1 Unterricht mit Solmisation: INSTRUMENTALMETHODIK KLAVIER OKT 15 Malte Heygster Diese Darstellung des solmisationsgestützten Klavierunterrichts beschreibt manche grundlegenden Verfahren und Begriffe nicht im Einzelnen. Das Buch RELATIVE SOLMISATION – GRUNDLAGEN, MATERIALIEN, UNTERRICHTSVERFAHREN, Schott music 2012, ED 21037 gibt ausführliche Erklärungen, es wird hier jeweils auf die Seitenzahlen verwiesen. DER KLANG KOMMT VON DER SINGSTIMME In solmisationsgestütztem Anfangs-Instrumentalunterricht hören die Lernenden die Musik, die sie spielen werden, zuerst von der Singstimme der Lehrerin1. Sie ist die erste Quelle des Klangs2. Wenn ein Lehrer singt, öffnet er sich für die Lernenden, er singt sie an. Mit seinem Singen zeigt er Zuwendung und er offenbart seine Wertschätzung der Melodie. Dazu braucht er keine schöne und keine ausgebildete Stimme zu haben. Die Erfahrung, dass vom Äußerungsorgan des Menschen wiedergegebene Musik eine personalen Charakter hat, mit dem er auf sein Gegenüber zugeht, ist von Bedeutung für die Beziehung der Lernenden zu Musik, zu ihrem eigenen Singen und ihrem Instrumentalspiel. Sie werden beim Übertragen der Melodie auf ein Instrument mehr in der Musik suchen als eine Folge von Tönen und Rhythmen, nämlich eine Klangrede, die Empfindungen und Szenerien schildert. TRANSPORT IN DIE INNERE VORSTELLUNG – DIE VORSTELLUNG STEUERT DIE TECHNIK Die hier beschriebene Instrumentalmethodik beginnt mit Singen, ihr erstes Ziel ist die Wahrnehmung der zu spielenden Melodie. Vorrangig wird dafür gesorgt, dass die Lernenden sie verinnerlichen und sich klanglich in Erinnerung rufen können. Die intensive Wahrnehmung des ganzen Stücks mit seinem Charakter und seinen Stimmungen steht vor der Arbeit mit der Technik. Wenn die Lernenden das Stück gut kennen, können sie sagen: „So soll es klingen“. Dann kann die Lehrerin fordern: „Wenn es so klingen soll, musst Du das so machen“. Dann steuert die Vorstellung die Technik. KERN – KLEINSCHRITTIGKEIT – LANGSAMES LERNTEMPO Instrumentalunterricht setzt ein einfach zu lernendes Stück an den Anfang. Es ist der Kern (Nukleus), um den herum dann immer neue Lerninhalte gelegt werden3. Jeder dazu kommende Lerninhalt soll eine große Schnittmenge mit den bereits internalisierten haben. Solche Kleinschrittigkeit ist bestimmt von Achtsamkeit und Zuwendung der Lehrenden, die darauf bauen können, dass dieses Verhalten den Lernenden gefällt und sie es erwidern. Ein anderes Merkmal kleinschrittiger Methodik ist langes Verweilen bei einem Lerninhalt. Es ist nicht das Ziel, in kurzer Zeit eine große Anzahl von Stücken zu lehren. Vielmehr zielt die Methodik auf Intensität und Vielseitigkeit der musikalischen Erfahrungen an einer Melodie und auf tiefgreifende Internalisierung der Musik im Verbund mit der dazugehörenden Technik. Den Lernenden werden mit den vielen notwendigen Wiederholungen immer neue Wahrnehmungsziele in der Melodie angeboten, durch sie sie von immer neuen Seiten kennen lernen. Das bedeutet: Anfangs ein langsames Lerntempo, das sich in der Folge umso leichter beschleunigen lässt4. 