Einleitung Unsere Gesellschaft altert! Das ist keine Neuigkeit, die ich Ihnen heute hier erzähle, aber es ist eine Tatsache und eine Entwicklung, die sich anhand statistischer Daten mittlerweile über Jahrzehnte zurückverfolgen lässt. Senioren sind heute eine bedeutende und selbstverständliche Gruppe unserer Gesellschaft und sie nehmen – natürlich immer abhängig vom individuellen Gesundheitszustand – aktiv und ohne Einschränkungen an allen Lebensäußerungen teil. • Sie gehen ins Kino, zum Tanzen, sind aktiv in Sportvereinen und nehmen an Marathonläufen teil, wo sie weitaus jüngere Konkurrenten weit hinter sich lassen. • Im Urlaub fahren ältere Menschen längst nicht mehr nur in die Eifel oder das Sauerland, sondern machen Flugreisen zu exotischen Fernzielen und nutzen ihre Freizeit, um sich die Welt anzusehen. • Und auch im aktiven Wirtschaftsleben setzen Firmen mittlerweile gezielt auf ältere Mitarbeiter. Ruheständler werden zum Teil reaktiviert, um in Beraterpositionen durch ihre Erfahrung und berufliche Kompetenz dem Unternehmen wichtige Dienste zu leisten. Diese willkürlich herausgegriffenen Beispiele zeigen deutlich, daß Alter in unserer heutigen Gesellschaft schon lange kein Makel mehr ist. Und sie widerlegen die überkommene Vorstellung vom Alter als einer grauen, traurigen und inaktiven Lebensphase. Fortschritte in der Medizin, der Technik, der Bildung sowie bei den Möglichkeiten materieller und finanzieller Vorsorge haben dazu geführt, daß auch das Alter längst zu einer positiven Lebensetappe geworden ist. Zudem ist man sensibler für das Alter geworden, ohne das dieser Prozeß als damit abgeschlossen betrachtet werden darf! Natürlich ist das stetige Altern unserer Gesellschaft auch mit einigen Problemen verbunden, die an dieser Stelle nicht übersehen oder verschwiegen werden sollten. Nur zwei aktuelle Probleme, die Sie alle aus den politischen Diskussionsrunden im Fernsehen sowie aus der Tagespresse kennen reichen, um die Schwierigkeiten, die mit dem Älterwerden unserer Gesellschaft zusammenhängen, aufzuzeigen: Zum einen: Der drohende Kollaps des Rentensystems und die damit einhergehende Frage: Wer soll in Zukunft die Renten bezahlen? (Hier kommt natürlich auch noch der stetige Geburtenrückgang zum Tragen!) Zum zweiten: Das Thema Pflegebedürftigkeit und Pflegeversicherung. Und auch hier wieder die wirtschaftlich motivierte Frage nach den Kosten, die eine medizinische Versorgung wie auch menschlich würdevolle Pflege im Alter mit sich bringen. Das Bild vom Alter in früheren Zeiten. Altsein als Fluch – Die Diskriminierung alter Menschen Gerade solche Aspekte sind es, die uns allzu leicht dazu verleiten, den Problemen und Mißständen von heute, die angeblich so heile Welt von damals gegenüberzustellen. Ganz nach dem Motto: Früher war alles besser! In warmen Farben erstrahlt da schnell eine Idylle vom trauten Kreise der Familie, in der Alt und Jung in oft drei Generationen in Harmonie und respektvoller Anerkennung unter einem Dach lebten. Es sind die romantischen Legenden von der Großmutter und dem Großvater, die inmitten der Schar ihrer Enkel im Lehnstuhl vor dem Kaminfeuer sitzen und Geschichten erzählen, die uns vermitteln wollen, daß es einen Generationenkonflikt früher nie gegeben hat. Und sollten Sie auch diese hartnäckigen Vorstellungen einer früheren Altersidylle teilen, so muß ich Ihnen an dieser Stelle leider Ihre Illusionen rauben und Ihnen sagen, daß Sie einem völligen Irrglauben aufsitzen. Im Mittelalter und noch in der frühen Neuzeit sah das Alter und das Altsein anders aus. Die wissenschaftliche Forschung hat gerade in den letzten 15 Jahren mehr und mehr nachweisen können, daß in der Vergangenheit das Alter wahrlich kein erstrebenswerter Zustand, sondern vielmehr eine zu erduldender Last war. Altsein war kein Segen, sondern ein Fluch! Und ich rede hier bei weitem nicht von Alter als einem Lebensabschnitt, der wie heute mit ca. 60 Jahren beginnt. Alt ist man zu dieser Zeit bereits mit Anfang 30; die durchschnittliche Lebenserwartung im 16. Jahrhundert lag bei etwa 35 Jahren. Vor allem bedeutete Altsein in der Vergangenheit oft auch Armsein, denn Altersarmut war – ganz besonders unter Frauen und hier vor allem Witwen – ein weit verbreitetes soziales Schicksal. Einzig die Tatsache, daß die Armen oft starben bevor sie überhaupt ein höheres Lebensalter erreichten, führte dazu, daß Altersarmut lange Zeit nicht als Massenphänomen auftrat. Abb 1 „Der Soldat“, Jacques Callot (1592-1635) Die Gründe für die Geringschätzung des Alters wurden weitgehend von zwei Faktoren bestimmt: • Zum einen war mit dem biologischen Alterungsprozeß der Verlust an körperlicher Arbeitskraft verbunden. Dies hatte fatale Folgen. Denn in einer Lebenswelt, in der die Grundversorgung noch hauptsächlich von der Landwirtschaft abhängig war, bedeutete der Verlust der produktiven Arbeitskraft gleichzeitig den Verlust des Anspruchs auf Versorgung. Möglichkeiten der finanziellen Absicherung im Alter durch Pensionsregelungen oder Rentenversicherungen gab es zu dieser frühen Zeit noch nicht. Sie entwickelten sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Entscheidend war daher die Fähigkeit, auch im höheren Lebensalter im angestammten Beruf weiter arbeiten zu können. Die Situation alter Menschen konnte angesichts dieser Tatsache daher