigung der acht Toten statt, sie alle wurden auf dem Schulhof aufgebahrt. Die Trauerreden hielten der Kreisleiter und Pastor Voget. Die NS-Trauerfeier für die Bombentoten des AngrifAusgebombten wurden notdürftig in Baracken untergebracht und gut fes vom 6./7. Juni 1942 versorgt mit Kleidung, Lebensmitteln und dergleichen. bereits am 22. Juni wurden Frau Remmers und ihr Schwiegervater wieder aus der Klinik entlassen. Bald wurde mit dem Aufbau begonnen, die landwirtschaftlichen Betriebe erhielten Notbaracken zur Bergung von Vieh und Futter, auch wurden Wohnbaracken aufgebaut. Das Leben ging trotz täglichen Fliegeralarms weiter. Am 21. Mai 1943 fielen bei einem Angriff auf Emden wieder Brand- und Sprengbomben ums Dorf, dabei wurden die Häuser an der Thedastraße schwer beschädigt. Ein zu Besuch weilender Landwirt der Familie Ulferts fand dabei den Tod. Eine Feldscheune von Remmers auf der Weide vor der Bäckerei ging in Flammen auf. Ringsherum lagen zehn Kälber, 15 Kühe und vier Pferde tot. Kratzenberg hatte auf der Weide von Tichelwarf 28 Kühe verendet liegen. Diese Tiere wurden alle ordnungsgemäß von der Kriegsschadensstelle ersetzt. Die Familie Remmers wurde an die Straße nach Larrelt ausgesiedelt, Janssen außerhalb des Dorfes. Am 21. Mai, dem Unglückstag wurde das gerichtete Vordergebäude von Remmers wieder zerstört, ein holländischer Arbeiter fand dabei den Tod. Auch wurde das notdürftig aufgebaute Platzgebäude von Frerichs wieder zerstört. Die Bewohner der Thedastraße wurden notdürftig in den Pferde- und Kuhställen der Bauern untergebracht, bis für diese Bewohner Baracken gebaut wurden. Bis zum Ende des Krieges hielten diese Alarme an, mehre Angriffe auf Emden fanden dann noch statt, wobei noch Bomben in die Feldmark fielen. Der Grund, weshalb Twixlum in der Gefahrenzone war, lag wohl daran, dass bei jedem Angriff auf Emden die Stadt eingenebelt wurde, Jan Remmers, der wir außerhalb des Nebels blieben und die unmittelbare Nähe der Flakbatterie, der die meiden Angriffsbericht sten abgeworfenen Bomben galten. Bei Kriegsende wurden wir noch von den hier arbei1943 schrieb. tenden Kriegsgefangenen belästigt, die als der erste Schuss von der Pogumer Batterie genau auf die Larrelter Batterie landete, wussten, dass für uns der Krieg verloren war und sofort die Arbeit einstellten. Sie gingen täglich in die Stadt, um mit den Kanadiern den Sieg zu feiern. Interview Johann Koch „Bei dem Angriff auf mein Heimatdorf Twixlum am 7. Juni 1942, bei dem eine Luftmine große Schäden anrichtete, saß ich im Keller. Danach habe ich mit meinem Vater Tote und Verletzte geborgen. Ich lief weg, weil ich das Grauen nicht mehr ansehen konnte. Später brachte ich – wenn Alarm gegeben wurde – mit meinem Bruder die Twixlumer 35 Kinder mit einem Pferdegespann zum Bunker Emden West. Beim zweiten großen Angriff am 21. Mai 1943 auf Twixlum war ich als Lehrling mit meinem Meister des Ofenbaugeschäftes Marahrens beim Bauern ten Doornkaat in Bartshausen, wo wir zwei neue Kachelöfen bauen sollten. Einer der beiden Öfen war als mein Gesellenstück vorgesehen. Vorher hatten wir den Auftrag bei der dortigen Scheinwerferstellung Bartshausen Öfen zu reparieren. Diese Scheinwerferstellung hatte auch ein kleines 2,2 cm Geschütz gegen Tiefflieger. Unsere Firma erhielt schon vorher Aufträge von der Marinestandortverwaltung, in sämtlichen um Emden liegenden Flak- und Scheinwerferstellungen Öfen einbauen. Als ich gerade in der Scheinwerferstellung arbeitete, gab es Fliegeralarm. Der Scheinwerferführer forderte mich zum Weggehen auf. Ich sollte ankommende Funksprüche aus Gründen Johann Koch 1944 der Geheimhaltung nicht mitbekommen. Die Batterie Larrelt schoss wie verrückt auf die angreifenden Flugzeuge und traf auch die Führermaschine, die in die Ems abstürzte. Über Meppen drehten die Bomber und kamen zurück. Die Larrelter Batterie wurde wieder angegriffen und wir flüchteten in den mit Holzbalken abgestützten Keller des Bauern ten Doornkaat. Ein fürchterliches Bombardement begann. fünf oder sechs serbische Kriegsgefangene, die auf dem Bauernhof arbeiteten, beteten lautstark und mit wild aussehenden Bewegungen. Ich dachte, mein Ende sei nahe und wollte raus, doch mein Meister konnte mich nur mit Mühe davon abhalten. Dann hörten wir draußen Schreie und eilten