1 Die Berufsbezeichnung für Lehrkräfte wird jeweils nur in einem Geschlecht angegeben Primat des Klangs Seite 218 3 Diversitäts- und Nukleusverfahren Seite 16 4 Wahrnehmungsziele Seite 256 2 2 DAS ERSTE STÜCK Es ist vorteilhaft, als Kern eine textierte Melodie auszuwählen. Außermusikalischer Inhalt vermittelt den Lernenden, dass Musik immer eine Szenerie darstellt, dass sie Stimmungen und Charaktere wiedergibt. Zu singen und ein Instrument zu spielen bedeutet viel mehr als nur Töne und Rhythmus zu produzieren. Es öffnet das Tor zu sehr viel weiter reichender emotionaler, sinnlicher und geistiger Wahrnehmung. Der Kern muss diese Perspektive gleich zu Beginn ahnen lassen. Auch ist an Text gebundener Rhythmus leicht zu erfassen. Die in einer Kernmelodie möglichst häufigen Wiederholungen einer Tonfolge werden mit Text plausibel. Der Kern soll auf dem Instrument leicht zu spielen ist. Für das Klavier gibt es verschiedene geeignete Anfangs-Tonfolgen. Als Muster wird hier die Tonfolge mi-re-do gewählt, dritter, zweiter und erster Ton einer Durtonleiter mit dem Fingersatz 3-2-1, der die Hand gut aufstellt. Diese Tonfolge wird in der Nomenklatur der Relativen Solmisation (RS) in jeder DurTonart als mi-re-do gesungen. Die Buchstabennotation (Buno) schreibt nur die Anfangskonsonante: m r d5. Das folgende Lied kann als Kern verwendet werden (hier in F-Dur)6: 7 METHODIK : VOM HÖREN ZUM SPIELEN 8 Der Kern wird in drei Etappen vermittelt , im Dreischritt bestehend aus: 1. Die klangliche Vorstellung vom Ablauf des Liedes wird aufgebaut 2. An die Vorstellung werden instrumentale Bewegungen ohne Instrument gekoppelt 3. Das Lied wird auf das Instrument übertragen 1. Für den ersten Schritt wird viel Zeit aufgewendet, was sich als nützlich erweisen wird, weil alle nachfolgenden Aufgaben von der Vorstellung der Musik gesteuert werden9. Durch die Vorstellung wird das Ziel der technischen Handlungen offenkundig („so soll es klingen“). Die technischen Anweisungen werden plausibel, weil das Lernen in eine erkennbare Richtung geht. Das erste Spiel auf dem Instrument werden die Lernenden selbst überprüfen und bewerten können. Kinder und Lehrer sitzen in einem Kreis im Raum, nicht am Instrument. Das Lied wird oft vorgesungen. Bei jeder Wiederholung bekommen die Lernenden ein neues Wahrnehmungsziel, die Form, den Rhythmus, den Tonverlauf… Die Lehrerin lässt den jeweiligen Parameter durch Handlungsaktivitäten fokussieren, ohne ihn zu benennen. Das Lied erklingt immer ganz, die Lernenden richten ihre Aufmerksamkeit nur auf den jeweiligen Parameter. Sie singen selbst noch nicht. Beispiele für dieses methodische Vorgehen: 5 Buchstabennotation (Buno) Seite 202 Erstes Stück in der Klavierschule WIR AM KLAVIER Schott music 2000 ED 8891 7 Theoretische Beschreibungen lassen einfache methodischer Verläufe kompliziert erscheinen. Plausibel werden die Beschreibungen nur durch wirkliches Durchspielen der Verläufe 8 Dreischritt im Instrumentalunterricht Seite 130 ff 9 Instrumentalpädagogen neigen dazu, diesen methodischen Teil mit dem Hinweis auf die Fülle ihrer technischen Aufgaben zu verkürzen oder zu unterlassen. Dabei übersehen sie, dass die Technik erleichtert wird, wenn sie von der Vorstellung gesteuert wird. 6 3 a. Der Lehrer präsentiert das Lied, es wird vorgesungen Mit den nachfolgenden Handlungen (b bis f) praktizieren die Lernenden aktives Hören10, weil sie mit der Handlung Bezug auf die gehörte