Werkstoffkunde 1 Werkstoffkunde 1 Zusammenfassung des Skripts Kapitel 1 bis 6 Hinweise: Diese Zusammenfassung ersetzt das Skript „Werkstoffkunde 1“ nicht, sondern ist darauf ausgelegt, mit diesem zusammen zu arbeiten. • Am Rand dieser Zusammenfassung steht die zum jeweiligen Kapitel zugehörige Seite im Skript • Verweise auf Abbildungen im Skript sind kursiv gedruckt. Es wird empfohlen, die Abbildungen anzuschauen. • Die Nummerierung der Kapitel stimmt jedoch stellenweise nicht mit der Nummerierung im Skript überein Diese Zusammenfassung darf zum persönlichen Gebrauch ausgedruckt werden, jedoch nicht gewinnbringend weiterverbreitet werden! Keine Gewähr auf Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben! Werkstoffkunde 1 Kapitel 2: Physikalische Eigenschaften Seite 10 2.1 Gleichgewichtsabstand Modell des isolierten Atompaares (>> Abb. 2.1): anziehende und abstoßende Kräfte; • Geringer Atomabstand => abstoßende Kräfte überwiegen => positive potentielle Gesamtenergie • Größerer Atomabstand => anziehende Kräfte überwiegen => negative potentielle Gesamtenergie • Gleichgewichtsabstand x0 => anziehende und abstoßende Kräfte im Gleichgewicht => Minimum an potentieller Gesamtenergie = Bindungsenergie UB Experimentelle Bestimmung von UB: Messen der thermischen Energie, die notwendig ist, um das Material vollständig in die Gasphase überzuführen Seite 11 2.2 Elastizität = Fähigkeit eines Festkörpers zur reversiblen Formänderung unter Einwirkung einer äußeren Belastung; Betrachtung der Verformung auf atomarer Ebene: Geringe Auslenkung der Atome aus der Gleichgewichtslage x0; >> Abb. 2.2: unteres Bild entspricht der ersten Ableitung der oberen Kurve nach dem Atomabstand x. An der Stelle x0 ist die Taylor-Approximation erster Ordnung (Tangente; Steigung ist der E-Modul) für geringe Deformationen eingezeichnet. Seite 12 2.3 Plastizität = Fähigkeit eines Festkörpers zur irreversiblen Formänderung unter Einwirkung einer äußeren Belastung => plastische Verformung bleibt bestehen. Plastizität kann nicht mit dem Modell des isolierten Atompaares beschrieben werden! Seite 13 2.4 Wärmeausdehnung = Fähigkeit eines Festkörpers zur Ausdehnung unter Zufuhr einer Wärmemenge; Temperaturen > 0 K => Schwingungen der Atome um die Gleichgewichtslage => Energiezufuhr von außen in Form von Wärme => Amplitude wächst mit anhaltender Wärmezufuhr => Ausdehnung des Festkörpers; Maß für die Wärmeausdehnung: linear thermischer Ausdehnungskoeffizient α [K-1] (typische Größenordnungen siehe Skript); Längenänderung ∆l eines Stabes mit der Länge l0 bei einer Temperaturänderung ∆T: ∆l ~ α l0 ∆T Volumenänderung ∆V eines sich in alle Raumrichtungen gleich ausdehnenden Festkörpers: ∆V ~ 3 α V0 ∆T Seite 14 2.5 Wärmeleitfähigkeit: >> Abb. 2.3 = Fähigkeit eines Festkörpers, eine im Festkörper vorhandene örtliche Temperaturdifferenz ∆T durch Wärmetransport auszugleichen. Wärmetransport vom wärmeren zum kälteren Teil des Festkörpers ohne Transport von Materie; Maß für die Wärmeleitfähigkeit: materialspezifische Wärmeleitfähigkeit λ [W/mK] (typische Größenordnungen siehe Skript); • In metallischen Festkörpern Wärmetransport durch freie Elekronen, das sog. Elektronengas => gute elektrische Leitfähigkeit & gute Wärmeleitfähigkeit λ • In Festkörpern ohne freie Elektronen Wärmetransport durch Phononen: Schwingungen der im Raumgitter angeordneten Elektronen (=Phononen): gekoppeltes System: Nichtleiter (schlechte elektrische Leitfähigkeit λ) Seite 15 2.6 Spezifische Wärmekapazität = Materialspezifische Konstante, die angibt, welche Wärmemenge einem Stoff zugeführt werden muss, um seine Temperatur um ∆T zu erhöhen; Die auf ein Mol eines einatomigen Stoffes bezogene molare Wäremkapazität bei konstantem Volumen ist: cV = 3 NA kB = 3 R; R = 8.31 J/molK (allgemeine Gaskonstante), NA = 6.023 · 1023 l/mol (Avogadro-Konstante), kB = 1.38 · 10-23 J/K (Boltzmann-Konstante); Werkstoffkunde 1 Die mittlere kinetische Energie der schwingenden Atome entspricht einer Wärmeenergie: Potentielle und kinetische Energie sind im Mittel gleich => U = Ukin + Upot = 2 Ukin = m v2 = 3 kB T; bei Betrachtung eines Mols eines Stoffes ist der die Energie mit NA zu multiplizieren. In diesem Fall führt die Änderung der inneren Energie eines Stoffes dUmol infolge seiner Temperaturänderung dT zu 3 NA kB = cV. 2.7 Elektrische Leitfähigkeit = Fähigkeit eines Stoffes, elektrischen Strom zu leiten; In metallischen Festkörpern sehr viele freie Elektronen (Elektronengas) => hohe Leitfähigkeit σ, geringer spezifischer elektrischer Widerstand ρ (reziproker Wert der Leitfähigkeit) Seite 16 Der spezifische Widerstand ρ eines Leiters ist gleich seinem Widerstand R bei 1 m Leiterlänge, 1 mm2 Leiterquerschnitt und einer Temperatur von 20°C. In einem Festkörper tritt ein elektrischer Widerstand auf, wenn thermisch angeregte Gitterschwingungen auftreten, Fremdatome und andere Fehlstellen vorhanden sind oder geometrische Verzerrungen in der regelmäßigen Atomanordnung vorliegen. Höhere Temperatur => größerer Wirkungsquerschnitt (größere Amplitude, mit der Elektronen um Gleichgewichtsabstand schwingen) => höhere Wahrscheinlichkeit, dass Elektron an ein Atom stößt => elektrischer Widerstand wird aufgeteilt in thermischen und athermischen Anteil: ρ = ρL + ρI (Index L: temerpaturabhängiger Anteil, Index I: auf Fehler bzw. Verunreinigungen beruhender Anteil); Spezifischer Widerstand nach dem Drude-Modell: m: effektive Elektronenmasse, n: Ladungsträgerdichte, e: Elementarladung, τ: mittlere Flugzeit zwischen 2 Stößen; 2.8 Optische Eigenschaften Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung (typisch 1012 bis 1018 Hz) mit Festkörpern: I0 = IR + IA + IT (I = Intensität) IR: reflektierter Anteil, IA: absorbierter Anteil, IT: transmittierter Anteil (Durchdringung); • Absorption: freie Elektronen im Festkörper werden durch Aufnahme diskreter Energien auf höhere Energiezustände im Leitungsband gehoben. Die dazu benötigte Energie wird von der einfallenden Strahlung absorbiert. • Reflexion: Elektronen halten sich nur kurze Zeit im angeregten Zustand auf und emittieren eine Strahlung unter Abgabe der zuvor aufgenommenen Energie ∆E. Die reflektierten Frequenzen bestimmen die Farbe des Festkörpers. Seite 18 Kapitel 3: Mechanische Kennwerte 3.1 Weitere Begriffe • Homogenität: Unabhängigkeit einer Eigenschaft vom Ort • Isotropie: Unabhängigkeit einer Eigenschaft von der Richtung (Gegenteil: Anisotropie) • Festigkeit: Widerstand, den ein Werkstoff der Verformung entgegensetzt • Härte: Widerstand, den ein Körper dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt • Duktilität: Fähigkeit eines Werkstoffes zur plastischen, bleibenden Verformung. Nicht duktile Werkstoffe nennt man spröde. Seite 22 3.2 Prüfverfahren Eindeutige Abgrenzung der Prüfverfahren nicht möglich! • Mechanisch-technologische Prüfverfahren: Untersuchung des Festigkeits-, Verformungs– und Bruchverhaltens: statische Beanspruchung, z.B. Zugversuch, Druckversuch, Torsionsversuch, Seite 23 Werkstoffkunde 1 Biegeversuch, Scherversuch, Zeitstandsversuch, Relaxationsversuch Schwingende