Vorlesungsfolien Grundlagen der Elektrotechnik II Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik Prof. Dr. P. Awakowicz Ruhr Universität Bochum SS 2009 Die Vorlesung wird in Anlehnung an das Buch von Prof. Dr. Reinhold Pregla / Univ. Hagen gehalten: Reinhold Pregla, Grundlagen der Elektrotechnik, Hüthig Verlag Heidelberg (49 €) alternativ zu empfehlen: Manfred Albach, Grundlagen der Elektrotechnik 1, Pearson Studium (29,95 €) Inhalt der Vorlesung Elektrotechnik II im SS 2009 (siehe auch R. Pregla, „Grundlagen der Elektrotechnik“) 5. Das magnetische Feld 5.1 – 5.8 ⇒ Vorlesungsfolien Teil I 5.9 Der magnetische Kreis 5.10 Anwendungen der magnetischen Kraftwirkung 6. Die elektromagnetische Induktion 6.1 Induktionsvorgänge 6.2 Das Induktionsgesetz 6.3 Das induzierte elektrische Feld 6.4 Beispiele zum Induktionsgesetz 6.5 Selbstinduktion und Gegeninduktion 6.6 Berechnung von Induktivitäten und Gegeninduktivitäten 6.7 Energie im magnetischen Feld 6.8 Wirbelströme und Stromverdrängung 6.9 Die Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes 8. Wechselströme und Netzwerke 8.1 – 8.11 ⇒ Vorlesungen „Grundlagen der Informationstechnik“ und „Schaltungstheorie“ 8.12 Der Transformator Vorlesungsfolien GdE II 3 5.9 Der magnetische Kreis Wir haben gesehen: Hochpermeable Stoffe führen das magnetische Feld. Daher werden sie auch magnetische Leiter genannt. Wir wissen: Die magnetischen Feldlinien sind in sich geschlossen. Daher muss zur vollständigen Führung eine Anordnung aus magnetischen Leitern geschlossen sein: der magnetische Kreis. 5.9.1 Der magnetische Fluss Im Folgenden soll gezeigt werden, dass es eine skalare Größe gibt, magnetischer Fluss genannt, die analog zum Strom I im Φ elektrischen Kreis innerhalb eines magnetischen Leiters konstant ist. Dazu wird ein magnetisches Leiterstück (Bild 5.27) betrachtet: Bild 5.27 Vorlesungsfolien GdE II 4 Diese Leiterstück durchschneide eine geschlossene Fläche A. Links schneide der Leiter aus A die Fläche A1 heraus, rechts A2. Wendet man nun den Gaußschen Satz auf die geschlossene Hüllfläche A an, so gilt: r r r r r r 0 = ∫∫ B ⋅ dA = −∫∫ B1 ⋅ dA1 + ∫∫ B2 ⋅ dA2 , A A1 A2 r r da dA1 und dA entgegengesetzt sind und da außerhalb des magnetischen Leiters das Feld vernachlässigbar ist. Daraus ergibt sich: r r r r ∫∫ B1 ⋅ dA1 =∫∫ B2 ⋅ dA2 = const.= Φm A1 (5.55) A2 die Definition des magnetischen Flusses und seine Konstanz innerhalb eines magnetischen Leiters (analog zum el. Strom). Für die Einheit gilt: [Φm ] = Vs = Wb = Tm2 Vorlesungsfolien GdE II 5 Wird die mag. Flussdichte in einzelnen Abschnitten als homogen betrachtet, dann ergibt Gl. (5.55): Φm = B1 A1 = B2 A2 = B3 A3 , (5.56) wobei die Flächen Ai senkrecht zu den Feldlinien der mag. Flussdichte B liegen müssen. Im Beispiel von Bild 5.28 sind die Flächen Ai genügend weit von den Änderungen des Querschnittes entfernt. Bild 5.28 Mit Gl. (5.56) kann man die relative Größe der magnetischen Flussdichte B in jedem Querschnitt angeben. Damit ist B um so größer, je kleiner der Querschnitt des magnetischen Leiters ist. Vorlesungsfolien GdE II 6 r Im Gegensatz zur Flussdichte B ist der Fluss φ eine skalare Größe. Das Vorzeichen von φ ist abhängig von der Richtung der r Flächennormalen zur Richtung von B . Die Zählrichtung des Flusses gibt an, nach welcher Seite der Querschnittsfläche die Flächenvektoren zeigen. Der Fluss hat dann ein positives Vorzeichen, wenn die Linien der mag. Flussdichte die Fläche in Richtung des Zählpfeiles durchstoßen. 5.9.2 Das Ohmsche Gesetz des magnetischen Kreises Es liegt nahe, mit den obigen Gesetzmäßigkeiten, die analog zum elektrischen Leiter sind, den magnetischen Kreis zu betrachten (Bild 5.29). Bild 5.29 Die Querschnittfläche A sei längs des Leiters konstant. Der mittlere Kreisumfang sei lm. Vorlesungsfolien GdE II 7 Der Kreisumfang sei wesentlich größer als die Querschnittabmessungen (z.B. Durchmesser). Mit R >> r gilt: B ≈ konst. Damit wird: Φm = B A mit der gewählten Zählrichtung von φm in Richtung B. Ebenso kann B auch als Mittelwert der mag. Flussdichte über den Querschnitt aufgefasst werden. Um die Flussdichte zu erzeugen, ist eine magn. Erregung nötig: H= B µr µ0 Diese wiederum wird nach dem Durchflutungsgesetz durch einen Strom, genauer eine el. Durchflutung erzeugt: r r 0 ∑ I = Θ =∫ H ⋅ ds = V m = H lm Vorlesungsfolien GdE II (*) 8 Die Integration von (*) ist längs eines mittleren Weges auszuführen, weil der Mittelwert von B etwa auf diesem mittleren Weg zu finden ist. Mit den obigen Gleichungen ergibt sich: 0 Θ = V m = RmΦm (5.57) mit Rm = Θ H lm l = = m Φm µ0 µr H A µ0 µr A (5.58) Da Gl. (5.57) formal dem Ohmschen Gesetz U=RI entspricht, wird Gl. (5.58) als Ohmsches Gesetz des magnetischen Kreises bezeichnet. Dabei ist Rm der magnetische Widerstand. Die Durchflutung Θ entspricht der Quellenspannung U und der magnetische Fluss φm dem elektrischen Strom I. Vorlesungsfolien GdE II 9 Mit diesen Analogien kann das Ersatzschaltbild des magnetischen Kreises (Bild 5.30) angegeben werden: Bild 5.30 Für Stoffe mit variablem µr ist der magnetische Widerstand Rm nicht konstant, sondern eine Funktion der Erregung (siehe Hystereseschleife) und damit eine Funktion von θ. Besteht der Kreis aus Abschnitten unterschiedlichen Querschnitts, so hat jeder Abschnitt eine zugehörige, unterschiedliche magn. Flussdichte B (Gl. (5.56)). Daraus folgt, dass auch die erforderliche magn. Erregung H in jedem Abschnitt unterschiedlich sein muss. Weiterhin ist die Flussdichte auch noch abhängig von der jeweiligen erregungsabhängigen Permeabilität µ0 µrdes Materials des jeweiligen Abschnitts. Vorlesungsfolien GdE II 10 Die Randspannung (= gesamter magnetischer Spannungsabfall) erhält man somit (im einfachen Kreis) als Summer der magnetischen Spannungen der einzelnen Abschnitte: r r Vm = ∫ H ⋅ ds = ∑ Hilmi = ∑Vmi 0 i i Damit wird Gl. (5.57) jetzt: 0 Θ = V m = Φm ∑ Rmi , (5.59) i wobei für den magnetischen Widerstand des jeweiligen Abschnitts gilt: Rmi = lmi µri µ0 A Die Gl. (5.59) entspricht der Kirchhoffschen Maschenregel im einfachen elektrischen Stromkreis. Vorlesungsfolien GdE II 11 Im Bild 5.31a ist ein einfacher magnetischer Kreis mit unterschiedlichen Abschnitten eingezeichnet, in 5.31b das zugehörige Ersatzschaltbild. Bild 5.31 b Bild 5.31 a Eisengerüste dieser Form kommen z.B. bei Transformatoren und Drosselspulen vor. Man bezeichnet die senkrechten Teile als Schenkel, die waagrechten als Joch. In Bild 5.31a sind jeweils die beiden Schenkel und die beiden Joche gleich. Daher wurden diese im Ersatzschaltbild 5.31 b zusammengefasst. Vorlesungsfolien GdE II 12 Die Berechnung des magnetischen Flusses in einem Kreis ist kompliziert, da die Widerstände Rm unterschiedlich von Φm abhängen. Es ist wesentlich einfacher, von einer geforderten magnetischen Flussdichte auszugehen: 1. Da der magnetische Fluss im einfachen Kreis überall gleich ist, können bei gegebener Flussdichte in einem Abschnitt in den anderen Abschnitten i die zugehörigen magnetischen Flussdichten Bi bestimmt werden. 2. Zu diesen verschiedenen Flussdichten Bi wird aus der Magnetisierungskurve die notwendige Erregung Hi abgelesen. 3. Aus den Hi wird die magnetische Spannung Vmi mittels der mittleren Länge lmi des jeweiligen Abschnitts berechnet. 4. Alle Spannungen werden zu Null aufsummiert, bzw. ergibt die Summe der Quellenspannungen Θi die Spannungsabfälle in den Widerständen Rmi. 5. Ist Θ vorgegeben, muss man sich iterativ mit dem gleichen Verfahren an Φ heranarbeiten. Vorlesungsfolien GdE II 13 5.9.3 Der verzweigte magnetische Kreis Anhand eines Beispiels soll in Analogie zum elektrischen Stromkreis ein verzweigter magnetischer Kreis berechnet werden. Das Eisengerüst in Bild 5.32 wird für Drehstromtransformatoren verwendet. Bild 5.32 Zunächst wird die Kirchhoffsche Knotenregel für Punkt A angewendet, wobei zufließende Ströme negativ gesetzt werden: − Φ1 − Φ2 + Φ3 = 0 (5.60) Die Kirchhoffsche Maschenregel für das linke Fenster ergibt: Θ1 = Rm1Φ1 + Rm3Φ3 Vorlesungsfolien GdE II (5.61a) 14 und für das rechte Fenster: Θ2 = Rm2Φ2 + Rm3Φ3 (5.61b) Die Widerstände Rmi sind längs der Wege i zwischen den Punkten A und B gesetzt. Daher setzen sich Rm1 und Rm2 aus verschiedenen Abschnitten (Schenkel und Joche) zusammen. Die Gln. (5.60, 5.61a, b) stellen ein System von drei Gleichungen für die drei Unbekannten Φ1, Φ2, Φ3 dar. In Bild 5.33 ist das zugehörige Ersatzschaltbild gegeben. Bild 5.33 Die Zählpfeile für die Flüsse entsprechen denen aus Bild 5.32. Die Zählpfeile für die Durchflutung müssen dann so gewählt werden, dass die zugehörigen Flüsse in die vorgegebene Richtung getrieben werden. Vorlesungsfolien GdE II 15 5.9.4 Der magnetische Kreis mit Luftspalt Wir haben gesehen: Näherungsweise können die Zusammenhänge auch auf Kreise mit Luftspalt angewendet werden: Bild 5.34 a Bild 5.34 b Eine Anordnung gemäß Bild 5.34 b ist für Elektromagnete und Elektromotoren wichtig. Da der magnetische Widerstand von Luft sehr viel größer ist als der von Eisen, laufen manche Feldlinien direkt von Schenkel zu Schenkel (Bild 5.34 b) und nicht durch den Luftspalt. Damit der Streufluss klein bleibt, muss der Luftspalt d klein sein gegen die Querschnittsabmessungen der Schenkel. In der Praxis nimmt man an, dass das Feld im Bereich des Spaltes homogen ist und außerhalb nicht existiert. Vorlesungsfolien GdE II 16 Hat der Schenkel die Querschnittfläche A, wird der magnetische Widerstand des Luftspaltes: Rmd = l µ0 µr A = d µ0 A Dieser liegt in Reihe mit den anderen Widerständen. Da im Luftspalt im Vergleich zum Eisen gilt: µrd << µre , ist der Widerstand des Spaltes viel größer als die Widerstände der Eisenabschnitte. Damit wird klar, dass zur Erregung des Luftspaltes der größte Teil der Durchflutung aufgewendet werden muss. In Bild 5.35 sind die Magnetisierungskurve des Eisens (Kurve 1, vgl. Bild 5.24 „Neukurve“) sowie die Geradengleichung für den Luftspalt (Kurve 2) angegeben: B = µ0 H Vorlesungsfolien GdE II (*) 17 Kurve 3, die Gesamtkurve, setzt sich aus den Kurven 1 und 2 zusammen: • Für eine benötigte Flussdichte B ergibt sich mit Kurve 1 der Spannungsabfall VE in den Eisenabschnitten. • Mit Kurve 2 und Gl. (*) erhält man für die gleiche Flussdichte wie im Eisen einen sehr viel größeren Spannungsabfall im Luftspalt VL. • Die Summe aller Spannungsabfälle ergibt die notwendige Gesamtdurchflutung Θ. • Damit ist Kurve 3 so zu konstruieren, dass die Abszissenwerte (x-Achse) für einen vorgegebenen, fixen Ordinatenwert (yAchse) addiert werden. Dies nennt man Scherung: Bild 5.35 Vorlesungsfolien GdE II 18 5.9.5 Berechnung von Dauermagnetkreisen Bisher wurde angenommen, dass die magnetischen Kreise aus magnetisch weichem Material aufgebaut sind. Daher musste die Erregung mit Spulen erzeugt werden. Jetzt sollen Dauermagnete zur Erregung des Kreises dienen, wie es z.B. bei Lautsprechern, elektrischen Maschinen, Messgeräten, Sensoren oder Generatoren der Fall ist. Zunächst soll noch einmal der Dauermagnet für sich betrachtet werden: Bild 5.1 e* Das Feld der magnetischen Flussdichte des Dauermagneten entspricht dem einer stromdurchflossenen Spule. Vorlesungsfolien GdE II 19 Daher können für den Permanentmagneten in Bild 5.36 a die Feldlinien der magnetischen Flussdichte eingezeichnet werden: Bild 5.36 b Bild 5.36 a Wichtig ist, dass im gesamten Raum auch eine magnetische r Erregung H vorherrscht, obwohl keine Durchflutung, d.h. kein Erregungstrom, vorhanden ist. In Bild 5.36 b sind die Linien der magnetischen Erregung eingezeichnet. Im Außenraum des Dauermagneten stimmen sie mit den Linien der Flussdichte wegen r r B = µ0 H überein. Vorlesungsfolien GdE II 20 Innerhalb des Dauermagneten sind die Feldlinien der Erregung denen der Flussdichte entgegengesetzt. Denn bildet man: r r ∫ H ⋅ ds = Θ mit Θ = 0 so ist das nur möglich, wenn die Feldlinien der Erregung gemäß Bild 5.36 b verlaufen. D.h. der Beitrag zum Integral im Außenraum muss durch einen entgegengesetzt gleich großen Beitrag innerhalb des Magneten kompensiert werden. Im Bild 5.36 c sind für einen Punkt im Außenraum r r (P1) r und einen Punkt im Innenraum (P2) die Vektoren B, H , M qualitativ eingezeichnet. Bild 5.36 c Vorlesungsfolien GdE II 21 Zur Erinnerung: In Abschnitt 5.8.1 wurde hergeleitet, dass sich das Vektorfeld der magnetischen Flussdichte berechnen lässt mit der magnetischen Erregung und der Magnetisierung: r r r B = µ0 (H + M ) (5.39)* Weiterhin wurde besprochen, dass die Erregung mit allen, nur nicht mit den scheinbaren Strömen Im verknüpft ist. D.h. H ist die äußere, vom Stoff unabhängige Größe, während M allein vom Stoff aufgebracht wird. Wichtig war auch, dass in r r ∫ H ⋅ ds = Θ für Θ nur die von außen aufgebrachten Ströme, nicht aber die im Material auftretenden scheinbaren Ströme IM, berücksichtigt werden dürfen. Vorlesungsfolien GdE II 22 Beispiel: einfacher magnetischer Kreis mit Permanentmagnet In einem einfachen magnetischen Kreis (Bild 5.37), der von einem Permanentmagneten erregt wird, soll die magnetische Flussdichte im Luftspalt berechnet werden. Der Magnet ist grau eingezeichnet, die Polschuhe, deren magnetischer Spannungsabfall gegenüber dem Luftspalt klein ist, sind mit P bezeichnet. Bild 5.37 Der Spannungsabfall in P wird mit dem sog. Eisenfaktor kE > 1 berücksichtigt. Die Breite des Luftspaltes ist d. Vorlesungsfolien GdE II 23 Das Durchflutungsgesetz ergibt: H E lE + H L lL k E = 0 (5.62) mit HE und HL dem Betrag der Erregung im Eisen und im Luftspalt. Wird in (5.62) HL=BL/µ0 und lL=d gesetzt, dann folgt für BL: H E lE BL = − µ0 d kE (*) Vernachlässigt man den Streufluss, dann ist im einfachen Kreis ΦL=ΦE und damit gilt: BL AL = BE AE (5.63) Wird nun (*) eingesetzt in (5.63), erhält man: BE = − µ0 lE AL H E = −m x kE d AE Vorlesungsfolien GdE II (5.64) 24 Gl (5.64) ist eine Geradengleichung mit negativer Steigung m. Jetzt ist jedoch gleichzeitig BE eine nichtlineare Funktion in Abhängigkeit von HE, deren Zusammenhang über die jeweilige Magnetisierungskurve gegeben ist. Um dieses Gleichungssystem bestehend aus beiden Funktionen lösen zu können, muss hier ein graphischer Weg gewählt werden (Bild 5.38). Bild 5.38 Die Lösung ist der Schnittpunkt beider Funktionen (siehe Bild 5.38). Vorlesungsfolien GdE II 25 Gl. (5.63) umgeformt ergibt: BL = BE AE AL Wird dies mit Gl. (*) multipliziert, erhält man: AE H E lE µ0 − B = BE AL kE d 2 L Nach BL umgeformt ergibt sich: BL = µ0 lE AE kE d AL (− BE H E ) (5.65) Daraus folgt, dass eine große Flussdichte im Luftspalt ein großes Produkt aus BE und HE erfordert. Andererseits kann, wenn dieses Produkt sehr groß ist, das Volumen des Permanentmagneten (VE=AE lE) zum Erreichen einer bestimmten Flussdichte klein gewählt werden. Weiterhin sieht man, dass die Eisenverluste der Polschuhe ebenso wie die Dicke des Luftspaltes gering zu halten sind. Vorlesungsfolien GdE II 26 5.10 Anwendungen der magnetischen Kraftwirkung 5.10.1 Der Hall-Effekt Zur Erinnerung: Magnetische Felder bewirken eine Kraft auf bewegte Ladungen, d.h. die Ladungsträger werden abgelenkt. Betrachtet wird ein Kupferstreifen in Bild 5.39, durch den ein Strom I fließe. Senkrecht zum Streifen herrsche ein homogenes magnetisches Feld B. Bild 5.39 Wir wissen: im metallischen Leiter sind die Träger des Stromes die negativ geladenen Elektronen. Diese haben eine Driftgeschwindigkeit vd, die der Stromrichtung entgegengesetzt ist. Auf die Elektronen wirkt dann eine Kraft: r r r F = −e vd × B Vorlesungsfolien GdE II (5.2)* 27 Diese steht senkrecht auf vd und auf B und bewirkt einen Elektronenüberschuss auf der Seite b und einen Elektronenmangel auf