Melodie nehmen. b. Der Lehrer singt das Lied, dazu führen die Kinder den Parameter Metrum in Vierteln mit verschiedenen Klanggesten aus (Klatschen, Patschen, alle Formen der Bodypercussion…). Sie konzentrieren sich nur auf das Metrum, ohne mitzusingen. Wenn sie ohne Hilfe der Lehrerin das Metrum darstellen, haben sie den Verlauf und das Formelement Umfang des Liedes erfasst. Damit haben sie basale musikalische Erfahrungen gemacht, die sie bei der Hinwendung zu einzelnen Tönen oder Rhythmen nicht gemacht hätten. c. Jeder gesungene Ton wird (auf den Handrücken) geklatscht, die Kinder fokussieren den Rhythmus. Wenn die Lehrerin im Lied aufhört zu singen werden die Kinder bald den Rhythmus weiterklatschen. Die Kinder haben damit Rhythmus und Form verinnerlicht. d. Die Lehrerin singt das Lied, dazu führen die Kinder den Parameter Form aus (Dauer, Zweiteiligkeit…); sie bewegen die sich zunächst berührenden Hände bis zum Liedende auseinander; malen einen Kreis an die Tafel oder in die Luft, der mit dem Liedende geschlossen ist; sie gehen um ihren Stuhl herum und sitzen beim Liedende wieder; sie bewegen sich vom Stuhl aus frei im Raum und sitzen beim Liedende wieder auf ihrem eigenen Stuhl; sie machen sich bei zweiteiligen Melodien die zeitliche Mitte dieser Handlungen bewusst… e. Die Kinder führen Taktgesten11 aus, durch die das Metrum strukturiert wird, sie fokussieren damit den Vierertakt. Wenn sie die Gesten mit dem Ende des Liedes selbständig beenden können, handeln sie bewusst unter Bezug auf Takt und Form. f. Der Lehrer singt das Lied, dazu schnipst er nur die vierte Zählzeit im Vierertakt: Jetzt spüren die Lernenden den Spannungsbogen, der in der Pause sein Ende findet. f. Die Tonhöhe mit wird mit den Armen angezeigt; dies kann zu den Handgesten m-r-d der RS verfeinert werden. Mit vielen Spielen können alle primären und sekundären Parameter der Melodie fokussiert werden, gefragt ist methodische Fantasie. So werden Melodien von vielen Seiten beleuchtet und tief in der Wahrnehmung und Erinnerung verankert. Sich beim Hören der ganzen Melodie auf nur jeweils einen Parameter zu konzentrieren, bedeutet, diesen stark zu empfinden aber dabei die anderen Parameter unbewusst mit aufzunehmen (Hucke12 13 packverfahren , rotierende Aufmerksamkeit ). Das führt zu langsamem Lerntempo, möglichst bei schnellem Unterrichtstempo, Kinder lieben „vibrierende Stunden“. Wesentlich für den Unterrichtserfolg ist nicht die Vielzahl gelernter Lieder und Stücke sondern die Intensität der Wahrnehmung und Internalisierung. 2. Durch den ersten Schritt haben die Kinder das Lied verinnerlicht, vielleicht singen sie schon mit, wozu sie allerdings nicht aufgefordert werden. Der zweite Schritt ordnet nun ohne Instrument dem gesungenen Klang die Grifffolgen für die Töne m-r-d mit dem Fingersatz 3-2-1 zu. An die Vorstellung wird die dazu gehörende Technik gekoppelt. Sitzweise und Fußstellung werden festgelegt. Das Bein oberhalb des Knies dient als KnieKlavier, die Berührung der Fingerkuppen mit der „Taste“ (Bein) wird geübt. Dann wird die rechte Hand flach auf das Bein gelegt. Beim Singen des Liedes zeigt der Zeigefinger der lin10 Hören als Aktivität siehe Huckepackverfahren Seite 197 Taktgesten Seit 228 12 Huckepackverfahren Seite 