Beanspruchung: Schwingfestigkeitsversuche Schlagartige Beanspruchung, z.B. Schlag– und Stauchversuche, Schlagbiegeund Schlagtorsionsversuche, Kerbschlagbiegeversuch. Schlagartige Versuche: einachsige Dehnung, Verformungsgeschwindigkeiten von ca. 10-1 bis 100 s-1 Verfahren zur Bruchmechanik, z.B. zur Ermittlung der Bruchzähigkeit KIC Härteprüfungen, z.B. nach Brinell, Vickers, Rockwell Technologische Prüfverfahren, z.B. Biege– und Faltversuche und Prüfungen zur Tiefzähigkeit Verschleißprüfungen zur Bestimmung eines linearen oder volumetrischen absoluten Verschleißbetrages Chemisch-physikalische Prüfverfahren: Untersuchung der chemischen Zusammensetzung und des strukturellen Aufbaus der Werkstoffe Metallografische, keramografische Prüfverfahren: Untersuchungen des Gefügeaufbaus und von Zustandsänderungen von metallischen bzw. keramischen Werkstoffen Zerstörungsfreie Prüfverfahren: beruhen meistens auf Wechselwirkung zwischen energiereicher Strahlung und den Atomen des Werkstoffes => Nachweis von Art, Größe und Häufigkeit von Materialfehlern sowie Qualitätskontrolle Physikalische Prüfverfahren: quantitative Erfassung mechanischer, oprtischer, thermischer, elektrischer & magnetischer Eigenschaften; Nachweis von Zustandsänderungen Bauteilprüfung: Bestimmung von Spannungen und Dehnungen im Bauteil - • • • • • Seite 24 3.2.1 Zugversuch >> Abb. 3.1 (S. 25): Aufbau des Zugversuches Zerstörendes Prüfverfahren: einachsige Zugbeanspruchung der Probe bis zum Bruch; relativ langsame Verformungsgeschwindigkeit (quasistatisch); L0: Anfangsmesslänge [mm] Lu: Messlänge nach dem Bruch [mm] d0: Anfangsdurchmesser einer Rundprobe [mm] A0, S0: Anfangsquerschnitt innerhalb der Versuchslänge [mm2] Au, Su: Kleinster Probenquerschnitt nach dem Bruch [mm2] => Technische Spannungs-Dehnungs-Kurve >> Abb. 3.3 (S. 27): bei duktilen Werkstoffen können drei Bereiche unterschieden werden: • Bereich 1-2: linearer Teil, elastische Dehnung, Steigung = Elastizitätsmodul; Bereich 2-3: Bei Punkt 2 wird die Elastizitätsgrenze überschritten; Beginn der plastischen Verformung; gleichmäßige Verringerung des Querschnitts (Querdehnung) und Längung bis Punkt 3 = Gleichmaßdehnung; • Bereich 3-4: Lokale Einschnürungen = Einschnürdehnung (nicht mehr gleichmäßig!); technische Spannung (auf Ausgangsquerschnitt bezogen) nimmt ab, reale Spannung (auf aktuellen, verringerten Querschnitt bezogen) nimmt zu; Festigkeitskennwerte in [N/mm2 bzw. MPa], >> Abb. 3.4 (S. 28): • Zugfestigkeit Rm: Maximum der Spannungs-Dehnungs-Kurve • Obere Streckgrenze ReH und untere Streckgrenze ReL (siehe Abb. 3.4(a)) • Dehngrenze Rp: Spannung, bei der nach Entlastung eine definierte plastische Verformung zurückbleibt (bei Rp0,2: 0,2%) Verformungskennwerte • Gleichmaßdehnung • Bruchdehnung: maximal erreichbare Dehnung der Probe: • Beim Vergleich zweier Proben muss das Verhältnis von Anfangsmesslänge L0 und Anfangsdurchmesser d0 gleich sein. Unterscheidet sich der Quotient L0/d0 vom Wert 5, muss der Wert k als Index angegeben werden: Werkstoffkunde 1 • Brucheinschnürung: auf den Ausgangsquerschnitt A0 bezogene, größte bleibende Querschnittsänderung nach dem Bruch der Probe 3.2.2 Härteprüfung = Messung des Widerstandes einer oberflächennahen Zone gegen plastische Verformung durch einen genormten Eindringkörper => Angabe eines Härtewertes; Vorteile gegenüber Zugversuch: geringerer zeitlicher & maschineller Aufwand, zerstörungsarm => billiger; Statische Verfahren: Makrohärte (Prüfkraft > 100 N), z.B. Brinell, Vickers, Rockwell; Kleinlasthärte (Prüfkraft 100 N), z.B. Vickers, Knoop; Mikrohärte (Prüfkraft < 2 N), z.B. Vickers, Knoop; Dynamische Verfahren: Dynamisch-plastische Verfahren (Schlaghärte, Fallhärte); Dynamisch-elastische Verfahren (Shore, Kirner); Seite 29 a) Brinell-Verfahren: >> Abb. 3.7 (S. 31) • Eindringkörper: Hartmetallkugel mit Durchmesser 1; 2,5; 5 oder 10 mm • Messwert: Kugelkalottenoberfläche (Eindringoberfläche) A • Berechnung: Seite 31 • • b) • • • • c) • • • • mit k = 0,102 kp/N, Prüfkraft F [N], Durchmesser der Kugel D [mm2], Durchmesser der Eindringfläche d [mm2]; Größe der Prüfkugel muss an Härtegrad des Werkstoffes angepasst werden => Belastungsgrad X: Richtwert für die Auswahl von Kugelgröße und Prüfkraft; Angabe der Brinell-Härte: <Härtewert> „HBW“ <Kugeldurchmesser (wenn er von D = 10mm abweicht)> / <Prüfkraft> / <Einwirkdauer der Prüfkraft in Sekunden (wenn diese von der vorgegebenen Dauer 10-15 Sekunden abweicht> Rockwell-Verfahren: Eindringkörper: Diamantkegel (HRC) oder seltener Stahlkugel (HRB) Messwert: Eindringtiefe tB Vorgehen: Prüfvorkraft Fb aufbringen => Prüfzusatzkraft F1 aufbringen => Prüfzusatzkraft F1 zurücknehmen => elastische Rückverformung => bleibende Eindringtiefe tB Berechnung: HRC = 100 - e mit e = tB/2 Seite 33 Vickers-Verfahren: Eindringkörper: Diamantpyramide (quadratisch) Messwert: arithmetischer Mittelwert der Eindringdiagonalen d Berechung: HV = 1,8544 F/d2; F in [kp] (1 kp = 9,81 N) Beispiele für den Einsatz der Vickers-Härte: In Oberflächennähe; bei einer Schweißnaht Seite 34 3.2.3 Kerbschlagbiegeversuch >> Abb. 3.15 (S.38) Liefert keinen mechanischen Kennwert, sondern lediglich eine Reihung verschiedener Werkstoffe bezüglich ihrer Zähigkeit => Probe wird Hammerschlag ausgesetzt => je nachdem ,wie weit Hammerfinne nach dem Zerschlagen des Werkstoffes ausschlägt, kann man auf Werkstoffeigenschaften schließen: Kerben, eine hohe Beanspruchungsgeschwindigkeit und tiefe Temperaturen erhöhen die Sprödigkeit des Werkstoffes; Kerbschlagarbeit: Arbeit zum Durchschlagen oder Umformen der gekerbten Probe => Av = G(h - h‘) mit Gh = potentielle Anfangsenergie und Gh‘ = verbleibende Energie => ho- Seite 38 Werkstoffkunde 1 hes Av => schlagzäher Werkstoff; Abb. 3.17 (S. 40): Werkstoffe, bei denen der Kennwert Av von der Temperatur abhängt: Spröd-Duktil-Übergang (Abbildung a), Werkstoffe, bei denen der Kennwert Av nicht von der Temperatur abhängt: nur Hoch– oder Tieflage (Abbildung b); • Verformungsbruch = Duktilbruch = Zähbruch: nach duktiler Verformung und Versagen von Werkstoffen, deren Av-T-Linie einer Hochlage entspricht; Plastische Verformung => Hohlraumbildung im Werkstoff • Sprödbruch = Trennbruch = Spaltbruch: Spaltung der Gefügekörner entlang bestimmter Gitterebenen (transkristalliner Bruch); Tieflage im Av-T-Diagramm; makroskopisch betrachtet: Normalspannungsbruch senkrecht zur äußeren Spannung • Mischbruch: Anteil aus Verformungs– und Sprödbruch: Bereich des Steilabfalls im Av -T-Diagramm Seite 41 Seite 42 3.3 Weitere mechanische Kennwerte Kriechen = Plastische Formänderung eines Materials unterhalb der Fließgrenze bei hinreichend großen Spannungen. Deutliche Zeitabhängigkeit der Belastung bei konstanter Verformung. Bei metallischen Werkstoffen insbesondere aufgrund hoher Temperaturen, bei teilkristalliner Struktur bereits bei niedrigen Temperaturen: oberhalb von 0.3 TM (Schmelztemperatur) Versagen aufgrund von Kriechvorgängen möglich. => Ermittlung des Werkstoffverhaltens in Abhängigkeit von Beanspruchungstemperatur (wichtig für Turbinen– und