mit dem Bauern heraus. Der Scheinwerfer hatte einen Volltreffer erhalten. Sechs der zwölf Marineartilleristen waren tot. Ich kannte sie alle gut. Der Bauer meinte, die Bombe hätte genauso den Hof und Keller treffen können, in dem wir gesessen hatten. In Twixlum sahen wir die Feldscheune des Bauern Remmers brennen. Ich durfte dann mit dem Rad nach Twixlum fahren und unterwegs musste ich mich in den Schloten vor den heranbrausenden, tieffliegenden Flugzeugen retten, die Phosphorbomben am Fallschirm abwarfen. Vom auslaufenden Phosphor wurde ich am Nacken verbrannt. In Twixlum sah ich dann das ganze Ausmaß der Zerstörungen und traf meinen Vater wieder, der vorher Öfen in der Larrelter Flakbatterie gesetzt hatte. Meiner Familie war glücklicherweise nicht passiert.“ Im Kriegstagbuch des Vorstehers des Hauptzollamtes Emden wurde für diesen Tag vermerkt: 21.5.1943 Fliegerangriff auf Emden und Umgebung sowie Wilhelmshaven. In Emden werden über 200 Sprengbomben abgeworfen. Port Arthur wird schwer getroffen. Eine Lage geht unschädlich in den Dollart. 3 andere in den Polder von Emden bis Twixlum. 32 Häuser vernichtet, über 100 unbewohnbar. 650 Obdachlose, 2 Schwer- und 15 Leichtverletzte. In und bei Twixlum fallen ca. 160 Bomben, 4 Tote, 8 Schwerverletzte. Große Schäden, viel Obdachlose. Viel Vieh wird auf der Weide getötet. Viele Beamte sind schwer geschädigt, davon einer zum neunten Male. Ein Bomber wird bei Canum abgeschossen. Von der Besatzung sind 4 tot und 3 abgesprungen. Truppe und Landwacht nehmen sofort die Suche auf. Der BZKom (G) Emden beteiligt sich im Wagen an der Suche und liefert einen gefangenen Leutnant an die Wehrmacht ab. Bei Norderney wird eine deutsche Fliegerleiche gefunden und gemeldet. Jan Remmers: Twixlum in den Jahren 1939 – 1945. handschriftliche Aufzeichnungen. Gerdes, Ewekea: Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit, Uphusen 2001. Deke, Manfred und Henninger, Wolfgang: Kriegstagebuch des Vorstehers des Hauptzollamts Emden, S. 32-33. 36 Bilder vom Angriff am 21. Mai 1943 um 12:30 Uhr Teilzerstörter Hof von Jan Remmers Wohnhaus der Familie Saueressig, das geräumt wird. Wohnhaus der Familie Andressen, dessen Dach wieder eingedeckt wird. Zerstörte Wohnhäuser in der Thedastraße Wohnhäuser von Jörgensen und Kruse Blick auf die zerstörten Häuser am Tief Bei den Fotografien handelt es sich um einmalige, zeitgeschichtliche Dokumente, die den Augenblick nach dem Luftangriff wiedergeben. 37 Zusammengestellt von Marten Klose Berichte zu Bomberabstürzen im Bereich der Stadt Emden Auch unter den alliierten Bomberbesatzungen, die Emden angriffen, gab es erhebliche Opferzahlen. Zum einen lag dieses an der Marineflak, deren Geschütz- und Scheinwerferstellungen um Emden standen und die Stadt vor Bombenangriffen schützen sollten. Zum anderen an den in Wittmundhafen stationierten deutschen Jagd- und Nachtjagdflugzeugen, die viele Bomber über Ostfriesland und der Nordsee abschossen. Die Bomberbesatzungen, die von den englischen Stützpunkten aus die Einsätze über dem deutschen Reichsgebiet flogen, wussten von der Gefährlichkeit ihrer Missionen. Viele ihrer Kameraden ließen bei den Einsätzen ihr Leben und kehrten nicht mehr auf die Stützpunkte zurück. Bereits am 29. September 1939 beerdigte die hiesige Standortverwaltung einen abgeschossenen Piloten auf dem Bolardusfriedhof. Es handelte es sich um den 21-jährigen britischen Sergeant und Hampden-Piloten Percy Edmund Boyce Sproston, der mit allen militärischen Ehren von einer Emder Der im ersten Kriegsmonat abgeschossene Pilot Sproston Marineeinheit mit Salutschüssen wurde noch mit allen militärischen Ehren beigesetzt. in einem mit einer britischen Fahne eingehülltem Sarg bestattet wurde. Diese würdige Beerdigung kam jedoch nur in der ersten Zeit des Krieges vor: Der Bombenkrieg wurde im Laufe der Zeit härter und die Verluste unter der Emder Zivilbevölkerung und die Zerstörung der Stadt nahmen immer größere Ausmaße an. Eine ehrenvolle Bestattung der Piloten fand nun nicht mehr statt. Vielmehr wuchs der Hass gegen die sog. „Luftgangster“, die in den Augen der Bevölkerung wehrlose Kinder und Zivilisten mordeten, wie die NS-Propaganda im „Ostfriesischen Kurier“ nach einem amerikanischen Angriff auf Esens berichtete. Bei diesem Angriff – am 27. September 