197 13 Dieser von Gerhard Mantel geprägte Begriff wird auf Seite 184 erläutert 11 4 ken auf die Finger der rechten, die das Lied spielen werden. Die Hand wird aufgestellt und die Finger spielen nach kurzem Anheben des Arms (Einatmen) auf dem Knie-Klavier singend das Lied. Die unkomplizierte Bewegung lässt Verspannungen und Ängste nicht aufkommen, die bei der Handhabung der Tastatur entstehen können und dient so der Vorentlastung der tatsächlichen Spieltechnik. Das Lied wird geübt, indem die Bewegungen singend auf dem Knie-Klavier geübt werden, bis es „pianistisch korrekt“ abläuft. Beim Singen der Melodie wird eine Griffbewegung ohne das Instrument ausgeführt. Sie koppelt die Instrumentalbewegung an den Klang und dient als Vorentlastung für das wirkliche Spiel am Instrument. Das Singen wird bald die Bewegung auslösen, umgekehrt wird die Bewegung zum Singen anregen. Diese Verknüpfung von Klang 14 und Bewegung begleitet Instrumentalistinnen ein Leben lang . 3. Nun kann die Tonfolge im dritten Schritt am Klavier gespielt werden. Ein Kind nimmt in der Mitte der Tastatur Platz, die anderen beobachten, bevor sie an der Reihe sind. Den Kindern wird freigestellt, welche Tasten es für das Lied wählen will. Wenn ein „Moll-Floh“ oder ein „phrygischer Floh“ zustande kommt, merkt es das vielleicht nicht selbst, in der Gruppe möglicherweise ein anderes Kind. Der Lehrer rückt die Hand auf eine zum Lied passende Stelle mit nur weißen oder nur schwarzen Tasten: Fis-Dur, G-Gur, F-Dur, C-Dur. Das Spiel des Flohliedes in diesen Tonarten wird stabilisiert. Die Tonartennamen werden gelernt: „Ich spiele jetzt den kleinen Floh in Fis- Dur…“ Die Kinder lernen dabei zum ersten Mal Namen für Tastenregionen und absolute Töne. Dazu kann die linke Hand auf dem Knie-Klavier die Pause patschen, auch ein durchgehendes Metrum15. Dann werden möglichst viele weitere Lieder im m-r-d–Tonkreis mit dem Dreischritt erarbeitet und immer in allen bekannten Tonarten gespielt. Damit ist zwar auch das Lerntempo in Bezug auf die Anzahl der Töne gering. Der immer neue Anreiz kommt von den neuen Texten, Melodien und unterschiedlichen Tonarten Lieder im Tonkreis lassen sich leicht erfinden. Eigene Lieder, auch gemeinsam mit den Kindern erfundene, intensivieren die Beziehung zum Unterrichtsinhalt16. METHODIK: SPIEL MIT DEM TONMATERIAL, IMPROVISATION Wenn die Kinder ein Kern-Lied spielen können, werden auf dem Klavier spielend neue Melodien ohne Text erfunden: Jeder Ton kann Anfangs- und Endton sein, andere Tonrichtungen und Repetitionen werden gewählt. Die Verschiedenheit der Textlieder hat bereits die Vielfalt der Möglichkeiten gezeigt. Die Lehrerin kann solche Improvisationen zunächst singend vorgeben. Vorgesungene Melodien nachzuspielen, bedeutet, die Aufforderung zum Spiel direkt mit dem Ohr wahrzunehmen, der Klang fordert zum Spiel auf17. Dabei spielen die Kinder neue Taktarten und Rhythmen (Punktierungen, Synkopen, Triolen…), ohne sie zu „verstehen“18. Die affektive Wahrnehmung erweitert ihre musikalische Erfahrung ohne kognitiven Umweg und es werden Grundlagen für das spätere kognitive Erfassen geschaffen. Das Spüren ist die Voraussetzung für Verstehen. 