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Diagnostik des Hodentumors
Der typische Leitbefund eines Hodentumors ist die schmerzlose Hodenvergrößerung, die entweder
selbst getastet wird oder durch ein Schweregefühl des tumortragenden Hodens auffällt. Die Diagnose
wird erhärtet durch die Sonografie beider Hoden sowie durch die Bestimmung der Tumormarker alfaFetoprotein (AFP), humanes ß-Choriogonadotropin (ß-hCG) und die Laktatdehydrogenase (LDH) im Blut.
Zur Diagnosesicherung erforderlich ist die operative Exploration des Hodens über einen Leistenschnitt.
Besteht kein Zweifel am Vorliegen eines bösartigen Hodentumors, wird der tumortragende Hoden bei
gesundem Gegenhoden komplett entfernt. Gegebenenfalls kann aus kosmetischen Gründen in gleicher
Sitzung eine Prothese in das Hodenfach eingelegt werden.
Ist präoperativ unklar, ob ein bösartiger oder gutartiger Hodentumor vorliegt, wird der Tumor enukleiert
und der sogenannten Schnellschnittuntersuchung zugeführt. Bei gutartigem Befund kann der Hoden
belassen werden, bei malignem Befund muss dieser entfernt werden. Wie wir in eigenen
Untersuchungen haben zeigen können, ist die Schnellschnittuntersuchung in erfahrenen Händen absolut
zuverlässig. Die Fehlerrate in der Beurteilung „bösartig versus gutartig“ liegt in den erfahrenen Zentren
bei < 1%.
Die Entnahme einer Gewebeprobe des vermeintlich nicht betroffenen Gegenhodens zum Ausschluss von
sogenannten Vorläuferzellen (Carcinoma-in-situ, testikuläre intraepitheliale Neoplasie) sollte bei
Vorliegen von Risikofaktoren (Hodenvolumen < 12ml, Alter < 30 Jahre, Fertilitätsstörungen) bei einem
Risiko von ca. 34% immer erfolgen. Hierbei ist eine Probe vom Ober- sowie vom Unterpol des Hodens zu
entnehmen und in einer speziellen Fixierungslösung (Bouin’sche Lösung) dem Pathologen zuzusenden,
der obligatorisch eine immunhistochemische Färbung gegen die auf der Zelloberfläche exprimierten
plazentaren alkalischen Phosphastase vornimmt, um die TIN-Zellen sicher zu identifizieren.
Liegt zeitgleich oder zeitversetzt zum Primärtumor ein beidseitiger Hodentumor vor, sollte entsprechend
der Leitlinien ein organerhaltendes Vorgehen in erfahrenen Zentren vorgenommen werden. Dieses von
unserer Arbeitsgruppe erstmals 1994 beschriebene Therapiekonzept erhält die körpereigene
Hormonproduktion bei über 80% der Patienten im Langzeitverlauf und ist nicht mit einem erhöhten
Risiko eines Lokalrezidivs verbunden (siehe unten). Nach der organerhaltenden Enukleation des Tumors
sollte der Resthoden jedoch einer Bestrahlung zugeführt werden, um die im Resthoden immer
vorkommenden Vorläuferzellen eliminieren zu.
Nach Entfernung des tumortragenden Hodens wird dieser entsprechend der Empfehlungen der WHO
genauestens mikroskopisch analysiert, um alle feingeweblichen Subtypen der testikulären
Keimzelltumoren identifizieren zu können. Ebenso muss das Vorliegen einer vaskulären Invasion
(Abbildung 4) beschrieben oder definitiv ausgeschlossen werden. Diese Informationen sind für die
spätere Therapieplanung wichtig, da beispielsweise ein hoher Anteil an embryonalem Karzinom in
Kombination mit einer vaskulären Invasion im klinischen Stadium I eines nichtseminomatösen KZT (siehe
unten) mit einer hohen Rate mikroskopischer Lymphknotenmetastasen assoziiert ist und die Option
einer adjuvanten Therapie eröffnet.