je nach Berufszugehörigkeit sehr unterschiedlich ausfallen: Der Lebensabend von Bauern, Handwerkern und Tagelöhnern war nicht vergleichbar mit dem der höheren sozialen Schichten von Adligen, Staatsbeamten und Pfarrern. Vor allem für besitzlose und ungelernte Arbeiter konnte der Verlust der Arbeitskraft schnell zur völligen Verarmung und zur Verelendung führen. Lediglich Handwerker erfuhren Dank ihres in den Städten organisierten Zunftwesens ein wenig soziale Absicherung, indem die Zünfte für unbemittelte ältere Mitglieder spezielle Tätigkeiten reservierten, – so etwa als Nachtwächter, Rathausdiener oder Brunnenmeister. Tätigkeiten, die auch bei nachlassenden Kräften noch für einen kleinen Lohn ausgeübt werden konnten. • Als zweiter Faktor bestimmten die persönlichen Besitz- und Familienverhältnisse (hier vor allem: Landbesitz, Sparvermögen, Kinder) den Lebensabend älterer Menschen. Mit dem Erbe als Pfand konnten sich besitzende ältere Menschen einigermaßen für ihr Alter absichern, indem sie klar geregelte Unterhaltsverträge mit ihren Kindern bei der Hofübergabe abschlossen. Bereits seit dem Mittelalter waren diese vertraglichen Regelungen zur Versorgung der Elterngeneration gebräuchlich. Und sie sind ein ernüchterndes Zeugnis dafür, daß selbst innerhalb der eigenen Familie dem Altern von Vater und Mutter keinerlei Rücksichtnahme entgegengebracht wurde. In detaillierter Form wurden in diesen Verträgen etwa das lebenslange Wohnrecht, Lebensmittel- und Holzlieferungen ja sogar Bedürfnisse wie persönliche Zuwendung und Zärtlichkeit schriftlich vereinbart. Wer damals im Alter nichts besaß war ganz dem Wohlwollen seiner Mitmenschen ausgeliefert. Entweder wurde man gnadenhalber in einem Haushalt aufgenommen (Knechte und Mägde) oder man wurde von der Gemeinde von Hof zu Hof weitergereicht. In Städten blieb mittellosen alten Menschen oft nur das Betteln und das Armenhaus als letzter Ausweg. Ein letzter wichtiger Aspekt, warum das Alter früher negativ behaftet war beruhte auf der christlich-religiösen Vorstellung, vom Alter als Vorstufe zum Tod. Abb. 2 „Greis und Tod“, Kupferstich aus dem Buch von Johannes Weicharus, Anfang 17. Jh. Das Alter war die letzte unwürdige Phase des irdischen Lebens eines Menschen auf dem mühevollen Weg zur Erlösung durch den Tod und durch die Heilsfindung in der Auferstehung. Eine Phase, in der neben den körperlichen auch der geistige Zerfall tritt, so daß Alte in dieser Zeit oft als närrisch, schrullig und würdelos dargestellt wurden. Zahlreich erscheinen sie uns in den Bildern dieser Zeit als sonderliche Gestalten, denen nur noch der nahende Tod die Erlösung bringen kann. Abb. 3 „Altes Bauernpaar“ (1519), Albrecht Dürer Abb. 4 „Die Kurpfuscherin“, Arie de Vois (um 1631-1680) Aufwertung des Alters in Humanismus und Aufklärung – Die (Wieder-)Entdeckung von Alter als Autorität (17./18. Jh.) Das Bild des Alters änderte sich erst seit etwa der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) und dem Tiefpunkt der gesellschaftlichen Verrohung zu dieser Zeit setzte ein langsamer und langwieriger Prozeß der Versittlichung ein, der auch mit einer Aufwertung des Altersbildes einherging. Es war eine der großen und grundlegenden Leistungen des späten 17. und des 18. Jahrhunderts, daß sich die Achtung vor dem Alter jetzt als eine gesellschaftliche Norm durchsetzen konnte. Im Rahmen der sogenannten „Pflichtenlehre“ wurde den Menschen wieder der Umgang mit dem Alter gelehrt. Und durch den Aufbau einer humanistischen Gesellschaft, in der jetzt der einzelne Mensch – ganz egal ob jung oder alt - das Maß aller Dinge war, und in der das respektvolle Miteinander das gesellschaftliche Ziel war, konnte jetzt zum ersten Mal jeder – jung wie auch alt – seinen Platz einnehmen. (Zu dieser Zeit gibt es übrigens auch die ersten Versuche, das Leben durch eine mäßige Lebensführung zu verlängern. Man betrachtet das Alter also mehr und mehr als strebenswertes Ziel.) Nicht mehr die Makel des Zerfalls und der Kraftlosigkeit bestimmten das Bild vom Alter, sondern es standen jetzt die Vorzüge wie Lebenserfahrung, Weisheit, Vernunft und Besonnenheit im Vordergrund. Das Alter erlangte eine völlig neue Autorität. Man fing an, das Alter als Ressource gezielt zu nutzen. Ganz nach dem von dieser Zeit geprägten Sprichwort: „Alte zum Rat, Junge zur Tat!“ Das geht auch aus dem folgenden Zitat des Jahres 1764 hervor, das ich an dieser Stelle stellvertretend für die allgemeine neue Bewertung und Achtung des Alters in dieser Zeit vorlesen möchte. Es entstammt der moralischen Wochenzeitschrift „Der Greis“, die sich, wie viele andere Zeitschriften, die in dieser Zeit verlegt werden, ausdrücklich dem Thema „Alter“ gewidmet hat. Abb. 5 „Der Unterricht“, Ende 18. Jh. Abb. 6 „Alte Frau von 105 Jahren“ (1746), Lorenz Heid Der Verfasser schreibt: „Es wäre in der That gut, wenn man bey Geschäfften so wohl alte als junge Leute brauchte; denn in Absicht auf das Gegenwärtige würde es den Vortheil verschaffen, daß die guten Eigenschaften von beyden Altern wechselweise ihre Fehler verbesserten; in Absicht auf das Zukünftige hätte es den Nutzen, daß die jungen Leute größre Einsicht erlangten, indem die Alten ihre Anführer wären. … Die Jugend ist hitzig, unbedachtsam, unüberlegt; das sind die Fehler des ersten Alters, wir Alten sind kalt zu bedachtsam, zu behutsam, dadurch ersetzen wir die Mängel der kühnen unüberlegten Jünglinge, und das hohe Alter mit seinen Fehlern erhält die Jugend mit ihren Fehlern zum Besten der Gesellschaft im Gleichgewicht.