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Psychosomatische
Grundversorgung
G. Tuinmann
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UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Psychosomatische Grundversorgung
Literatur Empfehlungen
„Blaue Reihe“
Insbesondere für
Störungstheorie und
Therapie spezifischer
Störungen
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Psychosomatische Grundversorgung
• Hohe Inzidenz psychischer und
psychosomatischer Erkrankungen in Haus- und
Facharztpraxen
• Mangelhafte Diagnostik und Behandlung
• 30% akute behandlungsbedürftige psychische
Erkrankungen in der Allgemeinarztpraxis
• Nur ca. 1/5 erhalten psychotherapeutische
Behandlung
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Psychosomatische Grundversorgung
Die Bedeutung des ärztlichen Gespräches für Diagnostik
und Therapie
• 1/3 bis ½ der Arbeitszeit entfallen auf Gespräche mit
Patient oder Angehörigen
• Nach Anamnesegespräch können 70%, zusammen mit
der körperlichen Untersuchung 90% aller Diagnosen
richtig gestellt werden
• Die Kooperation des Patienten und damit der Erfolg oder
Misserfolg hängen in hohem Maß von der Qualität der
Arzt-Patient-Kommunikation ab
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Psychosomatische Grundversorgung
Erstkontakt
• Angenehme Atmosphäre
• Ausreichend Zeit
• Freundliche warmherzige Begrüßung
• offene akzeptierende Haltung, aber dennoch ausreichende Distanz
• Neugierde
• Bewährte Einstellungen und Techniken
– Innehalten, Geduld haben, abwarten
– Zuhören (ungeteilte Aufmerksamkeit)( gleichzeitig beobachten)
– Fragen
– Die Person des Arztes als diagnostisches Instrument und
– …Medikament
– Von der subjektiven Wirklichkeit des Patienten zu einer
gemeinsamen Wirklichkeit
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Psychosomatische Grundversorgung
Mängel und Fehler
• Unterbrechungen von Schilderungen des Patienten (durchschnittlich
nach 18 Sek)
• Mangelnde Strukturierung des Gesprächs
• Einengung des Patienten durch Suggestivfragen und geschlossene
Fragen
• Nichteingehen auf emotionale Äußerungen
• Unklare und missverständliche Erklärungen zu
Untersuchungsbefunden, Krankheitsdiagnosen und therapeutischen
Empfehlungen
• Vertikale Kommunikation
• Zu rasche Psychologisierung des Problems bei fehlendem
Psychosomatischen Krankheitsverständnis
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Psychosomatische Grundversorgung
Arztzentriert 1-3 min
Patientenzentriert 3-1 min
Arztzentriert 1-5 min
Patientenzentrierte Kommunikation
• Pausen (von mind.) drei Sekunden einhalten
– Nur wenn sich Patient in Detail verliert, dann arztzentrierte Gesprächsführung:
„Können Sie mir ihren Schwindel näher beschrieben“ oder „Sind die Schmerzen
eher stechend oder stumpf?“
• Nonverbale und verbale Ermutigung zur Weiterrede
• Zusammenfassen statt neue Fragen zu stellen (Passung Zwischen
Patient und Arzt)
• Nicht unbedingt zeitinteniver – viele Informationen werden generiert;
diagnostische Umwege können vermieden, verstrauensbildende
Massnahme
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Psychosomatische Grundversorgung
Arztzentriert 1-3 min
Patientenzentriert 3-1 min
Arztzentriert 1-5 min
Arztzentrierte Kommunikation
•
•
•
•
Zeitrahmen bestimmen
Informationen thematisch gliedern
Information verständlich mitteilen
Themenwechsel ankündigen, Verständlich machen, warum gefragt
wird
• Auf mögliche Störungen hinweisen
• Gesprächsende ankündigen
• Rückfragen, ob alles richtig verstanden wurde
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Psychosomatische Grundversorgung
• „Liebling, das Bier ist alle“
Schulz von Thun entwickelte ein psychologisches Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation. Demnach enthält jede Mitteilung vier Botschaften
gleichzeitig. Die vier Seiten einer Nachricht:
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Psychosomatische Grundversorgung
• „Liebling, das Bier ist alle“
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Psychosomatische Grundversorgung
• „Liebling, das Bier ist alle“
• Selbstoffenbarung: ich habe das Bier getrunken
und habe noch Durst (stellt sich selbst dar)
• Sachverhalt: Die Bierflasche ist leer (teilt
Sachinformation mit)
• Beziehung: Ich erwarte, dass Du mich bedienst