Stagingdiagnostik
Ist der maligne KZT histologisch gesichert, muss eine Umfelddiagnostik zum Ausschluss von Metastasen
eingeleitet werden. Hierzu wird in aller Regel eine Computertomografie (CT) des Thorax, des Abdomens
und des kleinen Beckens durchgeführt. Die Befundung insbesondere des CT der hinteren Bauchregion
(Retroperitoneum) sollte immer gemeinsam durch den Urologen und Radiologen erfolgen und die
primären Lymphabflussstationen des Hodens berücksichtigen. So findet sich die primäre
Lymphknotenstation eines rechtsseitigen Hodentumors in der interaortocavalen Region und diejenige
eines linksseitigen Hodentumors in der präaortalen bzw. paraaortalen Region jeweils in Höhe der
Nierengefäße. Zur adäquaten Beurteilung der Lymphknoten ist es immer erforderlich, den transversalen
und den longitudinalen Durchmesser der Lymphknoten zu bestimmen: ein Längsdurchmesser von 1cm
in der primären Lymphabflusszone bei entsprechenden Risikofaktoren im Primärtumor ist fast immer mit
einer Mikrometastasierung assoziiert und bedarf einer entsprechenden Therapie. Eine
Kernspintomografie des Bauchraumes führt gegenüber dem CT nicht zu einer besseren Aussagekraft, ist
jedoch aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung gerade in der Nachsorge zu bevorzugen. Die
Positronenemissionstomografie (PET/CT) spielt in der primären Diagnostik keine Rolle.
Der halbwertszeitgerechte Abfall der Tumormarker AFP (Halbwertszeit: 5-7 Tage) und ß-hCG
(Halbwertszeit: 24-36 Stunden) sowie deren absolute Höhe nach Ablatio testis bestimmen in
Zusammenschau mit den Befunden der bildgebenden Umfelddiagnostik die weitere Prognose und die
individuell sinnvollste Therapie. Ein nicht halbwertszeitgerechter Abfall oder eine Plateaubidung unter
Therapie spricht für eine ungünstige Prognose und macht eine frühzeitige Umstellung der Therapie
erforderlich.
Basierend auf der Höhe der Tumormarker und der Ausdehnung sowie Lokalisation möglicher Metastasen
erfolgt die klinische Stadieneinteilung nach der Lugano-Klassifikation (Tabelle 1) bzw. der Klassifikation
der International Germ Cell Cancer Consensus Group (IGCCCG, Tabelle 2). Die IGCCCG-Klassifikation ist
die bei fortgeschrittener Metastasierung eingesetzte Klassifikation und bestimmt die Intensität der
systemischen Therapie.
Tabelle 1: Lugano-Klassifikation
Stadium
Definition
I
• halbwertszeitgerechter Abfall der Tumormarker
• keine sichtbaren Metastasen in der Bildgebung
• Tumor auf den Hoden begrenzt
IIA
Retroperitoneale Lymphknotenmetastasen < 2cm
IIB
Retroperitoneale Lymphknotenmetastasen 2.1-5 cm
IIC
Retroperitoneale Lymphknotenmetastasen > 5cm
IIIA
Supraclavikuläre oder mediastinale Metastasen
IIIB
Lungenmetastasen:
Minimal: < 5 Metastasen in jedem Lappen, aber < 2 cm
fortgeschritten: >5 Metastasen in jedem Lappen oder 1 Läsion > 2cm
IIIC
Extrapulmonale Metastasen
Tabelle 1: Lugano-Klassifikation; beachte: ab Stadium IIC wird zur Prognosebeurteilung und
Therapieplanung die IGCCCG-Klassifikation verwendet
Tabelle 2: IGCCCG-Klassifikation
Prognose
Seminom
Nichtseminom
Günstig
Heilungsrate: 95%
Jede Primärlokalisation
Keine nichtpulmonalen
viszeralen Metastasen
AFP negativ
ß-hCG < 1.000 ng/ml
LDH < 1.5fach der Norm
testikuläre oder retroperitoneale
extragonadale Primärlokalisation
Keine nichtpulmonalen viszeralen
Metastasen
AFP < 1.000 ng/ml
ß-hCG < 1.000 ng/ml
LDH < 1.5fach der Norm
intermediär
Heilungsrate: 70%
Jede Primärlokalisation
extrapulmonale viszerale
Metastasen
Primärlokalisation: Hoden,
extragonadal retroperitoneal
Keine nichtpulmonalen viszeralen
Metastasen
AFP 1.000 – 10.000 ng/ml
ß-hCG 1.000 – 10.000 ng/ml
LDH 1.5 – 10fch der Norm
AFP 1.000 – 10.000 ng/ml
ß-hCG 1.000 – 10.000 ng/ml
LDH 1.5 – 10fch der Norm
Ungünstig
Heilungsrate: 50%
Tabelle 2: IGCCCG-Klassifikation
Primär mediastinaler KZT
Extrapulmonale viszerale
Metastasen
AFP > 10.000
ß-hCG > 10.000
LDH > 10fach der Norm
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