1943 - waren 153 Menschen, darunter 80 Schulkinder und 22 Landjahrmädchen aus den Trümmern geborgen worden (Haddinga, 1995, S. 131-132). Mitunter wurden den toten Piloten sogar Bekleidungsstücke weggenommen, so geschehen bei einem britischen Lancasterabsturz nach einem Angriff auf Emden am 23. Juni 1942 beim Uhlsmeer. Ein bereits getroffener amerikanischer Bomber wurde am 11.12.43 von Marineflaksoldaten der Batterie Süd (Carel Coenraad-Polder) beschosJohn Robert Dryden war Bord- sen, wobei wenig Rücksicht auf die abspringende Besatzung genommen wurde: Ein mechaniker der Lancaster I Fallschirm wurde zerfetzt und der Flieger raste – den sichern Tod vor Augen – auf R5517, die beim Uhlsmeer ab- die Erde zu (Jansen, 1980, S. 230). Sieben Mann der Besatzung einer amerikanischen stürzte. Er gilt bis heute als „Fliegenden Festung“, die am 4. August 1944 auf Borkum notlandete, wurden von vermisst. 38 einem deutschen Soldaten erschossen, dessen Familie bei einem Bombenangriff auf Hamburg ums Leben gekommen war (Bundesarchiv Koblenz). Eine unschöne Episode ereignete sich am 26. Juli 1943 in Boekzetelerfehn nach dem Absturz eines amerikanischen B-17 Bombers: Ein Besatzungsmitglied mit schweren Verbrennungen wurde von einem NS-Funktionär mit Fußtritten und den Worten „Avanti, Avanti“ zur Eile angetrieben. Aber auch Mitleid wurde den toten Piloten zuteil: In einem Fall stürzte nach einem Angriff auf Emden am 27. September 1943 ein amerikanischer B-17 Bomber bei Manslagt ab. Eine deutsche Frau wollte den amerikanischen 1/Lt. John C. Thalmann beerdigen, da er mit ihr verwandt sei und sie vor 1940 Briefkontakt zu ihm hatte. Der am 11. März 1945 beim Manslagter Deich notgelandete Mustang-Pilot LtCol. James V. Wilson (MACR 13392) wurde von einer Bäuerin mit Bratkartoffeln und Spiegelei bewirtet, während er auf seine Verhaftung wartete. Diese gute Behandlung war der Gegensatz zu dem von Goebbels angeordneten Erlass, in dem er ausdrücklich forderte, dass Wachmannschaften nicht verhindern dürften, dass sich der Volkszorn an abgeschossenen feindlichen Flieger entlädt (Langour, 1976, S. 247). Auch am 6. September 1944, dem Tag des Großangriffes auf Emden, wurde ein Lancaster-Bomber des 7. RAF Geschwaders abgeschossen und stürzte mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Hieve ab. Der Pilot F/Lt. Granville Wilson kam dabei ums Leben, zwei Mann der Besatzung gelten bis heute als vermisst und fünf wurden gefangen genommen. Die Leichen der Piloten barg meist ein aus Wittmundhaven stammendes Luftwaffen-Bergungskommando, das sie auf dem sog. Garnisonsfriedhof in Wittmund bestattete. Dabei konnten die kanadischen, australischen, englischen, amerikanischen, polnischen und südafrikanischen Besatzungsmitglieder oft nicht zweifelsfrei identifiziert werden, da durch Feuer und die Wucht des Aufpralles die Leichen teilweise völlig unkenntlich waren. Auch wurden des Öfteren tote Besatzungsmitglieder, deren Flugzeuge im Dollart abgestürzt waren, ohne Erkennungsmarken in Emden angespült. Lakonisch wurde im Kriegstagebuch vermerkt: „Bei Upleward (…) wird die Leiche eines feindl. Fliegers geborgen und gemeldet“ (Deke, S. 25). Die Absturzstellen der alliierten Flugzeugen erregten die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, wie ein Auszug aus der Dorfchronik der Ortschaft Wiesens belegt: „ Die (…) Ländereien waren mit Flugzeugteilen und Einrichtungsgegenständen übersät. Im weiten Umkreise bot das Land den Anblick eines Trödlerladens. (…). Groß war der Menschenstrom, der kurz nach dem Abschuss und in den nächsten Tagen, besonders am Sonntag (18.04) aus allen Gegenden zur Besichtigung der Wrackstücke einsetzte. Der Platz glich einem Jahrmarkt, nur dass die Buden, Zelte und das andere Drum und Dran fehlte“ (Ortschronik Wiesens, o.J., S. 47) Die Schaulustigen nahmen teilweise Teile des Wracks mit, um sie zu nutzen (Plexiglasscheiben, Panzerplatten, Patronenhülsen, etc.) oder, um einfach ein Souvenir vom Absturz mitzunehmen. Nach dem Krieg zogen durch das Land alliierte Suchtrupps, die nach vermissten Fliegern fahndeten. Ab 1946 wurden die Gefallenen des British Commonwealth und Polen vom Wittmunder Friedhof auf den British War Cemetery nach Sage, südlich Oldenburg umgebettet. Die Besatzungsmitglieder der U.S. Air Force wurden