(Drückt das Verhältnis zum Empfänger aus)
• Appell: Hole mir ein Bier (versucht den
Empfänger zu beeinflussen)
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Psychosomatische Grundversorgung
• „Liebling, das Bier ist alle“
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Psychosomatische Grundversorgung
• „Liebling, das Bier ist alle“
• Selbstoffenbarungsohr: er ist noch durstig
• Sachverhaltsohr: die Bierflasche ist leer
• Beziehungsohr: er behandelt mich wie eine
Sklavin – er nutzt mich aus
• Appellohr: ich soll ihm ein Bier holen
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Psychosomatische Grundversorgung
• „Herr Doktor, Ihre Tabletten wirken nicht“
• Selbstoffenbarungsohr: er hat immer noch
Beschwerden; er hat Angst vor
Verschlechterung
• Sachverhaltsohr: die Tabletten sind wirkungslos
• Beziehungsohr: er hält mich für keinen guten
Arzt
• Appellohr: ich soll ihm andere Tabletten
verschreiben
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Psychosomatische Grundversorgung
• Aktives Zuhören und Umgang mit Gefühlen
•
•
•
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Offen ausgedrückte
Emotionen direkt aufgreifen
(Spiegeln)
Nonverbal ausgedrückte
Emotionen als Vorschlag
anbieten
Nicht klar ausgedrückte
oder vermutete Emotionen
ansprechen
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Psychosomatische Grundversorgung
Zusammenfassung
• Eine gute Gesprächsführung in einer partnerschaftlichen ArztPatient-Beziehung besteht in einem ständigen Abstimmungsprozess
• Grundhaltung ist eine respektvolle Neugier.
• Folgende Gesprächstechniken sind hilfreich
– Pausen
– Parapharasieren
– Zusammenfassen
– Eingehen auf Gefühlsmäßige Äußerungen
• Arzt ist für Strukturierung und Beendigung verantwortlich
• Zusammenspiel von ärztlicher Grundhaltung und bewusst
eingesetzter Techniken charakterisieren ein gutes ärztliches
Gespräch
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Psychosomatische Grundversorgung
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
• Somatoforme Störung
• Angstkrankheiten
• Essstörungen
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Psychosomatische Grundversorgung
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
• Somatoforme Störung
• Angstkrankheiten
• Essstörungen
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Soma bedeutet Körper, Leib
Erkrankungen, mit der Form körperlicher
Erkrankungen, ohne Befund
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Häufigkeit organisch unerklärter
Körperbeschwerden
 ”Normale”
Körperbeschwerden: 90%
innerhalb 1 Woche
Hausärztliche Versorgung: 20-40%
Fachärzte: zwischen 5 und 50%
(Dermatologie → Gastroenterologie
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
 Bei 75% aller Patienten, die wegen Körperbeschwerden
zum Hausarzt gehen, kommt es innerhalb von 2 Wochen
zu Besserung/ Rückbildung
 Bestimmte Beschwerden chronifizieren und dann erfolgt
erst nach 5-6 Jahren eine psychosomatischpsychotherapeutische Untersuchung/ Behandlung
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
 Der Patient ist durch körperliche Beschwerden belastet,
für die keine ausreichende organische Ursache
gefunden werden konnte
 Der Patient glaubt, dass diese körperlichen
Beschwerden Ausdruck einer organischen Erkrankung
sind
 Der Patient sucht Hilfe bei primär somatisch
ausgebildeten Ärzten
 Die körperlichen Beschwerden stehen in
Zusammenhang mit aktuellen oder zurück liegenden
psychischen und sozialen Belastungen
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
 Somatisierungsstörung (F45.0)
 Undifferenzierte somatoforme Störung (F45.1)
 Hypochondrische Störung (F45.2)
 Somatoforme autonome Funktionsstörung
(F45.3x) z.B. Herzneurose, Magenneurose,
Dysurie
 Anhaltende somatoforme Schmerzstörung F45.4
 Chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren (F45.41)
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
 Somatoforme Störungen sind häufig:
 ASS: 2-Jahreprävelenz 20-30%
 Somatoforme Störungen insgesamt:
Lebenszeitprävalenz: 16%
 Somatisierungsstörung Lebenszeitprävelenz: 1%
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
a) Mind. 2 Jahre mit multiplen körperlichen Beschwerden, die durch
keine diagnostizierbare körperliche Krankheit erklärt werden
Können.