der Seite a. Dadurch wird quer zum Strom ein elektrisches Feld E aufgebaut, das dieser Ladungstrennung entgegenwirkt. Dieses Feld zeigt von a nach b (d.h. von + nach -). Auf diese Weise entsteht ein Gleichgewichtszustand zwischen der elektrischen Kraft und der magnetischen Kraft: r r r e E = −e (vd × B) Damit wird das elektrische Feld von a nach b: r r r E = − vd × B , (5.66) das zwischen den beiden Seiten eine Spannung zur Folge hat: b r r r r Uab = ∫ E ⋅ ds = −Bd (vd ⋅ eI ) (5.67) a mit dem Einheitsvektor r eI in I-Richtung. Vorlesungsfolien GdE II 28 r r Da im Falle negativer Ladungsträger vd und eI entgegengesetzt sind, wird Uab in Gl. (5.67) positiv. Im Falle positiver Ladungsträger wird Uab negativ. Dieser Effekt wurde 1879 von dem amerikanischen Physiker E.H. Hall entdeckt und heißt daher Hall-Effekt. Die Spannung Uab bezeichnet man somit als Hall-Spannung. Wird Gl. (5.67) erweitert um die Ladung q, die Ladungsträgerdichte pro Volumen n und die Dicke des Streifens t, dann ergibt sich: n qt J I BI Uab = B d vd = Bd t=B = RH nqt nqt nqt t mit RH = (5.69) 1 , nq wobei für die Stromdichte J gilt: r r r J = ρ vd = n qvd mit q = ±e Vorlesungsfolien GdE II (5.68) 29 Anwendung des Hall-Effekts: Bestimmung der Ladungsträgerdichte Aus Gl. (5.67) erhält man bei bekannter Flussdichte B und gemessener Hallspannung U direkt die Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger vd. Mit Gl. (5.68) und der Messung der Stromdichte kann daraus die Ladungsträgerdichte ermittelt werden. Ebenso kann mittels einer Strommessung und aus Gl. (5.69) die Dichte bestimmt werden. Tabelle 5.1 zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen berechneten (je Atom ein Elektron) und gemessenen Dichtewerten für einwertige Metalle. Metall Natrium Cäsium Kupfer Silber Gold n aus Hall-Messung in 1022 cm-3 2.5 0.8 11.0 7.4 8.7 n berechnet in 1022 cm-3 2.6 0.85 8.4 6.0 5.9 Tab. 5.1 Diese Diskrepanz lässt sich nur mittels der Quantenmechanik beheben, die den Hall-Effekt auch in Halbleitern brauchbar beschreibt. Vorlesungsfolien GdE II 30 Bei Halbleitern ist die Hall-Spannung viel größer als in Metallen, da die Ladungsträgerdichte n viel kleiner ist. In Indiumarsenid und Indiumantimonid erhält man bei I=1 A eine Spannung von 0.1 V je 0.1 T. Diese Materialien verwendet man zur Herstellung von HallGeneratoren: 2 Anschlüsse für den Steuerstrom + 2 Anschlüsse für die Hall-Spannung. Gleichzeitig müssen diese Plättchen sehr dünn sein (t klein!). Daher verwendet man dünne Schichten (einige µm) auf einen Träger (Substrat) aufgetragen und mit Keramik oder Gießharz eingefasst. Hall-Generatoren werden zum Messen magnetischer Felder und zum Steuern verwendet. Widerstandserhöhung Im Hall-Plättchen erhält man eine durch das angelegte magnetische Feld hervorgerufene Widerstandserhöhung für den Steuerstrom I (Bild 5.40). Auch diese wird zum Ausmessen magnetischer Felder verwendet. Bild 5.40 Vorlesungsfolien GdE II 31 5.10.2 Das Drehspulmessinstrument Beim sog. Drehspulmessinstrument wird die Kraftwirkung des magnetischen Feldes auf einen stromdurchflossenen Leiter ausgenutzt (Bild 5.41). Bild 5.41 Die Anordnung besteht aus den zwei Polen eines Permanentmagneten, einem Zylinder aus Weicheisen und einer drehbar gelagerten Spule im Spalt zwischen Magnetpolen und Eisenzylinder. Der Strom wird der drehbaren Spule über zwei planare Spiralfedern zugeführt, die so befestigt sind, dass die Spule in eine bestimmte Lage, der Ruhelage, gehalten wird. Aus Bild 5.41 und den bisherigen Überlegungen geht hervor, dass im Spalt, also im Bereich der Drehspule, das B-Feld radial verläuft. Damit steht es auf den Wicklungen der Spule senkrecht. Vorlesungsfolien GdE II 32 Zur Erinnerung: Für das Drehmoment auf eine r stromdurchflossene Spule der Fläche A (Flächennormale n ), der Windungszahl N, die vom Strom I durchflossen werden und dem Magnetfeld B ausgesetzt ist, gilt: r r r T = AN I (n × B) (5.10)* Daher kann jetzt für das Drehmoment, das auf die Spule ausgeübt wird, geschrieben werden: TSpule = AN I B (5.70) Die oben erwähnten Spiralfedern üben ein Gegenmoment aus, das linear proportional zum Auslenkwinkel α ist: TFeder = konst. ⋅ α Vorlesungsfolien GdE II (5.71) 33 Eine Gleichgewichtslage (α) stellt sich ein, wenn beide Momente gleich sind: NIAB = konst. ⋅ α Damit gilt für den Gleichgewichtsausschlag: α= N AB I =KI konst. (5.72) D.h. der Ausschlag ist direkt proportional zum Strom I. Soll ein bestimmter Messbereich gespreizt werden („Zoom“), dann kann der Luftspalt entsprechend variiert werden. Die magnetische Flussdichte ist dort größer, wo der Luftspalt kleiner ist. Bauformen Für den Eisenkreis sind verschiedene Bauformen üblich: Bild 5.42 a Vorlesungsfolien GdE II Bild 5.42 b 34 Die helleren Bereiche (Abschnitte) sind Permanentmagnete, die übrigen Teile bestehen aus Weicheisen. Wie bekannt, ist die Güte der Magneten bestimmt durch die Koerzitivfeldstärke Hc und die Remanenzflussdichte Br. Ist Hc groß, kann der Magnet kurz gewählt werden. Ist Br groß, kann der Querschnitt klein sein. Der Kreis 5.42 a besteht aus Chrom- und Wolframstählen (lang gestreckte Bauform), der Kreis 5.42 b wird aus Kobaltstahl hergestellt. Bei hochkoerzitiven Stählen wählt man eine einfache Form, da die Herstellung schwierig ist (Bild 5.42 c). Bild 5.42 c Bild 5.42 d Sehr hochwertige Dauermagnete mit großem Br erhält man durch Sintern von Al-Ni-Co Pulver, d.h. durch Pressen mit hoher Temperatur und hohem Druck. Neueste Forschungen erlauben auch die Abscheidung von hochwertigen, sehr dünnen Magnetschichten aus Plasmen. Vorlesungsfolien GdE II 35 Aufgrund der extrem feinen (mit Plasmen hergestellten) Körnung werden sehr homogene magnetische Felder erreicht. Bauform 5.42 d und e sind Beispiele für sehr kompakte Ausführungen, die eine geringe magnetische Streuung aufweisen und daher unempfindlich gegen äußere Magnetfelder sind. Bild 5.42 e Bild 5.42 e zeigt ein sog. Kernmagnetmesswerk, das in sehr kleinen Bauformen erhältlich ist. Da mittlerweile durchweg elektronische Strom- und Spannungsmessgeräte verwendet werden, soll hier nicht weiter auf die Drehspulmessgeräte eingegangen werden. Weitere Informationen sind in R. Pregla, „Grundlagen der Elektrotechnik“ aufgeführt. Vorlesungsfolien GdE II 36 5.10.3 Elektroakustische Wandler Elektroakustische Wandler formen elektrische Energie in Schallenergie (Lautsprecher) um und umgekehrt (Mikrophon). In Bild 5.44 ist ein elektrodynamischer Wandler (Lautsprecher) gezeigt: Dieser besteht aus einer trichterförmigen Membran, die im Mittelbereich eine leichte Tauchspule trägt. Diese bewegt sich im ringförmigen Luftspalt eines Eisenkerns. Durch einen Permanentmagneten wird in diesem Kreis die Flussdichte B erzeugt. Bild 5.44 Die Spule habe den Durchmesser d, die Windungszahl N, befinde sich im Magnetfeld B und werde vom Strom i durchflossen, dann wird auf sie die Kraft F ausgeübt: F = dπ N B i Vorlesungsfolien GdE II (5.75) 37 Zur Erinnerung: Die längenbezogene Kraft auf einen stromdurchflossenen Draht: r r r dF = I (dl × B) (5.7)* Der Strom i in Gl. (5.75) ist zeitlich veränderlich, die anderen Größen seien hier konstant. Damit erfolgt die Kraftwirkung proportional zum Strom. Im nächsten Kapitel wird gezeigt, dass dieser Vorgang auch umkehrbar ist. D.h. durch Bewegung der Membran wird ein Strom induziert. 5.10.4 Das Zyklotron Als letztes Beispiel für die Anwendung magnetischer Kraftwirkung soll das sog. Zyklotron besprochen werden. Dieses dient der Beschleunigung geladener Teilchen auf hohe Energien, die für Kernzertrümmerungsversuche benötigt werden. Durchläuft ein Teilchen mit der Ladung e (1,6 ·10-19 As) die Potentialdifferenz U, so nimmt es die Energie eU auf. Diese ist in Form kinetischer Energie vorhanden: m v2 eU = 2 Vorlesungsfolien GdE II 38 Um derartige Beschleunigungsstrecken für geladene Teilchen nicht sehr lang werden zu lassen, wurde das Zyklotron entwickelt, das in einer Kreisbahn den Teilchen „portionsweise“ Energie zuführt (Bild 5.45). Bild 5.45 Das Zyklotron besteht in der Mitte aus einer Ionenquelle I, in der z.B. Deuterium-Moleküle (D2: schwerer Wasserstoff) mit hochenergetischen Elektronen (100 eV) beschossen werden: D2 + e− → D + D+ + 2e− (*) Die chemische Symbolgleichung (*) ist ein Beispiel (von mehreren) der Ionenerzeugung, wobei hier die sog. dissoziative Ionisation gezeigt ist. Dissoziation bezeichnet die Zerlegung eines Moleküls in mehrere Teile, Ionisation das Herausschlagen eines gebundenen Elektrons vom Atom oder Molekül. Für obigen Prozess ist eine Stoßenergie von etwa 16 eV notwendig. Vorlesungsfolien GdE II 39 Die so entstandenen positiven Ionen (es gibt auch negative) treten durch eine kleine Öffnung in das Zyklotron ein. Dort werden sie durch die HF-Spannung UHF beschleunigt und durch das senkrechte Magnetfeld auf eine Kreisbahn gelenkt. Die HF-Spannung liegt zwischen zwei halben Metalldosen, den sog. Duanten D1 und D2. Zwischen diesen herrscht das HF-Feld, innerhalb der Duanten herrscht kein Feld. Die ganze Apparatur befindet sich im Hochvakuum (10-6 mbar). Tritt nun ein D+ aus der Quelle aus, so wird es zum negativen Duanten, z.B. D1 beschleunigt. Dann fliegt es auf einer Kreisbahn und tritt aus D1 aus. In diesem Moment wird D1 positiv und D2 negativ, d.h. es wird erneut beschleunigt und tritt in D2 ein. Der zugehörige Radius der Kreisbahn lautet: mv2 F= = mω 2r = qvB r (5.1, 5.2)* Damit ergibt sich für den Radius: mv r= qB Vorlesungsfolien GdE II (5.76) 40 Das Ion durchfliegt in den Duanten die Halbkreisbahn der Länge π r mit der Bahngeschwindigkeit v. Daher beträgt die Zeit für einen Halbumlauf bis es wieder zum Spalt gelangt: πr mπ t0 = = v eB (**) Bei jedem neuen Eintritt in den nachfolgenden Duanten wird die Geschwindigkeit größer, entsprechend wird auch der Bahnradius r ∝ v größer (Gl. (5.76)). Damit bleibt jedoch die Umlaufdauer konstant. Diese hängt gemäß (**) nur von der Masse, der Ladung und dem Magnetfeld ab. Damit das Ion im richtigen Takt von der Hochfrequenz beschleunigt wird, benötigt diese die Periodendauer T gleich der vollen Umlaufzeit 2 t0: 2π m T = 2t0 = eB (5.77a) bzw. die Frequenz: f= 1 eB = , T 2π m (5.77b) die für B = 1 T im Megahertz-Bereich liegt. Vorlesungsfolien GdE II 41 Die Gesamtbahn ist eine Spirale (Bild 5.45). Gelangt das Ion in die Nähe des Deflektors A, der ein negatives Potential hat, dann verlässt das Ion tangential die Kreisbahn mit der Energie: mv2 mω 2 R2 = E= 2 2 Diese hängt somit vom Radius R des Zyklotrons ab. Da mit zunehmender Geschwindigkeit die Masse zunimmt, wird für sehr große Geschwindigkeiten die Umlaufzeit größer (Gl. (5.77a)). In diesem Fall ist die Synchronisation zur HF-Spannung nicht mehr gegeben. Vorlesungsfolien GdE II 42 6 Die elektromagnetische Induktion Die vorausgegangenen Kapitel zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen elektrischen und magnetischen Feldern besteht: Das magnetische Feld wird von elektrischen Strömen hervorgerufen, und ein magnetisches Feld übt Kräfte auf bewegte elektrische Ladungen und elektrische Ströme aus. Doch der Zusammenhang geht noch weiter: im Jahre 1831 entdeckte Michael Faraday (englischer Physiker), dass auch sich ändernde magnetische Felder in der Lage sind, elektrische Felder hervorzurufen. Dies war eine der wesentlichen Entdeckungen der Elektrotechnik mit weit reichenden Folgen für alle Bereiche (Energietechnik, Nachrichtentechnik, HF-Technik). 6.1 Induktionsvorgänge 6.1.1 Bewegungsinduktion 1. Versuch Zwischen den Polen eines Hufeisenmagneten ist ein elektrischer Leiterstab an dünnen, nichtleitenden Fäden aufgehängt (Bild 6.1). Die Enden des Leiterstabes sind mit einem hochohmigen Spannungsmesser über dünne, leitende Drähte verbunden. Auf diese Weise kann der Leiterstab im Magnetfeld pendeln. Vorlesungsfolien GdE II 43 Solange sich der Leiterstab im Magnetfeld nicht bewegt, zeigt das Messgerät nichts an. Bild 6.1 Wird der Stab ausgelenkt und pendelt, zeigt das Messgerät einen Strom bzw. eine Spannung an, die von der Pendelrichtung abhängt. Der Vorgang wird als elektromagnetische Induktion und der Strom als Induktionsstrom bzw. die Spannung als Induktionsspannung bezeichnet. Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn man den Stab festhält und den Magneten bewegt. Bewegt man den Stab in Richtung des magnetischen Feldes, passiert nichts. Vorlesungsfolien GdE II 44 Resultat: 1.Die relative Bewegung zwischen Magnetfeld und Stab ist entscheidend. 2.Die Richtungen von Feld und Bewegung zueinander spielen ebenfalls eine Rolle. Erklärung Die Erfahrungen können mit den bekannten Gesetzmäßigkeiten gedeutet werden, die bereits beim Hall-Effekt verwendet wurden (vgl. 5.10.1). Da mit dem Leiterstab die Elektronen bewegt werden, übt das Magnetfeld auf diese eine Kraft aus: r r r F = q v×B (6.1) Diese Kraft wirkt in Richtung der Stabachse in Bild 6.1, wodurch die Elektronen in dieser Richtung verschoben werden. Da es sich hier um einen geschlossenen Stromkreis handelt (im Falle der Strommessung) fließt ein Strom durch den Stab und die Drähte zum Messgerät. Vorlesungsfolien GdE II 45 Zur Berechnung der induzierten Spannung soll der Stab die Länge l besitzen und gemäß Bild 6.2 im homogenen Magnetfeld B angeordnet sein. Bild 6.2 Wird der Stab nun mit der Geschwindigkeit v bewegt, werden die Elektronen zum unteren Ende b bewegt. Am oberen Ende a entsteht ein Elektronenmangel. Dadurch ergibt sich ein elektrisches Feld E zwischen a und b, das auf die Elektronen eine Gegenkraft ausübt: r r r E = −v × B (6.2) Die an den Enden a und b induzierte Spannung lautet dann: b r r uab = ∫ E ⋅ dl = l v B (6.3) a Vorlesungsfolien GdE II 46 6.1.2 Transformationsinduktion 2. Versuch Im zweiten Versuch befindet sich eine Drahtschleife, die an einen Spannungsmesser angeschlossen ist, im magnetischen Feld einer Spule (Bild 6.3). Ist der Stromkreis der Spule in Bild 6.3 geschlossen, fließt in der Spule ein Strom, der ein stationäres Magnetfeld erzeugt, welches die Drahtschleife durchsetzt. • Im eingeschwungenen Zustand und bei festgehaltener Drahtschleife passiert nichts. • Wird die Drahtschleife im stationären Feld bewegt, zeigt der Spannungsmesser einen Ausschlag. Bild 6.3 Vorlesungsfolien GdE II 47 Nun wird die Drahtschleife festgehalten und der Strom durch die Spule verändert z.B. durch Öffnen und Schließen des Schalters: • Dadurch beginnt ein Strom durch die Spule zu fließen (bzw. hört auf zu fließen, je nach Anfangszustand), der eine Änderung des Magnetfeldes auch im Bereich der Drahtschleife hervorruft. • Am Spannungsmesser stellt man fest, dass durch die zeitliche Änderung, d.h. solange sich das Magnetfeld auf- oder abbaut, in der Drahtschleife eine Spannung induziert wird. • Wird das Feld aufgebaut, zeigt der Spannungsmesser ein anderes Vorzeichen der gemessenen Spannung an als während des Feldabbaus. Zunächst soll herausgefunden werden, wie sich die Orientierung der Drahtschleife auf die Spannung auswirkt. Dazu wird Bild 6.4 betrachtet. Bild 6.4 Vorlesungsfolien GdE II 48 Zunächst bringt man die Drahtschleife in ein homogenes Feld und verändert den Winkel α zwischen der Feldrichtung und der Achse der Drahtschleife (Bild 6.4). Man stellt fest, dass die induzierte Spannung am größten ist, wenn α gleich Null ist. Mit wachsendem α nimmt die induzierte Spannung gemäß cos(α) ab . Für α = 90° wird die Fläche der Drahtschleife nicht mehr durchsetzt. Daher wird keine Spannung induziert. Daraus schließen wir: Es kommt auf den die Drahtschleife durchsetzenden magnetischen Fluss Φ an. Damit ergibt sich die Flussregel von Faraday: „Die in einer Drahtschleife induzierte Spannung ist gleich der zeitlichen Änderung des durch sie hindurchtretenden magnetischen Flusses.