Chemo- und Strahlentherapie - content

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Kapitel 2
Chemo- und Strahlentherapie
Chaos = Ordnung, die wir nicht verstehen. – Konstantin Wecker
2.1
Grundlagen der Chemotherapie
Der Begriff Chemotherapie wurde am Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt,
primär wurden damit chemische Substanzen zur Behandlung von Infektionskrankheiten definiert. Hier macht man sich den unterschiedlichen Aufbau von
Krankheitserregern wie z.B. Bakterien (Einzellern) und Menschen (Mehrzellern) zunutze, Antibiotika schädigen somit bakterienspezifische Stoffwechselvorgänge.
Heutzutage wird mit Chemotherapie hauptsächlich die medikamentöse Behandlung von Tumorerkrankungen bezeichnet. Unterschieden wird zwischen
Herkunft der Arzneimittel, welche zum einen künstlich (synthetisch) hergestellt werden, zum anderen natürliche Stoffe (z.B. Pilzprodukte, Extrakte aus
Blättern oder Rinde unterschiedlicher Bäume) beinhalten.
Die Wirkmechanismen sind vielfältig, Hauptangriffspunkt ist zumeist die rasche Teilungsfähigkeit von Tumorzellen, welche durch direkten Eingriff in die
Zellteilung gestört wird: Aber auch die Hemmung von Gefäßneubildung (Angiogenese) in Malignomen kann bei dadurch an Nährstoffen und Sauerstoff
unterversorgten Tumorgewebe zu Nekrosen (Zelluntergang) führen.
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KAPITEL 2. CHEMO- UND STRAHLENTHERAPIE
Malignome in hormonabhängigem Ursprungsgewebe (z.B. Prostata, Mamma weibliches Brustgewebe) sind oft weiterhin hormonsensitiv und können somit
durch Hormongabe oder -suppression (Unterdrückung) beeinflusst werden.
Auch eingesetzt werden Zytokine, also Botenstoffe, die von Zellen des Immunsystems und mesenchymalen Zellen (z.B. Fibroblasten; Endothelzellen) gebildet werden und der Kommunikation zwischen den Zellen dienen. Somit kann
Zellproliferation und -differenzierung beeinflusst werden, aber auch die Immunantwort modifiziert werden. Der Einsatz monoklonaler Antikörper sowie
von Substanzen der „Targeted Therapies“ wird weiter unten genauer erläutert.
Leider werden durch diese Medikamente naturgemäß auch gesunde, v.a. teilungsaktive Zellen des Körpers beeinträchtigt, beispielsweise im Knochenmark
oder in verschiedenen Schleimhäuten, daraus ergeben sich unterschiedliche
Nebenwirkungen (siehe Kapitel 3).
In der Anwendung von Chemotherapie unterscheidet man
Kurative (lat. curare = heilen) Chemotherapie: Alleinige Chemotherapie führt
zur Heilung (z.B. Hodenkrebs).
Adjuvante (lat. adiuvans = unterstützend) Chemotherapie: Neoadjuvant bedeutet, dass die Chemotherapie vor Operation verabreicht wird, um das
Tumorgewebe zu reduzieren und somit (besser) operierbar zu machen;
adjuvante Zytostatikagabe erfolgt nach Operation, je nach Risikoprofil
des jeweiligen Malignoms, um die Heilungsaussichten zu optimieren.
Beiden ist der kurative (lat. curare = heilen) Ansatz gemein.
Palliative Chemotherapie (lat. palliare = mit einem Mantel bedecken, ummänteln; im übertragenen Sinn ist Linderung gemeint): Indikation ist hier, die
Tumorerkrankung zurückzudrängen, um Schmerzen und Beschwerden
zu verringern und Komplikationen vorzubeugen.
Radiochemotherapie: Kombination von Strahlen- und Chemotherapie, um die
Wirksamkeit zu verstärken.