“ (zitiert aus: Peter Borscheid: Geschichte des Alters. Vom Spätmittelalter zum 18. Jahrhundert. München 1989, S. 113.) Das Bild vom Alter heute. Neue Altenbilder illustriert am Beispiel der Werbung Und hier schließt sich nun der Kreis und bietet einen geeigneten Ausgangspunkt, um von der Vergangenheit den Blick auf unsere Gegenwart schwenken zu lassen. Auch heute besinnen wir uns wieder Verstärkt auf das Alter. Und ganz besonders die Werbung hat diese Lebensphase für sich entdeckt und zeigt uns in vielen verschiedenen Bildern vom Alter ein vermeintlich buntes Spektrum dieses Lebensabschnittes. Ganz plakativ lässt sich - wenn man eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Lage geben will - zusammenfassen: Die „Neuen Alten“ kommen und die Werbung hat sie als erste entdeckt: sie sind fit, mobil, aktiv und längst nicht mehr von gestern. Das beweisen sie in letzter Zeit – egal ob in den Fernsehspots der Werbepausen oder in den zahlreichen Werbeanzeigen der Printmedien. Und dieser Trend ist nicht wirklich neu. Schon in den 60er Jahren gab es alte Menschen in der Werbung. Abb. 7 „Jacobs Kaffee“ (1962) Und manch einer dieser bejahrten Werbeträger hat es sogar zu einer gewissen Popularität gebracht. Wer kennt sie nicht: • den Milka-Senner mit weißem Rauschebart und trendiger Sonnenbrille, der 1994 für die Milka-Schokolade den Spruch „Is cool man“ für einen Sommer zum geflügelten Ausdruck machte. oder: • den gemütlichen Großvater der Werther´s Echte-Werbung, der seinem Enkelsohn das erste Sahnebonbon spendiert. Und nicht nur in der Werbung ist das Interesse an alten Menschen gestiegen. Die ganze Medienbranche widmet sich verstärkt den sogenannten „Neuen Alten“. Nur eines von vielen ganz aktuellen Beispielen an denen man dieses neue Interesse ablesen kann ist das vieldiskutierte Buch „Das Methusalem Komplott“ vom FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher, das sich gegen die Altersangst und für ein neues positiveres Altenbild in unserer Gesellschaft stark macht, und das über Monaten in den Sachbuch-Bestseller-Listen vertreten war. Zwei wesentliche Gründe, warum Wirtschaft und Medien im allgemeinen sowie die Werbeindustrie im speziellen die Alten als neue Zielgruppe entdeckt haben, sollen an dieser Stelle nur kurz skizziert werden: Der erste und wichtigste Grund ist der: Demografische Wandel. Unsere Gesellschaft wird immer älter, die über 60jährigen gewinnen als Konsumenten immer mehr an Bedeutung. Bereits jeder vierte Bundesbürger ist momentan über sechzig und für das Jahr prognostiziert das Statistische Bundesamt, daß jeder dritte Bürger über sechzig Jahre alt sein wird. (Nur noch einmal kurz zum Vergleich sei hier erwähnt, daß noch vor einhundert Jahren nur ca. 5 % der Bevölkerung über 65 Jahre war.) Diese Daten, die sich auf den ersten Blick wie eine trockene Statistik lesen, sind für die Werbung von entscheidender Bedeutung. Auf Senioren ausgerichtete Produkte (z.B. geriatrische Produkte, Versicherungen zur Altersvorsorge etc.) werden in Zukunft immer stärker gefragt sein. Der zweite Aspekt sind: Kaufkraft und Konsumverhalten Die heutigen Senioren sind so wohlhabend wie nie zuvor, auch wenn man das angesichts der heutigen Lage kaum glauben mag. Und sie wollen ihr Geld nicht sparen, sondern ihren Lebensabend in vollen Zügen genießen, das habe zahlreiche Umfragen ergeben. Der Vorteil des Alters ist, daß in den meisten Fällen eine wirtschaftliche Konsolidierung vorangegangen ist. Hypotheken sind abbezahlt, Bankkredite sind getilgt und die Kinder sind aus dem Haus und stehen finanziell auf eigenen Füßen. Was ist Alter? Über die Darstellungsmöglichkeiten eines Lebensabschnittes Kommt man nun zu dem konkreten Thema zurück, wie sich das Alter in der Werbung darstellt muß man berücksichtigen, daß es sich bei Werbung – ausgenommen natürlich Hörfunkwerbung – um ein visuelles Medium handelt. Für die Darstellung von Alter in der Werbung ist es daher unumgänglich sich die Fragen zu beantworten „Was ist Alter?“ und „Wie tritt es in Erscheinung?“ Denn es lässt sich wohl nur schwerlich etwas bildlich darstellen, dessen äußere Erscheinungsformen man gar nicht kennt. Schon bei dem Versuch, diese Fragen zu beantworten zeigen sich massive Schwierigkeiten. Denn: „Was ist Alter?“ und „Ab wann dürfen beziehungsweise können wir einen Menschen überhaupt als alt bezeichnen?“ Zum einen gibt es das kalendarische Alter. Das kalendarische Alter berechnet sich nach den Lebensjahren eines Menschen ab seiner Geburt. In Deutschland orientieren sich die gesetzlichen Vorschriften am kalendarischen Alter z.B. 18 Jahre = Volljährigkeit, 65 Jahre = allgemeines Renteneintrittsalter Zum anderen gibt es das soziale Alter. Unsere Gesellschaft unterteilt sich in verschiedene Altersgruppen. In der Regel sind das die vier Gruppen: Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren. Jede dieser vier Lebensphasen ist mit bestimmten gesellschaftlichen Vorstellungen verbunden, die den Entwurf eines „sozialen Alters“ bilden. So zählt ein Mensch sozial gesehen als alt, wenn er aus dem aktiven Berufsleben ausscheidet, also in Deutschland ca. ab dem fünfundsechzigsten Lebensjahr. Um Alter in der Werbung darzustellen eigenen sich beide Ansätze einer Altersbestimmung nicht. Denn das Alter von Werbeträgern ist dem Betrachter in der Regel unbekannt. Deshalb muß die Werbung andere Auswege finden, um Alter fassbar und erfahrbar zu machen. Eine Möglichkeit wäre die Altersdarstellung aufgrund optischer Kriterien: Mit dem Alter verändert sich der Körper. Die Haut wird etwas schlaffer, man bekommt Altersflecken an den Händen und Falten im Gesicht. Diese Tatsachen lassen sich leider nicht von der Hand weisen. Doch kann man Alter wirklich anhand der Anzahl und Tiefe der Falten ausmachen? Wohl doch nur sehr begrenzt!!! Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, daß Falten eine unzuverlässige Kategorie sind und die Faltentiefe eher Rückschlüsse auf die BindegewebsQualität eines Menschen zulässt als auf sein Alter. Nur eine paar prominente Beispiele - die sie alle kennen - reichen, um dies zu verdeutlichen: • Sophia Loren beide sind über 70, aber keineswegs • Udo Jürgens alt und faltig • Götz George beide Mitte 60 aber körperlich noch vielen Jüngeren • Uschi Glas deutlich überlegen Eine zweite Möglichkeit wäre die Altersbestimmung nach körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit: Doch auch diese Kriterien haben keine allgemeine Gültigkeit. Die Altersgrenze, ab der es altersbedingt zu gravierenden Fähigkeitsdefiziten kommt, ist weit nach hinten gerückt. Sie betrifft hauptsächlich nur noch sehr hochbetagte Personen, d.h. Personen ab circa fünfundsiebzig Jahren. Auch hier soll nur ein Beispiel ausreichen, um diese Unzuverlässigkeit in der Altersbestimmung aufzudecken: • 2004 erreichten 60jährige beim Berliner Volksmarathon die Spitzenzeiten der Olympialäufer von 1936. Nachdem also sämtliche Versuche einer allgemeingültigen Altersdefinition scheitern müssen, stehen die Werbemacher vor dem Problem Alter in ihren Werbungen bildlich erfahrbar zu machen. Und trotz all dieser Schwierigkeiten scheint die Werbung eine genaue Vorstellung davon zu haben, was Alter ist und wie es in Erscheinung tritt. Den Trick, den die Werbung dafür anwendet ist denkbar einfach: Sie erschafft sich ihre eigenen Entwürfe vom Alter!!! Bei einer Analyse vom Bild Alter Menschen in der Werbung müssen die Fragen also lauten: • Was zeigt die Werbung um Alter zu charakterisieren? • Welcher Mittel bedient sie sich? Um Alter in der Werbung darzustellen wird vor allem auf altersindizierende Attribute zurückgegriffen. Abb. 8 HIRO-LIFT Bielefeld Das können gegenständliche Attribute sein, wie zum Beispiel: Gehstock, Gehilfen oder altersbedingte Gestaltung von Kleidung und Frisur. Dazu kommen meistens noch morphologische Attribute, also Veränderungen, die den Körper betreffen wie: Haarausfall, Ergrauung, Falten, nach denen die erste spontane Einteilung „alt oder nicht alt“ vorgenommen wird. Handelt es sich zum Beispiel um ein Gesundheitsprodukt (Vitaminpräparate, Knoblauchdragees) so wird meistens auf die sportlich-dynamischen Junggebliebenen zurückgegriffen, die zwar ihrem kalendarischen Alter nach streng genommen zur Seniorengeneration zählen, sich aber mindestens 15 Jahre jünger fühlen und geben. Abb. 9 buer lecithin 24 Tage-Kur Abb. 10 Nivea Vital Bei Kosmetika für die reifere Haut wird der Erfolg des Produktes nicht zuletzt dadurch suggeriert, daß das Model – und hier sind es ausschließlich Frauen – trotz seines fortgeschrittenen Alters gegen so manche jüngere Konkurrentin den Vergleich nicht scheuen muß. Die sechs aktuellen Beispiele, die ich ihnen jetzt zeigen möchte, veranschaulichen, wie in der Werbung mit dem Thema Alter umgegangen wird. Sie sind zum teil sehr unterschiedlich in ihrer Aufmachung sowie in ihrer Aussage. Doch in ihrer Zahl und Häufigkeit sind sie ein deutliches Zeichen dafür, daß das Alter immer mehr Einzug in die Werbung hält. (Wegen der Machbarkeit habe ich mich für den Vortrag auf Werbeanzeigen aus Zeitschriften und Illustrierten beschränkt. Dabei habe ich von Das Neue Blatt, Stern, GEO, CAPITAL, ADAC-Reisemagazin bis zur Apotheken-Umschau alles mit einbezogen, um ein möglichst breites Spektrum zu haben.) Beispiele: 1.) HARTMANN Inkontinenzwerbung 2.) DIAKONIE Niedersachsen in Kooperation mit der Evangelischen Kirche 3.) OUI Damenstrickwaren 4.) T-Com Internetanschluß 5.) VHV Versicherungen 6.) DOLCE & GABBANA 1. HARTMANN Inkontinenzversorgung (Abb. 11) Die Anzeige mit der die Firma Hartmann für ihre Produkte zur Inkontinenzversorgung wirbt zeigt ein für die Werbung ungewohnt hartes und nüchternes Bild vom Alter. Ganz bewusst hat man sich hier – mit Bezugnahme auf das zu bewerbende Produkt – für eine augenscheinlich hochbetagte Werbeträgerin entschieden, deren Alter weit jenseits der achtzig liegen dürfte. Am linken Bildrand erscheint der Werbeslogan dieser Anzeige: „Haut in guten Händen“ mit dem HARTMANN für diese Produktpalette wirbt. Seine Position ist geschickt gewählt. Unmittelbar neben der deutlich vom Alter gezeichneten Gesichtshaut der alten Dame platziert, stellt er den direkten Sinnzusammenhang von einer vom Alter stark beanspruchten Haut und ihrem besonderen Pflegeanspruch her. Daß der Slogan direkt über den im Hintergrund gut sichtbaren Händen einer Altenpflegerin gedruckt ist, unterliegt ebenfalls gezielter Bildregie. Es sind nicht die