“ 6.1.3 Lenzsche Regel Zur Bestimmung der Richtung der induzierten Ströme und Spannungen soll nun eine Regel aufgestellt werden, die von Lenz (Lenz, Heinrich, 1804 - 1865, baltischer Physiker) angegeben wurde. Vorlesungsfolien GdE II 49 „Der induzierte Strom fließt in eine solche Richtung, dass er durch sein Feld der Flussänderung, durch die er entsteht, entgegenwirkt.“ • D.h. die Drahtschleife baut mittels des induzierten Stromes ein Gegenfeld auf, das bestrebt ist, seinen Zustand aufrechtzuerhalten. • Der induzierte Strom erzeugt in der Drahtschleife aufgrund ihres Widerstandes Wärmeenergie. Diese muss von außen aufgebracht werden, z.B. durch mechanische Energie. Dazu ein Beispiel: In Bild 6.5 wird ein Stabmagnet mit seinem Nordpol auf einen leitfähigen Drahtring zu bewegt. Das Feld des Permanentmagneten durchsetzt in zunehmendem Maße den Ring. Bild 6.5 Vorlesungsfolien GdE II 50 Durch diese Bewegung nimmt der magnetische Fluss im Ring zu. Wegen der Lenzschen Regel muss nun im Ring ein Strom induziert werden, der der Feldzunahme in der vorgegebenen Richtung entgegenwirkt (Bild 6.5). Damit hat der Ring den in Bild 6.5 gezeigten Nord- bzw. Südpol. Energiesatz: Da sich gleichnamige Pole abstoßen, muss zur Bewegung des Permanentmagneten eine Kraft und damit mechanische Energie aufgebracht werden. Diese Energie entspricht derjenigen, die in Form vom Wärme (Ohmschen Verluste ) im Ring erzeugt wird. Aus diesem Grund der Energieerhaltung ist bei diesem Beispiel die entgegengesetzte Stromrichtung im Ring nicht möglich, da dann Nord- und Südpol des Rings vertauscht würden und der Permanentmagnet in den Ring hineingezogen würde. Damit würde der Magnet mech. Energie gewinnen, gleichzeitig würde Wärme erzeugt werden → Perpetuum mobile! Bild 6.6 Vorlesungsfolien GdE II 51 In Bild 6.6 ist zu den Gegenkräften ein Demonstrationsversuch gezeigt: Ein leitender Ring liegt auf einem Elektromagneten (Spule mit Eisenkern). Schaltet man den Strom des Elektromagneten ein, springt der Ring aufgrund der Gegenkraft, die der induzierte Strom erzeugt, nach oben. 6.2 Das Induktionsgesetz Versuch 1 zeigte die Bewegungsspannung, Versuch 2 die Transformationsspannung . Es soll in einem Modellversuch gezeigt werden, dass beide durch die gleiche Gesetzmäßigkeit beschrieben werden können: In Bild 6.7 durchsetzt ein homogenes, konstantes magnetisches Feld senkrecht eine Teilfläche einer Drahtschleife. Die Fläche der Drahtschleife wird durch einen leitenden Stab verändert, der auf zwei leitenden Gleitschienen aufliegt. Bild 6.7 Vorlesungsfolien GdE II 52 Wird der Metallstab mit der Geschwindigkeit v gezogen, wirken auf die im Stab enthaltenen Ladungsträger die Kräfte gemäß Gl. (6.1) entlang der entlang der Stabachse. Die im Stab erzeugte Spannung ist gleich der Spannung u0, solange der Strom i in der Schleife klein ist. Klein heißt, dass das durch i erzeugte Magnetfeld sowie der Spannungsabfall in der Schleife vernachlässigbar sind. Idealerweise ist der Spannungsmesser so hochohmig, dass i gegen Null geht. Die induzierte Spannung u0 wirkt nun als Quellenspannung. Die Flussänderung der Drahtschleife mit der Zeit ergibt sich zu: dΦ = B dA = B l v dt (*) Wir erinnern uns an Gl. (6.3): r r uab = u0 = ∫ E ⋅ dl = l v B b a und vergleichen diese mit Gl. (*). Daraus folgt: dΦ = l v B = u0 dt Vorlesungsfolien GdE II (6.4) 53 Damit erhält man das Induktionsgesetz: u0 = dΦ dt „Die induzierte Quellenspannung ist gleich der mit ihr verketteten Flussänderung pro Zeiteinheit.“ Das Ergebnis ist unabhängig von der Form der Leiterschleife und der Bewegung im Magnetfeld. Dieses Ergebnis, das aus der Bewegungsinduktion hergeleitet wurde, entspricht der Flussregel von Faraday, die aus der Transformationsinduktion ermittelt wurde. In Bild 6.8 ist die Zuordnung von induzierter Quellenspannung, Stromrichtung und Flussänderung gezeigt. Bild 6.8 Vorlesungsfolien GdE II 54 Die Richtungen der Größen dΦ, u0 und i gehen unmittelbar aus der Lenzschen Regel hervor. Wird die Richtung von u0 oder dΦ vertauscht, muss Gl. (6.4) mit einem Minuszeichen versehen werden. Noch mal zurück zum Unterschied zwischen Bewegungs- und Transformationsinduktion: Die Bewegungsinduktion kann direkt aus der Kraftwirkung auf bewegte elektrische Ladungen (Elektronen) im Magnetfeld verstanden werden. Wie aber ist die Kraftwirkung im Falle der Transformationsinduktion zu verstehen? Betrachtet man zunächst die Summe aller möglichen Kräfte auf elektrische Ladungen, die durch die Lorentz-Beziehung (Gl. (5.4)) gegeben ist: r r r r F = q E +v×B ( ) (5.4)* und bedenkt man, dass im Falle der Transformationsinduktion nichts bewegt wird, d.h. v = 0 gilt, dann folgt daraus, dass die Kraftwirkung in diesem Fall dem elektrischen Feld E zuzuschreiben ist. Daraus wiederum folgt die Erkenntnis, dass „immer dann, wenn ein sich zeitlich veränderndes magnetisches Feld vorliegt, ein elektrisches Feld induziert wird“. Dieses treibt dann die Ladungsträger im Stromkreis. Vorlesungsfolien GdE II 55 Um diesen Zusammenhang verständlicher zu machen, wird in Bild 6.9 ein kreiszylindrisches magnetisches Feld betrachtet, das aus der Zeichenebene senkrecht austritt und innerhalb der gestrichelten Fläche homogen ist. Dieses Feld möge in diesem Gebiet in gleicher Weise zeitlich zunehmen. Bild 6.9 • In diesem Feld befinde sich eine konzentrische Drahtschleife. Da das B-Feld zunimmt, ist die Flussänderung dΦ ebenfalls aus der Zeichenebene heraus gerichtet. • Die Drahtschleife (Radius r) habe an einer Stelle eine kleine Öffnung (klein gegen die gesamte Schleifenlänge). Daher kann an dieser die induzierte Spannung u0 gemessen werden. • Schließt man an die Klemmen über die gestrichelt gezeichneten Drähte einen Widerstand an, erhält man nach der Lenzschen Regel den Strom i. Vorlesungsfolien GdE II 56 • Die Ladungsbewegung erfolgt durch das induzierte elektrische Feld Ei. • Ohne Draht im Magnetfeld ist aus Symmetriegründen die induzierte elektrische Feldstärke längs des Kreises (Radius r) überall gleich groß und stets tangential gerichtet. • Durch den Drahtring wird dieses kreissymmetrische elektrische Feld verändert, da innerhalb eines elektrischen Leiters kein elektrisches Feld herrscht. D.h. durch die Ladungsbewegung aufgrund des induzierten elektrischen Feldes werden an einem Schleifenende positive, am anderen negative Ladungen angehäuft. Daher baut sich solange ein Gegenfeld auf, bis das Gesamtfeld im Leiter zu Null geworden ist. • Aus diesem Grunde verbleibt nur noch zwischen den nahe benachbarten Drahtenden ein elektrisches Feld. Die Spannung zwischen den Drahtenden erhält man durch Integration der induzierten Feldstärke: r r u0 = ∫ E ⋅ dl , (*) wobei nur der Spalt zwischen den Drahtenden r einen Beitrag liefert. In (*) entspricht die Richtung von dl der der induzierten Feldstärke. Vorlesungsfolien GdE II 57 r r Dreht man das Wegelement um, d.h. dl = −ds , dann ergibt sich für die Quellenspannung: r r u0 = −∫ E ⋅ ds (6.5) Die Integration erfolgt entlang des nahezu geschlossenen Weges auf der Drahtschleife, bevor diese in das Magnetfeld gegeben wird. Setzt man für u0 das Induktionsgesetz gemäß Gl (6.4) ein: r r dΦ ∫ E ⋅ ds = − dt (6.6) und schreibt anstelle von Φ das Flächenintegral der magnetischen Flussdichte, dann erhält man: r r d r r ∫C E ⋅ ds = − dt ∫∫A B ⋅ dA (6.7) das Induktionsgesetz in allgemeiner Form. Vorlesungsfolien GdE II 58 Bemerkungen zu Gl. (6.7) „Allgemeines Induktionsgesetz“: • Auf der linken Seite ist die Integration längs des Randes C der Fläche A auszuführen. • Auf der rechten Seite ist der Fluss durch genau diese Fläche A zu berechnen. • Die Umlaufrichtung für das Linienintegral und die Richtung der Flächenvektoren sind mit einer Rechtsschraube verknüpft. Daher wurde ds in Gl. (6.5) entgegen dl gewählt. • Gl. (6.7) gilt für beliebige, zeitlich sich ändernde oder konstante magnetische Felder. A ist eine beliebige Fläche, C die zugehörige Randkurve. • Diese Gleichung gilt auch für die Anordnung mit Draht. Die Feldstärke E auf der linken Seite ist dann die Gesamtfeldstärke. Da diese im Draht Null ist, trägt nur der Wegabschnitt zwischen den Drahtenden zum Integral bei. • Damit das Integral den Wert u0 ergibt, muss die Feldstärke zwischen den Drahtenden entsprechend größer sein als ohne Draht. Vorlesungsfolien GdE II 59 Bei ruhenden Medien können auf der rechten Seite von Gl. (6.7) Integration und Differentiation vertauscht werden: r r r dB r ∫C E ⋅ ds = −∫∫A dt ⋅ dA (6.8) Damit haben wir nun neben dem Durchflutungsgesetz r r r r ∫ H ⋅ ds = ∫∫ J ⋅ dA C (5.28)* A eine zweite Gleichung, die das elektrische und magnetische Feld miteinander verknüpft. 6.3 Das induzierte elektrische Feld Es wurde gezeigt, das zeitlich veränderliche magnetische Felder ein elektrisches Feld zur Folge haben, das jedoch nicht von Ladungsträgern ausgeht. Das Linienintegral entlang eines geschlossenen Weges über dieses elektrische Feld wird nicht zu Null, da die Feldlinien in sich geschlossen sind. Vorlesungsfolien GdE II 60 Damit gilt: Das durch ein zeitlich verändertes magnetisches Feld hervorgerufene elektrische Feld ist ein Wirbelfeld. Beispiel: Betrachtet man Bild 6.9, wo die Linien der induzierten Feldstärke konzentrische Kreise bilden. Der Betrag der Feldstärke ist in jedem Punkt einer geschlossenen Feldlinie gleich. Der Betrag ist jedoch eine Funktion von r. Die Abhängigkeit von r wird mit Gl. (6.8) berechnet. Für r < r0 ist dB/dt innerhalb des Kreises überall gleich: − E 2π r = − damit: dB 2 πr dt r E = B& für r ≤ r0 , 2 d.h. die Feldstärke nimmt mit wachsendem r zu. Für r > r0 liefert nur der Bereich innerhalb des Kreises mit r0 einen Beitrag zum Integral der rechten Seite: 2 − E 2π r = −B& π r0 Vorlesungsfolien GdE II 61 Damit wird: 1 r02 & E= B für r > r0 2r (*) Die Richtungen der Feldstärkevektoren sind in Bild 6.9 angegeben. Sie sind entgegengesetzt zur Richtung des Wegelements ds. Aus (*) geht hervor, dass im Außenbereich die Feldstärke wieder abnimmt. In Bild 6.10 ist die Abhängigkeit der Feldstärke im Innen- und Außenbereich dargestellt. 1 E0 = r0 B& 2 Bild 6.10 Vorlesungsfolien GdE II 62 6.4 Beispiele zum Induktionsgesetz 6.4.1 Die induzierte Spannung in einer Spule Betrachtet man in Bild 6.11 eine Spule mit N Windungen, so kann man sich diese als eine Hintereinanderschaltung von N Drahtschleifen wie z.B. in Bild 6.9 vorstellen. Bild 6.11 Will man die Spannung u0 berechnen, so muss im Prinzip die induzierte Feldstärke jeder Schleife (d.h. jeder Wicklung) entlang dieser integriert werden. Da in der obigen Anordnung alle Windungen mit der selben Flussänderung dΦ verkettet sind, also in jeder Schleife die gleiche Spannung induziert wird, ergibt sich die Gesamtspannung durch Aufsummieren der Spannungen der einzelnen Schleifen: dΦ u0 = N dt Vorlesungsfolien GdE II (6.9) 63 Gl. (6.9) entspricht der N-fachen Anwendung von Gl. (6.4). Anstelle von Gl. (6.9) schreibt man auch: dΨ u0 = dt (6.10) wobei man unter Ψ = NΦ den gesamten, mit allen Drahtschleifen verketteten Fluss versteht. Sind die Flüsse durch die einzelnen Windungen unterschiedlich, gilt: N Ψ = ∑Φi (6.11) i =1 Wie bereits früher besprochen, gelten Gln. (6.9) und (6.10) unabhängig davon, ob es sich um Bewegungs- oder Transformationsinduktion handelt. Vorlesungsfolien GdE II 64 6.4.2 Gleichmäßig rotierende Spule im konstanten Magnetfeld Zur Erzeugung einer sinusförmigen Spannung ist die Spulenanordnung in Bild 6.12 gegeben. Die Spule ist entlang der Spulenachse drehbar gelagert. Die Drahtenden der Spule sind mit Schleifringen verbunden, auf denen Schleifkontakte laufen. Wenn sich die Spule dreht, drehen sich die Schleifringe, über die die stehenden Schleifkontakte die induzierte Spannung abgreifen können. Bild 6.12 Vorlesungsfolien GdE II 65 Die Spule befindet sich in einem homogenen (= räumlich konstanten), stationären (= zeitlich konstanten) Magnetfeld. Die Spule wird mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω (z.B. von einem Motor) gedreht. Aufgrund des Zusammenhangs α = ωt mit ω = konst. wächst der Drehwinkel α linear mit der Zeit. Zum Zeitpunkt t = 0 möge das Feld die Spulenfläche A senkrecht durchsetzen. Für t = 0 gilt: Φ(t = 0) = Φmax = B A (6.12) Dreht sich die Spule um den Winkel α weiter, verringert sich der Fluss mit Φ(t ) = B A cosα = Φmax cosωt , (6.13) da die effektive Fläche der Spule, die mit dem Feld verkettet ist, um den Kosinus des Drehwinkels abgenommen hat. Vorlesungsfolien GdE II 66 Der Verlauf Φ(t) ist in Bild 6.13 als Funktion des Drehwinkels ωt bzw. (weil ω konstant ist) der Zeit t gezeigt. Bild 6.13 T Nach einer halben Umdrehung ist der Vektor der Spulenfläche A dem Feld entgegengesetzt . Deshalb hat Φ zum Zeitpunkt t = T/2 den negativen Wert -Φ max . Nach einer vollen Umdrehung t = T befindet sich die Spule wieder in ihrer Ausgangslage, d.h. Φ hat wieder den Wert BA. Der Verlauf des Flusses wiederholt sich periodisch mit der Periodendauer T. Mit Gl. (6.9) erhält man die in der Spule induzierte Quellenspannung: dΦ u0 = N = −NΦmaxω sinωt dt Vorlesungsfolien GdE II 67 oder zusammengefasst: u0 = −Umax sinωt mit Umax = Nω Φmax (6.14) Der Verlauf der induzierten Spannung ist ebenfalls in Bild 6.13 eingetragen. Beide Verläufe sind „sinus-förmig“. Die Maxima sind um die Dauer einer Viertelperiode verschoben. Man spricht von „Phasenverschiebung um π/2“. Der Verlauf hat in der Technik eine große Bedeutung: • Alle Generatoren hoher Leistung liefern Quellenspannungen dieser Form. • Den Wechsel zwischen zwei gleich großen, entgegengesetzten Maxima (Amplitude) bezeichnet man als Wechselspannung (oder Wechselstrom). • Hier handelt es sich speziell um sinus-förmigen Wechselstrom. Vorlesungsfolien GdE II 68 6.4.3 Drahtschleife im veränderlichen inhomogenen Magnetfeld Als Beispiel für ein inhomogenes Magnetfeld wird ein stromdurchflossener gerader Leiter verwendet, in dessen Magnetfeld eine rechteckige Drahtschleife liegt. Beide liegen in einer gemeinsamen Ebene. Bild 6.14 Der Leiter ist von Wechselstrom durchflossen: i(t ) = I max cosωt Vorlesungsfolien GdE II 69 Die zeitliche Änderung des Stromes soll langsam erfolgen, d. h. in jedem Moment soll das zugehörige Magnetfeld dem momentanen (Gleich-) Stromwert des Wechselstroms entsprechen. Dies wird mit quasistationär bezeichnet. Wie aus Abschnitt 5.5 und Gl. (5.20) bekannt, wird die Drahtschleife von einem ringförmigen, in sich geschlossenen Magnetfeld um den Leiter senkrecht durchsetzt. Im Abstand r vom Leiter beträgt die Flussdichte: B(r, t ) = µ0 i(t ) 2π r Die Zählrichtung für den Fluss zeige in Bild 6.14 in die Blattebene hinein. Das Flächenelement dA = bdr, durch das ein Teil des Flusses dringt, eingesetzt: B(r )dA = µ0 b i(t ) dr 2π r Den gesamten Fluss erhält man durch Integration von r1 bis r2: r2 µ0 b i(t ) 1 µ0 b i(t ) r2 Φ = ∫∫ B(r)dA = dr = ln ∫ 2π r r 2π r1 A (6.15) 1 Vorlesungsfolien GdE II 70 Bei bekanntem Fluss kann nun auch die induzierte Spannung berechnet werden: dΦ µ0 b r2 di(t ) = u0 = ln( ) dt 2π r1 dt Wird i(t) = Imaxcosωt differenziert, erhält man schließlich: µ0 b ω r2 u0 = − I max ln( ) sinωt 2π r1 (6.16) An diesem Beispiel soll nochmals die Vorzeichenregel für die induzierte Spannung veranschaulicht werden: • Das Feld der magnetischen Flussdichte sowie der Fluss durch die Drahtschleife sind bei positivem i (d.h. in Richtung des eingezeichneten Pfeils) in die Blattebene hinein gerichtet. Dies ist z.B. in der ersten Viertelperiode der Fall. • In der ersten Viertelperiode nimmt jedoch der Fluss in die Blattebene