14 Die Bedeutung der Verknüpfung von Klang- und Bewegungsempfinden im Hirn (Kinästhetik) für die Musikpädagogik wird heute von den Neurowissenschaften bestätigt 15 Das bereitet Begleitungsformen der linken Hand vor mit Clustern, Grundtönen und Bordun, bevor die Linke Melodien spielt, siehe WIR AM KLAVIER 16 Weitere Lieder im Tonkreis m-r-d und der weitere Fortgang der pianistischen Entwicklung beider Hände finden sich in der Klavierschule WIR AM KLAVIER. Dazu auch WIR AM KLAVIER, methodischer Kommentar Schott ED 8893 17 Call&Response, Echoverfahren Seite 172 ff 18 Kinder wenden auch komplizierte grammatische Regeln korrekt an, ohne sie zu kennen 5 Die Lernenden improvisieren, sie spielen selbständig mit dem Tonmaterial. Das selbstbestimmte Finden von Melodien schafft eine intensive Beziehung zum Instrument und zur Musik, es festigt die Klangvorstellung und die Technik. Wir sind in einem Lernstadium, in dem absolute und relative Tonbezeichnungen, Buchstabennotation (Buno) und Kopfnotation (Kono) bewusst noch nicht vorkommen. METHODIK: RELATIVE BENENNUNG Der Lehrer singt solmisierend eine Melodie im Tonkreis m r d. Wahrscheinlich werden die Kinder sie nachspielen können. So verinnerlichen sie beiläufig die relativen Namen. Klang, Spielbewegung und Nomenklatur verknüpfen sich. Bald werden die Lernenden auch auf einem Instrument vorgespielte d r m-Melodien nachspielen und die relative Benennung selbst finden. Ein Kind findet eine Melodie finden, die die anderen solmisieren und nachspielen. In der Vorstellung der Lernenden werden die relativen Namen mit vertrauten Aktivitäten und Klängen verknüpft. Zum Beispiel entsteht der Klang r-m immer durch Zeige- und Mittelfinger. Das verschafft Sicherheit. Wenn dieser pianistische Griff später nicht immer stimmt, zum Beispiel, weil z.B. der 3. Finger die Terz der parallelen Molltonleiter greifen wird, bedeutet das eine spannende Erfahrungserweiterung. Die relativen Namen werden den bereits vertrauten Aktivitäten und Klängen zugeordnet, sie werden aneinander gekoppelt. METHODIK: KAMMERMUSIK • Die Lehrerin begleitet alle Lieder, möglichst auf einem zweiten Instrument im Raum. Dabei erleben die Kinder Harmonie, rhythmische Unterfütterung, Vor- und Nachspiele etc. • Die Kinder spielen ein ostinato m-r-d-r-m-r-d-r, zu dem der Lehrer improvisiert, etwa: • oder: • Die Kinder können auch bei allen m-r-d-Liedern den Grundton d zur Begleitung eines anderen Kindes singen und spielen damit kammermusikalische und harmonische Erfahrungen sammeln. Dies bereitet auch das Begleiten durch die linke Hand vor, der erste Eindruck 6 vom Begleiten entsteht nicht durch einen technischen Auftrag sondern durch Klangerfahrung. Manche m-r-d-Melodien lassen sich auch im Kanon singen und spielen. Wieder wird das Lerntempo in Bezug auf die Anzahl der gespielten Töne und die Spieltechnik noch nicht erweitert, der musikalische Lernzuwachs durch kammermusikalische Aufgaben ist jedoch groß. Bekanntes wird in anderem Zusammenhang neu erfahren. Dadurch entsteht Interesse und Motivation. Die Lebendigkeit der improvisierten Melodie weckt Spielfreude. METHODIK: MELODIEN MIT ERWEITERTEM TONKREIS Melodien mit allen Tonkreisen, in denen sich aber der Tonkreis m-r-d markant wiederholt, werden improvisiert, solmisiert vorgesungen und in die Vorstellung transportiert. Die Kinder singen