Hände einer jungen Frau. Auch die Pflegerin hat bereits ein gewisses Alter erreicht, das lassen ihr Gesicht und ihr grau meliertes Haar deutlich erkennen. So wird auf sehr dezente Weise nicht nur der Zustand des Altseins, sondern auch der Prozeß des Alterns in diese Werbeanzeige einbezogen. Die Werbung der HARTMANN Inkontinenzversorgung zeigt ein realistisches, ungeschöntes Bild vom Alter. Es wurde bewußt eine Werbeträgerin gewählt, die schon aufgrund ihres Äußeren nicht kaschieren kann und möchte, daß Alter nicht spurlos an einem Menschen vorübergeht. Das Defizitäre des Alters wird konkret auf das Nachlassen der Selbstkontrolle über die eigenen Körperfunktionen bezogen. Ein gesellschaftliches Tabu das hier angesprochen wird, und das den offensiven Umgang dieser Werbeanzeige mit dem Alter und seinen Folgeerscheinungen noch verstärkt. Vielmehr möchte diese Werbung dafür sensibilisieren, daß Alter trotz aller damit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen lebenswert sein kann. Die mit dem Alter oft negativ ausgelegte Gedankenverbindung der Hilfebedürftigkeit erfährt in dieser Werbung eine positive Umdeutung. Natürlich ist man als Bewohnerin eines Seniorenzentrums mehr oder weniger auf fremde Hilfe angewiesen. Doch bedeutet das im Umkehrschluß nicht, daß man für die anderen Mitmenschen automatisch zu einer Last wird. Die Herzlichkeit und Wärme, die von dieser Werbeanzeige ausgeht machen vielmehr Mut und Hoffnung auf ein würdevolles Altern. 2. DIAKONIE (Abb. 12) Daß Alter auch durchaus negativ konnotiert sein kann, zeigt die Anzeigenwerbung mit dem die Evangelische Kirche in Kooperation mit der Diakonie Niedersachsen für mehr Menschlichkeit in der Altenpflege wirbt. In Nahsicht ist das Gesicht einer alten Frau abgebildet, wobei die Kameraeinstellung unbarmherzig jede einzelne Falte ihrer Haut mit scharfem Blick wiedergibt. Ihr Blick ist teilnahmslos und zugleich fordernd. Der Werbeslogan „Berühr mich.“, der am oberen Bildrand steht, verstärkt diesen Eindruck. Im fordernden Imperativ steht dieser Werbeträgerin buchstäblich auf die Stirn geschrieben, was außer ihr so viele Menschen im Alter vermissen: menschliche Nähe, körperliche Zuwendung und auch Zärtlichkeit. Diese generelle Kritik des Alters bezieht sich in dieser Werbung konkret auf die Arbeit in der Altenpflege. Ganz gleich ob ambulanter Pflegedienst oder Altenwohnheim, das Hauptproblem der aktuellen Altenpflege ist immer gleich. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, ist eine umfangreiche und zeitintensive Betreuung von alten Menschen nicht möglich. Die Zeit ist knapp bemessen und sichert lediglich die medizinische Grundversorgung ab. Für alles, was darüber hinaus geht, fehlt schlicht die Zeit. Damit erschafft die Werbeanzeige der Diakonie ein durchweg negatives Bild vom Alter, das existiert, aber oft verdrängt wird. Alter bedeutet in manchen Fällen auch Einsamkeit und Alleinsein. Stirbt der Partner und/oder existiert kein sozialer Kontakt zu Freunden und Familie, führt das Alter einen Menschen oft zwangsläufig in die gesellschaftliche Isolation. Ein weiterer defizitärer Aspekt des Alter(n)s, mit dem die Diakonie-Werbung arbeitet, ist das Bedürfnis alter Menschen nach körperlicher Nähe und Berührung. Kaum ansprechender hätte das Zusammenspiel von Werbeslogan und Werbeträgerin gewählt werden können, um den Anspruch alter Menschen darzustellen: Auch ein Körper, der nicht mehr dem gängigen Ideal von Schönheit und Sinnlichkeit entspricht, verliert mit dem Alter nicht auch sein Empfindungsvermögen. 3. OUI (Abb. 13) Eine andere Herangehensweise an das Alter ist das Spiel mit den Generationen. So wird wohl jeder Betrachter der Werbeanzeige des französischen Moderherstellers OUI schnell zu dem Schluß kommen, daß es sich hier nicht um das willkürliche Zusammentreffen von drei Vertretern der unterschiedlichen Generationsstufen handelt, sondern das er Zeuge eines intimen Familienzusammentreffens zwischen einer Mutter, ihrem Kind und der Großmutter wird. Analysiert man diese Werbeanzeige jetzt hinsichtlich der Fragestellung, auf welche Weise das Bild alter Menschen in der Werbung konstruiert wird, so lassen sich anhand der OUIWerbung zwei interessante Beobachtungen machen. Zum einen erfolgt in diesem Beispiel die Altersbestimmung der älteren Werbeträgerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur vierten Generationsstufe, den Senioren. Diese Einordnung basiert sowohl auf rein optischen altersindizierenden Merkmalen, wie ihrem grauen Haar sowie den Altersspuren in ihrem Gesicht und an ihren Händen als auch auf der kontrastiven Gegenüberstellung ihrer eigenen Altersstufe mit den vorangegangenen Altersstufen von Kindheit und Erwachsenenalter. Des weiteren wird hier Alter auch durch die Übernahme der gesellschaftlichen Rolle der Großmutter begründet. Analog zu den verschiedenen Altersstufen existiert innerhalb von Familien eine Generationeneinteilung in die Rollen Kinder, Eltern, Großeltern in einzelnen Fällen sogar noch Urgroßeltern. Mit der Rolle von Großeltern (Großvater/Großmutter) ist damit intuitiv das Erreichen eines gewissen Alters verbunden, wie es auch diese Werbung zeigt. Die OUI-Werbung zeichnet ein durchweg positives Bild vom Alter. Sie zeigt die liebevolle Eingliederung älterer Menschen in die Familie sowie die Chancen, die