Marktversagen Bauökonomie 23.11.2004 Wieso ist die vollständige Konkurrenz die ideale Marktform? è Paretooptimalität Maximierung der Produzenten- und Konsumentenrenten è Im Marktgleichgewicht gilt: Preis = Grenznutzen = Grenzkosten è Das freie und eigennützige Verhalten der Konsumenten und Unternehmen steuert die Wirtschaft. è Dank dieser dezentralen Organisation passt sich die Wirtschaft flexibel an neue Ereignisse, Produkte und Technologien an. 1 Marktversagen = sozial unerwünschtes oder ökonomisch ineffizientes Marktergebnis l Nicht-ökonomische Betrachtung è „ungerechte“ Verteilung è illegaler Handel mit verbotenen Gütern è ethische Bedenken Verletzung von Gleichheits- oder Fairness-Postulaten è Unterlaufen von Regulierungs- oder Steuerungsabsichten Ökonomische Sicht è Monopole & Oligopole è externe Effekte è öffentliche Güter è l Nicht-ökonomische Sicht l Beispiele è Schwarzarbeit è Drogenmarkt è Hehlerei è Elfenbeinhandel è Prostitution è Markt für „Scheinehen“ è Zigarettenschmuggel l Aber: Aus ökonomischer Sicht liegt nicht automatisch Marktversagen vor; diese Märkte sind nicht selten Ausdruck tatsächlicher Nachfrage trotz Verboten und sozialer Ächtung, oder sie sind Reaktion auf hohe Steuern und Abgaben. 2 Monopol l Ein Monopol ist der einzige Anbieter einer Ware auf dem Markt. è Es verfügt also über Marktmacht è Es kann sich einen Punkt auf der Nachfragekurve aussuchen. è Es kann entweder den Preis oder die Menge festlegen. Beispiel: Zu welchem Preis soll Microsoft die Windows Software verkaufen? Wenn ein Monopol einen Preis festsetzt, bestimmt es gleichzeitig den Umsatz. Preis Bei einer Preissenkung è steigt der Ertrag, weil die Menge steigt è sinkt der Ertrag, weil die gesamte Produktion zum niedrigeren Preis verkauft werden muss. Marktnachfrage = Nachfrage des Monopols Windows Software (pro Monat) 3 Die Preiselastizität gibt uns diese Information! ε x,p = - unendlich ε x,p = - 1 ε x,p = 0 60 wenn ε x , px ε x , px < -1 nimmt px x zu Preis solange x 50 Preis mal Menge = Umsatz > -1 nimmt px x ab 40 x 30 20 x 10 0 0 10 20 30 40 Preis mal Menge Menge 600 400 200 0 0 10 20 30 40 Menge Gewinnmaximierung des Monopols l Wie bei vollkommener Konkurrenz gilt: è l Solange die letzte Einheit den Gesamtertrag um mehr als ihre Kosten erhöht, lohnt es sich, diese Einheit zu produzieren. Gewinn ist maximal, wenn Grenzertrag = Grenzkosten 4 Grenzertrag = Steigerung des Gesamtertrags durch eine zusätzlich verkaufte Einheit Menge Preis 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 50 47 43 40 37 34 30 27 24 20 17 14 10 7 4 1 Ertrag Grenzertrag 0 47 86 120 147 168 181 188 189 183 170 151 125 92 53 8 47 39 34 27 20 14 7 1 -6 -13 -19 -26 -33 -39 -46 Grenzertrag = Preis ∆ Ertrag ∆ Menge 50 40 30 20 Nachfrage Grenzertrag 10 0 0 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) Gewinnmaximierung eines Monopolisten Grenzertrag = Grenzkosten Preis 50 ... und zu diesem Preis wird verkauft. Grenzkosten 40 35 30 Hier sind die Grenzkosten gleich dem Grenzertrag. 20 Nachfrage Grenzertrag 10 Deshalb wird diese Menge angeboten ... 0 0 4.7 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) 5 Gewinnmaximierung des Monopols: Formelle Herleitung Gewinn = Preis mal Menge - Gesamtkosten max. G(x) = P xx - K(x) x dG(x) dPxx dK(x) ____ = ____ - ____ = 0 dx dx dx Px = a + bx dPxx dK(x) ____ = ____ dx dx Grenzertrag = Grenzkosten Pxx = (a+bx) x = ax + bx2 dP xx ____ = a + 2bx dx Bei linearen Nachfragekurven hat die Grenzertragskurve die doppelte Steigung der Nachfragekurve. Wohlfahrtsanalyse des Monopols Preis 50 Konsumentenrente Grenzkosten 40 35 30 Monopolgewinn „normaler“ Gewinn 20 Nachfrage Grenzertrag 10 0 0 4.7 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) 6 Wie gross ist der Wohlfahrtsverlust ? Wohlfahrtsverlust gegenüber vollkommener Konkurrenz Preis 50 Konsumentenrente Preis bei vollkommener Konkurrenz Monopolgewinn „normaler“ Gewinn Menge bei vollkommener Konkurrenz Grenzkosten 40 35 30 20 Nachfrage Grenzertrag 10 0 0 4.7 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) Wie gross ist der Wohlfahrtsverlust ? Preis 50 Grenzkosten 40 Preis für Konsumenten steigt 35 30 Produktion und Konsum sinken 20 Nachfrage Grenzertrag 10 0 0 4.7 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) 7 Wie gross ist der Wohlfahrtsverlust ? der Kuchen wird kleiner und wird umverteilt Natürliche Monopole l Manchmal ist ein Monopol gerechtfertigt: Wenn die Produktion bei Preis = Grenzkosten zu Verlusten führt, da Preis < Durchschnittskosten. è Bei hohen Fixkosten und niedrigen Grenzkosten (zum Beispiel Telefon-, Wasser- und Stromnetze). 