ab. Damit ist ein aus der Blattebene herausweisendes dΦ wirksam. • Da in diesem Zeitintervall in Bild 6.14 dΦ und u0 nicht gemäß Bild 6.8 zugeordnet sind, ist das aktuelle u0 negativ. • Die Übereinstimmung mit der Lenzschen Regel lässt sich leicht nachprüfen. Vorlesungsfolien GdE II 71 6.4.4 Das Barlowsche Rad als „Ausnahme“ von der Flussregel Wie besprochen, gilt die Flussregel unabhängig davon, wie die Flussänderung zustande kommt. Zur Erklärung wurden zwei unterschiedliche physikalische Phänomene, die Kraftwirkung eines Magnetfeldes auf bewegte Ladungen und das mit der Änderung des Magnetfeldes verknüpfte elektrische Feld, herangezogen. Allerdings: die Flussregel stellt eine Zusammenfassung dar, nicht ein übergeordnetes Grundprinzip! Es gibt Fälle, bei denen muss die einzelne Gesetzmäßigkeit herangezogen werden, da die Flussregel „nicht greift“. Dazu ein Beispiel: Betrachtet wird das sog. Barlowsche Rad in Bild 6.15. Bild 6.15 Barlow, P., 1776 - 1862, englischer Mathematiker und Optiker Vorlesungsfolien GdE II 72 Dieses stellt eine leitende Kreisscheibe dar, die auf einer Achse drehbar gelagert ist. Senkrecht zur Scheibenebene wirkt ein konstantes magnetisches Feld. Auf der Achse und am Umfang der Scheibe sind Schleifkontakte angebracht. Die Scheibe wird mit der Winkelgeschwindigkeit ω gedreht. Da das Magnetfeld zeitlich konstant ist und auch ein gedachter Strompfad, der die Schleifkontakte über das sich drehende Rad hindurch verbindet, zeitlich konstant ist, ist die Flussänderung, die für die Spannungsinduktion in Frage kommt, gleich Null. Betrachtet man aber die Bewegungsinduktion für den Teil der Scheibe zwischen den beiden Schleifkontakten, d.h. den Weg des Stromes durch die Scheibe, dann wird dieser mit der Winkelgeschwindigkeit ω bewegt. Daher erfahren die dort befindlichen Ladungsträger eine Kraftwirkung, die für positive Ladungsträger vom Radinneren nach außen zeigt: r F r r = v×B , q wobei v = rω . Da v und B senkrecht stehen, gilt („Kraft pro Ladung“): F = ω rB q Vorlesungsfolien GdE II 73 Bei homogenem Magnetfeld ergibt sich für die induzierte Spannung (= „Arbeit pro Ladung“): R 1 u0 = Bω ∫ rdr = ω BR2 2 0 (6.17) mit dem Radius R der Scheibe und dem Mittelpunkt r = 0 für eine sehr dünne Achse (r << R), auf der die Scheibe gelagert ist. Schätzt man die Spannung ab für B = 1T, R = 15 cm, ω = 2π f, f=50 s-1, dann erhält man: U0 = π ⋅ 50 ⋅1⋅ 0,152 Vs 2 m = 3,53 V 2 ms Diese Anordnung liefert eine geringe Spannung, wobei die Stromstärke erheblich sein kann. Vorlesungsfolien GdE II 74 Missverständliche Formulierung: „Spannungen werden induziert, wenn bewegte Leiter Magnetfeldlinien schneiden“ In Bild 6.16 wird eine Drahtschleife in einem homogenen Feld bewegt. In diesem Beispiel werden Feldlinien durch die Leiter geschnitten, dennoch wird keine Spannung erzeugt, da sich die an beiden Längsseiten induzierten Spannungen gegenseitig aufheben. Auch die Flussänderung in der Schleife ist gleich Null. Bild 6.16 Vorlesungsfolien GdE II 75 6.5 Selbstinduktion und Gegeninduktion 6.5.1 Selbstinduktion Bisher wurde bei allen Überlegungen das Eigenmagnetfeld des induzierten Stromes vernachlässigt. Jetzt soll eine Drahtschleife von einem zeitlich veränderlichen Strom durchflossen werden, wobei kein äußeres Magnetfeld vorhanden sein soll. Dieser Strom erzeugt ein zeitlich veränderliches Magnetfeld und dieses durchsetzt wiederum die Drahtschleife selbst. Die Stromänderung soll genügend langsam (quasistatisch) erfolgen, so dass stets der Momentanwert des Stromes zur Berechnung des Magnetfeldes herangezogen werden kann. Im Bild 6.17 ist eine Drahtschleife mit Stromquelle gezeigt. Bild 6.17 Vorlesungsfolien GdE II 76 Der Strom i erzeugt nun den Fluss Φ. Die Stromänderung di bewirkt die Flussänderung dΦ in der eingezeichneten Richtung. Durch dΦ wird eine Spannung uL induziert, die selbstinduktive Spannung genannt wird. Die Zuordnung von uL und dΦ entspricht Bild 6.8, daher kann auch Gl. (6.4) verwendet werden: dΦ uL = dt (6.18) Befindet sich kein magnetisches (d.h. nichtlineares) Material im Feld, ist der Fluss Φ proportional dem Strom i: Φ = Li (6.19) mit der Proportionalitätskonstante L. Damit wird aus der induzierten Spannung: u=L di , dt (6.20) wobei die Größe L Selbstinduktivitätskoeffizient oder kürzer Induktivität genannt wird. Vorlesungsfolien GdE II 77 Die Induktivität L ist nur von der Geometrie der Drahtanordnung abhängig und ist analog zur Kapazität im elektrischen Feld eine integrale Größe des magnetischen Feldes. Aus Gl. (6.20) ergeben sich folgende Einheiten: s Vs dt [L] = [u] = V = = H A A di Für N dicht nebeneinander liegende Windungen gilt: dΦ uL = N dt (6.21) und NΦ = Li (6.22) Schaltsymbole für Induktivitäten bzw. Spulen sind: z.B. 5 µH oder Vorlesungsfolien GdE II 12 mH 78 6.5.2 Gegeninduktion In Bild 6.18 sind zwei getrennte Drahtschleifen bzw. Spulen gegeben, wobei jede Windung einer Spule mit demselben Fluss verkettet ist. Zunächst soll nur durch die Spule 1 ein Strom i1 fließen (Bild 6.18a): Bild 6.18a Ein Teil des von ihm hervorgerufenen Feldes durchsetzt die Spule 2, ein anderer Teil nicht. Der Fluss durch Spule 1 sei Φ11, der Teilfluss durch die Spule 2 sei Φ21. Ändert sich der Strom i1, ergeben sich gemäß Gl. (6.21) folgende Spannungen: dΦ ′ u1 = N1 11 (sprich: in "1" von"1") dt dΦ21 ′ u2 = N2 (sprich: in "2" von"1") dt Vorlesungsfolien GdE II 79 Die Spannung u1´entsteht durch Selbstinduktion, u2´ durch Gegeninduktion: In Spule 2 wird eine Spannung induziert, wobei die Flussänderung durch Spule 1 hervorgerufen wird. Im zweiten Fall möge nur in Spule 2 ein Strom i2 fließen (Bild 6.18b). Bild 6.18b Aus den mit i2 verknüpften Flüssen entstehen in Spule 1 durch Gegeninduktion und in Spule 2 durch Selbstinduktion folgende Spannungen: dΦ22 u2 = N2 dt dΦ ″ u1 = N1 12 dt ″ Vorlesungsfolien GdE II 80 Fließen durch beide Spulen Ströme, dann überlagern sich deren Felder und die Flüsse linear. Damit gilt für die Spannungen: dΦ11 dΦ12 u1 = u1 + u1 = N1 + N1 dt dt ′ ″ (6.23) dΦ21 dΦ22 u2 = u2 + u2 = N2 + N2 dt dt ′ ″ In Gl. (6.23) sind die Flüsse Φ11 und Φ21 dem Strom i1 proportional, d.h. sie werden durch diesen hervorgerufen. Die Flüsse Φ22 und Φ12 sind dem Strom i2 proportional. Damit kann man schreiben: N1Φ11 = L11 i1 N1Φ12 = L12 i2 N2Φ21 = L21 i1 N2Φ22 = L22 i2 Vorlesungsfolien GdE II (6.24) 81 Damit kann Gl. (6.23) umgeschrieben werden: di1 di2 u1 = L11 + L12 dt dt (6.25) di1 di2 u2 = L21 + L22 dt dt Die Koeffizienten L11 und L22 sind die Selbstinduktionskoeffizienten oder Induktivitäten der Spulen 1 und 2, L12 und L21 sind die Gegeninduktionskoeffizienten oder Gegeninduktivitäten, für die gilt: L12 = L21 = M , (6.26) was noch gezeigt werden muss. Sind mehr als zwei Spulen vorhanden (in Dreiphasensystemen z.B. 3), können die Gln. (6.23) und (6.25) problemlos erweitert werden. Vorlesungsfolien GdE II 82 6.6 Berechnung von Induktivitäten und Gegeninduktivitäten 6.6.1 Allgemeines Verfahren --> siehe „Elektrische und magnetische Felder (Prof. Brinkmann) 6.6.2 Berechnung der Induktivität aus dem magnetischen Fluss Für einige einfache Fälle sollen nun die Induktionskoeffizienten mittels Gl. (6.24) bestimmt werden. Die Vorgehensweise besteht darin, mittels: L jj i j = N j Φjj (*) die Selbstinduktivität der Spule j zu bestimmen und mittels: L jk ik = N j Φjk (**) deren Gegeninduktivität zur Leiteranordnung k zu ermitteln. Vorlesungsfolien GdE II 83 Wie aus (*) und (**) hervorgeht, benötigt man dazu einerseits den Fluss, der durch Integration der Flussdichte über die Fläche der Leiterschleife ermittelt wird: r r Φ = ∫∫ B ⋅ dA A und andererseits den Strom, den man aus dem Feld mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes erhält: r r r r ∫ H ⋅ ds = ∫∫ J ⋅ dA C A Beide Gesetze wurden auch zur Aufstellung des Ohmschen Gesetzes des magnetischen Kreises verwendet. Dies kann auch hier so gemacht werden, wenn als magnetischer Kreis der Raumbereich gewählt wird, der von den Feldlinien der Flussdichte erfüllt wird. Das Ohmsche Gesetz des zur Induktivität gehörenden magnetischen Kreises lautet: N j i j = Θ jj = Rm jj Φ jj Vorlesungsfolien GdE II 84 umgeformt nach dem Fluss Φjj folgt: Φ jj = N j ij Rm jj damit folgt aus (*): L jj = Nj ij Nj ij Rm jj = Nj 2 Rm jj (6.29) Also: „Die Selbstinduktivität einer Spule ist dem Quadrat ihrer Windungszahl proportional.“ Zur Bestimmung der Gegeninduktivität wird Φjk ebenfalls aus dem Ohmschen Gesetz ermittelt: Nk ik = Θk = Φjk Rm jk nach Φjk umgeformt: Φjk = Θk i = Nk k Rm jk Rm jk Vorlesungsfolien GdE II 85 Damit erhält man für die Gegeninduktivität: L jk = Nj ik Nk N j Nk ik = Rm jk Rm jk (6.30) Also: „Die Gegeninduktivität zwischen zwei Spulen ist dem Produkt der beiden Windungszahlen proportional.“ Die Gln. (6.29) und (6.30) zeigen, dass die magnetischen Widerstände noch zu bestimmen sind, um die Induktionskoeffizienten zu berechnen. Dazu werden im Folgenden einige Spezialfälle betrachtet. 6.6.2.1 Lange Zylinderspule In Bild 6.20 ist eine lange Zylinderspule zu sehen, deren Feld im Inneren als homogen angenommen wird. Bild 6.20 Vorlesungsfolien GdE II 86 Aufgrund der Homogenität ist der Fluss durch alle Windungen gleich. Da der Fluss außerhalb der Spule einen unendlichen Raum zur Verfügung hat, soll der magnetische Widerstand des Außenraumes vernachlässigt werden. Für den Widerstand innerhalb der Spule gilt: Rm,innen ≈ Rm ≈ l µ0 A Mit Gl. (6.29) wird damit: L = N2 µ0 A (6.31) l Wickelt man nun in der Mitte der langen Spule eine zweite (s. Bild 6.20), so durchsetzt in guter Näherung der ganze Fluss der Spule 1 auch Spule 2. Es gilt: Rm jk ≈ Rm11 = Rm Damit erhält man für die Gegeninduktivität: M ≈ N1 N2 µ0 A (6.32) l Vorlesungsfolien GdE II 87 Würde man die Spule 1 stromlos halten und durch Spule 2 einen Strom schicken, könnte man aus dem Feld, das Spule 1 durchsetzt, grundsätzlich auch die Gegeninduktivität berechnen. Da jedoch Spule 2 recht kurz ist, ist innerhalb von Spule 2 das Feld nicht homogen. Weiterhin würde in Spule 1 aufgrund des Feldes von Spule 2 ein sehr inhomogenes Feld herrschen, was die Berechnung deutlich erschweren würde. 6.6.2.2 Die Toroidspule In Bild 6.21 ist eine Toroidspule mit rechteckigem Windungsquerschnitt mit den entsprechenden Abmessungen gezeigt. Bild 6.21 Die Windungen der Spule liegen so eng, dass kein Feld nach außen dringen kann. Vorlesungsfolien GdE II 88 Da die Stromverteilung fast kontinuierlich ist, spricht man von einem sog. Strombelag. Die Feldlinien der Flussdichte sind konzentrische Kreise, die alle innerhalb der Spule liegen (außerhalb ist die Spule feldfrei). Damit bildet der ringförmige Innenraum den magnetischen Leiter, dessen Widerstand möglichst genau bestimmt werden soll, um die Induktivität der Toroidspule zu ermitteln. Mit Gl. (5.58) kann sofort eine Näherung angegeben werden: Rm = lm (5.58)* µ0 µr A Setzt man für lm = 2π R1 + R2 , 2 dann gilt mit A = ab Rm = und damit: π (R1 + R2 ) µ0 µr ab ab L ≈ µ0 µr N π ( R1 + R2 ) 2 Vorlesungsfolien GdE II (6.33) 89 Doch in diesem Fall kann die Induktivität genau berechnet werden. Dazu wird (wie eingangs erwähnt) das Durchflutungsgesetz auf einen konzentrischen Kreis innerhalb der Spule angewendet (auf dem B und H überall den gleichen Betrag haben): r r Θ = Ni = ∫ H ⋅ ds = H 2π r damit ist: Θ H= 2π r bzw. B= µ0 µr Θ 2π r Der Fluss wird bestimmt, indem über den Querschnitt der Spule r integriert wird ( B steht überall senkrecht auf der Fläche A). Als Flächenelement wird bdr gewählt: Θ Φ = ∫∫ BdA = µ0 µr b 2π A R2 1 ∫R r dr 1 und damit: Φ=Θ µ0 µr R b ln 2 2π R1 Vorlesungsfolien GdE II 90 Da das Ohmsche Gesetz des magnetischen Kreises lautet: Θ = RmΦ ergibt sich für den magnetischen Widerstand: Rm = 2π R2 µ0 µr b ln R1 Die Induktivität der Toroidspule wird damit: N2 L= = Rm N 2 µ0 µr b ln R2 R1 (6.34) 2π Vorlesungsfolien GdE II 91 6.6.2.3 Doppelleitung Als drittes praxisrelevantes Beispiel soll die Induktivität einer Doppelleitung pro Längeneinheit bestimmt werden. In Bild 6.22 ist diese in Form zweier parallel zur z-Achse verlaufender Leiter mit endlichem Durchmesser 2a gezeigt. Die Doppelleitung liegt in der x-z-Ebene (d.h. y = 0 Ebene) Bild 6.22 Der Betrag der Ströme ist gleich, die Richtung entgegengesetzt (d.h. Hin- und Rückleitung ). Zur Unterscheidung wird das Feld, das durch den linken Leiter hervorgerufen wird, mit „l“ indiziert und das des rechten mit „r“. Vorlesungsfolien GdE II 92 Das erzeugte magnetische Feld ist aus früheren Überlegungen bekannt (Bild 5.2b). Es kann durch lineare Überlagerung aus den Feldern der einzelnen Leiter zusammengesetzt werden: Bild 5.2b* Zur Berechnung der Induktivität soll zunächst über die magnetische Flussdichte der magnetische Fluss zwischen beiden Leitern berechnet werden. Aus Bild 5.2b geht hervor, dass die Feldlinien auf der Ebene zwischen den Leitern (y = 0 Ebene) senkrecht stehen, d.h. sie besitzen nur eine y-Komponente. Zur einfacheren Berechnung werden zunächst die Teilfelder der einzelnen (geraden) Leiter bestimmt, die nur vom Abstand zur Leiterachse und vom Strom abhängen. Zur Erinnerung: B = µ0 I 2π r Vorlesungsfolien GdE II (5.20)* 93 Da die Leiter eine endliche Dicke aufweisen, muss auch das Feld innerhalb der Leiter berücksichtigt werden. Auch das wurde bereits in Kap. 5.5 besprochen. Zur Erinnerung: B = µ0 r I für r ≤ a 2 2π a (5.30)* Der Ursprung des Koordinatensystems wurde genau zwischen beiden Leitern gewählt, d.h. der Mittelpunkt des linken Leiters liegt bei x = -d. Daher gilt für das Feld des linken Leiters: innen µi Byl = i ( x + d ) für x + d ≤ a 2 2π a außen Byl = i µ0 2π ( x + d ) für x + d ≥ a , (*) (**) wobei µi die Permeabilität des Leitermaterials ist. Analog wird mit dem rechten Leiter verfahren, dessen Mittelpunkt sich bei x = +d befindet: innen außen µi Byr = i (d − x) für x − d ≤ a 2 2π a Byr = i µ0 2π (d − x) für x − d ≥ a Vorlesungsfolien GdE II 94 Für die eingezeichneten Stromrichtungen in Bild 6.22 ist der Verlauf der Flussdichte symmetrisch zur y-Achse. Es genügt daher, die Überlegungen für das Feld des linken Leiters zu machen. Innerhalb des linken Leiters nimmt die Flussdichte gemäß Gl. (*) linear mit x zu, außerhalb des Leiters gemäß Gl. (**) mit 1/x ab. Macht man eine Koordinatentransformation ξ = x+d, wodurch ξ = 0 im Zentrum des linken Leiters liegt, erhält man in Bild 6.23 den Verlauf der magnetischen Flussdichte einer Doppelleitung (für µ0 = µi). Bild 6.23 Nun soll der äußere Fluss aus dem Feldverlauf des linken Leiters bestimmt werden. Zur Gesamtflussbestimmung muss dann nur noch mit 2 multipliziert werden. Vorlesungsfolien GdE II 95 Da das Feld sich entlang der z-Achse, d.h. parallel zu den Leitern, nicht ändert, kann zur Integration über die Fläche zwischen den Leitern das Flächenelement dA = ldξ gewählt werden: 2d µ0 l i 2d 1 Φa = ∫ Byl (ξ ) l dξ = dξ ∫ 2π a ξ a Damit ergibt sich für den Fluss: µ0l 2d Φa = i ln 2π a So kann nun die äußere Induktivität berechnet werden (L=Φ/i): µ0 l 2d La = ln , 2π a (6.35) wobei die obere Grenze der Integration (2d) nicht exakt ist. Vorlesungsfolien GdE II 96 Der innere Fluss kann ebenso berechnet werden. Allerdings muss beachtet werden, dass der Flussanteil Bylldξ innerhalb des Leiters (ξ < a) nicht mit dem gesamten Strom i verknüpft ist, sondern nur mit dem, der innerhalb des Kreises mit dem Radius ξ < a fließt. Dieser Stromanteil beträgt damit: πξ 2 ξ 2 i 2 = i 2 πa a Entsprechend ist auch der mit diesem Stromanteil verkettete Fluss zu berechnen: dΦi = Bi l dξ = ξ2 a 2 Byl l dξ und damit gilt für den Anteil der inneren Induktivität: dLi = ξ 2 Byl a 2 i l dξ Vorlesungsfolien GdE II 97 Die