der dritte Lebensabschnitt mit sich bringen kann. In diesem konkreten Beispiel die Freude Großmutter zu sein. Und auch der Werbeslogan „Love is a female force“ bestätigt letztendlich, daß Alter nur ein relatives Klassifikations-System ist, die wahren Stärken einer Frau dagegen altersunabhängig und generationenübergreifend sind. 4. T-Com (Abb. 14) Die Werbeanzeige des T-Com-Unternehmens für einen neuen Internetanschluß setzt ganz auf die altersspezifischen Konnotationen von Erfahrung, Kompetenz und Wissen. Es wird in diesem konkreten Beispiel vor allem die Berufserfahrung in den Vordergrund gestellt, die der augenscheinlich um einige Jahrzehnte ältere Werbeträger dieser Anzeige seinem jüngeren Kollegen voraus hat. Mit wissendem Blick und gehobenem Zeigefinger gibt er seine Erfahrung an die jüngere Kollegengeneration weiter, die die Ratschläge sichtbar dankend annimmt. Die T-Com-Werbung setzt damit ganz auf die Begründung, daß gerade im Berufsleben ein fortgeschrittenes Alter durch den Erwerb langjähriger Erfahrung durchaus positiv sein kann. So kommt dem älteren Mitarbeiter als Werbeträger die Rolle des Experten zu. Ein Aspekt, der schon länger von den Firmen erkannt und auch genutzt wird. Immer öfter werden ältere Mitarbeiter nicht in den Ruhestand geschickt, sondern bleiben im Unternehmen, wo sie ihre Erfahrung, wie in der T-Com-Werbung weitergeben. 5. VHV Versicherung (Abb. 15) Den Lebensabend Dank finanzieller Unabhängigkeit in vollen Zügen genießen - diese Vorstellung verbindet die Werbung der VHV-Versicherungen mit dem Alter. Gemeint ist die Zeit der Rente, die auf das aktive Berufsleben folgt. Und diese Zeit kann heutzutage Dank einer sich stetig verbessernden medizinischen Versorgung lange werden. Laut Statistik hat ein heute 60-jähriger Mann noch knapp 19 Jahre, eine gleichaltrige Frau sogar noch beinahe 23 Jahre zu leben. Zeit genug also, um seine Wünsche zu verwirklichen und die neu gewonnene Freizeit und Freiheit nach eigenen Wünschen zu gestalten. Das Rentnerdasein als Chance repräsentiert auch das Rentnerpaar, das für die VHVVersicherungen als Werbeträger agiert. Sichtlich gut gelaunt und zufrieden, darüber hinaus noch den im Alter nicht immer selbstverständlichen Idealfall einer liebevollen Zweisamkeit lebend, stehen sie in dieser Anzeige für die neue Generation der freizeitaktiven „neuen Alten“. Und sie werden demnach auch nicht passiv, sondern fit und aktiv beim Schwimmen gezeigt. Damit widerlegt diese Anzeige die überkommene Vorstellung vom Ruhestand als triste und traurige Lebensphase. Die modernen Rentner reisen um die Welt, gehen noch einmal zur Universität und treiben Sport. Aus dem einstmaligen Ruhestand wird mehr und mehr der sprichwörtliche Unruhestand. Und auch der wirtschaftliche Blick auf das Alter bleibt in dieser Werbung nicht unberücksichtigt. Heute leben in Deutschland die wohlhabendsten Senioren aller Zeiten. So ist Alter immer mehr mit der Vorstellung von finanzieller Unabhängigkeit verbunden. Wer also wie die Werbeträger dieser Anzeige mit einer privaten Rente der VHV-Versicherungen rechtzeitig vorsorgt, der darf sich auf einen sorglosen Lebensabend freuen. Er wird einer der vielen sogenannten „Woopies“, wie in der Werbebranche der Altentypus des „well-off older people“, also die wohlhabenden älteren Leute bezeichnet werden. 6. DOLCE & GABBANA (Abb. 16) Das italienische Modeunternehmen DOLCE & GABBANA spielt mit den noch immer hartnäckig verhafteten Vorstellungen, daß alte Menschen gewissen Normen entsprechen sollen. Im Bereich der Mode ist eine dieser Normen eine schlichte unauffallende Mäßigkeit, daß heißt keine knalligen Farben, keine gewagten Schnitte und keine auffallenden Accessoires. Doch wollen wirklich alle alten Menschen dieser klischeehaften Vorstellung entsprechen? Bietet nicht gerade das Alter einem Menschen die Chance zur Entpflichtung von gängigen Vorstellungen, das heißt nicht mehr exakt dem entsprechen zu müßen, was alle von einem erwarten? Kurz gefragt: Darf man sich im Alter, nachdem man einen großen Teil seines Lebens erfolgreich hinter sich gebracht hat, nicht eine gewisse Freiheit erlauben? Im konkreten Fall der Altersmode würde das bedeuten, einmal aus dem Fahrwasser des Normalen ausscheren und bewusst gegen den Strom schwimmen. Die Werbeanzeige des italienischen Modeunternehmens DOLCE & GABBANA hat genau das gemacht. Ohne auf das hohe Alter Rücksicht zu nehmen, haben sie ihrem Werbeträger eine nicht alterskonforme Trendsonnenbrille verpasst. So setzt diese Werbeanzeige ganz gezielt auf den Gegensatz von Alter und Modebewusstsein und konstituiert ihre Auffassung vom Alter durch die Freiheit kleidungsmäßig das zu tun, was man will und nicht was man soll. Doch trotz der positiven Grundausstrahlung die DOLCE & GABBANA mit dieser Anzeige vom Alter vermitteln will – und die ich hier auch nicht in Zweifel ziehen möchte - darf ein kritischer Aspekt nicht übersehen werden. Die Werbung arbeitet auch mit dem Werbestereotyp des Clowns. Als Werbeträger wurde bewusst ein alter Mann gewählt, dessen Gesicht morphologische Auffälligkeiten, wie eine kreisrunde Gesichtsform, abstehende Ohren sowie dicke Pausbacken aufweist. Und besonders das bewusste Weglassen der Zahnprothese verleiht ihm clowneske Züge. So kann der positive Eindruck einer im Alter selbstbestimmten