Triebwerksschaufeln, Druckkessel, Motoren– und Reaktorbau) und Beanspruchungszeit => sog. Standversuche: a) Zeitstandversuch (Retardationsversuch, Kriechversuch) Messen der Dehnung ε als Funktion der Zeit t: >> Abb. 3.19a (S.42): Kriechkurve: Darstellung des charakteristischen Verhaltens für Metalle, Polymere, Keramik. εges = εe + εp(t) = F/(Ao E) + εp(t) mit εe: elastischer Anteil der Dehnung, εp(t): plastischer, zeitabhängiger Anteil; >> Abb. 3.19b (S.42): Kriechrate: 3 charakteristische Bereiche der Kriechkurve (>> Abb. 3.19a): Bereich 1: Primär– oder Übergangskriechen: Kurvenabschnitt kann beschrieben werden durch: εges = const. * tm ≈ α * log(t), mit m < 1; niedrige Temperaturen und niedrige Spannungen; Kriechrate nimmt mit zunehmender Dehnung ab; plastische Verformung in diesem Bereich nicht zu vernachlässigender Teil der zulässigen Gesamtdehnung; läuft relativ schnell ab; Bereich 2: Stationäres oder Sekundäres Kriechen: Kurvenabschnitt kann beschrieben werden durch die Geradengleichung εges = const. * tm, mit m = 1; mittlere Temperaturen und mittlere Spannungen; Kriechrate nimmt kleinsten Wert an => Stationärbereich bestimmt größten Teil der Lebensdauer eines Bauteils; Bereich 3: Tertiäres Kriechen: Kurvenabschnitt kann beschrieben werden durch: εges = const. * tm, mit m > 1; hohe Temperaturen und hohe Spannungen; drastischer Anstieg der Kriechrate => Entfestigungsmechanismen => Kriechbruch: interkristalliner Bruch: erfolgt durch Akkumulation der Kriechschädigung des Gefüges, insbesondere durch Mikroporen auf den Korngrenzen. Kriechfeste Werkstoffe: niedrige Stapelfehlerenergie, hoher Schmelzpunkt, grobkörniges Gefüge. Seite 45 Ermittlung folgender Kennwerte: Zeitstandfestigkeit Rm/ t[h]/ T[°C] [MPa]: Bei festgelegter Temperartur T auf den Ausgangsquerschnitt der Probe bei Raumtemperatur bezogene ruhende Zugbeanspruchung, die nach Erreichen einer bestimmten Versuchszeit zum Bruch der Probe führt Werkstoffkunde 1 - Zeitstandkriechgrenze Rε[%]/ t[h]/ T[°C] [MPa]: Beanspruchung bei der Temperatur T, die nach Ablauf einer bestimmten, vor dem Versuch festgelegten Versuchszeit t einen bestimmten bleibenden Kriechbetrag ε in [%] bewirkt. b) Relaxationsversuch (Entpsannungsversuch) Probe wird bei festgelegter Temperatur T eine Ausgangsverformung aufgezwungen und die allmähliche Abnahme der Beanspruchung (Relaxation) ermittelt. Ermittlung folgender Kennwerte: Relaxationsgeschwindigkeit dσ/dt, mit der die Beanspruchung der Probe abfällt Relaxationsspannung RE/ t[h]/ ε[%]: Nach Ablauf der Versuchszeit t sich einstellende Spannung bei festgelegter Temperatur T und Anfangsverformung εplast in [%]. Seite 46 Kapitel 4: Anordnung der Atome im Festkörper 4.1 Bindungsarten der Atome a) Ionenbindung Wechselwirkung zwischen Metall und Nichtmetall: Ein Atom gibt Elektron an das andere ab => starke Lokalisierung der Elektronen (Aufenthaltsbereich auf jeweiliges Atom beschränkt) => beide Atome erreichen Edelgaskonfiguration => für genügend große Abstände x Anziehungskraft FC zwischen den unterschiedlich geladenen Atomen größer als Abstoßungskraft FA zwischen den negativ geladenen Elektronenhüllen und den positiv geladenen Kernen => ungerichtete Bindung mit hohen Bindungskräften Seite 50 großes x: FC > FA , kleines x: FC < FA , Gleichgewichtsabstand x0: FC = FA; Bindungsenergie kann aus der Arbeit, die die Kräfte verrichten, berechnet werden (F = dU/ dx, k1‘ = -k1, k2‘= -nk2): => Werkstoffeigenschaften: geringe elektrische und thermische Leitfähigkeit (Elektronen stark lokalisiert), geringe Verformbarkeit, reaktionsträge Verbindungen b) Kovalente Bindung Wechselwirkung zwischen Nichtmetallen: Schalen der Nichtmetalle fehlen nur wenige Elektronen, um Edelgaskonfiguration zu erreichen => elektronegatives Verhalten („starkes Verlangen zur Elektronenaufnahme“) => gemeinsame Elektronenpaare (beide Atome nicht zur Elektronenabgabe bereit) => Molekül entsteht => starke Lokalisierung der Elektronen (Aufenthaltsbereich auf Molekül beschränkt) => stark gerichtete Bindung mit hohen Bindungskräften; • bei gleichen Bindungspartnern: gleichmäßige Ladungsverteilung: unpolare Bindung • bei ungleichen Bindungspartnern: Ausbildung von Partialladungen (das gemeinsame Elektron hält sich aufgrund der unsymmetrischen Anordnung mit höherer Wahrscheinlichkeit beim elektronegativeren Bindungspartner auf) => Dipol => Werkstoffeigenschaften: geringe elektrische und thermische Leitfähigkeit, geringe Verformbarkeit (bei reinen kovalenten Bindungen) Sonderfall Kohlenstoffverbindungen: sp3-Hybridisierung Seite 51 c) Metallische Bindung Wechselwirkung zwischen Metallen: Valenzelektronen nur schwach an Atom gebunden => Atome geben Elektronen ab: quasifreie, delokalisierte Elektronen (Elektronengas) im Kristallgitter => Elektrostatische Wechselwirkung zwischen den regelmäßig im Gitter angeordneten, positiven Atomrümpfen und den frei beweglichen Elektronen => ungerichtete Bindung Seite 53 Werkstoffkunde 1 => Werkstoffeigenschaften: hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit, gute Verformbarkeit (Duktilität), Undurchsichtigkeit und Glanz, ausgeprägte Legierbarkeit, Korrosionsempfindlichkeit Seite 54 d) Sekundäre Bindungen Zwischenmolekulare Kräfte: Molekül besitzt schwache Polarisierung: Dipol => Anziehung zwischen den Molekülen: Van der Waals-Bindung (Abb. 4.5 (S.55)); Polares Molekül kann auch auf unpolares polarisierende Wirkung ausüben und einen Dipol induzieren: Induktionsbindung; Sonderfall der Van der Waals-Bindung: Wasserstoffbrücken: besonders starke DipolBindungen zwischen dem positiv polarisierten H-Atom und elektronegativem Bindungspartner; Gleichgewichtsabstand für sekundäre Bindungen und Lenard-Jones-Potential: Seite 55 4.2 Räumliche Atomanordnung Fester Zustand: stabile Primär– und Sekundärbindungen zwischen den Atomen und Molekülen • Kristalline Festkörper: regelmäßige Anordnung nach bestimmtem Muster über größere Bereiche: Fernordnung; Struktur: Gitter => stabil • Amorphe Festkörper: keine Fernordnung, nur strukturelle Nahordnung; Struktur: Netzwerk oder Knäuel => meta– oder instabil Seite 56 4.3 Einteilung in Werkstoffgruppen Anorganische Nichtmetalle: Keramiken, Gläser Organische Nichtmetalle: Naturstoffe, Kunststoffe / Polymere Metalle: Eisenmetalle, Nichteisenmetalle Verbundwerkstoffe: Kombination von mindestens zwei Werkstoffen >> Abb. 4.8 (S. 57): Bindungstetraeder • • • • Seite 57 a) • • Keramik und Glas Keramik: chemische Verbindung von Metallen mit nichtmetallischen Elementen (O, N, C): kristalline Struktur aus kovalenten und Ionenbindungen; Glas: durchsichtiger, spröder Werkstoff: amorphe Struktur, vorwiegend aus kovalenten und Ionenbindungen; Eigenschaften werden durch die gezielte Einbringung von Metalloxiden beeinflusst => Fernordnung verhindern Seite 57 b) Polymere Kovalente Bindungen zwischen den Kohlenstoff-Atomen => Bildung von Markomolekülen, die lange Ketten bilden; schwache Van der Waals-Kräfte; Herstellung: synthetisch oder durch Umwandlung von Naturstoffen; • Thermoplaste (Plastomere): bestehen aus linearen oder verzweigten Kettenmolekülen => leichte Verformung des Materials, gute Duktilität, Rezyklierbarkeit amorph: geringe Festigkeit und hohe Duktilität oberhalb der Glasübergangstemperatur TG. kristallin bzw. teilkristallin: wenn Makromoleküle in großen Bereichen zueinander angeordnet => höhere Festigkeit • Elaste (Elastomere): bestehen aus schwach vernetzten Makromolekülen => elastische Dehnung ohne bleibende Verformung; unschmelzbar; nicht schweißbar • Duroplaste (Duromere): bestehen aus stark vernetzten Makromolekülen => spröde, gute Festigkeit, nur ein Mal plastisch verformbar; unschmelzbar; nicht schweißbar; nicht rezyklierbar Seite 59 c) Metalle Drei Gruppen von Metallen im Periodensystem: Metalle, Alkalimetalle, Übergangsmetalle; Werkstoffkunde 1 Bestreben nach Atomanordnung mit maximaler Raumfüllung: • Hexagonal dichteste Packung (hdP, engl.: hcp): Stapelfolge ABAB… • Kubisch-Flächenzentrierte Packung (kfz, engl.: fcc): Stapelfolge ABCABC… • Kubisch-Raumzentrierte Packung (krz, engl.: bcc) 4.4 Der kristalline Aufbau der Metalle 4.4.1 Elektrostatische Wechselwirkung und Atomabstand >> Abb. 4.14 (S. 61): Atomabstand; vgl. Kapitel 2.1 und >> Abb. 2.1 (S.10) Seite 60 4.4.2 Das Kristallgitter und seine Darstellung (Translationsgitter) Kristallgitter: periodische Anordnung der Bausteine (i.A. Atome) im Raum: bei Translation des Gitters um eine bestimmte Strecke in eine bestimmte Richtung kommt das Gitter mit sich selbst in Deckung (Translationsinvarianz) => Translationsgitter. Kleinste Strecke, mit der Translationsinvarianz in eine bestimmte Richtung erfolgen kann = Translationsperiode; Elementarzelle: kleinste Einheit, welche alle geometrischen Merkmale des gesamten Gitters aufweist; => Variation der Winkel zwischen den Achsen und Variation der Länge der Basisvektoren => sieben Kristallsysteme => 14 Bravais-Gitter, >> Abb. 4.17 (S. 63): Triklin: einfach Monoklin: einfach, basisflächenzentriert Rhombisch: einfach, basisflächenzentriert, raumzentriert, flächenzentriert Tetragonal: einfach, raumzentriert Rhomboedrisch: einfach Hexagonal: basisflächenzentriert Kubisch: einfach, raumzentriert, flächenzentriert Seite 61 4.4.3 Analytische Beschreibung des Raumgitters • Gitterpunkte: Darstellung: [[uvw]] oder uvw; Lage jedes Gitterpunktes durch Angabe eines Ortsvektors eindeutig festgelegt: Seite 63 0 ≤ λ, µ, ν < 1 Der Ursprung wird mit [[000]] festgelegt, weitere elementare Raumpunkte werden in „1-er-Abständen“ systematisch numeriert: >> Abb. 4.18 (S.64) • Gittergerade: Darstellung: [uvw] Schar von zueinander parallelen Gittergeraden = MILLER Indizes; negative Zahlen werden mit einem Strich über der Zahl gekennzeichnet; Richtungsfamilien: Darstellung: <uvw> Kristallographisch gleichwertige Gitterrichtungen, im allgemeinen Fall 3! * 23 = 48 Einzelrichtungen • Gitterebenen: Darstellung: (hkl) Schar von zueinander parallelen Gitterebenen; α, β, γ sind die jweiligen Abschnitte auf der x-, y– und z-Achse; Vorgehen, um aus Schar eine bestimmte Ebene eindeutig zu beschreiben: 1. Achsenabschnitte α, β, γ ablesen 2. Kehrwerte dieser Koeffizienten bilden: 1/α, 1/β, 1/γ 3. Brüche auf gemeinsamen Nenner bringen 4. Nenner weg streichen => Ebene (hkl) Umgekehrtes Vorgehen: aus Ebene Achsenabschnitte bestimmen: einfach Kehrwerte der Ziffern h, k, l der Ebene (hkl) bilden => liefern Werte für ursprungsnächste Ebene; Ebenenfamilie: Darstellung: {hkl} Kristallographisch gleichwertige Ebenen; Im kubischen Kristallsystem hat der Normalenvektor die gleichen Miller-Indizes wie die Ebene! Beschreibung des hexagonalen Systems (>> Abb. 4.21 (S. 68)) Vier Achsen a1, a2, a3 (jeweils im 120° Winkel angeordnet) und c => Angabe von vier Miller Seite 64 Seite 65 Seite 68 Werkstoffkunde 1 -Indizes (hkil); da jedoch im hexagonalen System die Beziehung h + k + i = 0 gilt, kann auch darauf verzichtet werden, den Index i anzugeben => vereinfachte Darstellung: (hk.l). Die Indizes h, k, und i werden wie im kubischen System bestimmt, der vierte Index l ist einfach der reziproke Wert des c-Achsenabschnittes: l = 1/c. Bei der Ebenenangabe in eine Achsenrichtung kann auch gegen die Konvention h + k + i = 0 verstoßen werden, z.B. [1000] für die x1-Richtung. Seite 70 Seite 73 4.4.4 Gitteraufbau Metallische Bindung ungerichtet => Metalle kristallisieren mit hoher Symmetrie. Mit einer Kenngröße schwer beschreibbar => mehrere Kenngrößen für Elementarzelle: 1. Anzahl der Atome je Elementarzelle N (Achtung: Eck– und Flächenatome an mehreren Elementarzellen beteiligt) 2. Koordinationszahl KZ: Anzahl der nächsten Nachbaratome des betrachteten Atoms 3. Raumerfüllung RE: Gesamtvolumen der Atome einer Elementarzelle geteilt durch das Volumen der Elementarzelle 4. Gitterkonstanten a, b, c: Abmessungen der Elementarzelle; kubisch: a = b = c 5. Netzebenenabstand dhkl: kleinster Normalabstand zweier paralleler Ebenen gleicher Gitterpunktdichte: >> Abb. 4.25 (S. 72): Übersicht über die wichtigsten Elementarzellen der Metalle Die wichtigsten Elementarzellen (für genauere Angaben siehe jeweilige Seite im Skript): a) Kubisch primitives Gitter (kp, englisch: sc, simple cubic) Koordinaten der Symmetriepunkte: 000 Dichtest gepackte Gitterrichtung: <100> (jede Würfelkante) Dichtest gepackte Gitterebene: {100} (jede Würfelfläche) Stapelfolge: AA N: 1 (primitiv) KZ: 6 a: 2r RE: 52% Seite 74 b) Kubisch raumzentriertes Gitter (krz, englisch: bcc, body centered cubic) Koordinaten der Symmetriepunkte: 000, ⅛⅛⅛ Dichtest gepackte Gitterrichtung: <111> (Raumdiagonale) Dichtest gepackte Gitterebene: {110} Stapelfolge: ABAB N: 2 KZ: 8 a: 4r = √(3)*a RE: 68% Seite 75 c) Kubisch flächenzentriertes Gitter (kfz, englisch: fcc, face centered cubic) Koordinaten der Symmetriepunkte: 000, ⅛⅛0, ⅛0⅛, 0⅛⅛ Dichtest gepackte Gitterrichtung: <110> (jede Flächendiagonale) Dichtest gepackte Gitterebene: {111} Stapelfolge: ABCABC N: 4 KZ: 12 a: 4r = √(2)*a RE: 74% Seite 76 d) Tetragonal raumzentriertes Gitter (trz, englisch: bct, body centered tetragonal) Koordinaten der Symmetriepunkte: 000, ⅛⅛⅛ Dichtest gepackte Gitterrichtung: siehe Skript Dichtest gepackte Gitterebene: siehe Skript Werkstoffkunde 1 Stapelfolge: ABAB N: 2 KZ: 8 a: siehe Skript RE: siehe Skript e) Hexagonales Gitter mit dichtester Kugelpackung (hdp, englisch: hcp, heaxagonal closed packed) Koordinaten der Symmetriepunkte: viele Symmetriepunkte, z.B. 0000 Dichtest gepackte Gitterrichtung: <1000> Dichtest gepackte Gitterebene: {0001}, bei α-Ti zusätzlich zwei weitere (siehe Skript) Stapelfolge: ABAB N: 6 KZ: 12 a: 2r = a RE: 74% für (c/a)ideal = 1,63 Seite 78 4.4.5 Analyse der Kristallstruktur Bestimmung der Kristallstruktur durch Beugung elektromagnetischer Wellen an regelmäßiger Atomanordnung => Bragg-Beziehung: verstärktes Interferieren der Strahlen wenn Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist (>>Abb. 4.36 (S.80)): Seite 79 => Ergebnis in Debye-Scherrer-Diagramm (>>Abb. 4.37 (S. 80)): Detektierte Intensität wird über dem Beugungswinkel aufgetragen: hohe Intensität wenn Bragg-Beziehung erfüllt ist => Winkel kann reflektierte Netzebene zugeordnet werden 4.4.6 Gitterlücken