Verabreicht werden Zytostatika zumeist intravenös in Form von Infusionen
oder seltener Injektionen, mittlerweile gibt es aber auch perorale Chemotherapeutika in Kapsel- oder Tablettenform. Fallweise wird das Medikament auch
lokal appliziert (z.B. beim Blasenkarzinom).
Eine Chemotherapie läuft regelhaft in Zyklen ab. Das bedeutet, dass mehrere
Einzelbehandlungen in definierten zeitlichen Abständen stattfinden. Je nach
2.2. EINTEILUNG DER ZYTOSTATIKA (CHEMOTHERAPIE)
13
Tumor und indizierter Therapie erhält der Patient tägliche, wöchentliche oder
monatliche Behandlungen, speziell bei Radiochemotherapie kann die Chemotherapie auch über mehrere Tage durchgehend verabreicht werden. Meistens
ist ambulante Chemotherapie möglich, je nach Patientenbefinden (zumeist im
Laufe der Therapie zunehmend schlechter), Ausmaß der Therapieform oder
Komplikationen sind aber auch mehrtägige Spitalsaufenthalte notwendig.
2.2
Einteilung der Zytostatika (Chemotherapie)
Zytostatika wirken v.a. im Zellkern, in welchem sie durch Veränderung unterschiedlicher Zellbestandteile eine regelhafte Zellteilung verhindern. Somit wirken sie besonders gut bei schnell wachsenden Tumoren (z.B. malignen Lymphomen, Hodenkarzinom). Die Kenntnis der einzelnen Vorgänge der Zellteilung erleichtert das Verständnis.
Die Einteilung kann unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen, im Folgenden werden wesentliche Substanzklassen unterschieden.
2.2.1
Alkylanzien
In diese Gruppe fallen N (Stickstoff)-Lost-Derivate, Nitrosoharnstoffe, Oxazaphosphorine, Platinderivate, Tetrazine, Arizidine und einzelne andere.
Alkylanzien können sowohl DNA-Stränge vernetzen als auch dieselben aufbrechen und auf diese Weise eine korrekte Verdopplung bei der Zellteilung
verhindern, d.h. sie sabotieren die DNA-Replikation. Dadurch wird die Tumorzelle nicht nur in der Neubildung der DNA vor der Zellteilung behindert,
sondern auch Proteinsynthese kann wegen veränderter DNA nicht mehr stattfinden.
Beispielsubstanzen: Cyclophosphamid, Hydroxycarbamid, Ifosfamid, Chlorambucil, Dacarbazin, Temozolomid, Cisplatin, Oxaliplatin, Carboplatin.
KAPITEL 2. CHEMO- UND STRAHLENTHERAPIE
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2.2.2
Antimetabolite
Hier findet man Folsäureanaloga, Purinantagonisten, Pyrimidinantagonisten
und RNR-Hemmer. Antimetabolite werden als „falsche“ Bausteine z.B. in die
Erbsubstanz (DNA, RNA) eingebaut und verhindern so den Einbau korrekter
Metaboliten (Stoffwechselzwischenprodukte). Somit treten spezifisch Störungen v.a. der Zellteilung, aber auch des Zellstoffwechsels auf. Niedrig dosiert
werden einige von ihnen auch bei anderen Krankheitsbildern eingesetzt (z.B.
rheumatischen Erkrankungen).
Beispielsubstanzen: Methotrexat, 5-Fluoruracil (5-FU), Cladribin, Cytarabin, Fludarabin, Capecitabine, Gemcitabin Antibiotika. Untergruppen sind hier Anthrazykline sowie Anthracendione und Mycine.
2.2.3
Antibiotika
Antibiotika sind ursprünglich von Pilzen und Bakterien gebildete Stoffwechselprodukte, welche bereits in geringer Konzentration andere Mikroorganismen töten oder in ihrer Zellteilung behindern können. Die in der Krebsbehandlung eingesetzten Antibiotika haben neben antibakterieller auch zytostatische Wirkung u.a. durch Bildung freier Sauerstoffradikale oder Auslösung
von DNA-Strangbrüchen. Da sie unabhängig von der Zellteilung wirken, ist
ihr Nebenwirkungsprofil relativ hoch.