im April und Mai 1946 exhumiert. Die Toten wurden auf dem U.S. Military Cemetery Ardennes in Neuville-en-Condroz, ca. 20 km westlich von Lüttich in Belgien bestattet. Ab 1948 sind viele Flieger auf Wunsch der Angehörigen in die Vereinigten Staaten überführt worden (Hey, 1997, Gräberverzeichnis des Garnisonsfriedhofes Wittmund). Im nachfolgenden werden beispielhaft die Schicksale einiger Bomberbesatzungen aufgeführt, die in der Umgebung von Emden abgeschossen wurden. Absturz eines britischen Hampden-Bombers bei Campen Am 10. Januar 1942 um 21:18 Uhr stürzte beim Campener Rüsthof ein britischer Hampden-Bomber ab. Die Hampden Mk I AE.133 gehörte zum 83. Squadron und war auf dem englischen Flugplatz Scampton stationiert. Angriffsziel war an diesem Tag Wilhelmshaven, doch der Bomber bekam über Emden so schwere Flaktreffer, dass er abstürzte. Die Dorfbewohner von Campen hatten große Angst, da der Bomber genau auf die Schule zuflog. Dann machte die Maschine aber noch eine scharfe Kurve und stürzte auf einem Feld neben dem Rüsthof ab. Zwei Besatzungsmitglieder überlebten den Absturz nicht; einer der beiden Flieger lag tot auf dem Feld an seinem ungeöffneten Fallschirm. Ein Zeitzeuge berichtete 57 Jahre nach dem Absturz, dass einer der überlebenden Flieger Martin Fletcher hieß und ein anderer rote Haare hatte und Fotos von seinen Kindern zeigte. Die zwei Überlebenden wurden in der Schule verhört und berichteten u.a. folgendes: „Sie hätten sich in etwa 6000 Fuß Höhe über Emden befunden, als sie plötzlich einen schweren Flaktreffer in den mittleren Motor erhielten. Der eine, der in der Wanne lag, sei als erster aus der manövrierunfähigen Maschine aus 5000 Fuß abgesprungen, während der andere sich zunächst mit seinem Fallschirm irgendwo festgesetzt hätte und der ca. drei Minuten später in 3000 Fuß herausgekommen sei. Sie müssten anerkennen, dass sie schon mehrfach in gut liegendes deutsches Flakfeuer geraten seien und dass die Flak bei Emden sehr gut geschossen und sie schnell „erwischt“ hätte. Sie hätten ihre Bomben nicht Nach einem Angriff auf Emden stürzte in der Nacht des 8. Mai mehr auslösen können. Nach ihrer Ansicht hätten sich 1941 um 02:35 ein britischer Whitley-Bomber bei Heisfelde ab. der Flugzeugführer und der Beobachter wegen der Das Flugzeug gehörte zur 78. Sqn. und wurde von Leutnant Rolf Schnelligkeit des Abschusses nicht mehr durch FallBokemeyer von der 5./NJG1 abgeschossen. Neben dem Piloten schirmabsprung retten können, obwohl diese bis zum Sgt. Lawrence Thorpe kam die gesamte Besatzung ums Leben dem Flaktreffer wohl beide noch unverwundet geweund wurde in Sage bestattet. sen seien“ (Janßen, 2001, S. 29). Zur Besatzung gehörten: Sergeant und Pilot MC Fletcher (gefallen), Sergeant und Navigator LA Fox (gefallen), Sergeant und MgSchütze HR Holme sowie Sergeant und Mg-Schütze PY Sekine (Ministry of Defence, Referenznummer D/AHB (RAF)/8/4 (1999)). Abschuss einer britischen Aufklärungsspitfire bei Engerhafe Am 7. September 1942 um 10:27 Uhr stürzte beim Gehöft Beer eine englische Aufklärungsspitfire ab. Ein Volksschullehrer aus Engerhafe sah die Maschine in etwa 1000 Meter Höhe über Engerhafe herumkreisen und alarmierte die zuständigen Stellen. Sofort stieg in Hage ein deutsches Jagdflugzeug der 2. Staffel des Jagdgeschwaders 1 auf, das die Spitfire Mk V verfolgte und abschoss. Die Maschine stürzte flach auf einer Wiese beim Gehöft Beer ab. Kurze Zeit später kam der deutsche Jagdflieger – Unteroffizier Herbert Biermann - mit einem Kübelwagen an die Absturzstelle. Als er den verbrannten und klein geschrumpften britischen Piloten sah, der noch im Cockpit saß, sagte er: „Jetzt hat es dich erwischt!