b) Mehrfaches Aufsuchen medizinischer Einrichtungen aufgrund der
ständigen Sorge um die Symptome
c) Medizinische Feststellung, dass keine körperlichen Ursachen für
die Symptome vorliegen, werden nicht akzeptiert
Somatisierungsstörung
(F45.0)
d) Insgesamt mind. 6 weitere Symptome aus mindestens 2
verschiedenen der folgenden Gruppen:
Gastrointestinale Symptome
Kardiovaskuläre Symptome
Urogenitale Symptome
Haut- und Schmerzsymptome
e) Ausschlusskriterium: Störung tritt nicht ausschließlich während
einer Schizophrenie oder einer verwandten Störung (F2), einer
affektiven Störung (F3) oder einer Panikstörung (F41.0) auf.
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
a) Mind. 6 Monate anhaltende Überzeugung an schwerer
körperlichen Krankheit zu leiden oder anhaltende Beschäftigung
mit einer vom Betroffenen angenommenen Entstellung oder
Missbildung
Hypochondrische
Störung
(F45.2)
b) Sorge verursacht andauerndes Leid oder eine Störung des
alltäglichen Lebens und veranlasst den Patienten, um
medizinische Behandlungen oder Untersuchungen
nachzusuchen
c) Medizinische Feststellung, dass keine körperlichen Ursachen
für die Symptome vorliegen werden nicht akzeptiert
d) Ausschlusskriterium: s. Ausschlusskriterium F45.0
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Somatoforme
autonome
Funktionsstörung
(F45.3)
a) Symptome der autonomen (vegetativen) Erregung, die von den
Patienten einer körperlichen Krankheit in einem oder mehreren
der folgenden Systeme oder Organe zugeordnet werden:
Herz und kardiovaskuläres System
Oberer/unterer Gastrointestinaltrakt
Respiratorisches System
Urogenitalsystem
b) Zwei oder mehr der folgenden vegetativen Symptome
Palpitationen
Schweißausbrüche
Mundtrockenheit
Hitzewallungen oder Erröten
Druckgefühl im Epigastrium, Kribbeln/Unruhe im Bauch
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Somatoforme
autonome
Funktionsstörung
(F45.3)
c) Eines oder mehr der folgenden Symptome
Brustschmerzen/Druckgefühl in der Herzgegend
Dyspnoe oder Hyperventilation
Außergewöhnliche Ermüdbarkeit bei leichter Anstrengung
Aerophagie, Singultus oder brennendes Gefühl im Brustkorb
oder im Epigastrium
Bericht über häufigen Stuhlgang
Erhöhte Miktionsfrequenz oder Dysurie
Gefühl der Überblähung oder Völlegefühl
d) Kein Nachweis einer Störung von Struktur oder Funktion der
Organe oder Systeme, über die die Patienten klagen
e) Häufigstes Ausschlusskriterium: Die Symptome treten nicht
ausschließlich im Zusammenhang mit einer phobischen (F40.0F40.3) oder einer Panikstörung (F41.0) auf
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Anhaltende
somatoforme
Schmerzstörung
(F45.4)
a) Mindestens 6 Monate kontinuierlicher, an den meisten Tagen
anhaltender, schwerer und belastender Schmerz in einem
Körperteil, der nicht adäquat durch den Nachweis eines
physiologischen Prozesses oder einer körperlichen Störung
erklärt werden kann, und der anhaltend der Hauptfokus für die
Aufmerksamkeit der Patienten ist.
b) Häufigstes Ausschlusskriterium: Die Störung tritt nicht während
einer Schizophrenie oder einer verwandten Störung (F20-F29)
auf oder ausschließlich während einer affektiven Störung (F30F39), einer Somatisierungsstörung (F45.0), einer
undifferenzierten somatoformen Störung (F45.1) oder einer
hypochondrischen Störung (F45.2)
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Chronische
Schmerzen mit
somatischen und
psychischen
Faktoren (F45.41)
Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen seit
mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen in einer
oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren
Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder
einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren
wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation
oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen,
jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der
Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise
Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen
oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz
wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht.
Schmerzstörungen insbesondere im Zusammenhang mit
einer
affektiven,
Angst-,
Somatisierungsoder
psychotischen Störung sollen hier nicht berücksichtigt
werden.
