TUM, Zentrum Mathematik Lehrstuhl für Mathematische Physik WS 2013/14 Prof. Dr. Silke Rolles Thomas Höfelsauer Felizitas Weidner Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie Lösungen zum Wiederholungsblatt Aufgabe W1 Es gibt zwei Landstraßen zwischen A-Stadt und C-Stadt, nennen wir sie L1 und L2 . Am Rande der L1 stehen die Bäume b1 und b2 , am Rande der L2 steht der Baum b3 (siehe Bild). Bei dem Sturm in der letzten Nacht ist jeder der drei Bäume b1 , b2 , b3 mit Wahrscheinlichkeit 1 − p unabhängig von den anderen Bäumen umgefallen und hat die Landstraße blockiert. Für 1 ≤ i ≤ 3 bezeichne Bi das Ereignis, dass der Baum bi die Landstraße nicht blockiert. b1 b2 A-Stadt C-Stadt b3 Drücken Sie das Ereignis D = {Mindestens eine der beiden Landstraßen zwischen AStadt und C-Stadt ist nicht blockiert} durch die Ereignisse B1 , B2 und B3 aus und berechnen Sie P(D). Lösung: Es ist D = (B1 ∩ B2 ) ∪ B3 . Wir wissen P(Bi ) = 1 − P(Bic ) = 1 − (1 − p) = p. Damit ergibt sich mit der Inklusion-Exklusion-Formel: P(D) =P((B1 ∩ B2 ) ∪ B3 ) = P(B1 ∩ B2 ) + P(B3 ) − P((B1 ∩ B2 ) ∩ B3 ). Nach Voraussetzung sind die Ereignisse B1c , B2c , B3c unabhängig. Damit sind auch die Ereignisse B1 , B2 , B3 unabhängig und es folgt: P(D) = P(B1 )P (B2 ) + P(B3 ) − P(B1 )P (B2 )P (B3 ) = p2 + p − p3 . Aufgabe W2 Martin besitzt einen vier- und einen sechsseitigen Würfel, der mit den Zahlen 1 bis 4 bzw. 1 bis 6 beschriftet ist. Martin wählt sich zufällig gemäß Gleichverteilung einen der beiden Würfel aus und würfelt. (i) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Martin eine 3 würfelt? (ii) Martin hat tatsächlich eine 3 gewürfelt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er den vierseitigen Würfel ausgewählt hat? (iii) Nun wirft Martin beide Würfel und verrät uns, dass einer der beiden Würfel eine 3 zeigt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer als 6 ist? Lösung: (i) Wir definieren die Ereignisse A = {Martin würfelt eine 3}, B = {Martin würfelt mit dem vierseitigen Würfel}. Mit dem Satz der totalen Wahrscheinlichkeit erhalten wir P(A) = P(A | B)P(B) + P(A | B c )P(B c ) = 1 1 1 1 5 · + · = . 4 2 6 2 24 (ii) Mit Aufgabenteil (i) und der Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit folgt P(A ∩ B) P(B) P(A ∩ B) P(B) P(B | A) = = · = · P(A | B) = P(A) P(A) P(B) P(A) 1 2 5 24 · 3 1 = . 4 5 (iii) Wir definieren die Ereignisse C = {Augensumme größer als 6}, D = {Der vierseitige Würfel zeigt eine 3}, E = {Der sechsseitige Würfel zeigt eine 3}. Dann gilt P(C | D ∪ E) = = P(C ∩ (D ∪ E)) P(C ∩ (D ∪ E)) = P(D ∪ E) P(D) + P(E) − P(D ∩ E) |{(3,4),(3,5),(3,6),(4,3)}| 24 4 6 1 + 24 − 24 24 4 = . 