“ Bei dem Piloten handelte es sich um den erst 22-jährigen (*20.07.1920) Flight Lieutenant William John Scafe (Royal Air Force), der in der „1. Photographic Reconnaisance Unit“ diente. Die Einheit von Scafe war auf dem RAF-Flugplatz Benson in Oxfordshire stationiert. Am 7. September 1942 befand sich die Maschine auf einem Fotoaufklärungsflug nach Bremen. Gegen das deutsche Jagdflugzeug war der unbewaffnete Foto- Flaksoldat Müseler Saueressig von der Bataufklärer chancenlos (Ministry of Defence, Referenznummer: D/AHB terie Larrelt mit einer „erbeuteten“ Kokarde (RAF) 8/4 (2001)). Abschuss einer „Fliegenden Festung“ nördlich von Emden Silvester 1944 um 13:30 Uhr machte eine amerikanische B-17G (43-38459) zwischen der Harsweger Ziegelei und Westerhusen eine Notlandung. Der Bomber gehörte zur 3rd Air Division (100. Bombergruppe, 418. Squadron) und war auf dem Flugplatz Thorpe Abbotts, Norfolk stationiert. Angriffsziel war Hamburg (MACR 11358 u. Dossier J. Stok). Die Fortress griff noch Hinte an, wobei durch Bordwaffenbeschuss ein Mann in seinem Haus ums Leben kam. Mehrere Menschen wurden verletzt und ein Haus stark beschädigt (Deke, S. 44). Paul Janssen aus Groß-Midlum hatte zu dieser Zeit gerade Fronturlaub und war als erster bei dem notgelandeten Flugzeug. Er trug Uniform, hatte seine Waffe mit und befahl der Besatzung aus dem fast unbeschädigten Flugzeug zu kommen. Einer der Flieger war stark verletzt und blutete. Er saß – nach Janssen - in der hinteren Mg-Glaskuppel mit einem Durchschuss. Janssen befahl, ihn vorsichtig auf die Seite zu drehen. Kurze Zeit später erlag der Flieger seinen Verletzungen. Die Besatzung war niedergeschlagen und dennoch froh, selbst den Absturz überlebt zu haben; an Flucht dachte keiner mehr. Paul Janssen kroch nun selbst in die Maschine und inspizierte sie. Er staunte über die perfekte Ausstattung; sogar Zivilkleidung befand sich an Bord. Später kam dann ein Flaksoldat, der für die Festnahme der Flieger das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten haben soll. Bei dem gefallenen Flieger handelte es sich um den Staff Sergeant Dale S. Brown aus Oak Dale, der von einem Flaksplitter in die Brust getroffen wurde. Beerdigt wurde er in Wittmund. Paul Janssen Nach dem Krieg sind seine sterblichen Überreste auf den Ardennes- Friedhof überführt worden. Zur Besatzung gehörten: Lt. John F. Morin (Pilot), 2/Lt. Louis C. Ciriegio (Co-Pilot), 2/Lt. Alfred L. Letourneau (Navigator), 2/Lt. Emil W. Nawoj (Bombenschütze), S/Sgt. George J. Kouloupanis (Techniker und Mg-Schütze), S/Sgt. William S. Hanley (Funker und Mg-Schütze), S/Sgt. Billie F. Wright (Kugelturmschütze, wurde verwundet ins Lazarett nach Emden gebracht), S/Sgt. William B. Berry (Rumpfschütze). Scheinwerfer 61 (Bierum) meldet um 10:37: 99 Fortress Batterie Nansum: 13:24 westl. Aurich eine Fortress von Fluko gem. Zielhöhe 200 Meter 13:24 Maschine fliegt langsam, vermutlich angeschossen 13:26 10 km nördlich der Knock eine angeschossene Fortress Zielhöhe 200 Meter 13:26 Achtung für leichte Flak 13:28 Delfzijl in 86° Fortress; aufgefasste Entfernung 26 km Maschine hat das Fahrwerk ausgefahren 13:30 Die gemeinte Fortress ist ca. 8 km nördlich der Knock notgelandet 13:35 zur Zeit keine neue Meldungen. (Logbuch Batt. Nansum, 1944, S. 167) Meldung des Emder Flakkommandeurs zum Absturz: „13:28 Uhr Abschuss einer Fortress, die Flakbereich in 200 Meter Zielhöhe überfliegt, durch Emder schwere, mittlere und leichte Flak in C.P. 5 (südlich Westerhusen). 7 Gefangene, darunter ein Verwundeter. 1 Toter. Durch schnelles Zugreifen der Truppe [konnte die] Vernichtung des Feindflugzeuges, dessen Inneneinrichtung völlig unbeschädigt [war], durch [die] Besatzung verhindert [werden]. Nach Angaben des Untersuchungskommandos der Luftwaffe wurden wertvolle Geräte und wichtige Schlüsselmittel erbeutet“ (Kriegstagebuch des Kommandanten im Abschnitt Emdens, 1944 ). Abschuss einer „Liberator“ nahe der Knock Am 7. Juli 1944 stürzte in die Ems nahe der Knock ein amerikanischer Bomber vom Typ B-24 „Liberator“ ab. Von der elfköpfigen Besatzung kamen fünf bei dem Absturz ums Leben. Unter ihnen war der Lieutenant Fred L. Staub. Der damals 27jährige Staub wurde in Union Township/USA geboren und war Absolvent der Decatur Catholic High School. Im Oktober 1941 trat er in die US Air Force ein und wurde u.a. in Topeka/Kanada ausgebildet. Im März 1944 bekam er seine Abkommandierung nach Europa. Nach einer kurzen Stationierung in Italien ist Staub nach England versetzt worden, von wo aus er Einsätze über Frankreich und dem Deutschen Reich flog. Noch drei Tage vor seinem Tod schrieb er seinen Eltern, Mr. und Mrs. Sylvester A. Staub, dass es ihm gut ginge und alles in Ordnung sei. Der Neffe von Fred Staub, Tom Staub, hat mit den Überlebenden des Absturzes gesprochen, um mehr über das Schicksal seines Onkels herauszufinden. Ihm ist es zu verdanken, dass die Erinnerung