innere Induktivität des linken Leiters erhält man durch Integration über alle dLi, die zu den dξ innerhalb des Leiters gehören: ξ 2 µi µi l a 3 µi l ξ l dξ = ξ dξ = Li = ∫ 2 2 4 ∫ a 2π a 2π a 0 8π 0 a (6.36) Die innere Induktivität eines runden Leiters ist somit unabhängig von seinem Radius. Die Gesamtinduktivität einer Doppelleitung mit µ0 = µi der Länge l ist nun: µ0 l 2d L = 2 (Li + La ) = (1 + 4 ln ) 4π a (6.37) Die Gesamtinduktivität nimmt ab, wenn der Abstand der beiden Leiter verringert wird. Dies ist sowohl für induktivitätsarme Widerstände (bifilar) wichtig, als auch für Datenleitungen mit hoher Übertragungsrate („twisted pair“). Vorlesungsfolien GdE II 98 6.6.2.4 Gegeninduktivität zwischen zwei Doppelleitungen Verlaufen zwei (Doppel-) Leitungen parallel, so wird durch Gegeninduktion von der einen in die andere hinein eine Spannung induziert. Dieses mit Übersprechen bezeichnete Phänomen ist in der Praxis unerwünscht. Den allgemeinen Fall zeigt Bild 6.24, in dem die Leiter 1 und 2 die (Doppel-) Leitung I bilden, Leiter 3 und 4 die Leitung II. Bild 6.24 Vorlesungsfolien GdE II 99 Die Abstände zwischen den einzelnen Leitern werden mit rjk bezeichnet. Dabei sind j und k die Nummern der Leiter. Zur Bestimmung des Gegeninduktionskoeffizienten L21 benötigt man den magnetischen Fluss in Leitung II, hervorgerufen durch die Ströme in Leitung I. Der Gesamtfluss, den Leitung I in Leitung II hervorruft, setzt sich zusammen aus den Teilflüssen in II, hervorgerufen durch die Leiter 1 und 2. Dies und die anschließende Summenbildung der Teilflüsse ist leichter zu berechnen, als der Fluss der überlagerten Felder. Betrachtet man zunächst die magnetische Flussdichte des Leiters 1, die als konzentrische Kreise in Bild 6.24 eingezeichnet sind. Die Flussdichte erzeugt in Leitung II, d.h. innerhalb von Leiter 3 und 4, einen Fluss, der mit dem durch 3´ und 4 übereinstimmt (da durch r 3 und 3´ keiner hindurchtritt). Der Flussdichtevektor B1 steht auf der Fläche zwischen 3´und 4 senkrecht, daher kann der Betrag verwendet werden: B1 = µ0iI 2π r , wobei iI der Strom in Leitung I ist. Vorlesungsfolien GdE II 100 Zur Flussberechnung innerhalb von 3 und 4 bzw. 3´und 4 wird das Flächenelement ldr gewählt, wobei l parallel zu den Leitern liegt: r14 ΦII,1 = ∫ B1 dA = ∫ A3´4 r13 µ0 l iI dr 2π r und damit: µ0 l iI r14 ΦII,1 = ln 2π r13 (6.38) Gl. (6.38) liefert das richtige Vorzeichen für den Fluss bezogen auf die Richtung von Φ in Bild 6.24. Für r14> r13 ist ΦII,1 positiv, für r13 > r14 negativ. Nun muss noch der Fluss in II berechnet werden, der durch Leiter 2 hervorgerufen wird. Diesen erhält man, indem in Gl. (6.38) der Index 1 durch 2 ersetzt wird: µ0 l r24 ΦII,2 = − iI ln 2π r23 (6.39) Allerdings muss das Vorzeichen geändert werden, da der Strom in Leiter 2 entgegengesetzt ist. Vorlesungsfolien GdE II 101 Der Gesamtfluss des Feldes der Leitung I durch die Leitung II ergibt sich durch die Summe der Flüsse: µ0 l r14r23 ΦII,I = ΦII,1 + ΦII,2 = iI ln 2π r13r24 Die Gegeninduktivität erhält man mit ΦII,I = LII,I iI: µ0 l r14r23 LII,I = ln 2π r13r24 (6.40) Die Gegeninduktivität verschwindet, wenn gilt: r14 r23 =1 r13 r24 (6.41) und damit: r14 r13 = r24 r23 bzw. r14 r24 = r13 r23 Vorlesungsfolien GdE II (6.41a) 102 Zur praktischen Ausführung müssen die Leitungen entsprechend Bild 6.25 angeordnet sein. Bild 6.25a) 6.25b) 6.25c) Bildet man die Verhältnisse gemäß Gl. (6.41a) dann sieht man, dass Bild 6.25c ein Sonderfall aus 6.25a und b ist. Dieses Doppelleitungspaar bezeichnet man als Sternvierer, der gemäß den Gln. (6.40) und (6.41) keine Gegeninduktivität besitzt und in denen damit auch kein Übersprechen auftritt. Vorlesungsfolien GdE II 103 6.7 Energie im magnetischen Feld Zur Erinnerung: im elektrischen Feld ist Energie gespeichert mit der Energiedichte: 1 wE = ε E 2 2 (1.53)* Analog dazu ist auch im magnetischen Feld Energie gespeichert. Das kann man sich überlegen, indem man den Abstand zwischen zwei stromführenden parallelen Drähten verändert. Haben die Ströme gleiche Richtung, ziehen sich die Drähte an. Daher muss man Arbeit verrichten, wenn man diese voneinander entfernt. Diese Arbeit muss anschließend im Feld gespeichert sein. Die Energieänderung kann jedoch nicht alleine aus der aufgebrachten mechanischen Arbeit berechnet werden, da durch die Leiterbewegung Induktion auftritt. Die induzierten Spannungen beeinflussen die Quellen, welche die Ströme durch die beiden Leiter treiben. Daher müssen in die Energiebetrachtung die Quellen mit einbezogen werden. 6.7.1 Magnetische Energie in Spulen Zur grundsätzlichen Überlegung soll in Bild 6.26 eine Spule L mit einer idealen Quelle verbunden werden. Vorlesungsfolien GdE II 104 Zur Strombegrenzung dient der Widerstand R. Bild 6.26 Nach erfolgter Verbindung fließt ein Strom durch die Spule, der ein Magnetfeld aufbaut. Dadurch wird die Spannung uL an den Spulenklemmen induziert, die den Aufbau des Feldes zu verhindern versucht. Ein Maschenumlauf ergibt: di u0 = i R + uL = i R + L dt (6.42) Innerhalb einer kurzen Zeit dt treibt also die Quelle die Ladung idt durch den Stromkreis und verrichtet dabei die Arbeit u0 idt. Vorlesungsfolien GdE II 105 Diese von der Quelle abgegebene Arbeit (=Energie) in der Zeit dt wird genauer betrachtet, in dem Gl. (6.42) mit idt multipliziert wird: u0idt = i 2 R dt + L idi Wie gesagt: die linke Seite ist die Energieabgabe der Quelle in der Zeit dt. Der erste Term rechts beschreibt die in R dissipierte Wärmeenergie, der zweite Term wird von der Spule aufgenommen, wobei deren Energie im Feld gespeichert ist: dWM = L i di Die Energiezunahme ist also der Stromzunahme proportional unabhängig von der benötigten Zeit. Durch Aufintegration aller Energiebeiträge dWM von i = 0 bis i erhält man: i 1 WM = ∫ dWM = ∫ Li´di´ = Li2 2 0 (6.43) Dies kann man direkt vergleichen mit der im Kondensator gespeicherten elektrischen Feldenergie: 1 WE = CU 2 2 Vorlesungsfolien GdE II (1.52)* 106 Das Ergebnis von Gl. (6.43) kann auch als Analogie zur kinetischen Energie aufgefasst werden: 1 Wkin = mv2 2 ⇔ 1 Wm = Li2 2 Dabei entspricht die Masse, die sich gegen die Geschwindigkeitsänderung „wehrt“, der Induktivität, die sich gegen die Stromänderung wehrt. Strom i und (Teilchen)bewegung v sind ohnehin gut vergleichbar. Eine weitere Analogie besteht zwischen dem Kraftgesetz und der induzierten Spannung: F =m dv dt ⇔ u=L di dt D.h. die Geschwindigkeit kann sich in der linken Gleichung nicht sprunghaft ändern, da dazu eine unendlich große Kraft nötig wäre. Gleiches gilt für die Stromänderung in einer Spule, die auch nicht sprunghaft geändert werden kann, da keine unendliche Spannung zur Verfügung steht. Eine weitere Analogie besteht zwischen Kraft F und Quellenspannung u0. Vorlesungsfolien GdE II 107 Die gespeicherte magnetische Energie in einer Spule ist durch Gl. (6.43) gegeben. Jetzt soll die magnetische Energie für zwei benachbarte Spulen (Bild 6.26 a) berechnet werden, die auch eine Gegeninduktivität besitzen. Dazu werden beide Spulen an je eine Spannungsquelle angeschlossen. i2 u01 Bild 6.26 a u02 Das Gleichungssystem (6.25) wird auf beiden Seiten analog zur Herleitung von Gl. (6.43) mit idt multipliziert: u01i1dt = L11i1 di1 + L12 i1 di2 (*) u02i2dt = L21i2 di1 + L22 i2 di2 Vorlesungsfolien GdE II 108 Die linke Seite von Gl. (*) entspricht der vom Generator oder der Quelle in die Spulen eingespeisten Energien während der Zeit dt, die rechte Seite entspricht der vom Feld aufgenommenen Energie. Insgesamt wird im Feld eine Zunahme der Energie in dt durch dWM = L11i1 di1 + L12 i1 di2 + L21i2 di1 + L22 i2 di2 beschrieben. Die Energiezunahme ist nicht von der Zeitfunktion der Stromzunahme abhängig, sondern nur von der Zunahme di (egal, ob diese langsam oder schnell vollzogen wird). Als nächstes müssen die Beiträge dWM aufintegriert werden von einem Zustand i1 = i2 = 0 bis zu beliebigen i1, i2. Zur Berechnung der gesamten Feldenergie wird zunächst nur eine Stromänderung i1 von 0 bis i1 betrachtet, wobei i2 = di2 = 0 bleiben: dWM1 = L11i1 di1 Vorlesungsfolien GdE II 109 Damit ergibt sich für diesen Energiebeitrag: i1 1 2 WM1 = ∫ L11i1′di1′ = L11i1 2 0 Im zweiten Schritt wird nun der Strom i1 konstant gehalten (d.h. di1 = 0) und die Zunahme der Feldenergie durch die Stromänderung von i2 = 0 auf i2 betrachtet: dWM2 = L12 i1 di2 + L22 i2 di2 Dadurch ergibt sich für die gesamte magnetische Feldenergie: 1 1 2 2 WM = L11i1 + L12 i1 i2 + L22 i2 2 2 Vorlesungsfolien GdE II (6.44) 110 Berechnet man umgekehrt die Feldenergie dadurch, dass zunächst i1 = 0 gesetzt wird und i2 von Null auf i2 ansteigt, d.h. i1 = 0 und di1 = 0, dann erhält man: 1 2 WM′ 1 = L22i2 2 Nimmt man jetzt den Strom i1 hinzu, wird daraus ebenfalls die gesamte im Feld gespeicherte Energie: 1 1 2 2 ′ WM = L11i1 + L21i1 i2 + L22 i2 2 2 (6.45) Durch Vergleich von WM und WM´ ergibt sich: WM = WM′ ⇒ L12 i1 i2 = L21 i1i2 und damit: L12 = L21 = M Vorlesungsfolien GdE II (6.46) 111 Der Kopplungsfaktor Zunächst sollen nochmal in Bild 6.26 b zwei benachbarte Spulen mit den zugehörigen Flüssen gezeigt werden, um die Zuordnung der einzelnen Flussanteile zu verdeutlichen. Spule 1 Spule 2 Φ12 i1 u1 Φs1 · Φs2 i2 Φ21 + + Φ11 · u2 Φ22 Bild 6.26 b Für den Fluss in Spule 1 erzeugt durch i1 ergibt sich: Φ11 = Φ21 + Φs1 (*) mit dem Streufluss Φs1 , der von Spule 1 erzeugt wird, nicht aber in Spule 2 fließt. Analog gilt für Spule 2: Φ22 = Φ12 + Φs 2 Vorlesungsfolien GdE II (**) 112 Natürlich gilt für dieses Bild auch der in den Gln. (6.23) angegebene Zusammenhang zwischen den Spannungen an den Spulen und den verketteten Flüssen. Der Kopplungsfaktor k beschreibt die Qualität oder Güte der magnetischen Kopplung zwischen beiden Spulen (Definition): 2 M k2 = L11L22 Mit Gl. (6.24) L21 = L12 = M = N2Φ21 N1Φ12 = i1 i2 und L11 = N1Φ11 i1 L22 = N2Φ22 i2 gilt: k2 = Φ12 Φ21 Φ11 Φ22 Vorlesungsfolien GdE II (***) 113 Setzt man die Gln. (*) und (**) ein, erhält man für den Kopplungsfaktor oder Koppelkoeffizient: Φ11 − Φs1 Φ22 − Φs 2 k = Φ11 Φ22 2 (****) Daraus folgt, dass gilt: 0 ≤ k2 ≤1 Keine Kopplung, d.h. k2 = 0, liegt vor, wenn Φ21 = 0 oder Φ12 = 0 (siehe Gl. (***)) . „Feste Kopplung“ ist erreicht, wenn k2 = 1, d.h. wenn die Streuflüsse Null sind (Gl. (****)). In der Praxis wird dieser Idealfall nicht erreicht. Werte um k = 0.98 ... 0.99 sind technisch realisierbar. Aus rein mathematischen Überlegungen ist die Gleichung für den Kopplungsfaktor auch herleitbar (siehe Buch von R. Pregla). Da hier eine anschaulichere Deutung gewählt wurde, soll an dieser Stelle auf die Herleitung verzichtet werden. Vorlesungsfolien GdE II 114 6.7.2 Energiedichte im magnetischen Feld In diesem Kapitel soll die Energie pro Volumen (Energiedichte) berechnet werden. Dazu ist es sinnvoll, sich eine kleine Zylinderspule vorzustellen, die klein genug ist, um damit ein makroskopisches Magnetfeld zu detektieren, wenn man die kleine Spule an die jeweilige Stelle im Magnetfeld bringt. Weiterhin sei die Länge dieser Spule l sehr viel größer als deren Durchmesser, so dass man innerhalb dieser mit einem homogenen Feld rechnen kann. Die Zunahme der Feldenergie ist gegeben durch: dWM = uLidt = N dΦ i dt = N i dΦ dt (*) Die Spule habe den Querschnitt A und die Länge l, damit ergibt sich innerhalb des Volumens V = Al die Energiedichte: wM = WM WM = V Al Eine Zunahme der Energiedichte ist damit: WM 1 dwM = d = dWM V V Vorlesungsfolien GdE II 115 Gl. (*) eingesetzt ergibt: dwM = N i dΦ Θ dΦ = Al l A Aus der Definition des magnetischen Flusses: Φ r =B A und mit dem Durchflutungsgesetz Θ = Hl erhält man: r r dwM = H d B (6.49) Da H und B im vorliegenden Fall stets gleichgerichtet sind, kann mit den Beträgen gerechnet werden. Allgemein gilt jedoch (bleibt hier unbewiesen) : r r dwM = H ⋅ dB Vorlesungsfolien GdE II (6.50) 116 Die Energiedichte erhält man nun durch Aufintegration aller Werte von B = 0 bis B: B r r wM = ∫ H ⋅ dB (6.51) 0 Sind die beiden Feldvektoren gleichgerichtet, gilt: B wM = ∫ H dB (6.52) 0 In linearen Stoffen, wenn also B = µH gilt, kann die Integration analytisch durchgeführt werden (also nicht in ferromagnetischen Stoffen): 1 B2 1 2 wM = ∫ BdB = = H µ 2 µ 2 µ0 1 B (6.53) Diese Beziehung ist analog zu der für das elektrische Feld: 1 r2 wE = ε E 2 Vorlesungsfolien GdE II (1.53)* 117 Soll nun die Gesamtenergie des magnetischen Feldes aus der Energiedichte bestimmt werden, so muss über das gesamte Volumen integriert werden: B r r WM = ∫∫∫wM dV = ∫∫∫ ∫ H ⋅ dB dV V V 0 Vorlesungsfolien GdE II (6.54) 118 6.7.3 Hystereseverluste Zur Bestimmung der Energiedichte in ferromagnetischen Stoffen gemäß Gl. (6.50) ist die Magnetisierungskurve (Bild 6.27) nötig, da kein analytischer Zusammenhang verfügbar ist. Liegt im ferromagnetischen Material, das gemäß Bild 6.27 entlang der Neukurve magnetisiert wird, die Erregung H1 vor, so resultiert daraus die Flussdichte B1. Erhöht man die Flussdichte um dB, dann erhält man gemäß dwM = H dB (6.49)* eine Zunahme der im Feld gespeicherten Energiedichte, die dem dunkelgrauen Bereich in Bild 6.27 entspricht. Bild 6.27 Vorlesungsfolien GdE II 119 Wird das Material von B = 0 bis B = B2 entlang dieser Neukurve magnetisiert, entspricht die aufgenommene Energiedichte der gesamten Fläche zwischen Neukurve und B-Achse (hellgraue Fläche in Bild 6.27). Die gesamte Energie erhält man durch Multiplikation mit dem Volumen des ferromagnetischen Materials, wenn die Magnetisierung homogen ist. Fährt man die Neukurve zurück (ohne Hysterese), wird (theoretisch) die gesamte Energie zurückgewonnen (vgl. dazu Abschnitt 5.8.5). Jetzt soll gemäß Bild 6.28 die Hysterese mitberücksichtigt werden! Bild 6.28 Vorlesungsfolien GdE II 120 • Wird die magnetische Flussdichte von Punkt 1 (d.h. B = 0) auf Punkt 2 (B = B2) erhöht, muss Energie aufgewendet werden, die der gesamten Fläche zwischen der Magnetisierungskurve und der B-Achse entspricht. Fläche: 0-1-2-3-4-0 • Verringert man die Erregung H auf Null, sinkt B auf den Wert des Punktes 4 entlang der oberen Hysteresekurve von 2 nach 4. Dabei wird Energie frei, da H > 0 und dB < 0, d.h. HdB < 0. Diese Energiedichte entspricht der Fläche: 2-3-4-2 (Bild 6.28). • Wird B nun zu Null gemacht, d.h. die Kurve von Punkt 4 auf Punkt 5 durchlaufen, gilt H < 0 und dB < 0, d.h. HdB > 0, muss wieder Energie aufgewendet werden. Der Energieaufwand pro Volumen entspricht der Fläche: 4-5-0-4. Damit wurde bisher beim Durchlaufen von Punkt 1 auf 5 genau die Energiedichte in Wärme umgewandelt, die der Fläche innerhalb des oberen Teils der Hysteresekurve entspricht. Lediglich ein kleinerer Teil (2-3-4-2) konnte wieder zurückgewonnen werden. Geht man nun weiter von 5 auf 6, ist H < 0 und dB < 0, damit wird HdB > 0, d.h. Energieaufnahme. Analog gilt für den Weg von 6 auf 8 H < 0 und dB > 0, also HdB < 0, d.h. Energierückgabe und von 8 zurück auf 1, also H > 0 und dB > 0, also ebenfalls Energieaufnahme des Materials. Analog zur oberen Hälfte entspricht auch in der unteren Hälfte die Energieaufnahme bzw. der Verbrauch oder Umsatz in Wärmeenergie der Fläche innerhalb der Hysteresekurve. Vorlesungsfolien GdE II 121 Dieser Verlust an elektrischer Energie(dichte) wird Hystereseverlust genannt. In jeder Periode wird die Hysteresekurve einmal durchlaufen, damit tritt jedesmal dieser Verlust auf. Aus diesem Grund haben die ferromagnetischen Materialien in elektrischen Maschinen und Transformatoren schmale Hysteresekurven (magnetisch weich). Magnetisch harte Materialien hätten an dieser Stelle viel zu große Hystereseverluste. Dies gilt insbesondere auch für HF-Anwendungen wie z.B. für getaktete Netzteile in PCs