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Rene Descartes 1640:
...Schmerz als unidirektionales,
nozizeptives ReizReaktionsmuster...
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Biologisch
 Stoffwechselstörungen (z.B. Serotonin,
Dopamin, Cortisol)
 Erhöhte physiologische Reaktionsbereitschaft, somatosensorische
Amplifizierung
 Periphere und zentrale Sensibilisierung,
Verlust der körpereigenen
Schmerzhemmung
 Symptomgedächtnis
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Mit Hilfe des PET-Verfahrens kann man sichtbar machen, dass sich bei
Patienten mit chronischen Schmerzen das komplizierte System der
Botenstoffe und ihrer Bindungsstellen in jenen Hirnregionen verändert
hat, die Schmerzsignale aus dem Körper verarbeiten (Thalamus, Kortex
und Hirnstamm). Die Aufnahmen zeigen Messungen bei Gesunden
(links) sowie bei Patienten mit chronischen Schmerzen (rechts): In der
Hirnrinde wird die veränderte Bindung von Opioiden anhand der
unterschiedlichen Einfärbung deutlich (rot: normale Bindung; gelb:
verminderte Bindung).
neuropathischer Schmerz > Veränderung der Neuroplastizität >
Ausbildung eines Schmerzgedächtnis > Chronifizierung
Aus: BMBF, Informationsbroschüre chronischer Schmerz, 2005
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Genetische Prädisposition
Chronische Erkrankungen in der Familie: häufig gleiches
Geschlecht, gleiche Lokalisation
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Bevavioral
• elterliche Modelle
• Klassische und operante Konditionierung
• Primärer/Sekundärer
Krankheitsgewinn
• Somatosensory amplification
• Schonverhalten
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Körperliche Veränderungen
Missempfindungen,
Körperreaktionen
Auslöser, Trigger
Wahrnehmung
Krankheitsverhaltensweisen
Checking behaviour;
erhöhte Wahrnehmung
Arztbesuche; Doktorshopping
Medikamenteneinnahme
Schonungsverhalten
Übermäßige Gesundheitssorgen
Symptomverstärkung
Erhöhte Aufmerksamkeit
Fehlinterpretation
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Schmerz/Aktivitätsintoleranz
Überlastung Gelenke
Bindegewebe
Muskelatrophie
Haltungsverfall
Schonung
Bewegungsstörung
Abbau aktiver Kompensationsmechanismen
Rief & Hiller 1998
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Prädisponierende Persönlichkeitstypen
(Alexithymie, interozeptiver Wahrnehmungsstil d.h.
Neigung zur Selbstbeobachtung, unsichere, ängstlichvermeidende Bindungsstile)
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Kognitionen
 eingeengter Gesundheitsbegriff
 Falsche Kontrollüberzeugungen und
Kausalattribuierungen,
 Katastrophisieren, Bagatellisieren
 Fear avoidance beliefs
 Aufmerksamkeit
 Geringe Selbstwirksamkeitserwartung
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Psychosozial
Lebensereignisse (Verlusterlebnisse, Gewalt, sexueller
Missbrauch, späteres Trauma, Lebensabschnitte,
Immigration)
Der Körper vergißt nicht, sagt van
der Kolk, und die Seele auch nicht,
sie verdrängt höchstens oder leitet
ihre Erregung in den Körper um
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Psychosozial
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Psychosozial
Lebensereignisse (Verlusterlebnisse, Gewalt, sexueller
Missbrauch, späteres Trauma, Lebensabschnitte,
Immigration)
Soziale Faktoren (schlechte sozio-ökonomische Lage,
soziokulturelle Prägung, Familienmitglieder mit
Substanzmissbrauch und/oder soziopathischen Zügen)
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Iatrogen
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Risikofaktoren
Iatrogen
 Vorschnelle Mitteilung organischer Verdachtsdiagnosen
(z.B. vor Abschluss der Untersuchungen)
 Fehlinterpretation von Bagatell- und Zufallsbefunden
 Verschreibung von Medikation trotz zweifelhafter
Diagnose