an den Absturz, der sich vor über 60 Jahren ereignete, nicht in Vergessenheit geraten ist. Von den meisten Fliegern, die in der Umgebung Emdens abgeschossen wurden, ist es nicht mehr nachvollziehbar, was genau sich zugetragen hat. Umso wertvoller ist der detaillierte Erlebnisbericht des Bombenschützen 2Lt. Everett G. Walker: „ Ich war Bombenschütze in Larsons Crew und an diesem Tag sollten wir „Deputy Lead“ fliegen, d.h., wir sollten die stellvertretende Führungsmaschine der Formation sein. Es war unser 18. Einsatz. Wenn man Deputy Lead flog, musste der Bombenzielschütze Fred Staub das Bombenzielgerät bedienen, das Ziel ermitteln, anvisieren und bestimmen, wann die Bomben ausgelöst werden sollten. Wenn die Führungsmaschine getroffen würde und die Formationen verlassen müsste, hätten wir die Führung übernehmen und dann das Bombenziel anvisieren und bombardieren müssen. Ein zusätzliches Besatzungsmitglied wurde benötigt, das die Nasenkanzel bemannte und dem Navigator, 2Lt. Charles D. Wall, assistieren sollte, um den „IP“ zu ermitteln („Initital Point“ – der markante Punkt, der als Ziel ausgewählt wurde, z.B. eine Fabrik). Diese Person wurde als „Lotsen-Navigator“ bezeichnet. Fred Staub sollte in der Nasen- kanzel (Kuppel) fliegen. Ich traf ihn frühmorgens bei der Einsatzbesprechung. Ziel war das Mineralölwerk bei Lützkendorf. Wir diskutierten über den bevorstehenden Einsatz und es kam uns nichts Ungewöhnliches vor, außer dass das Ziel tief in Deutschland lag. Das Abheben und der Zusammenschluss mit den anderen Maschinen waren normal. Nach einer Stunde hatte die Gruppe auf die Führungsmaschine aufgeschlossen, die Formation war gebildet und schwenkte hinter eine andere Gruppe. Alle Gruppen flogen in Linie, um sich vor feindlichen Jagdflugzeugen zu schützen. Der Flug war normal bis kurz vor dem „Initial Point“, dem Beginn des Bombardements. Leichte Flak schoss, beschädigte aber kein Flugzeug. Ein paar Minuten später fiel unser Motor Nr. 1 aus (lt. des Co-Piloten Ralph McGuire 30 Minuten vor Erreichen des Ziels). Der Zug auf der linken Seite war so stark, dass unser Pilot nicht mehr in der Lage war, die Position zu halten und scherte an die Seite der Formation aus. Alle Versuche, den Propeller unter Kontrolle zu bringen oder ihn in Segelstellung zu bringen, schlugen fehl. Der Pilot befahl mir, die Bomben (8000 Pfund) abzuwerfen, um das Gewicht zu verringern. Ich merkte, dass die Bomben in freies Feld fielen, ohne Schaden anzurichten. Leutnant Larson funkte den „Lincoln leader“ (Führer der Formation) an und teilte ihm mit, dass es nicht möglich sei, die Mission fortzuführen. Er bat um Jäger-Unterstützung, um sicher zurück nach England zu fliegen. Dann eskortierten uns zwei P-47 „Thunderbolts“. Der Propeller (des ausgefallenen Motors) drehte sich im Luftzug mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute weiter. Dies führte dazu, dass die Maschine stark zur linken Seite gezogen wurde. Die Motorverkleidung hinter dem Propeller wurde glühend heiß und ließ die Motorverkleidung schmelzen. Das war einmal bei einem anderen Flugzeug geschehen und der Propeller brach ab und durchschnitt den Flugzeugrumpf. Zu diesem Zeitpunkt fuhr unser Pilot die Landeräder aus und hoffte, die Räder würden den Propeller abwehren, wenn er abbrach. Als nächstes begann der Propeller zu blubbern, schnitt die Vorderseite der Motorverkleidung in einer Tiefe von 20cm auf und fiel dann unter den Flügel und verschwand. Seit dem Verlassen der Formation ist der Pilot mit dem Flugzeug abgestiegen, um die Geschwindigkeit und die Kontrolle des Flugzeuges aufrecht zu erhalten. Später erfuhr ich, dass das starke Vibrieren den kaputten Motor löste, er herab fiel und in einem Winkel zur Tragfläche hing. Dadurch zog die Maschine noch stärker auf der linken Seite. Später, während des Tieferfliegens, gerieten wir beim Überqueren des Ruhrtals in den Wirkungsbereich von sehr akkuratem 88mm Flakfeuer. Die Deutschen schossen Sperrfeuer und zerstörten so unsere Sauerstoffversorgung und die innere Sprechanlage der Maschine. In immer weiter absinkender Höhe ging es über die Niederlande. Genaues Navigieren in geringer Höhe war kaum möglich und der Wind blies stärker von links als wir dachten. Wir mussten Benzin vom linken in den rechten Flügel bekommen, an