etc. 6.7.4 Berechnung der Kraftwirkung aus der Energie Bereits im Falle von Kondensatorplatten wurde die Kraft zwischen den Platten mit dem Prinzip der virtuellen Verschiebung“ berechnet (siehe Abschnitt 1.8.2). Dieses soll nun auf zwei Eisenschenkel mit Luftspalt (Bild 6.29) im magnetischen Kreis angewendet werden. Bild 6.29 Vorlesungsfolien GdE II 122 Der Luftspalt ist klein gegen die Querschnittsabmessungen, daher ist das Feld im Spalt homogen. Beide Eisenteile werden vom gleichen magnetischen Fluss durchflossen, damit herrscht in beiden die gleiche Flussdichte vor (da auch die Querschnitte gleich sind). Die linke Seite (Bild 6.29) entspricht einem magnetischen Nordpol, die rechte einem Südpol. Daher ziehen sich die Eisenenden r an. Am linken Ende greift die Kraft F in der eingezeichneten Richtung an. Lässt man aufgrund der Krafteinwirkung eine kleine, d.h. virtuelle Verschiebung dx dieses Eisenteils zu, dann verrichtet das Feld die Arbeit r r F ⋅ dx = Fdx = −dWM , (*) d.h. das Feld verliert genau diesen Energiebetrag. Allerdings soll sich die Flussdichte B dabei nicht ändern, um Induktionsvorgänge vernachlässigen zu können. Da das Eisenteil während der Verschiebung das Volumen V = Adx überstreicht, wird die Energieänderung des Feldes, also der Energiegehalt dieses Volumens, vor und nach der Verschiebung berechnet. Vorlesungsfolien GdE II 123 Vor der Verschiebung ist die im Feld des Luftspaltes gespeicherte Energie gegeben durch: WM1 = wM1V = 1 2 B Adx 2µ0 wobei Gl. (6.53) verwendet wurde. Nach der Verschiebung befindet sich Eisen im Feld. Verwendet man der Einfachheit halber eine mittlere Permeabilität µr der Magnetisierungskennlinie, dann erhält man: WM 2 = 1 2µ0 µr B2 Adx Somit beträgt die Energieänderung durch die Verschiebung: dWM = WM2 − WM1 = 1 1 2 B Adx −1 2µ0 µr Vorlesungsfolien GdE II 124 Aus Gl. (*) erhält man damit: 1 2 1 1 2 F= B A 1 − ≈ B A , 2µ0 µr 2µ0 (6.55) da in der Regel µr >> 1 gilt. Da die Flussdichte quadratisch eingeht, wird diese für Anwendungen möglichst groß gewählt. Allerdings bleibt man unterhalb der Sättigungsmagnetisierung, um einen zu großen Erregerstrom zu vermeiden. In der Praxis gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Anwendung, die über Hebemagnete f. große Lasten, Relais zum Schalten elektrischer Leistung, elektropneumatische Ventile bis zu magnetgelagerten Hochvakuumpumpen (Turbomolekularpumpen) gehen. Ist die Bewegung von Eisenteilen im Magnetfeld nicht infinitesimal sondern endlich, kann man die Induktion nicht mehr vernachlässigen: Wenn z.B. der Luftspalt verkleinert wird und damit einen geringeren magnetischen Widerstand aufweist, werden der Fluss und die Flussdichte zunehmen. Diese Zunahme des Flusses induziert eine Spannung, die die Flusszunahme zu verhindern sucht. Dadurch verändert sich während der Bewegung auch die Kraft. Vorlesungsfolien GdE II 125 Im zweiten Beispiel wird dieses verdeutlicht: Kraft zwischen zwei Spulen Zwei nebeneinander liegende Spulen sind mit den Quellen u1 bzw. u2 verbunden und werden von den Strömen i1 bzw. i2 durchflossen. In Bild 6.30 ist auch die Kraft in x-Richtung eingezeichnet, die auf die linke Spule aufgrund der eingezeichneten Ströme wirkt. Bild 6.30 Die magnetische Gesamtenergie wurde in Gl. (6.44) bereits angegeben: 1 1 2 2 WM = L11i1 + M i1i2 + L22 i2 2 2 Vorlesungsfolien GdE II (6.44)* 126 Da sich bei einer Verschiebung der linken Spule um dx lediglich die Gegeninduktivität ändert, erhält man für die Energieänderung des magnetischen Feldes: dWM = i1 i2 dM Berechnet man wie im ersten Fall (der beiden Eisenteile) die Kraft aus der virtuellen Verschiebung, so erhält man: Fx dx = −dWM = −i1 i2 dM falsch! ein Ergebnis, das eine umgekehrt gerichtete Kraft ergibt, wenn die eingezeichneten Stromrichtungen so wie vorgegeben sind und wenn die Gegeninduktivität zunimmt, was bei einem Zusammenrücken der beiden Spulen der Fall ist. Das jedoch widerspricht dem Lorentzgesetz von Gl. (5.4) oder (5.7) und ist daher falsch! Um die Kraft richtig zu berechnen, muss die Induktion berücksichtigt werden. Durch die Verschiebung der Spulen verändern sich die mit diesen verketteten magnetischen Flüsse Ψ12 = N1 Φ12 und Ψ 21 = N2 Φ21 . Dadurch erhält man eine Spannungsänderung an den Spulenklemmen: Vorlesungsfolien GdE II 127 uL1 = dΨ12 dM = i2 dt dt dΨ 21 dM uL 2 = = i1 dt dt Um die Ströme i1 und i2 durch die Spulen konstant zu halten, müssen die Quellen uL1 und uL2 Energie abgeben, die sich wieder durch Multiplikation mit idt berechnen lässt: uL1i1dt = i1 i2 dM = dWM1 = dWM uL2i2dt = i1 i2 dM = dWM2 = dWM Die Energiebilanz ergibt: Nach der Verschiebung im Feld gespeicherte Energie = von den Quellen gelieferte Energie - abgegebene (virtuelle) mechanische Arbeit, also: dWM = dWM1 + dWM2 − Fx dx = 2dWM − Fx dx Vorlesungsfolien GdE II 128 Damit ergibt sich für die Kraft: dWM dM Fx = = i1 i2 dx dx Die Kraftwirkung ergibt sich also jetzt in der eingezeichneten Richtung, und zwar nach Maßgabe der Änderung der Gegeninduktivität aufgrund der Verschiebung in x-Richtung. 6.7.5 Berechnung von Induktivitäten aus der Energie In Gl. (6.43) wurde die in einer stromdurchflossenen Spule gespeicherte magnetische Energie angegeben: 1 2 WM = Li 2 (6.43)* Will man daraus die Induktivität der Spule berechnen, erhält man: L= 2WM i2 Vorlesungsfolien GdE II (6.57) 129 Der Vorteil dieser Methode beruht darauf, dass das Feld nicht bekannt sein muss, bzw. durch numerische Verfahren bestimmt wird. Mit Gl. (6.57) ergeben sich genauere Ergebnisse, da in einer gegebenen Anordnung das Feld ein Energieminimum annimmt und in unmittelbarer Umgebung des Minimums die Abweichungen gering sind. Als Anwendungsbeispiel wird noch mal die innere Induktivität eines geraden Leiters bestimmt (vgl. 6.6.2.3 „Doppelleitung“). In Bild 6.31 ist der Querschnitt des Leiters gegeben. Bild 6.31 Das Magnetfeld innerhalb des Leiters ergibt sich mit Gl. (5.30) zu: r B = µi i , 2 2π a Vorlesungsfolien GdE II (*) 130 wenn der Strom i gleichmäßig über den Querschnitt verteilt ist. Das Feld in Gl. (*) ist gleichzeitig dasjenige, welches sich im Kreiszylinder mit Radius r der Dicke dr befindet, innerhalb dessen es natürlich konstant ist. Berechnet man nun die im Volumen eines solchen Zylinderabschnittes der Länge l gespeicherte magnetische Energie, erhält man mit Gl. (6.53): 2 1 2 1 µi r 2i 2 dWM = wMdV = B dV = 2π r l dr 2 4 2µi 2µi 4π a also: dWM = µi l 2 3 i r dr , 4 4π a da das Volumen dieses Kreiszylinders gegeben ist durch: dV = 2π r ldr Vorlesungsfolien GdE II 131 Die gesamte magnetische Energie im Inneren des Leiters der Länge l ergibt sich damit: µil i 2 a 3 µil i 2 WM = r dr = 4 ∫ 4π a 0 16π Mit Gl. (6.57) erhält man für die innere Induktivität: µi l L= , 8π das gleiche Ergebnis das in Gl. (6.36) angegeben wurde. Vorlesungsfolien GdE II 132 6.8 Wirbelströme und Stromverdrängung 6.8.1 Beispiele für Wirbelströme Nicht nur in Drähten sondern auch in elektrisch leitenden Blechen werden Ströme induziert. So kann man z.B. in Bild 6.6 den Aluminiumring auch durch eine Aluminiumplatte ersetzen, Bild 6.6* die ebenso in die Luft geschleudert wird (wie der Ring), wenn man den Spulenstrom einschaltet. Daher liegt die Vermutung nahe, dass auch in der Platte kreisförmige Ströme induziert werden (wie im Ring), die der Feldänderung entgegenwirken. Diese Ströme nennt man Wirbelströme. Vorlesungsfolien GdE II 133 In Bild 6.32 ist eine Metallplatte gezeigt, die aus einem zu ihr senkrecht stehenden Magnetfeld herausgezogen wird. Bild 6.32 Beobachtung: Es wirkt eine Kraft, die dem Herausziehen entgegenwirkt. Erklärung: Da an der Grenze zwischen Feld und feldfreiem Gebiet durch das Herausziehen das Feld in der Platte abgebaut wird, fließen dort Wirbelströme, die diesen Feldabbau zu verhindern suchen. D.h. die Wirbelströme an dieser Grenze sind innerhalb der Platte so gerichtet, dass versucht wird, das ursprüngliche Feld aufrecht zu erhalten. Diese Ströme wiederum ergeben mit dem vorgegebenen externen Magnetfeld eine Kraft, die dem Herausziehen entgegenwirkt. Schiebt man die Platte in das Feld hinein, entstehen Wirbelströme in entgegengesetzter Richtung. Dadurch wirkt auch die Kraft in die andere Richtung, d.h. sie wirkt wieder der vorgegebenen Bewegung entgegen. Vorlesungsfolien GdE II 134 In Bild 6.33 ist eine Kupferplatte gezeigt, die an einem Stab aufgehängt ist und pendelt. Bei ihrer Pendelbewegung durchläuft die Platte ein zu ihr senkrecht stehendes Magnetfeld, das zwischen den Polen eines Elektromagneten erzeugt wird. 6.33b Bild 6.33a 1. Beobachtung: Wird das Magnetfeld eingeschaltet, hält das Pendel fast sofort an, sobald die Kupferplatte in das Magnetfeld eintaucht. Vorlesungsfolien GdE II 135 Erklärung: Im Moment des Eintauchens in das Magnetfeld werden Wirbelströme in der Platte induziert, die dem Aufbau des Magnetfeldes entgegenwirken. Diese Ströme ergeben zusammen mit demFeld des Elektromagneten eine Kraft, die der Pendelbewegung entgegengesetzt ist. Wäre das Kupfer supraleitend, wären die induzierten Ströme so groß, dass das Pendel aus dem Magnetfeld zurückschnellen würde. Aufgrund des endlichen elektrischen Widerstands des Kupfers, wird die Platte nur stark abgebremst. Dabei bewegt sich das Pendel langsam in die Ruhelage. 2. Beobachtung: Ersetzt man die Kupferplatte durch eine kammartige Scheibe (Bild 6.33b), schwingt das Pendel auch bei eingeschaltetem Magnetfeld nahezu ungehindert weiter. Erklärung: Aufgrund der Kammstruktur wird die Ausbildung von Wirbelströmen stark behindert. Dadurch sind die daraus resultierenden Kräfte (mit dem externen Magnetfeld) nur sehr gering. Vorlesungsfolien GdE II 136 Technische Anwendung: Induktiv gekoppelte Plasmaquelle zum Ätzen mikrostrukturierter Bauelemente i(t) Spule dielektrische Platte u(t) Bild 6.33c Vakuumgfäß In Bild 6.33c ist ein sog. induktiv gekoppelter Plasmareaktor zu sehen. Innerhalb des Vakuumgefäßes befindet sich der zu ätzende Wafer (Siliziumscheibe). Weiterhin befindet sich im Reaktor ein Ätzgas (z.B. SF6) im Unterdruck (1 Pa). Der Deckel des Reaktors besteht aus einem Dielektrikum (Quarz, Keramik). Über dem Deckel ist eine Spule angebracht (hier: Ring). Diese ist an einen Hochfrequenzgenerator (u(t)) angeschlossen, der einen Strom i(t) in der Spule treibt. Dadurch entsteht ein magnetisches Wechselfeld, das sich auch im Reaktor befindet. Dieses magnetische Feld induziert ein (sekundäres) elektrisches Feld, das das Innere des Reaktors in den Plasmazustand (teilweise ionisiertes Gas) versetzt. Das leitfähige Plasma bildet die Sekundärwicklung ähnlich einem Transformator. Vorlesungsfolien GdE II 137 Da die Spule eine endliche Fläche hat, geht von dieser im Wechselstrombetrieb auch ein (primäres) elektrisches Feld aus, das sich ebenfalls in das Gefäß hinein ausbreitet. Aus verschiedenen Gründen soll das in einigen Anwendungsfällen vermieden werden. Dazu wird eine radial geschlitzte Aluminiumscheibe zwischen Spule und dielektrischem Deckel montiert. Diese lässt das magnetische Feld durch und hält das elektrische Feld zurück. Wäre diese Abschirmung nicht geschlitzt, wären die Wirbelstromverluste so groß, dass auch das magnetische Feld nicht durchkäme. Dies nennt man i.d. Plasmatechnik FaradayAbschirmung. Supraleiter Versuche zeigen, dass ein Strom in einem Supraleiter sich auch nach Jahren nicht messbar ändert. Da die elektrische Leitfähigkeit σ = ∞, würde ein kleines elektrisches Feld unendlich hohe Ströme zur Folge haben. Daraus folgt, dass in einem Supraleiter kein elektrisches Feld existieren kann. Aus diesem Grund kann auch kein magnetischer Fluss in einen Supraleiter eindringen. Nähert man sich gemäß Bild 6.34 mit einem Stabmagneten einer supraleitenden Platte, dann werden im oberflächennahen Bereich Ströme erzeugt, die das Magnetfeld in der Platte gerade kompensieren. Vorlesungsfolien GdE II 138 Anders gesagt wird das Feld derart verändert, dass es komplett außerhalb der supraleitenden Platte bleibt (Bild 6.34). Supraleiter Bild 6.34 Die Wirbelströme, die in der Platte fließen, üben auf den Magneten eine abstoßende Kraft aus. Diese Kraft wird bei genügend nahem Abstand groß genug, um den Magneten festzuhalten. In Experimenten wurde gezeigt, dass, wenn ein flacher Magnet und eine zur Schale geformte supraleitende Platte gewählt wird, der Magnet über der Schale schwebt. Im Falle einer nicht ideal leitenden Platte werden ebenfalls Wirbelströme erzeugt, die das Eindringen der Magnetfelder zu verhindern suchen. Allerdings werden diese Ströme in der Platte durch den endlichen Widerstand gebremst, d.h. der Strom nimmt zeitlich ab. Dadurch sinkt der Magnet ab und induziert dabei wieder einen Strom usw.. Im Endeffekt fällt der Magnet auf die Platte. Vorlesungsfolien GdE II 139 Abschirmende Wirkung: Wechselfelder, die in elektrisch leitende Oberflächen eindringen wollen, erzeugen Wirbelströme. Je schneller sich das Feld ändert, d.h. je größer seine Frequenz ist, desto größer ist auch die magnetische Flussänderung und damit auch der induzierte Wirbelstrom. Da dieser das magnetische Feld daran hindert in die Oberfläche einzudringen, ist die abschirmende Wirkung umso besser, je höher die Frequenz ist und je besser die Leitfähigkeit des Materials ist. Anwendungen: • Wirbelstromgedämpfte Zeiger in Messgeräten • Wirbelstrombremsen (S-Bahn, ...) • Induktionsöfen (Küchenherd, Materialhärten, ...) • alle Arten der elektromagnetischen Abschirmung • Erzeugung von technischen Plasmen nicht gewollt: • Wirbelstromverluste in magnetischen Kreisen (Trafos) • Verluste in elektrischen Maschinen • Verluste in HF-Anordnungen (Plasmareaktoren, etc.) Vorlesungsfolien GdE II 140 6.8.2 Wirbelstrom in einem dünnen Blech Um Wirbelstromverluste in Eisenkreisen (z.B. in Transformatoren) möglichst klein zu halten, werden diese aus gegeneinander isolierten Blechen aufgebaut. Dabei ist die Richtung des magnetischen Feldes parallel zum Blech. Ein derartiges Blech ist in Bild 6.35 dargestellt. Dieses wird entlang der Längsachse von einem magnetischen Wechselfeld durchsetzt. Die Flussdichte ist in z-Richtung orientiert. Bild 6.35 Das magnetische Feld sei homogen über den Querschnitt verteilt, d.h. Feldverdrängung (s. nächster Abschnitt) wird vernachlässigt. ⇒ Der magnetische Fluss ist homogen über dem Querschnitt. Vorlesungsfolien GdE II 141 Die Wirbel des elektrischen Feldes umschließen das magnetische Feld in Flächen senkrecht zum magnetischen Feld (s. Bild 6.35, vgl. Abschnitt 6.2). Diese Querschnittsflächen z = const. sind sehr viel breiter als hoch, d.h. 2a >> d. Aus diesem Grund verlaufen die elektrischen Feldstärkelinien parallel zu den Breitseiten in x-Richtung. Nur an den Kanten bei |x| = a haben die Feldstärkelinien auf sehr kurzem Weg eine y - Komponente. Daher soll zur Berechnung der el. Feldstärke angenommen werden, dass E nur eine Komponente in x - Richtung besitzt für |x| < a, |y| ≤ d/2. Weiterhin gilt aus Symmetriegründen: Ex(y) = - Ex(-y). Unter Verwendung des Induktionsgesetzes für ruhende Medien r r r dB r ∫C E ⋅ dl = −∫∫A dt ⋅dA (6.8)* kann man für die rechte Seite schreiben: r& r ∫∫ B ⋅ dA = B&z A = B&z 2 a 2 y = 4a y B&z , A Vorlesungsfolien GdE II 142 wenn man als Gesamtfläche A ein Rechteck wählt, das durch die Koordinatenlinien x = ± a und ± y gegeben ist, wobei für |y| ≤ d/2 gilt. Zum Linienintegral entlang der Berandung C (linke Seite von Gl. (6.8)) liefern praktisch nur die Längsseiten des Rechtecks einen Beitrag. Aufgrund der Feldhomogenität ist Ex an den Längsseiten unabhängig von x. Wegen der Rechtsschraubenregel und der Richtung des Flächenelements in z-Richtung erfolgt die Integration