9 Aufgabe W3 Eine Katzenfamilie hat 3 kleine Kätzchen. Jedes Kätzchen ist mit Wahrscheinlichkeit 21 weiblich und mit Wahrscheinlichkeit 12 männlich, unabhängig von allen anderen Kätzchen. Betrachten Sie die Ereignisse A = {Unter den Katzenkindern ist höchstens ein Kater}, B = {Die Katzenfamilie hat sowohl männliche als auch weibliche Nachkommen}. Sind die Ereignisse A und B unabhängig? Begründen Sie Ihre Antwort. Lösung: Wir modellieren dies durch folgenden Wahrscheinlichkeitsraum: Ω = {m, w}3 , wobei m für ein männliches und w für ein weibliches Kätzchen steht, F = P(Ω), P ({ω}) = 1 1 1 1 · · = 2 2 2 8 für alle ω ∈ Ω wegen der Unabhängigkeitsvoraussetzung. Wir berechnen die Wahrscheinlichkeiten: P (A) =P (Unter den Katzenkindern ist höchstens ein Kater) 1 4 =P ({(w, w, w), (m, w, w), (w, m, w), (w, w, m)}) = = , 8 2 P (B) =P (Die Katzenfamilie hat sowohl männliche als auch weibliche Nachkommen) 3 2 =1 − P (B c ) = 1 − P ({(w, w, w), (m, m, m)}) = 1 − = , 8 4 P (A ∩ B) =P (Unter den Katzenkindern ist genau ein Kater) 3 =P ({(m, w, w), (w, m, w), (w, w, m)}) = . 8 Somit haben wir gezeigt: P (A ∩ B) = P (A)P (B), also sind A und B unabhängig. Aufgabe W4 In einer Urne befinden sich gleich viele Kugeln, die mit den Ziffern 1, 2 und 3 beschriftet sind. Aus der Urne wird n-mal mit Zurücklegen gezogen. (i) Geben Sie einen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P) für dieses Zufallsexperiment an und definieren Sie formal für i ∈ {1, 2, 3} die Zufallsvariable Xi , welche die Anzahl der gezogenen Kugeln mit der Nummer i angibt. (ii) Bestimmen Sie die Verteilung von X1 , von X1 + X2 sowie von X1 + X2 + X3 . (iii) Berechnen Sie die Kovarianz Cov(X1 , X2 ). Lösung: (i) Sei Ω = {1, 2, 3}n , F = P(Ω) und P die Gleichverteilung auf Ω. Wir definieren für n P alle ω = (ω1 , . . . , ωn ) die Zufallsvariablen Xi (ω) = 1{ωk =i} für i ∈ {1, 2, 3}. k=1 n (ii) Für k ∈ {0, . . . , n} gilt P(X1 = k) = k ( 31 )k ( 23 )n−k und P(X1 = k) = 0 für k 6∈ {0, . . . , n}. X1 ist also Binomial(n, 13 )-verteilt. 1 n−k 2 k n Analog gilt P(X1 + X2 = k) = P(X3 = n − k) = n−k ( 3 ) ( 3 ) = nk ( 23 )k ( 13 )n−k für k ∈ {0, . . . , n} und P(X1 + X2 = k) = 0 für k 6∈ {0, . . . , n}. X1 + X2 ist also Binomial(n, 23 )-verteilt. Für X1 + X2 + X3 gilt P(X1 + X2 + X3 = n) = 1. (iii) Da X1 , X2 und X3 identisch verteilt sind, folgt Var(X1 ) = Var(X2 ) = Var(X3 ) und Cov(Xi , Xj ) = Cov(X1 , X2 ) für i, j ∈ {1, 2, 3}, i 6= j. Somit erhalten wir X Var(X1 + X2 + X3 ) = Var(X1 ) + Var(X2 ) + Var(X3 ) + Cov(Xi , Xj ) i,j∈{1,2,3} i6=j = 3 Var(X1 ) + 6 Cov(X1 , X2 ). Somit folgt Cov(X1 , X2 ) = 1 1 n Var(X1 + X2 + X3 ) − Var(X1 ) = − {z } 2 | {z } 6| 9 =0 =n· 13 · 23 Aufgabe W5 Sei F : R → R definiert durch 0 F (x) = x3 1 für x < 0 für 0 ≤ x ≤ 1 für x > 1. (i) Zeigen Sie, dass F eine Verteilungsfunktion ist und bestimmen Sie die zugehörige Wahrscheinlichkeitsdichte f . (ii) Sei X eine Zufallsvariable mit Verteilungsfunktion F . Bestimmen Sie E(X), Var(X) 1 sowie E X . Lösung: (i) Es gilt Z x F (x) = −∞ 3y 2 1[0,1] (y) dy. | {z } =:f (y) f ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte, da f ≥ 0 und Z 1 Z 3x2 dx = 1. f (x) dx = 0 R Somit ist F eine Verteilungsfunktion mit Wahrscheinlichkeitsdichte f . (ii) Für den Erwartungswert gilt Z 1 Z E(X) = 3 3x3 dx = . 