dem weiterhin zwei intakte Motoren liefen. Das würde auch das Gewicht des linken Flügels reduzieren. S/Sgt. Walter Rolfe, unser Mechaniker, bediente eines unserer Seiten-Mgs und ging in den Pilotenraum. Er berichtete, dass der erste Motor in einem Winkel zur Tragfläche hing. Das führte zu noch mehr Zug auf der linken Seite und dazu, dass die Kontrolle über das Flugzeug immer geringer wurde. Später erzählte er mir, dass die Windschutzscheibe zertrümmert war und Larson, unser Pilot, von Glassplittern im Gesicht getroffen wurde. Der Mg-Schütze des „Top-Turrets“, des oberen Geschützturms, S/Sgt. James A. Butsch, hatte einen direkten Treffer von 20mm-Geschossen in den Kopf bekommen und fiel auf das Flugdeck unter seine Kanzel. Ich wusste, wir mussten uns der Küste nähern und ich machte auch bald Wasser in ein Uhr aus. Als dem Wasser näher kamen, hörte ich Explosionen und merkte, dass Granaten das Flugzeug trafen (lt. Ralph McGuire dachte die Besatzung über Amsterdam zu sein, statt über Emden) In 2000 Fuß Höhe und in der Mitte des Hafens begann der Beschuss. Ich verstand nicht, wieso keine der Granaten in die Flugzeugnase einschlugen. Dann aber sah ich Benzin in die Nasenkuppel tröpfeln. Sofort öffnete ich die Tür der Nasenkanzel und zog Fred von hinten (rücklinks) heraus. Er konnte die Kanzel nicht von vorne (also mit dem Gesicht zuerst) verlassen. Unsere Fallschirme waren handlich und wir halfen uns gegenseitig, die Brustpakete umzuschnallen. Jetzt hatte sich das Benzin entzündet und ich zog die Hebel, um die Tür vom Nasenrad – unserer Rettungsluke - zu öffnen. Als ich die Luke öffnete, konnte ich ein Besatzungsmitglied sehen, dessen Fallschirm schon geöffnet hatte. Später erfuhr ich, dass dies der Mechaniker war. Fred und Lt. Wall, der Navigator, waren direkt hinter mir und ich guckte herunter um zu sehen, ob wir genug Höhe hatten. Es sah nicht sehr hoch aus, aber es gab keine Wahl, also sprang ich kopfüber raus. Als ich hoch sah, brannte das Flugzeug lichterloh, es schien so, als würde irgendwas aus dem Flugzeug fallen. Ich dachte, es musste Fred oder Wall sein. Später stellte sich heraus, dass es wohl ein Stück vom Flugzeug gewesen war. Ich fühlte nicht, wie sich mein Fallschirm öffnete und schlug - mit den Füßen zuerst - hart Fred Staub auf das Wasser auf und sank tief ein. Ich strampelte, um an die Oberfläche zu kommen und erinnerte mich schließlich daran, meine Rettungsweste aufzublasen. Das brachte mich ruckartig an die Oberfläche. Ich hatte mich in den Fallschirmleinen verheddert, als ich gekämpft habe, an die Oberfläche zu kommen und ich brauchte einige Minuten, um mich zu befreien. Dann klinkte ich das Fallschirmgeschirr aus und ließ Luft in die andere Kammer meiner Rettungsweste. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon ein wenig erschöpft, wollte aber sehen, wo ich mich befand. Ich konnte sehen, dass ich in einer großen Wasserfläche schwamm und vielleicht konnte ich die Spitzen von hohen Gebäuden sehen, wenn ich mit dem Seegang hochschwabbte. Ich hatte etwas Salzwasser geschluckt und musste treten, um meinen Kopf über Wasser zu halten. Nach einigen Minuten sah ich eine Boje, die offensichtlich einen Kanal markierte. Ich begann auf die Boje zu zuschwimmen in der Hoffnung, dass ich mich daran irgendwie festklinken konnte. Ich ermüdete sehr schnell und merkte, dass eine Strömung mich von der Boje wegzog. Also gab ich den Versuch auf. Vielleicht fühlte ich, dass ich nicht mehr länger konnte und dachte ans Aufgeben. Plötzlich sah ich ein kleines Fischerboot, das etwa 180 Meter entfernt von mir schwamm. Ein Mann guckte in eine andere Richtung als in der ich mich befand und ich versuchte zu schreien, aber ich war nicht laut genug. Dann erinnerte ich mich an die Pfeife, die im Knopfloch meines Kragens befestigt war. Ich nahm sie in den Mund, blies so hart ich konnte und sah, wie sich der Mann in meine Richtung drehte. Ich spritzte Wasser in die Luft und das Boot wendete in meine Richtung. In wenigen Minuten holten sie mich an Bord. Ich zeigte in die Richtung, in der das Flugzeug abgestürzt war, aber sie schüttelten ihre Köpfe und brachten mich schließlich an einen Pier, wo ein deutscher Soldat auf mich wartete. In ein paar Stunden wurde ich nach Emden in ein Gefängnis gebracht. Ich saß mit