Beispielsubstanzen: Mitomycin, Bleomycin, Doxorubicin, Epirubicin, Mitoxandro.
2.2.4
Alkaloide
In diese Gruppe fallen Podophyllotoxinderivate, Vincaalkaloide, Taxane und
Camptothecinderivate. Vincaalkaloide wurden ursprünglich aus der Pflanze
Immergrün (Vinca) gewonnen. Wie auch die Taxane wirken sie als Spindelgifte, in dem sie die Mikrotubuli („Fäden“) hemmen, an denen die neu gebildete, verdoppelte Erbsubstanz bei der Zellteilung auseinandergezogen und
auf zwei Tochterzellen verteilt wird. Sie wirken aber nicht nur bei der Zellteilung, sondern auch neurotoxisch, da Mikrotubuli auch bei Nervenreizleitung
2.3. HORMONTHERAPIE IN DER ONKOLOGIE (CHEMOTHERAPIE) 15
eine Rolle spielen. Die Substanzen der anderen zwei Gruppen sabotieren Enzyme (Topoisomerasen), welche Brüche im Erbmaterial reparieren, sodass DNAStrangbrüche die Folge sind.
Beispielsubstanzen: Vinblastin, Vincristin, Vinorelbin, Paclitaxel, Docetaxel.
2.3
Hormontherapie in der Onkologie
(Chemotherapie)
Leben ist ständiger Kampf gegen die Rebellion der Hormone.
– Federico Fellini
Hormone werden in der Onkologie zum einen antineoplastisch (d.h. „gegen
den Tumor“), zum anderen supportiv (lat. supportare = unterstützen) oder zur
Substitution (lat. substituere = ersetzen) eingesetzt.
GnRH- oder Gonadotropin-Releasing-Hormone-Analoga (z.B. Trenantone) führen durch kontinuierliche Stimulation der Hypophyse und vermehrte Freisetzung von Gonadotropinen (LH, FSH) über den Regelkreis zu einer Reduktion von Östrogenen und Testosteron. Indikationen sind beispielsweise ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom oder ein metastasiertes Mammakarzinom, die
Gabe erfolgt über Depotspritzen bzw. Implantate.
Antiöstrogene (z.B. Tamoxifen) und Antiandrogene (z.B. Casodex) wirken über
kompetetive (lat. competere, zu deutsch „wettstreiten“) Bindung und Blockade von Östrogen- bzw. Androgenrezeptoren, sodass bei Ersteren östradiolspezifische Wirkungen und bei Zweiteren androgene Proliferationsstimulation
gehemmt werden. Die Verabreichung erfolgt in Tablettenform bei Mamma- respektive Prostatakarzinom.
Aromatasehemmer (z.B. Femara) greifen in die Östrogenbildung ein, indem
sie die Umwandlung (Aromatisierung) von Androstendion zu Östron verhindern und somit die zelluläre Östrogenensynthese beeinträchtigen. Patienten
mit Mammakarzinom in der Postmenopause (nach dem Klimakterium, „Wechsel“) nehmen sie täglich in Tablettenform zu sich.
Auch den Östrogen- und Androgenstoffwechsel beeinflussend wirken Gestagenpräparate (z.B. Megestat), welche bei fortgeschrittenen Mamma- und Endometriumkarzinomen peroral verschrieben werden.
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KAPITEL 2. CHEMO- UND STRAHLENTHERAPIE
Die Orchidektomie, also operative Entfernung der Hoden, und die Ovarektomie, die operative Entfernung der Eierstöcke, sind ebenfalls Möglichkeiten zur
Einflussnahme auf den Hormonhaushalt im Körper.