noch nicht mit. Sie bekommen dann den Auftrag, nur den m-r-d-Teil (rote eckige Noten) mitzusingen, dann mitzuspielen. Sie lernen dabei, kammermusikalisch hörend auf die Gesamtfolge der Melodie zu achten und sich in den Fluss der Melodie einzubringen, etwa: METHODIK: VERSCHRIFTLICHUNG DURCH BUCHSTABENNOTATION (BUNO) Die Lernenden haben den Klang m-r-d kennen gelernt, sie können ihn wiedererkennen und mit RS-Namen benennen. Sie haben ihn gesungen, mit der Hand gezeigt, auf dem Instrument gespielt. Die Handgesten und Tonnamen sind Stellvertreter des Klangs19. Jetzt kommen weitere Stellvertreter dazu, nämlich Schriftzeichen, in diesem Fall Buchstaben. Die Kinder finden eine gut bekannte Melodie im Tonkreis m-r-d in Buchstabennotation an der Tafel (Z=Viertelpause): 4/4 19 m r d Z |m Stellvertreter des Klangs Seite 228 r d Z |m r d Z |m r d Z | 7 Sie erkennen das Flohlied und entdecken so aus eigenem Vermögen das Prinzip des Lesens von Tönen. Dabei hilft ihnen der geschriebene Anfangskonsonant der Silben. Sie lesen eine Nachschrift20, indem sie ein ihnen vertrautes Lied in der Schrift wiedererkennen. Klänge, die den Lernenden auch als Griff vertraut sind, werden in der neuen schriftlichen Erscheinungsform von den Lernenden gern angenommen, weil die Notation für etwas Konkretes steht, das sie klanglich und haptisch verinnerlicht haben. Sie sind der Schrift nicht als etwas Abstraktes begegnet, denn sie repräsentiert Erlebtes. Wichtig ist, dass die Buno früh eingeführt wird, nämlich dann, wenn nur wenige Silben und Tasten benutzt werden, die miteinander verwechselt werden können. Später wird von der bekannten Melodie an der Tafel ein Ton ausgewischt und durch einen anderen ersetzt. Die Kinder entnehmen der Schrift nun eine nicht im Voraus gehörte Tonfolge. Zwar haben sie beim Improvisieren und Call&Response schon überraschende Tonfolgen gespielt. Jetzt aber entnehmen sie die Aufforderung zur Tonhöhenveränderung der Schrift und m-r-d-Melodien können von der Tafel, aus dem Heft… gelesen werden. So lernen sie die Schrift als Vorschrift kennen. Immer noch werden bewusst die absoluten Tonbezeichnungen, also die Namen für die Tasten, die Griffe und die Kopfnotation (Kono) nicht ins Spiel gebracht. METHODIK: ABSOLUTE NAMEN Das Spiel gleicher Tonfolgen in verschiedenen Tonarten, das Transponieren, machte bereits Tonartenbezeichnungen notwendig. Vier gleiche, oder doch ähnliche Vorgänge mussten unterschieden und einzeln benannt werden. Jetzt müssen die Namen einzelner Tasten unterschieden werden: Das d in Fis-Dur ist die Taste Fis, das d in G-Dur ist die Taste G… Jede Taste kann d sein, die Tasten für r und m kann man sich dann jeweils zusammensuchen. Manchen Kindern fällt vielleicht schon auf, dass auch der Ton r in F-Dur die Taste G ist… Mit den Tastennamen prägen sich die Namen für die absoluten Töne ein, was die Voraussetzung für das Lesen in Liniennotation (Kopfnotation=Kono) sein wird. Namen für vertraute Klänge und Griffe werden angenommen, wenn konkrete Erfahrung hinter dem Namen steht. Sich Namen zu merken wäre nur dann schwer, wenn sie vor dem Erlebnis ihrer Bedeutung gelernt werden sollten. Die absoluten Tonnamen tauchen hier nur als Tastennamen auf. METHODIK: VERSCHRIFTLICHUNG IN LINIENNOTATION, ABSOLUTE