meinem Kopf in den Händen vergraben und wusste nicht, ob irgendein anderer noch überlebt hatte. Während der nächsten Stunde kam ein Überlebender nach dem anderen herein. Ralph McGuire, der Co-Pilot, erzählte uns, dass dem Mg-Schütze des „top turrets“ (oberer Geschützturm) in den Kopf geschossen worden war und er auf dem Flugdeck lag. Nachdem das Flugzeug aufgeschlagen war und zu sinken begann, versuchte Ralph durch das „top hatch“ (obere Luke) zu entkommen und der Funker schien an irgendetwas fest zuhängen. Ralph hatte sich während des Absturzes an der Hüfte verletzt und konnte knapp entkommen. Als er an die Oberfläche kam, sah er Larry Larson, den Piloten, mehrere Meter entfernt zappeln. Ralph versuchte ihn zu erreichen, schaffte es aber nicht bevor er sank und nicht wieder auftauchte. Als das Flugzeug auf das Wasser schlidderte, wurde Lt. Larson vom Flugdeck geschleudert. Seine Arme schienen gebrochen, so dass er seine Rettungsweste nicht aufblasen konnte. Wir hofften, Fred und Wall oder vielleicht einen anderen Überlebenden zu sehen, aber erfuhren, dass wir die einzigen waren“ (Interview Walker und MACR 7229). Fred Staub, Charles D. Wall, James A. Butsch und der Funker S/Sgt. Cecil A. Gilbert starben im Wrack des Bombers, das in Stücke zerschellte. James A. Butsch ist auf dem amerikanischen Militärfriedhof Margraten (Niederlande) bestattet. Die Namen Charles D. Wall und Fred Staub sind auf den Vermisstentafeln verzeichnet. Die anderen Ein Teil der Besatzung auf dem Fliegerhorst in Opfer sind nach dem Krieg in die USA überführt worden. Die Besatzungsmitglieder, die mit dem Fallschirm absprangen, lande- England ten alle in der Ems: Der Heckschütze S/Sgt. John D. Dedrickson in Höhe von Borssum, Kugelturmschütze S/Sgt. Hamilton in Höhe von Widdelswehr, der linke Rumpfschütze Sgt. Austin R. Hall, jr. in Höhe der Petkumer Münte und Mechaniker Rolfe südlich des Emder Hafens. Ich landete in der Ems in Höhe des Wybelsumer Polders. Wir alle überlebten. Im Zolltagebuch steht dazu: „ Auf der Ems werden mehrere Dampfer von Tieffliegern mit Bordwaffen beschossen. Geringe Schäden. Ein amerikanischer Bomber wird dabei abgeschossen. 7 Mann der Besatzung sind tot, einer wird durch die Besatzung des Loggers „Dortmund“ geborgen u. gefangen genommen und später an AK Emden abgeliefert. Ein weiterer wird durch die GASt Termunten gefangen genommen und zwei durch die Batterie Knock. Durch den Logger werden von dem Flugzeug geborgen: 1 Gummischlauchboot, eine Zeltbahn, ein Rucksack, eine Tasche mit Signalgerät und 8 Patronen, 10 Trinkwasserbehälter, 1 Handluftpumpe und 2 eiserne Behälter. Die Sachen werden an Fliegerhorst Wittmundhafen abgeliefert“ (Deke, S. 39). Ungedruckte Quellen: Bundesarchiv Koblenz: Akte All Prov. 7/165-171 (Lagerungssignatur der Mikrofilme: FC 6259 P - FC 6265 P). Dossier über die B-17G (43-38459), Jos Stok, Appingedam. Gräberverzeichnis des Garnisonsfriedhofes Wittmund, erstellt von Jan Hey (1997). Interview Everett G. Walker Kriegstagebuch des Kommandanten im Abschnitt Emdens, 6. Marine-Flak-Reg., Flakgruko, Fragment vom 31.12.1944. Logbuch der Marine-Flak-Batterie Nansum, Zeitraum vom 6.10.1944 – 28.04.1945, Gemeindearchiv Delfzijl. Ortschronik Wiesens, o.J. Schreiben vom Ministry of Defence – Air Historical Branch, Referenznummer D/AHB (RAF)/8/4 (1999). Schreiben vom Ministry of Defence – Air Historical Branch, Referenznummer: D/AHB (RAF)/8/4 (2001). Verlustbericht aus dem National Archive Washington: Missing Air Crew Report 11358. Verlustbericht aus dem National Archive Washington: Missing Air Crew Report 13392 (359. Fighter Group). Verlustbericht aus dem National Archive Washington: Missing Air Crew Report 7229. Gedruckte Quellen und Literatur: Deke, Manfred/ Henninger, Wolfgang: Kriegstagebuch des Vorstehers des Hauptzollamts Emden. Haddinga, Johann: Kriegsalltag in Ostfriesland. 1939-1945, Norden 1995. Jansen, Ab. A.: Sporen aan de hemel. Kroniek van een luchtoorlog 1943-1945. De strijd van de Amerikaansluchtmacht tegen de Duitse Luftwaffe boven Nederland, Bd. 2, Baarn 1980. Janßen, Dietrich: Flak um Emden, Chronik der Marine-Flak-Abteilung 236, Emden 2001. Langour, Fritz: Tag der Rache – der Borkumprozess, in: Von Hitler zu Adenauer. Deutsche Geschichte von 19451949, Hamburg 1976, S. 246-249.