Gitteratome füllen Raum der Elementarzelle nicht immer vollständig aus: Raumerfüllung < 100% => unbesetztes Volumen = Gitterlücke: definiert als größter Durchmesser einer Kugel, die in dieser Lücke Platz findet Kfz-Elementarzelle: • Oktaederlücke (>> Abb. 4.38 a, b (S. 81)): 8 Stück / Elementarzelle • Seite 81 Tetraederlücke (>> Abb. 4.38 c (S. 81)): 4 Stück / Elementarzelle Krz-Elementarzelle: Oktaederlücke (>> Abb. 4.39 a (S. 82)): 6 Stück / Elementarzelle • • Tetraederlücke (>> Abb. 4.39 b (S.82)): 12 Stück / Elementarzelle Scheinbarer Widerspruch: Löcher in der dichteren Packung größer (kfz-Gitter); aber im kfzGitter weniger Löcher als im krz-Gitter => kfz-Gitter hat höhere Packungsdichte 4.4.7 Kristall-Polymorphie Polymorphie (= Allotropie) = Änderung eines Festkörpers in Abhängigkeit von Druck und Temperatur; meist gilt: tiefe Temperaturen => dichtere Strukturen (aber es gibt auch Ausnahmen, zum Beispiel Eisen!) Seite 82 Werkstoffkunde 1 Seite 83 4.4.8 Anisotropie, Quasiisotropie, Textur >> Abb. 4.40 (S. 84) Anisotropie: Richtungsabhängigkeit (physikalischer Eigenschaften von kristallinen Festkörpern) <=> Gegenteil: Isotropie (richtungsunabhängig) Quasiisotropie: Scheinbare Richtungsabhängigkeit (physikalischer Eigenschaften von kristallinen Festkörpern): Verschiedene Einkristalle im Kornverband: Polykristall mit statischer Gleichverteilung der Einkristalle => alle Gitterrichtungen kommen gleich oft vor => nach außen hin scheinbar keine Richtungsabhängigkeit Textur: Bevorzugte Ausrichtung einer Mehrzahl der kristallinen Bestandteile eines Werkstoffes: Veformungstextur: starke von außen aufgebrachte, plastische Verformung => Ausrichtung der Körner Wachstumstextur: gerichtete Keimbildung und entsprechendes Wachsen der Keime: Glüh– bzw. Gusstexturen Kapitel 5: Kristallplastizität und Gitterbaufehler Seite 86 5.1 Kristallplastizität Plastische Verformung in Richtung der dichtest gepackten Richtungen des Gitters (liegen in möglichst dick gepackten Ebenen) in Form einer Scherung => dicht gepackte Gitterebenen gleiten aneinander ab: Gleitsystem = Gleitebene (hkl) + Gleitrichtung [uvw]; Im kubischen Gitter gilt: hu + kv + lw = 0 (weil Normalenvektor der Ebene und Vektor der Gleitrichtung senkrecht aufeinander stehen => Skalarprodukt ist 0); Anzahl der Gleitsysteme = Anzahl der Gleitebenen · Zahl der darin liegenden Richtungen; >> Tabelle 5.1 (S. 87): Überblick über mögliche Gleitsysteme Achtung: Nur bei der Berechnung der Gleitsysteme gilt: Seite 87 5.1.1 Normal– und Schubspannung HOOKE‘sches Gesetz für Normal– bzw. Schubspannungen: ε: Dehnung, E: Elastizitätsmodul, γ: Scherwinkel, G: Schubmodul; SCHMIDsches Schubspannungsgesetz: >> Abb. 5.3 (S.89): mit SCHMID-Faktor m = cos λ cos χ; |m| ≤ 0,5; Berechnung der in Gleitrichtung wirkenden Schubspannung durch eine von außen einwirkende Normalspannung. Das Abgleiten wird zuerst in den den Gleitsystemen aktiviert, deren Schubspannung zuerst die kritische Spannung übersteigt (wo der SCHMID-Faktor am größten ist): τ ≥ τkrit Seite 90 5.1.2 Atomistische Deutung der Kristallplastizität τth: theoretische Schubfestigkeit: notwendige Spannung zur plastischen Verformung; >> Abb. 5.4 (S. 90): linkes Bild: stabile Lage => Ebenen gegeneinander verschieben => rechtes Bild: metastabile Lage (bis zu dieser Lage Verschiebung umkehrbar) => weiteres Verschieben der Ebenen gegeneinander: plastische Verformung; Verlauf der Schubspannung in Abhängigkeit von der waagrechten Verschiebung x: G: Schubmodul, Y: senkrechter Abstand zweier Atommittelpunkte, b: waagrechter Abstand zweier Atommittelpunkte; Maximum der aufzuwendenden Schubspannung bei b/4! γ = X / Y (>> Abb. 5.5 (S. 91)); Bei der betrachteten Verschiebung um b/4: γ = (b/4) / b = 1/4 => Einsetzen in HOOKE‘sches Gesetz: τth = G γ = 0,25 G; Experimentell ermittelte Schubfestigkeiten / Fließspannungen sind deutlich geringer als die Werkstoffkunde 1 theoretisch berechnete. Grund: Versetzungen (eindimensionale Gitterbaufehler); 5.2 Gitterbaufehler In der Realität keine streng periodische Anordnung von Atomen und Atomgruppen => Gitterbaufehler: gut lokalisierbar; starke und weitgehend statische Abweichung von der periodischen Anordnung => bestimmen eine Vielzahl mechanischer Eigenschaften; • Nulldimensionale Fehler (Punktdefekte) • Eindimensionale Fehler (linienhafte Defekte) • Zweidimensionale Fehler (Grenzflächen) • Dreidimensionale Fehler (Teilchen, Löcher) Seite 93 5.2.1 Nulldimensionale Fehler (Punktfehler) >> Abb. 5.8 (S.95) maßgeblich an Diffusionsmechanismen beteiligt (>> Kapitel 7): • Leerstellen (unbesetzte Gitterplätze): dominierende Art der Fehlordnung bei hohen Temperaturen; entstehen thermisch, durch Teilchenbeschuss oder bei Kaltverformung von Metallen • Zwischengitteratome: schon bei sehr tiefen Temperaturen beweglich; entstehen vor allem durch Verlagerungsprozesse bei Teilchenbestrahlung; mitverantwortlich für Festigkeit von Legierungen: • Fremdatome auf Zwischengitterplätzen = interstitielle Fremdatome (meist kleine Atome wie Kohlenstoff oder Stickstoff): Einlagerung von Kohlenstoff in Eisen wichtiges Anwendungsbeispiel (für Härte der Stähle verantwortlich) • Fremdatome auf Gitterplätzen = Substitutionsatome Seite 95 5.2.2 Eindimensionale Fehler (Linienfehler = Versetzungen) Gitterebenen gleiten nicht als Ganzes aneinander ab; es werden nur möglichst kleine Bereiche bewegt: energetisch günstiger (Teppichfaltenanalogon); • Versetzungen: Kristall wird entlang einer Fläche (der späteren Gleitebene) eingeschnitten, getrennte Kristallteile werden um den Vektor b (BURGERS-Vektor) gegeneinander verschoben und dann wieder verbunden; Bestimmung des BURGERS-Vektor (>> Abb. 5.9 (S. 97)): im ungestörten Kristall ist (Burgers-)Umlauf vom Anfangsatom A zum Endatom E geschlossener Weg (A = E); im gestörten Kristall Weg nicht mehr geschlossen (A ≠ E) => Verbindung zwischen A und E ist BURGERS-Vektor • Versetzungslinie: Linie, an welcher der Schnitt im Kristall endet (nur hier stark gestörter Gitterbereich nach dem Verbinden); Linienrichtung wird durch Vektor s angegeben; • Charakter der Versetzung: Winkel zwischen Burgersvektor b und Linienrichtung s; im Allgemeinen ist Versetzung keine Gerade, sondern eine gekrümmte Kurve. Die beiden Extremfälle von Versetzungen sind die Stufen– und die Schraubenversetzung. Seite 96 a) Stufenversetzungen >> Abb. 5.10 (S. 97) Burgersvektor b und Versetzungslinie s stehen senkrecht aufeinander (spannen die Gleitebene auf); Symbol: ┴: der senkrechte Strich weist in die gedachte Einschubrichtung der Halbebene, der waagrechte in die Richtung des Burgersvektors; Kristall wird Stück weit eingeschnitten und eine der entstandenen Gitterhälften einen Gitterschritt zur Versetzungslinie hin verschoben. Seite 97 b) Schraubenversetzungen >> Abb. 5.11 (S. 98) Burgersvektor b und Versetzungslinie s sind parallel zueinander (spannen keine Ebene auf!); Gleitebene enthält Bugersvektor; Symbol für die Gleitebene der Schraubenversetzung: $; Kristall wird Stück weit eingeschnitten und eine der entstandenen Gitterhälften in Richtung der Versetzungslinie