2.4
Zytokine in der Onkologie (Chemotherapie)
Chemie ist Natur zu herabgesetzten Preisen. -Jürgen von Manger
Zytokine sind Glykoproteine (Protein mit einer oder mehreren Zuckergruppen), welche von Zellen des Immunsystems sowie von mesenchymalen Zellen
(z.B. Fibroblasten, Endothelzellen) gebildet werden und als Botenstoffe Informationen zwischen verschiedenen Zellen vermitteln. So gibt es beispielsweise entzündungsverstärkende (z.B. TNF-alpha) und -hemmende (z.B. IL 4, IL
10) Zytokine, andere wiederum beeinflussen Proliferation und Differenzierung
von Zellen und werden demzufolge Wachstumsfaktoren (z.B. CSF) genannt.
Sie werden bei Multipler Sklerose und viralen Erkrankungen wie beispielsweise Hepatitis C eingesetzt, sind teilweise aber auch zur Behandlung von
Krebserkrankungen zugelassen. Einige befinden sich noch in der Phase der klinischen Prüfung, somit wird ihr Einsatz in den nächsten Jahren wahrscheinlich
zunehmen.
Derzeit sind in der Onkologie Interferon alpha (z.B. für Melanom, Nierenzellkarzinom) sowie Interleukin 2 (für metastasiertes Nierenzellkarzinom) in Verwendung. Für andere Erkrankungen zugelassen und in klinischer Prüfungsphase
sind beispielsweise Interferon beta und Interferon gamma.
Nebenwirkungen sind hauptsächlich grippeähnliche Symptome, Zytokine können aber verschiedenste Organe (Nieren, Leber, Herz, Lunge, Knochenmark,
Magen-Darm-Trakt, Haut, Nervensystem) beeinträchtigen. Die unerwünschte
Begleitsymptomatik kann dosislimitierend sein oder aber auch zu Therapieabbruch führen.
2.5. WEITERE MEDIKAMENTÖSE TUMORTHERAPIE(CHEMOTHERAPIE)17
2.5
2.5.1
Weitere medikamentöse Tumortherapie
(Chemotherapie)
Monoklonale Antikörper
Antikörper (AK) werden von B-Lymphozyten des Immunsystems als Teil der
spezifischen Immunantwort gebildet, sie sind polyklonal, d.h. sie binden an
verschiedene Epitope („Andockstellen“ am Antigen, also der definierten Zielstruktur des Antikörpers). Künstlich produzierte monoklonale Antikörper werden von einem einzigen B-Zellklon hergestellt und richten sich gegen ein spezifisches Epitop.
Sie werden seit 1998 in Kombination mit Chemotherapie oder als Monotherapie zur Behandlung hämatologischer und solider Malignome eingesetzt, wie
z.B. Cetuximab beim metastasierten Colonkarzinom. Ihr Nebenwirkungsprofil
ist dem der Zytokine sehr ähnlich. Bekannte Vertreter sind Avastin, Erbitux,
Mabthera und Herceptin.
2.5.2
Targeted Therapies
Unter diesem Begriff fasst man spezifische für den Tumor wichtige, Enzyme
und Proteine inhibierende (lat. inhibire = hemmen) Substanzen zusammen.
Angriffspunkte sind unter anderem die Angiogenese (Gefäßneubildung), Apoptoseregulierung (Apoptose = natürlicher, programmierter Zelltod), Signalübermittlung (wichtig sind hier Tyrosinkinasen) sowie die Regulation der Proliferation und des Zellzyklus. Auch hier sind die Nebenwirkungen mit denen der
Zytokine vergleichbar. Beispielsubstanzen sind Velcade, Sutent oder Glivec.