entgegengesetzt zu den eingezeichneten Feldlinien: r r ∫ E ⋅ dl = −2aEx − 2aEx = −4aEx C Setzt man beides in Gl. (6.8) ein, erhält man: − 4 a Ex ( y) = −4a y B& z und daraus: dBz & Ex ( y) = y Bz = y dt Vorlesungsfolien GdE II (6.58) 143 Setzt man die magnetische Flussdichte sinus-förmig an Bz = Bˆ sinωt , dann erhält man für das elektrische Feld in x - Richtung: Ex = y ω Bˆ cosωt (6.59) Mittels der elektrischen Leitfähigkeit ergibt sich für die Wirbelstromdichte: J x = σ Ex = σ yω Bˆ cosωt (6.60) Die Wirbelstromdichte nimmt demnach (Näherung!) linear von der Blechmitte zu den Breitseiten zu. Die Amplitude ist proportional zur Kreisfrequenz ω. Vorlesungsfolien GdE II 144 Zur Berechnung der Verlustleistungsdichte in einem Volumen dV = dx dy dz wird zunächst der Spannungsabfall du längs dx an einer Stelle (x,y,z) berechnet: du = Exdx Der Strom, der durch dieses Volumenelement fließt, ist: di = J x dy dz Damit beträgt die in dV in Wärme umgesetzte Leistung (vgl. Abschnitt 2.6): 2 dP = du di = Ex J x dx dy dz = Ex J x dV = Ex σ dV Setzt man die Gln. (6.59) und (6.60) ein, erhält man: ( ) 2 2 ˆ dP = σ ω B cosωt y dV (6.61) Die Verlustleistung im ganzen Blech erhält man durch Aufintegration über das gesamte Volumen. Die Verluste sind proportional zum Quadrat von ω. Vorlesungsfolien GdE II 145 6.8.3 Stromverdrängung Bisher wurde immer angenommen, dass sich der Strom in einem (zylindrischen) Leiter gleichmäßig über dessen Querschnitt verteilt. Diese Annahme ist für Gleichstrom erfüllt, für Wechselstrom wird sie mit zunehmender Frequenz immer schlechter, da der Strom immer mehr aus dem inneren Bereich des Querschnitts nach außen in Richtung Oberfläche gedrängt wird. Dieses wird als Stromverdrängung oder Skineffekt bezeichnet. Zur Berechnung des Skineffekts in einem zylindrischen Leiter ist in Bild 6.36 die Stromdichte und das zugehörige Magnetfeld eingezeichnet. Bild 6.36 Vorlesungsfolien GdE II 146 Um das Magnetfeld als Funktion von r zu berechnen, wird das Durchflutungsgesetz auf eine Kreisfläche mit Radius r angewendet (linkes Bild 6.36): r r r r ∫ H ⋅ dl = ∫∫ J ⋅ dA dA = 2πρ dρ und B = µi H eingesetzt, ergibt: 2π r µi r B = ∫ J (ρ ) 2π ρ dρ 0 und damit B(r ) = µi r J ( ρ ) ρ dρ ∫ r (*) 0 Das zeitlich variable magnetische Feld (in ϕ-Richtung) erzeugt ein elektrisches Feld in z-Richtung. Da bei Stromzunahme das Magnetfeld zunimmt, ist in diesem Fall das induzierte elektrische Feld so gerichtet, dass es der Magnetfeldzunahme entgegenwirkt. Damit zeigt das elektrische Feld innerhalb der betrachteten Magnetfeldlinie in negative z-Richtung, außerhalb in positive. Bereits daran erkennt man, dass der Strom in der Mitte des Leiters zum Rand hin verdrängt wird. Vorlesungsfolien GdE II 147 Im zweiten Schritt soll nun das Induktionsgesetz (für ruhende Medien: Gl. (6.8)) auf das in Bild 6.36 (rechts) eingezeichnete Rechteck „R“ angewendet werden: r dB r ⋅ dA ∫∫ dt R −Fläche r r ∫ E ⋅ dl = − R -Rand (6.8)* Zunächst wird das Linienintegral ausgewertet: r r ∫ E ⋅ dl = Ez (r) a − Ez (r + dr) a = −dEz a R dann das Flächenintegral: r& r & a dr B ⋅ d A = B ∫∫ R damit erhält man: − dEz a = −B& a dr Vorlesungsfolien GdE II 148 Daraus ergibt sich für die Änderung der el. Feldstärke: dEz (r ) & dB(r ) =B= , dr dt (**) d.h. mit zunehmendem Radius wächst die el. Feldstärke, wenn das Magnetfeld zeitlich zunimmt (also auch wenn die Stromdichte zunimmt). Setzt man Gl. (*) in (**) ein und schreibt für E = J/σ : r r µi d σ µi & dJ z (r ) =σ J (ρ )ρ dρ = J ( ρ )ρ dρ (6.62) ∫ ∫ dr r dt 0 r 0 In Gl. (6.62) wurde die Reihenfolge von Differentiation und Integration vertauscht, da sich die zeitl. Änderung nur auf die Stromdichte bezieht, nicht auf die Fläche. Differenziert man Gl. (6.62) nach r : r r ∂ 2 J ∂ µi & 1 & ( ρ ) ρ dρ + σ µi J& (r) r σ ρ ρ ρ σ µ = J ( ) d = − J i∫ 2 ∂r 2 ∂r r ∫0 r r 0 (***) Vorlesungsfolien GdE II 149 Ersetzt man nun das Integral in Gl. (***) durch Gl. (6.62), ergibt sich: ∂2 J 1 ∂J r σ µi ∂J + 2 σ µi − r =0 2 ∂r r ∂r σµi r ∂t nach einigem Kürzen erhält man ∂ 2 J 1 ∂J ∂J + − σµi =0 2 ∂r r ∂r ∂t (6.63) eine partielle Differentialgleichung, deren Lösung bei sinus-förmiger Zeitabhängigkeit eine Bessel-Funktion nullter Ordnung für die Ortsabhängigkeit ergibt. Die obigen Differentialgleichungen wurden mit „∂“ geschrieben, um die Differentiation nach mehr als einer Variablen (Radius r und Zeit t) zu kennzeichnen. Vorlesungsfolien GdE II 150 6.9 Die Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes Als Grundgesetze zur Verknüpfung von elektrischem und magnetischem Feld wurden bisher das Durchflutungsgesetz r r r r ∫ H ⋅ ds = ∫∫ J ⋅ dA C A und das Induktionsgesetz eingeführt: r r ∂ r r ∫C E ⋅ ds = − ∂t ∫∫A B ⋅ dA In beiden Fällen ist das Linienintegral über die geschlossene Kurve C durchzuführen und das Flächenintegral über die Fläche A, die von C umrandet wird. (Rechtsschraube!) Beide Gleichungen sind in ihrem Aufbau ähnlich, wobei auf den linken Seiten lediglich E und H gegeneinander ausgetauscht wurden. Vorlesungsfolien GdE II 151 Die erste Gleichung besagt, dass eine Stromdichte in einer Fläche A (also ein Gesamtstrom durch A) ein Magnetfeld entlang einer Kurve C hervorruft. Dieses Feld wurde magnetisches Wirbelfeld genannt. Die zweite Gleichung besagt, dass mit der zeitlichen Änderung eines magnetischen Feldes (bzw. auch durch Bewegung in einem stationären Feld) ein elektrisches Wirbelfeld erzeugt wird, das der von außen erzwungenen zeitlichen Änderung entgegengesetzt ist (Minuszeichen). Eine Aussage, dass, analog zur zweiten Gleichung, eine Änderung des elektrischen Feldes ein magnetisches Feld hervorruft, fehlt noch. 6.9.1 Das magnetische Feld des Verschiebungsstromes Es wird ein Draht betrachtet, der einen Plattenkondensator auflädt. Dieser kann nur aufgeladen werden, wenn eine Ladung dQ über den Draht fließt: dQ I= dt Vorlesungsfolien GdE II (6.65) 152 In Bild 6.38 ist eine Kondensatoranordnung gezeigt. Durch den Draht fließt ein Strom I, zwischen den Platten ist I = 0. b) Bild 3.81 a) Der Strom im Draht erzeugt natürlich in Drahtnähe ein kreisförmiges Magnetfeld, da dies unabhängig davon sein muss, wohin der Strom fließt. Wendet man das Durchflutungsgesetz auf die graue Fläche A in Bild 3.81 a an, erhält man: r r ∫ H ⋅ ds = I (6.66) C Vorlesungsfolien GdE II 153 Wendet man nun das Durchflutungsgesetz auf die in Bild 6.38 b gegebene gekrümmte Fläche A´ mit der gleichen Randkurve C an, ist die rechte Seite von Gl. (6.66) Null, weil durch A´ kein Strom fließt: r r ∫ H ⋅ ds = 0 falsch!!!! C Dies ist offensichtlich falsch, da demnach auf der Randkurve C kein Magnetfeld vorhanden sein dürfte. Da diese Behauptung der Erfahrung widerspricht, muss das Durchflutungsgesetz erweitert werden: Zwischen den Kondensatorplatten wird die Fläche A´ bei Ladungstransport durch den Draht von einem sich auf- oder abbauenden elektrischen Feld durchsetzt. Dieses Feld geht von den auf den Kondensatorplatten gespeicherten Ladungen aus. Nach dem Gaußschen Satz gilt: Q= r r r r ∫∫ D ⋅ dA = ∫∫ D ⋅ dA = Ψ D A′ + "Deckel" (*) A′ Vorlesungsfolien GdE II 154 Setzt man Q gemäß Gl. (*) in Gl. (6.65) ein, erhält man r r r dQ d ∂D r I= = ∫∫ D ⋅ dA = ∫∫ ⋅ dA dt dt A′ ∂t A′ (6.67) eine Verknüpfung des Stromes I im Draht mit der elektrischen Verschiebung D zwischen den Kondensatorplatten. Mit dieser Feststellung kann der Strombegriff erweitert werden: Wie aus Gl (6.67) direkt hervorgeht, kann dψ D dt als Strom und dD dt als Stromdichte aufgefasst werden. Nach Maxwell (Maxwell, J.C., 1831 - 1879, engl. Physiker) bezeichnet man diese als Verschiebungsstrom und als Verschiebungsstromdichte. Gl. (6.67) kann man auch so interpretieren, dass der Verschiebungsstrom zwischen den Platten die Fortsetzung des Leitungsstroms im Draht ist. Vorlesungsfolien GdE II 155 Befindet sich anstelle von Luft ein Dielektrikum zwischen den Kondensatorplatten, dann wird r r r D = ε0E + P in obige Gleichungen eingesetzt, wobei die Polarisation P als ein Ausrichten der elektrischen Dipole im Feld interpretiert wird (vgl. V6 ET I). Ersetzt man nun im Durchflutungsgesetz die Stromdichte durch die Verschiebungsstromdichte, erhält man: r r r ∂D r ∫C H ⋅ ds = ∫∫A´ ∂t ⋅ dA = I (6.68) Also: Die magnetische Wirkung des Verschiebungsstromes ist die gleiche wie die eines gleichgroßen Leitungsstromes. Vorlesungsfolien GdE II 156 Im allgemeinen Fall wird eine Fläche A sowohl von der Stromdichte J als auch von der Verschiebungsstromdichte ∂D / ∂t durchsetzt. Daher müssen beide addiert werden: r r r r ∂D r ∫C H ⋅ ds = ∫∫A´ J + ∂t ⋅ dA (6.69) Mit Bild 6.38 b kann Gl. (6.69) eine weitere Erkenntnis liefern: Bild 6.38 b* Lässt man die Randkurve C immer kleiner werden, wird die Fläche A´ im Grenzfall eine geschlossene Fläche und C verschwindet. Vorlesungsfolien GdE II 157 In diesem Fall gilt: r r ∂D r 0 = ∫∫ J + ⋅ dA ∂t A´ (6.70) Das heißt, dass wenn der Leitungsstrom in eine geschlossene Fläche eintritt, er auch durch einen Verschiebungsstrom fortgesetzt werden kann, oder Der Gesamtstrom aus Teilchen- und Verschiebungsstrom bildet stets geschlossene Linien. Formt man Gl. (6.70) um gemäß r r ∂ r r ∫∫A´ J ⋅ dA = − ∂t ∫∫A′ D ⋅ dA und verwendet man den Gaußschen Satz, erhält man: r r ∂ J ⋅ d A = − Q ∫∫A´ ∂t Vorlesungsfolien GdE II (6.71) 158 Die Ladungserhaltung für das durch die Fläche A´ begrenzte Volumen: Die linke Seite von Gl. (6.71) beschreibt den in das Volumen eintretenden Teilchenstrom, die rechte Seite die Ladungsabnahme im Volumen. 6.9.2 Die Maxwellschen Gleichungen Mit dem bisher Gesagten lauten die vollständigen Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes: r r r r ∂D r ∫C H ⋅ ds = ∫∫A J + ∂t ⋅ dA r r r ∂B r ∫C E ⋅ ds = −∫∫A ∂t ⋅ dA 1. Durchflutung 2. Induktion 3. Gaußscher Satz r r ∫∫ D ⋅ dA = Q 4. Quellenfreiheit des Magnetfeldes r r ∫∫ B ⋅ dA = 0 (6.72) Vorlesungsfolien GdE II 159 Das Gleichungssystem (6.72) nennt man Maxwellsche Gleichungen, die durch zahllose Experimente bestätigt werden konnten. Zu diesen kommen noch die Materialgleichungen: r r J = σ E, r r r r D = ε 0 E + P = ε E, r r r r B = µ0 H + M = µ H ( ) (6.73) Da die Maxwell Gleichungen nicht die Kraftwirkung der Felder auf Ladungen enthalten, wird noch die Lorentz-Beziehung benötigt: r r r r F =Q E + v×B ( ) (6.74) Da alle Ladungsträger auch eine Masse m besitzen, muss die Kraftwirkung der Felder auf die Ladungsträger durch das Bewegungsgesetz der Mechanik beschrieben werden: r dpr F= , dt r m0v r r p = mv = v 1− c 2 (6.75) mit dem Impuls p, der relativistischen Masse m und der Ruhemasse m0. Die Gln. (6.72) - (6.75) bilden ein vollständiges System, mit dem die gesamte Elektrodynamik beschrieben werden kann. Vorlesungsfolien GdE II 160 8.12 Der Transformator Ein wichtiges in der Elektrotechnik anzutreffendes Bauelement ist der Transformator. Mit ihm können (theoretisch verlustfrei) Spannungen bzw. Ströme an die jeweils benötigten Verhältnisse angepasst werden. Dieses Verhalten wird in vielen Bereichen benötigt, nicht nur in der Energietechnik, sondern auch in der Nachrichtentechnik und der Messtechnik. Je nach Anwendungsgebiet wird der Transformator auch Umformer, Wandler oder Übertrager genannt. Ein Transformator besteht im Wesentlichen aus zwei miteinander gekoppelten Spulen, wie sie bereits im Kapitel 6.5 behandelt wurden. Abhängig vom Anwendungsfall kann die Kopplung nur durch die Luft (Bild 8.49a) oder über einen gemeinsamen Eisenkern (Bild 8.49b) erfolgen. Ersteres wird auch als „Lufttransformator“ bezeichnet und findet z.B. in der Hochfrequenztechnik Anwendung. a) b) Vorlesungsfolien GdE II Bild 8.49 161 8.12.1 Der ideale Transformator Um den Transformator besser verstehen zu können, soll nun zuerst ein idealisiertes Modell erstellt werden. Später werden wir dann durch Hinzufügen von weiteren idealen Bauelementen (R, L, C) dieses Modell den realen Gegebenheiten annähern. Betrachten wir zunächst die Anordnung in Bild 8.50: Bild 8.50 Zur Berechnung nehmen wir folgende Idealisierungen vor, die teilweise schon beim magnetischen Kreis angewendet wurden: • keine Streuflüsse (Feld wird vollständig im Eisen geführt, Koppelkoeffizient der Spulen k = 1) • konstante magn. Permeabilität µ (keine Hysterese) • µr sei unendlich groß (ideale magn. Leitfähigkeit des Eisens, Rm = 0) • Keine ohmschen Widerstände der Leiter Vorlesungsfolien GdE II 162 Damit ergibt sich für die Flüsse im Kreis: Φ = Φ11 + Φ12 = Φ21 + Φ22 (Zur Erinnerung: Φ12 Teilfluss in Spule 1 von Spule 2) Der Gesamtfluss entsteht also aus der Überlagerung der Flüsse der beiden Spulen und ist innerhalb des Kreises konstant. Mit dem Induktionsgesetz ergibt sich: u1 = N1 dΦ dt und u2 = N2 dΦ dt (8.101) Damit folgt für die Spannungen am idealen Transformator (Spannungsübersetzung): u1 N1 = u2 N2 (8.103) Oftmals hat man es bei Strom und Spannung mit sinusförmigen Größen zu tun. Dann ist auch der Fluss sinusförmig und man kann mit Hilfe komplexer Amplituden schreiben: Uˆ 1 = jω N1Φˆ und Uˆ 2 = jω N2 Φˆ Vorlesungsfolien GdE II (8.102) 163 Auch hiermit ergibt sich für die Spannungsübertragung Uˆ 1 U 1 N1 = = ˆ U 2 U 2 N2 wobei U= 1 ˆ U 2 Merke: Die Spannungen am idealen Transformator stehen im gleichen Verhältnis wie die Windungszahlen. Ebenso wie für die Spannungen kann man auch eine Beziehung für die Ströme finden. Wendet man das ohmsche Gesetz des magnetischen Kreises an, erhält man für die Durchflutung Θ: Θ = Θ1 + Θ2 = N1i1 + N2 i2 = Rm Φ (8.104) Mit den angenommenen Idealisierungen ergibt sich für Rm: Rm = l µ0 µr A =0 Damit haben wir eine Formel für die Stromübersetzung gefunden: N1 i1 + N2 i2 = 0 oder i1 N2 − = i2 N1 (8.105) Das negative Vorzeichen wird durch die gewählten Zählpfeilrichtungen für die Ströme bedingt (vgl. Bild 8.50)! Vorlesungsfolien GdE II 164 Für sinusförmige Größen ergibt sich mit den komplexen Amplituden: Iˆ1 I N − =− 1 = 2 I 2 N1 Iˆ2 Merke: Die Beträge der Ströme am idealen Transformator stehen im umgekehrten Verhältnis wie die Windungszahlen. Eine weitere wichtige Erkenntnis über den Transformator gewinnt man, wenn man die Gleichungen u1 N1 = u2 N2 und i1 N2 − = i2 N1 miteinander multipliziert: − u1 i1 N1 N2 = ⇔ u1i1 = −u2 i2 u2 i2 N2 N1 ⇒ u1 i1 + u2 i2 = 0 (8.107) u1i1 =p1(t) und u2i2 =p2(t) sind die momentanen Leistungen, die in die Spulen 1 und 2 hineingeschickt werden (Beide Spulen im Verbraucherzählpfeilsystem). Damit gilt: p1 (t ) + p2 (t ) = 0 Vorlesungsfolien GdE II (8.108) 165 Im idealen Transformator wird also weder Energie verbraucht noch gespeichert. Die Leistung, die über die eine Spule zugeführt wird, wird über die andere Spule zwangsläufig auch wieder abgegeben. Mit diesen Erkenntnissen kann man den idealen Transformator als ideales Bauelement mit einem einzigen Parameter beschreiben. Hierzu definiert man das Übersetzungsverhältnis ü= u1 i ; ü=− 2 u2 i1 bzw. ü= N1 N2 (8.109 / 110) als Verhältnis der Eingangs- und Ausgangsspannungen. Nach Gl. 8.103 kann man das Verhältnis der Spannungen auch über die Windungszahlen ausdrücken. Allerdings kann ü auch negativ werden, wenn in unserem Beispiel die Zählpfeilrichtung einer Spannung umgedreht wird. Um dies zu berücksichtigen, wird mit dem Betrag gearbeitet. Der ideale Transformator hat das folgende Schaltsymbol: Bild 8.51 Vorlesungsfolien GdE II 166 Die Punkte geben dabei den Wicklungssinn an. Ist einer der beiden Punkte versetzt, so wird das Übersetzungsverhältnis negativ (Eine Spannung ändert bei den angegebenen Zählpfeilen ihr Vorzeichen). Der Doppelstrich in der Mitte steht für die feste Kopplung zwischen den Spulen. Der ideale Transformator und Gleichspannungen Betrachtet man noch einmal die Gleichungen 8.103 und 