verschoben. Seite 98 Werkstoffkunde 1 Seite 98 c) (Un-)Vollständige Versetzungen Vollständige Versetzung: Burgersvektor b = vollständiger Translationsvektor: verbindet zwei (möglichst benachbarte) Atome; b fällt mit einem Gittervektor zusammen! Unvollständige Versetzung: Burgersvektor b endet nicht an einem Gitterpunkt des Kristallgitters => unvollständige Versetzung ist mit flächenhaften Fehlern, z.B. Stapelfehlern, verbunden Für die folgenden Betrachtungen werden zunächst vollständige Versetzungen angenommen! Seite 99 d) Spannungs– und Verzerrungsfeld von Versetzungen Für kleine Scherungen gilt: γ ≈ tan γ = b/2πr (>> Abb. 5.13 (S. 100)) Hook‘sches Gesetz: (obwohl Versetzungen Träger der plastischen Verformung sind, kann hier das Elastizitätsgesetz verwendet werden, da plastische Verformung erst entsteht, wenn die Versetzung verschoben wird) Seite 100 e) • • • Eigenenergie / Linienenergie Elastische Energiedichte: Fläche unter γ-τ-Kennlinie (Scherung-Spannungs-Linie, >> Abb. 5.14 (S. 101)) ist eine Gerade: W = ⅛ γ τ => Integration der Energiedichte => gesamte Eigenenergie der Schraubenversetzung: W = L G b2, L = Länge der Versetzung, G = Schubmodul, b = Länge des Burgersvektor (Größen siehe auch >> Abb. 5.13 (S. 100)); Linienenergie: Schraubenversetzung: - Linienversetzung: Die Eigenenergie von Stufenversetzungen ist somit 50% größer als die von Stufenversetzungen! Seite 101 f) PEACH-KOEHLER-Kraft Kraft, die auf eine in der Gleitebene liegende Versetzung die Schubspannung τ ausübt: K=τbL K = PEACH-KOEHLER-Kraft, b = Länge des Burgersvektors, L = Länge der Versetzung; Formel gilt für Stufen– und Schraubenversetzung! Die Kraft K steht immer senkrecht auf der Versetzungslinie! Plastische Formänderungen gibt es nur aufgrund der Wirkung von Schubspannungen! Seite 102 g) Versetzungsbewegung Versetzungen können sich durch den Kristall bewegen => Abscherung der Atomebenen => Rotieren des Kristallgitters (d.h. es ändert die Ausrichtung bezüglich der angelegten Spannung) => Winkel zwischen Schub– und Normalspannung ändert sich => Betrag der Schubspannung ändert sich => andere Gleitsysteme werden aktiviert => Materialverhalten ändert sich: je mobiler die Versetzung, desto leichter ist Werkstoff plastisch verformbar; Man unterscheidet drei Arten von Versetzungsbewegungen: • Gleiten: >> Abb. 5.15 (S. 102): konservative Bewegung (herkömmliche Fortbewegungsart von Versetzungen; Teppichfaltenanalogon); Versetzungen verlassen das Gleitsystem nicht (d.h. sie bleiben in der Abb. auf der gleichen Höhe) • Klettern: nur bei Stufenversetzungen! >> Abb. 5.16 (S. 103): nicht konservative Bewegung; auf der Gleitebene liegende Atome diffundieren zu Leerstellen im Kristall => Anheben (=Klettern) der Versetzungslinie; erst ab bestimmter Temperatur: ab diesem Zeitpunkt schneller ablaufend mit weiter steigender Temperatur • Quergleiten: nur bei Schraubenversetzungen! (da jede Ebene, die ihren Burgersvektor enthält, Gleitebene ist) >> Abb. 5.17, 5.18 (S. 103): Versetzung trifft während des Werkstoffkunde 1 Gleitens auf Hindernis oder wird von anderer Schraubenversetzung mit entgegengesetztem Burgersvektor angezogen => Versetzung wechselt Gleitebene und kann jetzt auf der Quergleitebene quergleiten h) Versetzungsdichte Maß für die Anzahl der Versetzungen in einem Kristall; es gibt zwei Definitionen, die jedoch gleichwertig sind: • Zahl der Durchstoßpunkte N von Versetzungen in einer Messebene: • Seite 104 Länge L aller Versetzungen in einem Maßvolumen A = Breite, b = Länge, c = Höhe, A = Fläche, V = Volumen; Man kann zeigen, dass ρV ≈ 2ρA. Der Faktor 2 in dieser Gleichung ist jedoch vernachlässigbar, wenn man den Größenordnungsbereich der Versetzungsdichten betrachtet. Daraus ergibt sich, dass die beiden Definitionen als gleichwertig zu betrachten sind. i) 1. 2. 3. 4. 5. 6. Wichtige Eigenschaften von Versetzungen Versetzungen können nie im Kristall enden (siehe dazu >> Abb. 5.22 (S. 106)) Der Burgersvektor b kann sich entlang einer Versetzung nicht ändern, die Richtung der Versetzungslinie s schon (gekrümmte Versetzung) Versetzungen erhöhen die Energie des Kristallgitters. Versetzungen selbst streben dabei den Zustand kleinster Energie an, das heißt eine möglichst gerade Form bei offenen Versetzungen und einen möglichst kleinen Radius bei Versetzungsringen. Schrauben– und Stufenversetzungen können auch ineinander übergehen. Die OROWANSpannung ist diejenige Spannung, die auf eine Versetzung wirken muss, damit sie eine bestimmte Krümmung annimmt: τ = Γ / (br), Γ = Linienenergie der Versetzung, b = Länge des Burgersvektors, r = Radius des Krümmungskreises; Wechselwirkungen zwischen Versetzungen haben eine Energiereduktion zur Folge, da es zur Annihilation (= Auslöschung) kommt. Das ist eine Konsequenz der Existenz von positiven und negativen Versetzungen: >> Abb. 5.24 (S. 108) Parallele Versetzungen innerhalb einer Gleitebene mit Burgersvektor +b und –b löschen sich aus, wenn sie sich nahe kommen Versetzungen auf benachbarten Gleitebenen bilden eine Leerstellenkette oder Zwischengitterreihe, wenn sie sich nahe kommen Versetzungen entstehen nicht durch thermische Bewegung von Gitteratomen, sondern bei der Kristallisation aus einer Schmelze heraus (Wachstumsspiralen) oder durch eine Versetzungsquelle. Ein berühmtes Beispiel ist die FRANK-READ-Quelle: >> Abb. 5.25 (S. 109): Erläuterung der Abbildung: 1: Geradlinige Stufenversetzung (Enden im Gitter fixiert) 2-3: Biegung der Versetzung durch angelegte OROWAN-Spannung 4: Entgegengesetzt orientierte Linienelemente treffen aufeinander => löschen sich aus 5: Versetzungsschleife löst sich ab; es bildet sich erneut geradlinige Ausgangskonfiguration => Vorgang kann sich wiederholen Schneidprozesse (Umformen, Spanen etc.) können das Material verfestigen (Kaltverfestigung), da Versetzungen miteinander wechselwirken. Wirkung von Schneidprozessen auf die Schubspannung: τ0: Fließspannung auf der Gleitebene ohne Anwesenheit weiterer Versetzungen, ∆τ: Erhöhung der Fließspannung bei Anwesenheit von Versetzungen mit Dichte ρ im Kristall, Burgersvektor b und Schubmodul G; => Zunahme der Festigkeit ∆τ direkt proportional zur Wurzel der Versetzungsdichte Seite 106 Werkstoffkunde 1 Ab jetzt wird die Annahme der vollständigen Versetzung fallen gelassen! Seite 111 j) Unvollständige Versetzungen Zustandekommen von unvollständigen Versetzungen: Eigenenergie einer Versetzung proportional zu Gb2 => hoher Energiebetrag => Energiepaket „verschmiert“, d.h. es wird auf größeres Volumen verteilt, um Energiedichte zu senken => Burgersvektor b wird in Partialversetzungen mit den Burgersvektoren b1 und b2 aufgespaltet. Es gilt: => Gesamtenergie wird durch Aufspalten geringer => dadurch freiwerdende Energie = Stapelfehlerenergie; Umgekehrter Prozess: Stapelfehlereinschnürung = Rekombination von unvollständigen Versetzungen (weil unvollständige Schraubenversetzungen nicht einfach quergleiten können, da die von den Burgersvektoren aufgespannten Ebenen Gleitebenen sind und alle dazu parallelen Ebenen auch Gleitebenen sind und keine Quergleitebenen): kostet