 Ausschließlich negative Erklärung der Beschwerden
(„Sie haben nichts“)
 Widerspruch zwischen Beruhigung und Medikation
 Mangelnde Kommunikation mit anderen Behandlern
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Therapie – allgemein (n. Rief, 2007)
 Entgegennehmen der Symptomklage, Begleiten und Bestätigen der
Glaubhaftigkeit der Beschwerden
 Hohe Ansprüche relativieren, Bewältigung statt Heilung
 Vollständige Exploration der körperlichen und möglichen
psychischen Ursachen sowie der Einschränkung durch die
Beschwerden sowie von Bewältigungsversuchen
 Ursachenüberzeugung des Patienten erfragen; Erfahrungen mit
Vorbehandlungen und Entwicklung von Krankheitsmodellen
 Initialer Verzicht auf Deutung von Zusammenhängen
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Therapie – allgemein (n. Rief, 2007)
 Frühzeitiges Besprechen einer möglichen Störung der
Wahrnehmung von Körperprozessen als Ursache der Beschwerden
 Geplante, nicht redundante, zeitlich geraffte Diagnostik
 Besprechen von geplanten Schritten und ihren Konsequenzen
 Besprechen im Vorwege, wann die Diagnostik beendet wird
 Vermeidung von unnötigen Eingriffen und Bagatelldiagnosen
 Diagnose stellen und dem Patient mitteilen
 Aktiv Informationen geben über somatoforme Zusammenhänge
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Therapie – allgemein (n. Rief, 2007)
 Motivation zur Psychotherapie nicht als Bringschuld des Patienten,
sondern als Ziel der Anfangsphase
 Medikamente kontrolliert einsetzen
 Struktur vorgeben und Zeitstruktur einhalten (Termine nicht länger
als geplant)
 Regelmäßige Termine vergeben (zeit- vs. symptomkontingent)
 Motivation zu Stressabbau sowie körperlicher Bewegung.
Inadäquatem Schonverhalten sollte vorgebeugt werden.
 Kooperation mit anderen Behandlern
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Psychosomatische Grundversorgung
Somatoforme Störung
Therapie – speziell
Psychotherapie
Kognitive Verhaltenstherapie
Entspannung
Bewegung
Kreativtherapien (Musik-, Kunst- Bewegungstherapie)
Medikamentöse Therapie
(Ernährung)
(Physikalische Therapie)
(Physiotherapie)
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Psychosomatische Grundversorgung
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
• Somatoforme Störung
• Angstkrankheiten
• Essstörungen
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Angst ist sinnvoll und notwendig als:
–
–
–
–
Alarmsignal auf bedrohliche Ereignisse
Vorbereitung des Körpers auf schnelles Handeln
Bereitschaftszustand für Flucht und Vermeidung
Angst ist ein normaler und notwendiger Teil unseres
Lebens (insbesondere Schwellensituationen)
– Angst äußert sich im Verhalten, in den Gedanken, in
den Gefühlen und in körperlichen Reaktionen
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Angst wird dann zur Krankheit, wenn:
–
–
–
–
–
–
sie unangemessen stark ist
Sie zu häufig und zu lange auftritt
man die Kontrolle über sie verliert
man Angstsituationen meiden muss
sie zur Einschränkung des täglichen Lebens führt
man stark unter ihr leidet.
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Ursachen:
– Biologisch: erhöhtes physiologisches
Erregungsniveau
selektive Aufmerksamkeit für
bedrohnungsrelevante
Stimuli
– Neurobiologisch: Über Verbindungen zum
Hirnstamm und Hypothalamus scheint die
Amygdala Stressreaktionen, das
autonome Nervensystem und das Verhalten
zu beeinflussen
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Ursachen:
– Klassische und operante Konditionierung,
Zwei-Faktoren-Theorie nach Mowrer
(Neutraler Reiz>Traumatisches Ereignis>
konditionierten
Reiz>Vermeidung>Reduktion der Angst)
– Bei Panikstörung: interozeptive
Konditionierung: Erfahrung eigener
körperliche Erfahrungen oder
schwerwiegende Krankheiten in der
Familie.