4 xf (x) dx = 0 R Als Varianz erhalten wir 2 Z 1 3 9 3 9 3 Var(X) = E(X ) − E(X) = x f (x) dx − = 3x4 dx − = − = . 4 16 5 16 80 R 0 2 2 Z 2 Außerdem ist E 1 X Z = R 1 f (x) dx = x Z 0 1 3 3x dx = . 2 Aufgabe W6 Seien X1 , . . . , Xn unabhängige, identisch verteilte Zufallsvariablen, wobei X1 Exponential(λ)verteilt mit λ > 0 ist. Sei Y := min1≤i≤n Xi . Bestimmen Sie die Verteilungsfunktion und Dichte von Y . Welchen Verteilungstyp hat Y ? Lösung: Es ist FY (x) = 0 für x < 0. Für x ≥ 0 gilt FY (x) = P (Y ≤ x) = P =1− n Y min Xi ≤ x =1−P 1≤i≤n P (Xi > x) = 1 − eλx n min Xi > x = 1 − P 1≤i≤n ! \ {Xi > x} 1≤i≤n = 1 − eλnx . i=1 Im fünten Schritt haben wir die Unabhängigkeit der Xi verwendet. Als Wahrscheinlichkeitsdichte fY erhalten wir fY (x) = F 0 (x) = λneλnx 1[0,∞) (x). Y ist also Exponential(λn)- verteilt. Aufgabe W7 Die Anzahl der Kunden in einer Eisdiele an einem bestimmten Tag sei Poisson(λ)verteilt, wobei λ > 0. Jeder Kunde kauft mit Wahrscheinlichkeit p ein Eis für 1 Euro und mit Wahrscheinlichkeit 1 − p ein Eis für 2 Euro, unabhängig von allen anderen Kunden. Man bestimme die Verteilung der Anzahl X der Kunden, die ein Eis für 1 Euro kaufen. Lösung: Mögliche Werte von X sind 0, 1, 2, . . . . Sei Y die Anzahl aller Kunden. Für k ∈ N0 gilt: P (X = k) = ∞ X i=0 = 0 k ∞ X i=k =e =e−λ λi! falls i≥k i! λi pk (1 − p)i−k e−λ k!(i − k)! i! k −λ (pλ) ∞ X k! i=k | = e−pλ D.h. X ∼ Poisson(pλ). i falls i<k ( i )pk (1−p)i−k = P (Y = i) | {z } P (X = k|Y = i) {z } | (pλ)k k! 1 ((1 − p)λ)i−k (i − k)! {z } P = ∞ j=0 ((1−p)λ)j j! =e(1−p)λ Aufgabe W8 Wir wählen zufällig gemäß der Gleichverteilung einen Punkt (X, Y ) auf der Einheitskreisscheibe K = {(x, y) ∈ R2 : x2 + y 2 ≤ 1} aus. (i) Geben Sie die Wahrscheinlichkeitsdichte von (X, Y ) an. (ii) Bestimmen Sie die Randverteilungen von X und Y . Sind X und Y unabhängig? (iii) Berechnen Sie die Erwartungswerte E(X) und E(Y ). Lösung: (i) Die Wahrscheinlichkeitsdichte von (X, Y ) ist f(X,Y ) : R2 → R, (x, y) 7→ π1 1K (x, y). (ii) Um die Randverteilung zu anzugeben, genügt es die Dichte fX von X zu bestimmen. Diese erhält man durch Integration der gemeinsamen Dichte von X und Y nach y. Für x ∈ [−1, 1] gilt Z Z √1−x2 1 1 2√ fX (x) = 1K (x, y) dy = √ dy = 1 − x2 . π π π 2 R − 1−x Für x 6∈ [−1, 1] ist fX (x) = 0. p Analog bestimmt man die Dichte von Y zu fY (y) = π2 1 − y 2 1[0,1] (y) oder man führt die Symmetrie der Aufgabenstellung in x und y an, um dasselbe Ergebnis zu erhalten. p Da f (x, y) = π1 1K (x, y) 6= π42 (1 − y 2 )(1 − x2 ) = f (x)f (y) z. B. für (x, y) = (0, 0) sind die Zufallsvariablen