Energie! Seite 113 k) LOMER-Lock, LOMER-COTTRELL-Lock LOMER-Lock (>> Abb. 5.29 a (S. 114)): Vollständige Versetzungen reagieren miteinander und bilden nicht gleitfähige Versetzung => laufen weitere Versetzungen auf, werden diese am Weitergleiten gehindert => Festigkeit des Materials steigt an; LOMER-COTTRELL-Lock (>> Abb. 5.29 b, c (S. 114)): Zwei zueinander geneigte Gleitebenen mit jeweils aufgespaltenen Versetzungen treffen aufeinander => an der Schnittstelle der vorderen Teilversetzungen bildet sich neue Versetzung aus => Konfiguration unbeweglich, da auch die hinteren Partialversetzungen nicht beweglich sind 5.2.3 Zweidimensionale Gitterfehler (Flächenfehler) Realer Kristall in der Regel ein Mehrkristall => besteht aus Vielzahl einzelner Kristalle, die durch Flächenfehler voneinander getrennt sind: werden als Körner oder Kristallite bezeichnet; Werkstoffgefüge = Werkstoffzustand, der durch Größe, Orientierung, Form, Art und Menge der Gitterdefekte etc. beschrieben wird: Eine beteiligte Phase: homogenes Werkstoffgefüge; Mehrere beteiligte Phasen: heterogenes Werkstoffgefüge; Seite 115 Seite 115 Seite 117 Flächenfehler zwischen Kristalliten: • (Großwinkel-)Korngrenzen: >> Abb 5.30 (S. 115): wenn zwei gleichartige Kristalle unterschiedlicher Orientierung aufeinander treffen; Orientierungsunterschied benachbarter Körner > 10°; Korngrenzen beeinflussen Werkstoffeigenschaften: sind Bereiche hoher Energie (weil Atomabstände an der Korngrenze unterschiedlich zu dem innerhalb der Körner sind); benötigte spezifische Energie γKG zur Bildung einer Korngrenze: 0,5 - 0,7 J/m2; bei Raumtemperatur sind Korngrenzen Barrieren für die Versetzungsgleitungen (= eindimensionaler Gitterfehler, siehe voriges Kapitel); mehr Korngrenzen im Kristall => kleinere Körner => höhere Werkstofffestigkeit Flächenfehler in Kristalliten: Kleinwinkelkorngrenzen: >> Abb. 5.31 (S. 116): Orientierungsunterschiede (Kippwinkel φ) zwischen benachbarten Teilkristallen (= Subkörner) innerhalb eines Korns: lassen sich durch Versetzungen beschreiben; die in der Korngrenze gespeicherte Energie γKG wächst mit dem Kippwinkel; unter bestimmten diskreten Winkeln Energieminima (dort passen verdrehte Kristalle gut zueinander); besonders tiefes Energieminimum bei 60°: >> Abb. 5.32 (S. 116); Tiefe Temperaturen: hohe Festigkeit durch Korngrenzen; Hohe Temperaturen: geringere Festigkeit feinkristalliner Werkstoffe (diese vergröbern); • Phasengrenzflächen: Trennung zweier strukturell unterschiedlicher Bereiche (z.B. • Werkstoffkunde 1 • • unterschiedliche chemische Zusammensetzung oder unterschiedliche Kristallstruktur); je ähnlicher Kristallstruktur der beiden Bereiche => Grenzflächen kohärenter und damit geringere Grenzflächenenergie: >> Abb. 5.33 (S. 117): Phasengrenzflächen: kohärent: überall Übergang zwischen den unterschiedlichen Kristallen teilkohärent: nur teilweise Übergänge (im Bild unten und oben) inkohärent: keine Übergänge Zwillingsgrenzen: >> Abb. 5.34 (S. 117): Spiegelung des Kristalls an der Grenzfläche (Zwillingsgrenze) => es entstehen zwei Bereiche des selben Kristalls (im kfz und im hexagonalen Gitter um 60° gegeneinander verdreht): thermisch gebildete Zwillinge: entstehen bei Rekristallisation eines Werkstoffs; viele Rekristallisationszwillinge => geringe Stapelfehlerengerie γSF mechanisch gebildete Zwillinge: >> Abb. 5.35 (S. 118): bei äußerer Beanspruchung klappen ganze Bereiche im Gitter um Stapelfehler: Störungen der Stapelfolge eines Kristallgitters => Ebene des Stapelfehlers = Ebene, in der strenge Stapelfolge gestört ist; kfz-Gitter: Aufspalten einer Versetzung: >> Abb. 5.37 (S. 120): ursprüngliche Stapelfolge ABCABC wird zu ABCABABC: Gleitebene (liegt zwischen BA) wird gestört => zwischen den Partialversetzungen wird hexagonale Stapelfolge erzeugt; Stapelfehlerenergie: γSF ~ 0.02 - 0.4 J/m2; Seite 118 Aufspaltweite ω: Ist γSF groß, ist ω klein => leichteres Quergleiten von aufgespaltenen Versetzungen (Partialversetzungen nicht weit voneinander entfernt) Ist γSF klein, ist ω groß => kaum Quergleiten von aufgespaltenen Versetzungen (Versetzungen nur in der Gleitebene beweglich => blockieren sich gegenseitig) Antiphasengrenzen: in Kristallen, die Ordnungsphase genannt werden: bestehen aus Atomen mehrerer Elemente, die nur bestimmte Plätze in der Kristallstruktur einnehmen; Ordnungsstruktur des Kristalls bleibt erhalten: nur in der Grenzfläche gestört: >> Abb. 5.38 (S. 121); Antiphasengrenzen enstehen bei Bewegungen von Versetzungen und haben das Bestreben sich wieder aufzulösen => ziehen weitere Versetzungen an; - • Seite 121 >> Abb. 5.39 (S. 122): Schematische Darstellung eines Werkstoffgefüges >> Abb. 5.40 (S. 123): Typische vorkommende Werkstoffgefüge 5.2.4 Dreidimensionale Gitterfehler (Räumliche Fehler) Ausscheidungen: kleinste Teilchen einer zweiten Phase, die meist innerhalb eines Korns einer anderen Phase liegen • Hohlräume: Poren: Entstehen durch Kompression eines Pulvers Lunker: Entstehen beim Gießen • Gasbläschen: Erstarren einer Schmelze: Übergang vom flüssigen in den festen, kristallinen Zustand => Löslichkeit der enthaltenen Gase nimmt ab => Bläschenbildung, wenn Gas nicht entweichen kann • Einschlüsse: Fremdpartikel im Gefüge, z.B. Oxide, Sulfide; Oxide an Korngrenzen => Risse entstehen; bei hohen Temperaturen: Oxide verhindern Abgleiten der Körner entlang der Korngrenze; Oxide im Korn: tragen zur Härte des Werkstoffs bei • Seite 123 Werkstoffkunde 1 Kapitel 6: Festkörperdynamik - Zustandsschaubilder Seite 126 6.1 Grundbegriffe: • Komponenten: Bausteine eines thermodynamischen Systems, in der Regel Atome oder Verbindungen • Phase: strukturell einheitlicher Bereich, in dem sich die Eigenschaften nicht sprunghaft ändern; besteht aus mindestens einer Komponente • System: Gesamtheit aller in Wechselwirkung stehender Komponenten und Phasen: Einkomponentensysteme: bestehen aus einem Element oder einer Verbindung Mehrkomponentensysteme: bestehen aus mehreren Komponenten: zwei (binär), drei (ternär), vier (quaternär) Legierung: Mehrkomponentensystem aus mindestens zwei Komponenten, von denen mindestens eine Komponente ein Metall ist. • Mehrphasensystem: System besteht aus mehreren Phasen, die durch Phasengrenzflächen voneinander getrennt sind • Zustand: Gesamtheit aller messbaren bzw. erkennbaren Merkmale eines thermodynamischen Systems; wird durch Zustandsparameter beschrieben (z.B. Dichte, spezifisches Volumen etc.) • Treibkraft: Potential (= Energieinhalt) eines Systems ändert sich => Treibkraft versetzt System in Zustand niedrigeren Potentials. Allgemeine Formulierung: • • • • • Gleichgewicht und Stabilität: Treibkraft = 0: >> Abb. 6.1 (S. 127) stabiles Gleichgewicht metastabiles Gleichgewicht Aktivierungsenergie Q*: Zugeführte Energie, damit System vom metastabilen in den stabilen Zustand wechseln kann GIBB‘sche freie Enthalpie G [J/mol]: beschreibt die Energie: G nimmt mit steigender Temperatur T ab: >> Abb. 6.2 (S. 128): G als Funktion von T für festen (f) und flüssigen (s) Zustand: Bei Schmelztemperatur TS Gleichgewicht zwischen Festkörper und