Extrovertiertheit und einer durchaus beabsichtigten Andersartigkeit schnell eine Umkehrung in negative Alterserscheinungen wie Alterstorheit und Altersschwachsinn erfahren. (Kritische) Schlußbemerkungen Wie es scheint hat das Alter in der Werbung auf den ersten Blick viele Gesichter. Es ist die Konsequenz auf die Tatsache, daß sich Alter nicht genau definieren lässt. Alter ist eine relative Kategorie. Eben diese Relativität und Undefinierbarkeit von Alter gibt im Umkehrschluß den Werbemacher alle Freiheiten, sich ihre eigenen Altersbilder zu erschaffen. Das Spektrum der Altersdarstellungen in der Werbung fällt dementsprechend unterschiedlich aus und umfasst sowohl positive als auch negative Bilder. Die positiven Alten, das sind diejenigen, die zu der Seniorengeneration der sogenannten „Neuen Alten“ gehören. Sie sind geistig und körperlich fit, unternehmungslustig und immer gut drauf. Sie bilden auch die Mehrzahl der Altersbilder in der Werbung. Man möchte beziehungsweise traut sich kaum mehr, sie noch als Alte zu apostrophieren. Und das ist auch der Grund warum sich die Werbeindustrie eine Vielzahl an beschönigende Namen hat einfallen lassen, um diese Generation zu charakterisieren. Sie tragen jetzt Namen wie „Best Agers“ und „Winning Generation“ sowie zahlreiche durchaus erklärungs-bedürftige Kürzel: „Yollies“ (= „young old and leisurely living people“, also junggebliebene gemütlich lebende Alte), „Grumpies“ (= „grown-up mature people“, erwachsene, reife Menschen), „Selpies“ (= „second life people“, Menschen der zweiten Lebenshälfte), oder „Woopies“ (= well-off older people, wohlhabende ältere Leute). Neben den positiven Seiten des Alters zeigt die Werbung – wenn auch in sehr viel geringerem Ausmaß – die negativen Seiten. Das negative Altenbild in der Werbung stellt die defizitären Aspekte des Alters in den Vordergrund, wie Pflegebedürftigkeit, Hilflosigkeit und gesellschaftliche Vereinsamung. Ob Alter positiv oder negativ dargestellt wird, hängt ganz von dem Produkt und der entsprechenden Werbebotschaft ab, die vermittelt werden soll. Die Werbung hat die Alten also wiederentdeckt – das ist unumstritten. Und sie werben schon lange nicht mehr nur ausschließlich für altersexklusive Produkte, wie Gebißreiniger und Haartönungspräparate. Von Gleichberechtigung zwischen jung und alt kann und darf aber trotz dieser Entwicklung noch keine Rede sein. Vor allem die Angst vor Imageschäden hält viele Firmen noch davon ab, einen alten Menschen als Werbefigur einzusetzen und damit eine „Alterung“ seiner Produkte zu riskieren. Eine quantitative Analyse zeigt die erhebliche Unterrepräsentanz von alten Menschen in der Werbung auf. Verbesserungswürdig bleibt auch die visuelle Umsetzung von Alter. Zwar durchaus ansprechender als noch vor einigen Jahren, malt sie immer noch ein zu sehr schwarz-weiß geprägtes Altersbild, das die ganze Palette der dazwischenliegenden Graustufen völlig ignoriert. Noch schwankt das Bild zwischen den beiden Extremen des „EwigJunggebliebenen“ und des „gebrechlichen Pflegefalls“. Diese polarisierende Einteilung ist die Reaktion und vor allem auch die Resignation vor der Tatsache, daß sich die Lebensphase „Alter“ in unzähligen, facettenreichen Erscheinungsformen darstellt. Da erscheint es allzu leicht und bequem, die Altersbilder auf die Alternativen der positiven beziehungsweise negativen Darstellung zu reduzieren. Doch stößt diese Vereinfachung seitens der Werbung schnell an ihre Grenzen. Es ist offensichtlich, daß die Konstruktion von ein paar klischeehaften Altersbildern durch die Werbung bei weitem nicht ausreicht, um diese Lebensphase umfassend und realitätsgerecht zu repräsentieren. Von einer ansprechenden und vor allem glaubwürdigen Alterswerbung kann aber erst dann gesprochen werden, wenn auch die weniger spektakulären, dafür aber mehrheitlichen Erscheinungsformen des Alters berücksichtigt werden. Denn die Realität sieht anders aus: Die Vielzahl aller alten Menschen gehört eben nicht zu den von der Werbung gezeigten Alten, sondern bewegt sich irgendwo dazwischen. Und sie müssen auch gar nicht diesen Vorgaben entsprechen. Nicht jeder 65-jährige muß im Ruhestand noch mit einer Extremsportart anfangen oder einen Universitätsabschluß machen, um der Welt seine körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit zu beweisen. Im Umkehrschluß bedeutet die Unterlassung dieser Dinge ja nicht, daß es sich automatisch um einen körperlichen oder geistigen Pflegefall handelt. Alter ist ganz offenbar kein bestimmter und vorgezeichneter Lebensstil und auch keine spezielle Soziallage. Diese Lebensphase ist nicht Konstruktion, sondern Realität. Und vor allen Dingen hat das Alter eine Berechtigung aus sich selbst heraus. Eine Kompetenz, die durch nichts zusätzlich legitimiert werden muß! Sie begründet sich neben allen anderen Vorteilen, die das Alter mit sich bringt vor allem aus der Lebenserfahrung. Ein Vorteil, der ein nicht wegzuleugnendes Kapital des Alters ist, was auch mehr und mehr von den jüngeren Generationen als Tatsache akzeptiert und erkannt wird. Ausblick: Alter im transkulturellen Vergleich Zum Abschluß meines Vortrags möchte ich noch in aller Kürze anhand zweier ausgewählter Beispiel einen Aus- und Einblick auf die Bedeutung des Alters im transkulturellen Vergleich geben. Denn: Die Feststellungen, daß