NOTATION Die Kinder kennen die Klangkombination m-r-d mit ihrer relativen Bezeichnung und den passenden Stellen der Tastatur. Sie können den Auftrag erfüllen: „Spiele m-r-d in G-Dur, FisDur…“. Jetzt wird auch eine schriftliche Unterscheidung benötigt, die Linien oder Kopfnotation (Kono). Jeder Kopf in den Linien repräsentiert einen klingenden Ton. Der geschriebene Ton wird Note genannt. Die Kinder prägen sich das Gesamtbild für die ihnen vertraute Tonfolge in Kopfnotation (Kono) ein. Lesen bedeutet, im Notenbild etwas Bekanntes wiederzufinden. Kono wird als Verschriftlichung von Tonfolgen gelernt, mindestens zwei Tönen, die in einer Relation zueinander stehen. Typische Bilder, wie die absteigende Tonfolge m-r-d prägen sich als Gesamtbild ein. 20 Nachschrift Seite 216 8 Die Kinder erkennen im Bild der absteigenden Linie ihre Kerntonfolge. Zwar ist jede Tonart anders platziert, aber das Gesamtbild erscheint in der Notation jeder Tonart. Die Kinder lesen noch nicht einzelne Töne sondern sehen die visuelle Charakteristik des bekannten Tonablaufs im 5-Liniensystem. Wegen der Charakteristik kann auf eine Vereinfachung des Liniensystems durch Beschränkung der Linienzahl verzichtet werden. Die folgende Darstellung der Tonfolge m-r-d in vier Tonarten zeigt zusätzlich die Namen der Tasten an, die absoluten Notennamen: und Kinder lernen, die Tonarten und Töne nur aus dem Notenbild zu erkennen: Lesebeispiele ändern jetzt den Tonablauf des Kernliedes. Das Notenbild zeigt die Tonrichtung, den Schritt und den Sprung. Vielleicht wird schon erkannt, dass der Kopf auf einer Linie oder in einem Zwischenraum stehen kann... Das Erkennen des neuen Ablaufes ist zunächst eine Denkleistung: „Wenn dieser Ton auf der Linie d war, weiß ich, dass der nachfolgende Ton im Zwischenraum darüber r sein muss. Ich kann mir das mit der Fingerfolge in Erinnerung rufen und klanglich vorstellen…“ In dieser Überlegung sind alle grundlegenden Prinzipien des Notenlesens enthalten. Die Denkleistung wird durch Übung zur unbewussten Routine. Dieser Übung dienen Beispiele wie die folgenden, die erst solmisiert gesungen, dann gespielt werden: 9 Solche Beispiele werden auch mit absoluten Tonnamen gesungen, auch beim Spielen. Die Methodik führt behutsam vom Konkreten zum Abstrakteren, sie leitet vom 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. GEHÖRTEN GESUNGENEN KLANG TECHNISCHEN HANDLUNG OHNE INSTRUMENT TASTE RELATIVEN BENENNUNG RELATIVEN SCHRIFT ABSOLUTEN BENENNUNG ABSOLUTEN SCHRIFT zur zur zur zur zur zur Weiter werden neue Melodien und Lieder mit den gleichen Verfahren erarbeitet. Die Klänge, technischen Handlungen, Namen und Noten werden entsprechend abgeleitet. Dabei wird sich das Lerntempo automatisch beschleunigen, weil die Lernenden (und die Lehrenden) eine Routine des Ableitens bekommen. Klang, Griff und Note werden zunehmend als Einheit erkannt. Dadurch wird sich auch das Erkennen des Klangs und der Griffe direkt aus den Noten einstellen, was die Lehrerenden aber nicht forcieren. Weiterer Literaturhinweis: In kleinen Schritten zum ganzen Stück, 30 Klavierstücke mit Übehilfen Schott 2010 ED 20781 Malte Heygster Stennerstr.33 D – 33613 Bielefeld Fon: 0049 521 10 47 23 Mobil: 0049 178 45 89 860 mailto: [email protected]