8 Natürliche Monopole Preis Wenn die Grenzkosten die Nachfragekurve unter der Durchschnittskostenkurve schneiden, kann ein Monopol gerechtfertigt sein. Hier würde kein Unternehmen anbieten. 50 Grenzkosten 40 30 Verlust 20 Durchschnittskosten 10 Nachfrage 0 0 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) Preis Natürliche Monopole Das Monopol würde diese Menge anbieten 50 Grenzkosten 40 Gewinn 30 20 Durchschnittskosten 10 Nachfrage Grenzertrag 0 0 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) 9 Preis Natürliche Monopole Hier werden die Kosten durch den Ertrag gerade gedeckt. 50 Grenzkosten 40 Eine Regulierungsbehörde würde dem Monopol diesen Preis aufzwingen. 30 20 Durchschnittskosten 10 Nachfrage Grenzertrag 0 0 5 10 15 20 Windows SW (pro Monat, in 1000) Externalitäten “Ein externer Effekt ist die Auswirkung ökonomischen Handelns auf die Wohlfahrt eines unbeteiligten Dritten, für die niemand bezahlt oder niemand einen Ausgleich erhält.” (Mankiw, S. 221) l l positive Externalität è wenn jemand etwas erhält, ohne dafür zahlen zu müssen negative Externalität è wenn jemand geschädigt wird, ohne dafür kompensiert zu werden è soziale Kosten ¹ bezahlte Kosten 10 Beispiel: Alkoholkonsum (negative Konsumexternalität) Grenzkosten der Alkoholproduktion PAlkohol Grenznutzen des Alkoholkonsums 14 Nachfrage Angebot 12 10 Marktoptimum 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Alkohol Beispiel: Alkoholkonsum Aber: die sozialen Kosten des Alkoholkonsums (Unfälle, PAlkohol Gesundheit ...) werden nicht dargestellt. 14 Die soziale Nachfragekurve liegt tiefer, è weil die negativen Nutzen von den positiven abgezogen werden, è weil die Alkoholtrinker weniger konsumieren würden, wenn sie Geschädigten kom pensieren müssten. Nachfrage Angebot 12 10 Marktoptimum 8 6 soziale Kosten 5 4 soziale Nachfrage 2 0 0 soziales Optimum 2 3 4 6 8 10 12 14 Alkohol 11 PL-Transport Beispiel: Lastwagentransport Nachfrage 14 12 Angebot 10 Marktoptimum 8 Grenznutzen der Nachfrager von Transportdienstleistungen 6 4 Grenzkosten der Transportunternehmer 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Soziale Kosten 4 Negative Externalitäten: Abgase, Lärm, Verkehrsstau, Unfälle ... 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km PL-Transport Angebot bei Steuer Beispiel: Lastwagentransport Nachfrage 14 12 3 10 Angebot 8 6 4 2 Entschädigung durch Transfer Steuereinnahmen 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Soziale Kosten 4 3 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km 12 PL-Transport Angebot bei Steuer Beispiel: Lastwagentransport Nachfrage 14 12 Angebot 3 10 8 6 gesellschaftliche Grenznutzen = private Grenzkosten 4 2 Marktoptimum 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Soziale Kosten Die Lastwagen produzieren weniger Abgase und die Transportunternehmer zahlen einen Preis dafür. 4 3 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Welche positiven und negativen Externalitäten bei Immobilien? 13 Ökonomische Handlungsanweisung: Internalisierung von Externalitäten l l Regulierung: der Staat legt fest wie viel Schadstoffe ausgestossen werden dürfen è oft der einfachste Weg negative Externalitäten zu beschränken Pigou-Steuer = Steuer, die auf die Internalisierung einer negativen Externalität zielt Beispiele: Benzin, Alkohol, Tabak, Abwasser è Vorteil: ökonomischer Anreiz Verschmutzung zu verringern Patente: Beispiel für die Internalisierung positiver Effekte von Forschung und Entwicklung Fusion der Verursacher mit den Geschädigten (oder Begünstigten è z.B. Papierfabrik und Fischereibetrieb è z.B. Imker mit Fruchtbaumplantage è l l Beispiel: Südanflüge Quelle: www.zgf.ch 14 Südanflüge: Wie gross ist der Schaden? l l l Lärm