2.6
Verabreichung von Chemotherapie
Jedes Chemotherapeutikum hat spezifische Tumorerkrankungen, bei denen es
gut wirksam und für welche es zugelassen ist. Oft sind Kombinationsschemata im Einsatz. Bei Verabreichung einer Chemotherapie müssen verschiedene
Faktoren berücksichtigt werden:
18
KAPITEL 2. CHEMO- UND STRAHLENTHERAPIE
Pharmakologische Eigenschaften wie Halbwertszeit (wie lange bleibt das Medikament im Körper, bis die Hälfte der Substanz ausgeschieden ist) und
verstoffwechselnde bzw. ausscheidende Organe (Leber, Niere).
Nebenwirkungen, die dem Patienten mitgeteilt werden müssen und sofern
möglich verhindert oder zumindest gelindert werden sollten (z.B. Erbrechen) bzw. auf deren Auftreten geachtet werden muss (z.B. Knochenmarksdepression, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen), um ein adäquates Handeln zu ermöglichen (symptomatische Behandlung oder Unterbrechung der Chemotherapie).
Kontraindikationen, welche zumeist mit den möglichen Nebenwirkungen korrelieren, d.h. beispielsweise dass ein stark die Leber belastendes Zytostatikum bei vorbestehenden Leberfunktionsstörungen nicht verabreicht
werden sollte.
Dosierung wird nach Körperoberfläche oder Gewicht berechnet und nach entsprechenden Schemata (Zyklen) verabreicht.
Regelmäßige Kontrollen vor, während und über einen bestimmten Zeitraum
nach der Chemotherapiegabe durch Labor (z.B. Blutbild, Serumchemie,
Kreatinin-Clearance zur Bestimmung der Nierenfunktion), EKG, Lungenfunktion, Herzultraschall, evtl. Ausschluss vorbestehender Neuropathien (bei Vincaalkaloiden).
Um Resistenzen gegen Chemotherapeutika zu verhindern, werden möglichst
hohe Dosierungen und Kombinationsschemata eingesetzt. Kombinationschemotherapien werden häufig nach den Anfangsbuchstaben der eingesetzten
Zytostatika benannt, beispielsweise CHOP (Cyclophosphamid, Hydroxy-Daunorubicin, Oncovin, Prednison) bei malignen Lymphomen.
2.7
Grundlagen der Strahlentherapie
Strahlentherapie ist die Anwendung ionisierender Strahlen zur Therapie hauptsächlich von bösartigen Tumorerkrankungen, aber auch gutartige Erkrankungen, beispielsweise der Fersensporn, können durch Radiotherapie behandelt
werden. Durch besagte Strahlung wird Zellteilung beeinträchtigt bzw. unterbunden. Gesundes Gewebe erholt sich zumeist gut von Radiotherapie, Malignome werden hingegen im Wachstum eingedämmt, geschädigt oder auch
2.8. STRAHLENTHERAPIESCHEMATA
19
zerstört, einer Metastasierung wird vorgebeugt.
Es werden im Wesentlichen zwei Arten von Strahlentherapie unterschieden:
Teletherapie: Bestrahlung von außen. Um den Schaden der dem Tumorgewebe angrenzenden Gewebe gering zu halten, wird der Patient „von allen
Seiten“ bestrahlt, sodass im Focus Malignom die definierte Dosis (Angabe in Gray, Gy) ankommt, die umgebenden Organe hingegen eine wesentlich niedrigere Dosis erhalten.
Brachytherapie: Bestrahlung „vor Ort“. Bei von außen gut zugänglichen Organen, wie beispielsweise Ösophagus, Vagina-Uterus, Prostata, wird ein
Applikator, die Strahlenquelle in Form von spezifischen Schläuchen oder
Nadeln, in eine Körperhöhle oder direkt ins Tumorgewebe eingebracht,
die radioaktive Strahlung kann hochdosiert lokal appliziert werden.