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Ursachen:
– Kognitive Theorien:
• (n. Beck): frühere negative Erfahrungen führen zu
ungünstigen kognitiven Schemata oder
Grundüberzeugungen:
– z.B. bei Angststörungen; unrealistische Bewertungen von
Bedrohungsreizen; Vermeidung verhindert Änderung
dysfunktionaler Überzeugungen
– „Das Leben ist voller Gefahren“, „Jederzeit kann mich ein
Schicksalsschlag heimsuchen“
– Automatische Gedanken: „Mein Herz klopft merkwürdig,
es könnte ein gefährlicher Herzinfarkt drohen
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Ursachen:
– Psychobiologischer Teufelskreis
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Ursachen:
– Psychosoziale Disposition:
• Gestörte emotionale Entwicklung und Affektabstimmung
(Fremdeln; Individuations-Seperationsphase; Trotzalter;
Geschlechtsunterschiede; Schule, Pubertät)
• Häufig unsicher-ambivalentes Bindungsverhalten;
Rollenmodell (selbstunsichere Mutter); schlecht
integrierte/instabile Selbst- und Objektrepräsentanzen
– Belastende Lebensereignisse
• Verluste: Trennung, Scheidung, Tod, Krankheit, Job
• Chronische Belastungssituationen (Arbeitsplatz, Familie,
Partnerschaft)
• Veränderung der Lebenssituation, Neue Anforderungen,
Innere Konflikte
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Epidemiologie und Diagnostik:
– Angstkrankheiten zählen zu den häufigsten
psychischen Störungen (Lebenszeitprävalenz ca.
30%)
•
•
•
•
Spezifische Phobie (4-9%)
Soziale Phobie (13%)
Agoraphobie (5%)
Panikstörung (2-3%) F41.0: Plötzlich auftretende Angst, kein
eindeutiger Auslöse
• Generalisierte Angststörung (8,5%): oft monatelang
andauernde Ängste, Sorgen, Befürchtungen,
Schlafstörungen, vielfältige körperliche Symptome
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Therapie:
Selbstsichere,
mütterlichfürsorgliche Arzt versucht dem
Patienten Schutz, Geborgenheit
und Wärme zu geben
Cave: Autonomiegefährdung
Kein stabiles inneres Objekt
Kein Gefühl der Sicherheit
Angepasstes Verhalten, hohe
Erwartungen
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Therapie:
Kein stabiles inneres Objekt
Kein Gefühl der Sicherheit
Angepasstes Verhalten, hohe
Erwartungen; nach Beruhigung
fordernd; klammernd
Selbstunsichere Arzt mit depressiven
Persönlichkeitsanteilen möchte den
Patienten eher loswerden; vermeidet
sich in die Hilflosigkeit einzufühlen; ist
von anklammernden, fordernden
Patienten irritiert
Besser: Vermeidung von Überfürsorglichkeit , ohne den
Patienten alleine zu lassen oder ihn zu überfordern
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Therapie:
• Allgemein: Kontakthunger und Bedürfnis nach Sicherheit
ertragen; Konstanz und Sicherheit vermitteln;
Idealisierung abbauen; kein Therapeutischer
Aktionismus, Realistische Behandlungsziele;
gemeinsame Behandlungsplanung
• Autonomie, d.h. Selbstständigkeit und
Eigenverantwortung stärken (Ressourcenaktivierung)
• Entspannungsverfahren (auch Atemtherapie)
• Durchbrechung des Teufelskreises (Konfrontation,
Korrektur der Fehlwahrnehmung und Fehlinterpretation)
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Therapie:
• Abbau von Vermeidungsverhalten
• Medikation:
– Benzodiazepine nur sehr kurzfristig
– Hopfen- oder Baldriankombinationen, Lasea
– AD (Wirkungseintritt 2-4 Wochen; Behandlung
mindestens 4-6 Monate)
• Imipramin 50-150mg/Tag
• SSRI, (SNRI)
• Pregabalin bei gen. Angststörung
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Psychosomatische Grundversorgung
Angstkrankheiten
• Therapie:
Spezifische verhaltenstherapeutische Therapieverfahren bei
unterschiedlichen Angststörungen (n. Margraf u. Schneider 1990)
Panikstörung
Reattribution körperliche und Psychischer Symptome,
Konfrontation mit internen Reizen (z.B. Herzklopfen)
Agoraphobie
Konfrontation in vivo mit angstauslösenden Situationen
Soziale Phobie
Gruppentherapie Konfrontation in vivo und in sensu,
Reattribution von Verhaltensweisen anderer; Training
sozialer Kompetenz
Spezifische
Phobie
Konfrontation mit angstauslösenden Reizen, evtl.
systematische Desensibilisierung
Generalisierte
Angststörung
Angstbewältigungstraining, Entspannungstraining,
Grübelkonfrontation
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Psychosomatische Grundversorgung
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
Spezielle Krankheitsbilder - Interventionen
• somatoforme Störung
• Angstkrankheiten
• Essstörungen
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Essstörungen
Essstörungen
• Internistische und psychosomatische
Aspekte
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