quantifizieren: Anzahl Flugbewegungen, Lautstärke Subjektiver Nutzenverlust? Marktpreis der Immobilien è wie messen??? è unterschiedliche Auswirkung auf Marktsegmente (Luxus, Geschäftsflächen) è Auswirkungen auf Immobilienpreise in unbelasteten Zonen? Südanflüge: Immobilienpreise l l l l l Entwicklung Bodenpreise von 1974 bis 2001 um den Flughafen è Preise sind um bis zu 700% gestiegen, am stärktsten in den am meisten lärmbelasteten Zonen. (NZZ, 25.11.03) Schätzungen von Immobilienexperten è bis zu -30% bei Luxusimmobilien (NZZ, 25.11.03) Wertverlust 10-30% (Hauseigentümerverband, HEV) In Mietwohnungen eventuell Mieterwechsel bei gleicher Miete (Statistisches Amt Stadt Zürich) Steuerbehörde sieht fast keine Wertminderungen (NZZ, 28.10.04) 15 Quelle: Statistisches Amt Stadt Zürich Südanflüge: Wie internalisieren? l l l l l Entschädigungen è Wie gross? è Einmal-Entschädigung oder jährlich Zahlung? Lärm-Steuer Lärm-Zertifikate Anreize zur Lärmverminderung Lärm-Umverteilung 16 Quelle: www.unique.ch Quelle: www.unique.ch 17 Öffentliche Güter l Güter von deren Konsum niemand ausgeschlossen werden kann und bei denen keine Rivalität im Konsum besteht. l Problem: Solche Güter werden bei vollkommener Konkurrenz möglicherweise nicht produziert. Ausschliessbarkeit JA NEIN Private Güter JA l l l Kleidung Auto Zugfahrten (?) Öffentliche Ressourcen l l Fisch im Ozean Landstrasse (?) Rivalität Beispiele für Güter natürlicher Monopole NEIN l l Kabelfernsehen Autobahn (?) Öffentliche Güter l l l l Armee (?) Wissen Internet Raumplanung 18 Wieso führen öffentliche Güter zu Marktversagen? Einzelne Konsumenten können das öffentliche Gut konsumieren, ohne etwas dafür zu bezahlen. l l Es ist technisch nicht möglich (oder zu teuer), potentielle Nutzer vom Konsum auszuschliessen. Sie sind “Trittbrettfahrer”. Beispiel: Bau einer Strasse zu 2 Häusern 1 2 PStrasse 600 Hausbesitzer 1 und 2 verfügen je über 500 Fr. 400 Kosten einer Strasse ist 400 Fr. Reservationspreis 1 Reservationspreis 2 Hausbesitzer 1 und 2 sind jeweils für sich bereit, 300 für die Strasse zu zahlen. 200 0 19 zur Verfügung: 500 Fr. Preis der Strasse: 400 Fr. “Reservationspreis” (=Nutzen) 300 Fr. Wenn Hausbesitzer 1 die Strasse baut, kann er den anderen nicht daran hindern, sie ebenfalls zu gebrauchen. Hausbesitzer 1 hat dann einen Gesamtnutzen von 300 (Nutzen der Strasse) + 100 (Einkommen 500 - Kosten 400) = 400 lohnt sich nicht ! Hausbesitzer 2 hat dann einen Gesamtnutzen von 300 (Nutzen der Strasse) + 500 (Einkommen 500) = 800 Beispiel: ein unbebautes Grundstück Nutzen für jedes der 8 Einfamilienhäuser 20 Beispiel: ein unbebautes Grundstück 1000 mit Aussicht 800 ohne Aussicht 400 Keine der acht Hausbesitzer wird das Grundstück kaufen. Beispiel: ein unbebautes Grundstück Mögliche Lösungen 1. Nur wenn alle zustimmen, wird das Grundstück gekauft. 2. Eine einzige Besitzerin für alle neun Grundstücke. 3. Die Gemeinde erhebt eine Steuer und kauft das Grundstück. 21 Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer Mitglieder Auto Partei 0 Mitglieder TCS UmweltschützerInnen Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer sozialer Grenznutzen = vertikale Summe der Nachfragekurven Mitglieder Auto Partei 0 Mitglieder TCS UmweltschützerInnen 22 Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer sozialer Grenznutzen Grenzkosten Autobahn Mitglieder Auto Partei Mitglieder TCS 0 UmweltschützerInnen Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer Soziale Grenznutzen = Grenzkosten sozialer Grenznutzen Grenzkosten Autobahn Mitglieder Auto Partei Mitglieder TCS 0 Einstimmigkeit ohne Entschädigung UmweltschützerInnen 23 Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer sozialer Grenznutzen Grenzkosten Autobahn Mitglieder Auto Partei 0 Mitglieder TCS UmweltschützerInnen Probleme bei diesem Modell l l l l l Es gibt keinen Einheitspreis, sondern jeder zahlt entsprechend seiner Grenznutzen. Werden die Entschädigungen tatsächlich gezahlt? Ist es überhaupt möglich, diese Grenznutzen zu messen? Die Grenznutzen hängen auch vom Einkommen ab. Nicht Sozialingenieure/Ökonominnen fällen die Entscheidung, sondern die Politikerinnen und Wählerinnen. 24