X und Y abhängig. (iii) Aufgrund der Symmetrie des Systems gilt E(X) = E(Y ) = 0. Man kann natürlich auch rechnen . . . Aufgabe W9 Seien X1 , X2 , . . . unabhängige, identisch verteilte Zufallsvariablen mit E(X1 ) = 0 und σ 2 := Var(X1 ) < ∞. Sei Yn := 2Xn Xn+1 . (i) Berechnen Sie den Erwartungswert und die Varianz von Yn für n ∈ N. (ii) Berechnen Sie die Kovarianz Cov(Yi , Yj ) für i, j ∈ N. P (iii) Zeigen Sie, dass limn→∞ P n1 ni=1 Yi ≥ ε = 0 für alle ε > 0. Lösung: (i) Für n ∈ N gilt E(Yn ) = E(2Xn Xn+1 ) = 2E(Xn )E(Xn+1 ) = 2E(X1 )2 = 0. Im zweiten Schritt haben wir verwendet, dass die Zufallsvariablen Xn und Xn+1 unabhängig sind, im vorletzten, dass sie dieselbe Verteilung wie X1 haben. Analog bestimmen wir die Varianz: 2 2 Var(Yn ) = E(Yn2 ) − E(Yn )2 = E(4Xn2 Xn+1 ) = 4E(Xn2 )E(Xn+1 ) 4 2 2 = 4E(X1 ) = 4 Var(X1 ) = 4σ (ii) Für i, j ∈ N ist Cov(Yi , Yj ) = E (Yi − E(Yi ))(Yi − E(Yi )) = E(Yi Yj ) = 4E(Xi Xi+1 Xj Xj+1 ). Ohne Einschränkung können wir annehmen, dass i ≤ j. Falls i = j, erhalten wir Cov(Yi , Yj ) = Cov(Yi , Yi ) = Var(Yi ) = 4σ 4 . Ist i + 1 = j, so gilt wieder aufgrund von Unabhängigkeit der Zufallsvariablen Xi , Xi+1 und Xi+2 2 2 )E(Xi+2 ) = 0. Cov(Yi , Yj ) = 4E(Xi Xi+1 Xi+2 ) = 4E(Xi )E(Xi+1 Falls i + 1 < j, so sind i, i + 1, j, j + 1 alle verschieden, die zugehörigen Zufallsvariablen sind unabhängig und es folgt Cov(Yi , Yj ) = 4E(Xi Xi+1 Xj Xj+1 ) = 4E(Xi )E(Xi+1 )E(Xj )E(Xj+1 ) = 0. (iii) Mithilfe der Markov-Ungleichung ist 2 Pn 1 X E n2 n n i=1 Yi 1 n 1 X 1 X P = E Y Y ) = Cov(Yi , Yj ) Yi > ε ≤ i j n i=1 ε2 n2 ε2 i,j=1 n2 ε2 i,j=1 = n 4 X 4 4σ 4 σ = 2 −−−→ 0 n2 ε2 i=1 nε n→∞ Aufgabe W10 Sei (Xi )i∈N eine Folge von unabhängigen, Exponential(1)-verteilten Zufallsvariablen. (i) Zeigen Sie, dass n 1 X 8 X −−−→ 0 f.s. n2 i=1 i n→∞ (ii) Beweisen Sie, dass n X 1 P (Xi − 1) > 0 −−−→ n→∞ 2 i=1 Lösung: (i) Wir zeigen zuerst, dass X18 ∈ L4 . Da X1 Exponential(1)-verteilt ist, gilt Z ∞ Z ∞ Z ∞ x 8 4 32 −x 32 − x2 − x2 32 − y2 = x e dx = x e e dx ≤ sup y e E X1 e− 2 dx 0 = y 0 1 sup y 32 e− 2 2 y∈[0,∞) da y 32 e− 2 → 0. y < ∞, y∈[0,∞) 0 Somit ist das starke Gesetz der großen Zahlen anwendbar und es folgt n n 1 1X 8 1 X 8 X = · Xi −−−→ 0 f.s. n→∞ n2 i=1 i n n |{z} i=1 | {z } →0 f.s. →E(X18 )<∞ f.s. (ii) Da X1 ∈ L2 und E(X1 ) = Var(X1 ) = 1, erhalten wir mit dem zentralen Grenzwertsatz Z 0 n n X X x2 1 e− 2 dx. P (Xi − 1) > 0 = 1 − P (Xi − 1) ≤ 0 −−−→ 1 − √ n→∞ 2π −∞ i=1 i=1 Außerdem gilt Z 0 Z 0 Z 0 1 − x2 1 − x2 1 1 − x2 √ e 2 dx = √ e 2 dx + √ e 2 dx 2 2π 2π 2π −∞ −∞ −∞ Z 0 Z ∞ 1 − x2 1 1 − x2 √ e 2 dx + √ e 2 dx = 2 2π 2π 0 −∞ Z 1 ∞ 1 − x2 1 √ e 2 dx = , = 2 −∞ 2π 2 wobei wir im zweiten Schritt die Symmetrie des Integranden verwendet haben. Im dritten Schritt wurde über die Wahrscheinlichkeitsdichte einer Normalverteilung integriert. Insgesamt folgt die Behauptung.