die Lebensphase Alter völlig relativ ist und individuell ganz verschieden ihren Ausdruck finden kann sowie auch die Einsicht, das Alter durchaus über ein ganz eigenes Kapital verfügt und eine wichtige Ressource sein kann, ist weder eine neue, noch ist es eine europäische Kulturleistung. Dies tritt besonders deutlich zutage, wenn man den Blick einmal über die eigenen Grenzen hinaus richtet und sich die Frage stellt: Wie begegnet man dem Alter in außereuropäischen Gesellschaften? So hat die Ethnologie beispielsweise für viele traditionelle Gesellschaften Afrikas in denen noch ein sogenannter „Ahnenkult“ existiert und praktiziert wird, eine fast durchweg hohe Achtung vor dem Alter feststellen können. Der Ahnenkult basiert auf der Verehrung der Toten und dem Glauben, daß die Toten als Ahnen auf das Leben der Lebenden Einfluß nehmen können. Um mit den Ahnen in Kontakt treten zu können bedarf es jedoch geeigneter Vermittlerpersonen. Diese in ihrer Funktion und Wichtigkeit herausragende Vermittlerrolle steht ausschließlich den älteren Mitgliedern eines Stammes zu. Nur sie können aufgrund ihres hohen Lebensalters mit den Ahnen (nämlich den Toten) Kontakt aufnehmen. (Eine nach unserem westlichen Kulturverständnis zugegebenermaßen nicht sehr charmante Einschätzung des Alters; die unmittelbare Nähe zu den Toten anzunehmen.) Es ist ihre Aufgabe, die Gebete und Wünsche der Lebenden an die Ahnen weiterzuleiten. Und die Stammesältesten haben noch viele andere wichtige Aufgaben inne, die ihnen eine hohe gesellschaftliche Stellung sichern. So sind sie alle Beschützer für die nachfolgenden Generationen. Die Männer sind zudem noch die obersten Richter und tragen eine große Verantwortung in der Rechtsprechung, sie sind Wächter der Ahnenschreine als größte religiöse Heiligtümer und sie werden als Orakelsprecher und Traumdeuter bei wichtigen Entscheidungen zu Rate gezogen. Die ältesten Frauen eines Stammes werden besonders aufgrund ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten bezüglich der Geburtshilfe, der Fruchtbarkeitsberatung und der Wundheilung geschätzt und häufig konsultiert. In diesen traditionellen afrikanischen Gesellschaften von denen ich hier spreche wird das Alter beziehungsweise das Altsein also keineswegs als Nachteil gesehen. Sondern ganz im Gegenteil ergeben sich erst durch das Erreichen eines höheren Alters die notwendigen Voraussetzungen, um sich neuen ehrenvollen Aufgaben widmen zu können. Und man kann angesichts dieser Tatsachen sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, daß diese Gesellschaften ohne ihre alten Mitglieder gar nicht existenzfähig wären. Einen völlig anderen Zugang zum Alter erfahren wir in den traditionellen Gesellschaften, die nicht primär nach Familien strukturiert sind, sondern die auf einem sogenannten Altersklassen-System basieren. Für die Volksgruppen der in Ostafrika lebenden Massai oder der in Südäthiopien lebenden Konso zum Beispiel ist die wichtigste soziale Bezugsgruppe nicht etwa die eigene Familie, sondern die jeweilige Altersklasse. Abhängig von seinen Lebensjahren lebt jeder Mann (bei den Frauen ist diese Regelung nicht so strikt und durchgreifend) in der gerade für ihn relevanten Altersklasse, wodurch gleichzeitig geregelt ist, was er schon darf beziehungsweise was er eben noch nicht darf. (z.B. Heiraten, Kinder zeugen, Versammlungen beiwohnen, aber auch das Tragen bestimmter Rangabzeichen, etc.) Mit zunehmendem Alter steigt man in den Altersklassen empor bis man irgendwann die höchste Stufe erreicht hat. Parallel zu den Altersklassen wächst auf diese Weise mit dem Erreichen einer nächst höheren Klasse auch das Ansehen, so daß alte Leute im Regelfall immer mehr an Macht und Autorität besitzen als die unter ihnen stehenden Jüngeren. Das individuelle Alter eines Menschen tritt in diesen traditionellen Gesellschaften, die auf einem Altersklassen-Systems basieren, völlig in den Hintergrund. Die beiden hier nur ganz kurz skizzierten Beispiele sollen an dieser Stelle ausreichen, um zu zeigen, wie unterschiedlich mit dem Alter umgegangen werden kann, und wie relativ unser eigenes Bild vom Alter eigentlich ist. Resümee: Wir müssen uns eben damit abfinden: Alter ist keine mathematische Formel, die sich exakt berechnen lässt. Und auch jeder Versuch einer allgemeingültigen Definition von Alter ist zum Scheitern verurteilt. Man stößt bereits unweigerlich an Grenzen, wenn es nur darum geht, Bilder vom Alter zu entwerfen, so wie es die Werbung in letzter Zeit immer öfter versucht. Natürlich sind diese von der Werbung erschaffenen Altersbilder Beispiele dafür, wie die Lebensphase Alter in unserer heutigen Gesellschaft gelebt werden kann. Und natürlich zeigen sie auch den Wandel hin zu einem neuen positiven Altersbild auf, der sich in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft vollzogen hat – nämlich weg von der Vorstellung der „armen Alten“ hin zu den engagierten und aktive „neuen Alten“. Doch man sollte dabei immer bedenken, daß dies nur wenige Beispiele im Vergleich zu der Vielzahl an Möglichkeiten sind, die das Alter bereit hält. Denn Alter ist vielmehr eine Chance seine dritte Lebensphase, seinen Ruhestand genau so individuell zu gestalten, wie man es selber gerne möchte. Eine Chance, die in dieser Form vielleicht so noch nie vorher existiert hat.