Der Patient und seine Befunde und Bilder werden genau geprüft, es erfolgt eine detaillierte Aufklärung und schließlich eine Planungs-Computertomographie, anhand derer die Radiotherapie geplant und berechnet wird. Nach der
sogenannten Ersteinstellung, dem ersten Bestrahlungstermin, wird in mehreren täglich applizierten Einzeldosen (zumeist maximal 2 Gy, in Palliativsituationen bis zu 4 Gy) die gewünschte Gesamtdosis verabreicht.
Die einzelnen Bestrahlungen dauern nur wenige Sekunden und sind schmerzfrei. Der Patient muss optimal gelagert werden, im Kopf- und HNO-Bereich
kommen spezielle Masken zur Anwendung. Zumeist wird Montag bis Freitag bestrahlt, je nach Gesamtdosis und Fraktionierung (Aufteilung der Einzeldosen) nimmt die Behandlung mehrere Wochen in Anspruch. Bei Palliativbestrahlungen wählt man bewusst höhere Einzeldosen bis zu 3 Gy oder sogar 4
Gy, um die Bestrahlung möglichst kurz zu halten und dem Patienten möglichst
viel Lebenszeit außerhalb des Spitals zu ermöglichen.
Zumeist kann die Bestrahlung ambulant durchgeführt werden, bei kombinierter Radiochemotherapie oder im Falle von Komplikationen sind stationäre Aufenthalte notwendig.
2.8
Strahlentherapieschemata
Je nach Zielsetzung unterscheidet man wie bei der Chemotherapie verschiedene Formen:
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KAPITEL 2. CHEMO- UND STRAHLENTHERAPIE
Kurative Strahlentherapie: Hier wird die Heilung angestrebt, der Tumor soll
durch die ionisierende Strahlung zerstört werden. Alleinige Radiotherapie wird angewendet bei funktioneller oder lokaler Inoperabilität, wenn
Organerhalt im Vordergrund steht (z.B. Schließmuskel beim Analkarzinom) oder wenn OP und RT gleichwertig sind, aber Strahlentherapie
kosmetisch oder funktionell ein besseres Resultat erzielt. Beispiele sind
Lymphome, Prostatakarzinom, Analkarzinom, Glioblastom oder ältere
bzw. Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand.
Adjuvante Strahlentherapie (lat. adiuvans = unterstützend): Neoadjuvant bedeutet, dass die Radiotherapie vor der Operation durchgeführt wird, um
das Tumorgewebe zu reduzieren und somit (besser) operierbar zu machen; adjuvante Strahlentherapie erfolgt nach der Operation, je nach Risikoprofil des jeweiligen Malignoms, um die Heilungsaussichten zu optimieren. Beiden ist der kurative (lat. curare = heilen) Ansatz gemein.
Palliative Strahlentherapie (lat. palliare = mit einem Mantel bedecken, ummänteln; im übertragenen Sinn ist Linderung gemeint): Indikation ist
hier, die Tumorerkrankung zurückzudrängen, um Schmerzen und Beschwerden zu verringern und Komplikationen vorzubeugen.
Radiochemotherapie: Kombination von Strahlen- und Chemotherapie, um die
Wirksamkeit zu verstärken.
2.9
Nebenwirkungen der Strahlentherapie
Körper = Der Übersetzer der Seele ins Sichtbare. – Christian Morgenstern
Nebenwirkungen treten im Bereich der bestrahlten Körperregion auf. Auch
hier unterteilt man je nach Auftreten in akute und chronische Folgen.
Je nach bestrahltem Gewebe kommt es zu Haut- und/oder Schleimhautentzündungen, opportunistischen Pilzinfektionen gilt es vorzubeugen, Diarrhoe
und Harnwegsinfekte können vermehrt vorkommen.
Chronische Strahlenschäden oder Spätfolgen treten Monate bis Jahre nach der
Radiotherapie auf und beinhalten Verhärtungen von Haut oder Schleimhaut,
Mundtrockenheit (durch Bestrahlung der Speicheldrüsen), Funktionsstörungen von Lunge, Magen-Darm-Trakt oder Urogenitalregion. Sie sind leider oft
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