8.105 u1 N1 = u2 N2 und i1 N2 − = i2 N1 , so fällt auf, dass formal auch Gleichspannungen und Gleichströme über den idealen Transformator übertragen werden. Dies widerspricht zunächst dem allgemeinen Verständnis, dass nur Wechselgrößen über einen (realen) Transformator übertragen werden können. Allerdings muss bedacht werden, dass wir zu Beginn zahlreiche Idealisierungen vorgenommen haben, wodurch die Gleichgrößenübertragung „hinzugewonnen“ wurde. Tatsächlich ist der ideale Transformator nur über die obigen Gleichungen definiert und überträgt deshalb per Definition auch Gleichspannungen/ -ströme! Vorlesungsfolien GdE II 167 Impedanztransformation Bild 8.52 Beschaltet man einen idealen Transformator auf der Sekundärseite wie im Bild 8.52 zu sehen mit idealen Bauelementen R,L,C und führt einen Maschenumlauf durch, so ergibt sich mit den idealen Bauelementgleichungen u2 = (−i2 )R + L d(−i2 ) 1 + ∫ (−i2 ) dt . (8.111) dt C Nun kann man mit der Definition des Übersetzungsverhältnisses aus Gl. 8.109 u2 und i2 durch u1 und i1 ersetzen: u1 d(i ü) 1 = (i1 ü)R + L 1 + ∫ (i1 ü) dt ü dt C 2 d i ü ⇔ u1 = ü 2 R i1 + ü 2 L 1 + ∫ i1 dt dt C Vorlesungsfolien GdE II (8.112) 168 Wie an dieser Gleichung zu erkennen ist, sind die beiden Schaltungen in Bild 5.52 also gleichwertig. Bauelemente können somit von der Sekundärseite auf die Primärseite eines idealen Transformators verschoben werden, 2 wenn ihr (komplexer) Widerstand mit ü multipliziert wird. (Die andere Richtung ist natürlich auch möglich, hier ist der 2 Faktor 1/ ü ) Dies gilt auch dann, wenn der Wicklungssinn gegensinnig ist: Durch das Quadrat fällt ein eventuelles Vorzeichen stets heraus. Damit sind auch diese Schaltungen identisch: Vorlesungsfolien GdE II 169 8.12.2 Ersatzschaltungen für den realen Transformator Bei den bisherigen Betrachtungen für den idealen Transformator wurden einige Näherungen gemacht, die für viele reale Transformatoren nicht zutreffen. So haben die Wicklungen einen endlichen ohmschen Widerstand, die Kopplung der Spulen ist nicht ideal (es treten Streuflüsse auf) und die magnetischen Widerstände sind nicht vernachlässigbar. Zusätzlich gibt es im Eisen Verluste durch Hysterese und induzierte Wirbelströme, was aber zunächst nicht berücksichtigt werden soll. Betrachten wir dazu folgendes Modell in Bild 8.53: Bild 8.53 Φh ist dabei der Hauptfluss, der beide Spulen durchsetzt. ΦS1 und ΦS2 sind die Streuflüsse, die jeweils in einer Spule erzeugt werden und nicht durch die andere hindurchtreten. Vorlesungsfolien GdE II 170 Wendet man nun das Induktionsgesetz an, so ergibt sich mit Berücksichtigung der ohmschen Widerstände d u1 = i1 R1 + N1 (ΦS1 + Φh ) , dt d u2 = i2 R2 + N2 (ΦS2 + Φh ) . dt (8.113) Anhand des Modells erkennt man, dass die Streuflüsse ΦS1 nur von i1 und ΦS2 nur von i2 abhängen. Deshalb definiert man die primäre und sekundäre Streuinduktivität LS1 und LS2 mit der bekannten Gleichung N1ΦS1 = LS1 i1 und N2 ΦS2 = LS2 i2 . Damit gilt jetzt für Gleichung 8.113: di1 u1 = i1 R1 + LS1 + u1i dt dΦh ; u1i = N1 dt di2 u2 = i2 R2 + LS 2 + u2i dt dΦh ; u2i = N2 dt (8.114) Außerdem berücksichtigen wir nun den magnetischen Widerstand des Eisens (ohmsches Gesetz des magn. Kreises): Θ = Θ1 + Θ2 = N1i1 + N2 i2 = Rm Φh Vorlesungsfolien GdE II (8.115) 171 Rm ist hier eine Rechengröße, die den magnetischen Hauptfluss Φh mit den Durchflutungen Θ1 und Θ2 verknüpft. Rm entspricht einem magnetischen Widerstand, welcher aber nicht unbedingt gleich dem magnetischen Widerstand des Transformatorkerns ist. Damit können wir nun u1i und u2i schreiben als: 2 dΦh N1 di1 N1N2 di2 di1 di2 u1i = N1 = + = Lh1 + M dt Rm dt Rm dt dt dt 2 dΦh N1N2 di1 N2 di2 di1 di2 u2i = N2 = + = M + Lh 2 dt Rm dt Rm dt dt dt wobei Lh1 primäre und Lh2 sekundäre Hauptinduktivität genannt werden und M die Gegeninduktivität bezeichnet. Es gilt: 2 N1 Lh1 = , Rm 2 N2 Lh2 = , Rm N1N2 M= Rm (8.116) Für das Ersatzschaltbild ist es allerdings von Vorteil, die Eigenschaften des schon besprochenen idealen Transformators auszunutzen und von diesen drei Elementen nur Lh1 beizubehalten. Zur Erinnerung: ü= N1 N2 Übersetzungsverhältnis eines idealen Transformators Vorlesungsfolien GdE II 172 Durch einfache Umformung erhalten wir: u1i = 2 N1 d N2 i1 + i2 = Rm dt N1 Lh1 d 1 i1 + i2 dt ü 2 N2 N1 d N2 1 d 1 u2i = i1 + i2 = Lh1 i1 + i2 N1 Rm dt N1 ü dt ü Der Ausdruck 1 i1 + i2 = iM1 entspricht offenbar der ü Summe aus dem Primärstrom und dem auf die Primärseite transformierten Sekundärstrom und sorgt in Lh1 für einen Spannungsabfall. Der gleiche Spannungsabfall tritt auch auf der Sekundärseite auf, nur um den Übertragungsfaktor 1/ü kleiner. Aus der Herleitung wird deutlich, dass der magnetische Widerstand Rm hierfür verantwortlich ist. Deshalb wird der Strom iM1 auch Magnetisierungsstrom genannt. Setzt man die bisherigen Gleichungen zusammen, so ergibt sich: di1 u1 = i1 R1 + LS1 + dt d 1 Lh1 i1 + i2 dt ü (8.117) di2 1 d 1 u2 = i2 R2 + LS 2 + Lh1 i1 + i2 dt ü dt ü Vorlesungsfolien GdE II 173 Hieraus kann man direkt das Ersatzschaltbild eines Transformators ablesen: Bild 8.54 Hierbei wurde der ideale Transformator verwendet, um die nötigen Umrechnungen der Ströme und Spannungen zu gewährleisten. Wie bereits zu Beginn angekündigt, kann das Verhalten eines realen Transformators also durch ein Ersatzschaltbild bestehend nur aus idealen Elementen angenähert werden. An diesem kann man z.B. leicht erkennen, warum ein realer Transformator keine Gleichspannungen überträgt: Bei sehr kleinen Frequenzen ist Lh1 und damit der Übertrager kurzgeschlossen. Vorlesungsfolien GdE II 174 Das Ersatzschaltbild kann man noch weiter vereinfachen: Mit den bekannten Impedanztransformationen können LS2 und R2 auf die Primärseite gebracht werden. Der ideale Transformator befindet sich somit am rechten Ende des ESBs und kann auch weggelassen werden, wenn man dies bei den Strömen und Spannungen auf der rechten Seite entsprechend berücksichtigt: Bild 8.55 Vorlesungsfolien GdE II 175 Vergleich T-Ersatzschaltbild mit gekoppelten Induktivitäten In Kapitel 6.5 hatten wir bereits für die Darstellung zweier magnetisch gekoppelter Spulen die Beschreibung über Induktivität und Gegeninduktivität eingeführt: di1 di2 u1 = L11 + M dt dt di di u2 = M 1 + L22 2 dt dt (8.118) Bild 8.58 Das T-Ersatzschaltbild beschreibt unter Vernachlässigung der ohmschen Widerstände genau den gleichen physikalischen Zusammenhang. Damit muss es also möglich sein, die Induktivitäten des T-Ersatzschaltbildes aus der obigen Darstellung zu bestimmen. Wir gehen vom vereinfachten T-Ersatzschaltbild in Bild 8.59 aus, für das folgende Gleichungen gelten: di1 u1 = LS1 + dt u2 = LS 2 d 1 Lh1 i1 + i2 dt ü di2 1 d 1 + Lh1 i1 + i2 dt ü dt ü Vorlesungsfolien GdE II (8.117*) 176 Bild 8.59 Durch einfaches Umsortieren nach den Strömen und Vergleich von (8.117*) mit (8.118) erhält man sofort: L11 = LS1 + Lh1 , 1 M = Lh1 , ü 1 L22 = LS 2 + 2 Lh1 ü Aufgelöst nach den Größen des T-Ersatzschaltbildes ergibt sich: Lh1 = ü M LS1 = L11 − ü M 1 LS 2 = L22 − M ü ü 2 LS 2 = ü 2 L22 − ü M Mit diesem Zusammenhang kann das T-Ersatzschaltbild einfach aus der Darstellung gekoppelter Induktivitäten gewonnen werden. Vorlesungsfolien GdE II 177 Belasteter Transformator Im Gegensatz zum idealen Transformator beeinflusst eine angeschlossene Last die Übertragungseigenschaften des Transformators wesentlich. Aus dem Ersatzschaltbild ist sofort ersichtlich, dass sich bei zunehmender Last die Ausgangsspannung sowohl im Betrag wie auch in der Phase verändern wird. Um diese Veränderungen leichter untersuchen zu können, wird oftmals ein komplexes Zeigerdiagramm verwendet. Für unser Beispiel nehmen wir eine Last an der Sekundärseite des Transformators an, welche aus einem ohmschen Widerstand R und einer Induktivität L besteht. Außerdem wollen wir die Spannung U2´ = ü U2 als unsere Ausgangsgröße annehmen, was die Berechung vereinfachen wird. (vgl. dazu Bild 8.55) Ist die Spannung U2´ bekannt, so kann über das ohmsche Gesetz einfach der Laststrom -I2´ bestimmt werden, der durch die Last vorgegeben wird und der dem Spannungszeiger um einen Winkel φ nacheilt (induktive Belastung). Mit diesem Strom können die Spannungsabfälle UR2´ und US2´ an der sekundären Streuinduktivität und ohmschen Widerstand ermittelt werden. Addiert zu U2´ ergibt sich somit die Spannung Uh1 an der Hauptinduktivität. Vorlesungsfolien GdE II 178 Damit ist auch der Magnetisierungsstrom IM1 durch die Hauptinduktivität bekannt, der der Spannung Uh1 um 90° nacheilt. Durch die Anwendung der Knotenregel ist klar, dass IM1 = I1 + I2´ gilt. Daraus ergeben sich auch die Spannungen an der primären Streuinduktivität und ohmschen Widerstand US1 und UR1. Die Primärspannung U1 kann damit bestimmt werden zu: U1 = US1 + UR1 + Uh1. Mit diesen Informationen kann jetzt ein Zeigerbild angegeben werden (Bild 8.56 a): a) b) Bild 8.56 Vorlesungsfolien GdE II 179 In der Praxis ist aber meistens die Spannung U1 statt U2´ vorgegeben. Die angegebene Methode zur Bestimmung des Zeigerdiagramms kann aber trotzdem angewendet werden, wenn zum Schluss die Spannung U1 und damit auch alle anderen Spannungen und Ströme entsprechend skaliert werden. Denn die Verhältnisse und Phasenverschiebungen untereinander ändern sich nicht, wenn die Eingangsspannung in ihrer Höhe verändert wird. Verhalten bei sehr kleinen IM Oftmals ist es so, dass der Magnetisierungsstrom IM sehr klein gegenüber dem Primär- und Sekundärstrom ist und damit in guter Näherung vernachlässigt werden kann. (Dies entspricht Lh1 → ∞ ) Ist das der Fall, vereinfacht sich das Zeigerdiagramm: Die Wicklungswiderstände und Streuinduktivitäten können zu einer Größe zusammengefasst werden mit R = R1 + ü 2 R2 und X S = ω(LS1 + ü 2 LS 2 ) (8.119) und den entsprechenden Spannungsabfällen U R = U R1 + U ′R2 und U S = U S1 + U ′ S 2 (8.120) Daraus ergibt sich das vereinfachte Zeigerdiagramm in Bild 8.56 b). Zu bemerken ist noch, dass sich in diesem Fall die Ströme wie beim idealen Transformator verhalten! Vorlesungsfolien GdE II 180 Das eingefärbte Dreieck wird Kapp‘sches Dreieck genannt. Solange der Betrag des Stromes I2 konstant bleibt, sich der Phasenwinkel φ aber ändert, bleibt das Dreieck in Form und Größe erhalten und ändert lediglich seine Lage. Eine weitere wichtige Größe ist die Kurzschlussspannung Uk, die sich aus der Summe von UR und US ergibt. Sie bezeichnet die Spannung an der Primärseite des Transformators, wenn die Sekundärseite kurzgeschlossen wird (U2 = 0) und in die Primärseite der Nennstrom (= Strom, für den der Transformator ausgelegt ist) eingespeist wird. Oftmals wird diese Spannung auf die Nenn-Eingangsspannung bezogen und in Prozent angegeben. Ebenfalls wichtig ist die Phasenverschiebung φk zwischen Strom und Spannung, die in diesem Betriebszustand auftritt. Verhalten bei sehr kleinen I2 Ist dagegen der Sekundärstrom I2 vernachlässigbar klein (z.B. im Leerlauf oder bei geringer Last), so fällt an den Streuinduktivitäten und ohmschen Widerständen so gut wie keine Spannung ab, sofern zusätzlich gilt: ω Lh1 >> ω LS1 , R1. Damit können diese Elemente (R, LS ) also näherungsweise weggelassen werden und die Spannungen verhalten sich nun so wie am idealen Transformator! Merke: IM vernachlässigbar Ströme verhalten sich ideal I2 vernachlässigbar Spannungen verhalten sich ideal Vorlesungsfolien GdE II 181 Nachtrag zum ESB: Wie bereits angedeutet wurde, ist das verwendete Ersatzschaltbild für den realen Transformator eine Näherung, die je nach Betriebsfall auch noch erweitert oder vereinfacht werden kann/ muss. So haben wir z.B. die Verluste im Eisen durch Hysterese und Wirbelströme vernachlässigt, ebenso wie etwaige Kapazitäten zwischen den Wicklungen. Erstere könnte man in grober Näherung durch einen Verlustwiderstand RFe parallel zu Lh beschreiben. In dieser Vorlesung soll jedoch darauf verzichtet werden. Praktische Bestimmung der ESB- Elemente: In der Praxis können die ESB- Elemente eines realen Transformators näherungsweise über den so genannten Kurzschluss- und Leerlaufversuch bestimmt werden. Beim Leerlaufversuch wird an die Primärwicklung des Transformators die Nennspannung (= Spannung, für die der Transformator ausgelegt ist) angelegt und die Sekundärwicklung offen gelassen. An den offenen Sekundär- Klemmen wird die Spannung U2 gemessen, aus der sich direkt das Übersetzungsverhältnis ergibt. Außerdem wird der Primärstrom gemessen, der fast ausschließlich von Lh1 verursacht wird ( ω Lh1 >> ω LS1 , R1 ), woraus die Hauptinduktivität direkt berechnet werden kann. Die Streuelemente werden dabei vernachlässigt. Vorlesungsfolien GdE II 182 Beim Kurzschlussversuch wird die Sekundärseite des Transformators kurzgeschlossen und auf der Primärseite die Spannung langsam hochgeregelt, bis sich der Nennstrom einstellt. Jetzt ist die Hauptinduktivität praktisch kurzgeschlossen ( R2 , ω LS2 << ω Lh1 ) und durch Messung von Strom und Phasenverschiebung auf der Primärseite können der gesamte ohmsche Widerstand und die gesamte Streuinduktivität bestimmt werden: Rges = R1 + ü 2 R2 = cos(ϕ ) Z LS , ges = L1 + ü 2 L2 = 1 2π f mit Z= U1 I1 sin(ϕ ) Z Diese Gesamt- Werte müssen dann noch auf die einzelnen Elemente aufgeteilt werden, z.B. im Verhältnis der Windungszahlen. Die ohmschen Widerstände der Wicklungen lassen sich auch genauer durch eine einfache Gleichstrommessung bestimmen (z.B. mit einem Multimeter) Vorlesungsfolien GdE II 183 8.12.4 Einsatzbereiche von Transformatoren Der wohl bekannteste und auch wirtschaftlich bedeutsamste Einsatzbereich von Transformatoren ist die Energietechnik. Hier werden sie eingesetzt, um die elektrische Leistung möglichst effektiv über weite Strecken zu übertragen. Die Verlustleistung, die an einem ohmschen Widerstand und damit an einer langen Leitung auftritt, berechnet sich nach PV = R I 2 , ist also dem Quadrat des Stromes proportional. Wird nun mit Hilfe eines Transformators die Spannung hochund damit die Ströme heruntergesetzt, so wird die Verlustleistung drastisch reduziert. Im Versorgungsnetz sind Spannungen im Bereich von 110kV – 220kV üblich. Diese erfordern natürlich einen hohen Aufwand und sind deshalb für die Endverteilung zu den Haushalten nicht geeignet. Deshalb werden die Spannungen hier erneut über mehrere Ebenen auf die bekannten 230V/400V transformiert. Transformatoren werden auch häufig für die Erzeugung von Kleinspannungen eingesetzt (z.B. für Unterhaltungselektronik), und gewährleisten zusätzlich eine galvanische Trennung vom Netz. Eine weitere, zunehmende Anwendung sind Schaltnetzteile, die bei hohen Frequenzen arbeiten und somit trotz großer Leistungen mit kleinen und damit leichten Transformatoren realisiert werden können. Vorlesungsfolien GdE II 184 Aber auch abseits der Energietechnik sind Transformatoren zu finden, zum Beispiel als Messwandler, die große Ströme und Spannungen auf messbare Werte bringen. In der Nachrichtentechnik werden Transformatoren, auch Übertrager genannt, eingesetzt, um eine Quelle optimal an einen Verbraucher anzupassen, so dass dieser die maximal verfügbare Wirkleistung erhält. Hierbei nutzt man vor allem die Impedanztransformation eines idealen Transformators aus. Eine weitere Anwendung besteht in der Filterung von kombinierten Gleich- und Wechselsignalen, da ein realer Transformator nur die Wechselgrößen übertragen kann. Dies findet z.B. in der Fernsprechtechnik Verwendung. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Transformator eines der vielseitigsten Bauteile der Elektrotechnik darstellt und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Vorlesungsfolien GdE II 185