Schmelze: T < TS: ∆G = Gf -Gs < 0 => Treibkraft für spontanes Schmelzen T = TS: ∆G = Gf -Gs = 0 => keine Treibkraft T > TS: ∆G = Gf -Gs > 0 => Treibkraft für spontanes Erstarren Helmholtz-Gleichung: G = H - T S G = Freie Enthalpie, H = Enthalpie, T = Temperatur, S = Entropie; H=E+pV H = Enthalpie, E = Innere Energie, p = Druck, V = Volumen; bei flüssigen und festen Systemen kann das Produkt aus p und V meist vernachlässigt werden => H = E; bei hohen Drücken darf dessen Einfluss nicht vernachlässigt werden (z.B. dürfte Diamant bei normalen Bedingungen eigentlich gar nicht existieren. Offensichtlich gibt es eine kinetische Hemmung bei der Diamant-Graphit-Umwandlung: >> Abb. 6.3 (S. 129)); bei Änderungen des Aggregatzustandes bzw. bei Phasenumwandlungen wird Enthalpie frei; Beispiel: Wärmezuführung bei einem Reinstoff => Temperatur steigt bis zum Schmelzpunkt an: dort bleibt T konstant (= Haltepunkt), bis der ganze Körper in den schmelzflüssigen Zustand übergegangen ist: Kristallgitter muss zerstört werden. Bei Eisen auch Haltepunkte durch Phasenumwandlungen alleine im festen Zustand: >> Abb. 6.4 (S. 129) Entropie S: Maß für die Unordnung in einem System: S = k ln(W); k = BoltzmannKonstante; W = Zustandswahrscheinlichkeit = (Zahl aller möglichen Zustände) / (Zahl aller gleichwertigen Zustände); Zustand größerer Entropie stabil (wegen des Terms (-TS) in der Helmholtz-Gleichung sinkt freie Enthalpie G) => Streben eines Systems nach größerer Unordnung (v.a. bei steigender Temperatur) => Entropie S nimmt zu => SSchmelze > SFestkörper Konzentration: hier definiert für ein binäres System (das heißt zwei Komponenten A und B mit den Atommassen AA und AB): Werkstoffkunde 1 - Masseprozent c: cB + cA = 1 - Atomprozent x: xB + xA = 1 Für die Umrechnung gilt: 6.2 Zustandsdiagramme (Zustandsschaubilder) Veranschaulichung der auftretenden, stabilen Phasen eines Systems in Abhängigkeit der Zustandsvariablen T, p und x; p wird im Folgenden vernachlässigt, da die in der Werkstoffkunde relevanten Phasenumwandlung bei konstantem Atmosphärendruck ablaufen! Experimentelle Bestimmung: Abkühlungskurven (T-t-Verläufe); Theoretische Bestimmung: Abhängigkeit der Enthalpie von Temperatur und Konzentration Seite 131 6.2.1. Experimentelle Bestimmung (Abkühlungskurven = T-t-Diagramme) >> Abb. 6.5 (S. 132) T-t-Diagramm: A und B Reinstoffe; binäres System L1: Mischung aus beiden Komponenten; Phasen s (Schmelze) und α (Festkörperphase); • Reinstoffe A und B kühlen jeweils ab bis zu den Erstarrungspunkten TSA bzw. TSB: waagrechte Linie: Haltepunkt => Übergang von einer Phase zur anderen (beim Erstarren vom flüssigen zum festen Zustand: Erstarrungswärme wird zugeführt); erst nach Abschluss des Phasenübergangs sinkt die Temperatur wieder. • Mischung der Komponenten A und B = L1: Erstarrungsbereich von TLiqL1 bis TSolL1: zwei Knickpunkte => zwischen den beiden Knickpunkten Koexistenz der beiden Phasen s und α => Abkühlung läuft verzögert ab (Erstarrungswärme wird allmählich abgegeben) (umgekehrter Weg, also steigende Temperatur: Schmelzen statt Erstarren) => Ermittlung aller binären Systeme Lx zwischen 100% A (linker Rand des rechten Diagramms) und 100% B (rechter Rand des rechten Diagramms) => alle Knickpunkte von Lx beschreiben jeweils die obere (Liquiduslinie) bzw. untere (Soliduslinie) Kurve im rechten Diagramm => im Inneren Bereich zwischen den beiden Kurven Koexistenz beider Phasen, darüber (s) und darunter (α) jeweils nur eine Phase; Neben den Phasenübergängen lässt sich auch die chemische Zusammensetzung bei einer bestimmten Temperatur ermitteln: für diese Temperatur isothermische Linie (=Konode) einzeichnen (parallel zur x-Achse, im Diagramm gestrichelte Linie) => Schnittpunkt mit der unteren Linie (Soliduslinie) auf die x-Achse übertragen = Anteil der Festkörperphase α am System; Schnittpunkt mit der oberen Linie (Liquiduslinie) = Anteil der Schmelzphase s am System; Seite 131 6.2.2. Theoretische Bestimmung (G-x-Diagramme) 6.2.2.1 Thermodynamik binärer Mischungen System aus zwei Atomsorten A und B = binäres System. Beispiel: jeweils 10 A-Atome und 10 B-Atome => Anordnungsmöglichkeiten W: Seite 133 >> Abb. 6.6 (S. 133): Zwei mögliche Anordnungen von je 10 A– und 10 B-Atomen Mischungsentropie ∆SM: ∆SM = -R ( xA ln(xA) + xB ln(xB) ) mit R = k NL, wobei k = Boltzmann-Konstante, NL = Avogadro-Konstante = = 6,023 * 10^23 mol-1; xA, xB (Atomprozent, siehe oben) ≤ 1 => Logarithmus-Terme • Seite 133 Werkstoffkunde 1 Seite 134 • Seite 135 • • Seite 136 immer ≤ 0 => ∆SM immer > 0; >> Abb. 6.7 (S. 134): ∆SM über xB Mischungsenthalpie ∆HM: ∆HM = Z xA xB V mit Z = Koordinationszahl (Anzahl der nächsten Nachbarn eines Atoms), xA, xB = Atomprozent (siehe vorige Seite) V = Wechselwirkungsenergie: Bindungsenergie zwischen zwei gleichen Atomen (VAA und VBB) und zwei ungleichen Atomen (VAB): V = VAB - ⅛(VAA + VBB): V = 0 => ∆HM = 0: ideale Lösung (Innere Energie ändert sich beim Mischen nicht) V ≠ 0 => ∆HM ≠ 0: reguläre Lösung V < 0: es bilden sich bevorzugt AB-Paare aus: >> Abb. 6.6b (S. 133) V > 0: es bilden sich bevorzugt AA– und BB-Paare aus, da die Bindungsenergie zwischen A– und B-Atomen gering ist >> Abb. 6.8 (S. 135): ∆HM über xB Freie Mischungsenthalpie ∆GM (xB): ∆GM (xB) = ∆HM (xB) - T∆SM (xB) (aus der Helmholtz-Gleichung): Betrag der Enthalpie aufgrund des Mischens (Differenzwert), nicht der absolute Betrag der freien Enthalpie G nach dem Mischen! >> Abb. 6.9 (S. 136): Einfluss von V auf ∆HM und ∆GM Erläuterung der Abbildung für (c): V > 0 V > 0 => ∆HM > 0: obere Kurve (positiv); -T∆SM: untere Kurve (negativ); => ∆GM = Addition der beiden Kurven: Im Bereich zwischen den beiden Minima (auch Mischungslücke genannt) ∆GM immer oberhalb der gemeinsamen Mischungstangente => Tendenz zur Verringerung von ∆GM; Freie Enthalpie der Mischung G (xB): = GA + (GB - GA) xB + ∆GM (xB) = GA xA + GB xB + ∆GM (xB): Freie Enthalpie nach dem Mischen der beiden Atomsorten A und B; je kleiner die freie Enthalpie, desto stabiler der Zustand! Bestimmung des Zustandsdiagramms aus G-x-Kurven: >> Abb. 6.10 (S. 138): 2 Stoffe A und B: Fall der vollständigen Mischbarkeit (V < 0) im festen als auch im flüssigen Zustand wird betrachtet. Für 5 verschiedene Temperaturen T1 - T5 wird die freie Enthalpie G gegen die Konzentration des Stoffes B (xB) aufgetragen: Kurven für flüssigen Zustand (GS = Schmelze) und festen Zustand (GF) werden eingezeichnet. Die Kurve mit dem geringeren G (also die Kurve, die weiter unten liegt), ist jeweils die stabilere, das heißt, dass dieser Aggregatzustand dann vorliegt. Die Schmelztemperatur des Stoffes A sei kleiner als die des Stoffes B: T1: größer als die Schmelztemperatur beider Stoffe: es liegt für A und B eine gemeinsame Phase, die Schmelze vor. T2: Bei T2 ist die Schmelztemperatur vom Stoff A erreicht. Für eine Konzentration von xB = cB = 0 sind Festkörper und Schmelze gleich stabil, ansonsten ist die Schmelze stabiler. T2< T3<T4: zwischen den Temperaturen T2 und T4 liegt ein Gemisch aus beiden Phasen (Schmelze und Festkörper vor). Es lässt sich für GS und GF eine gemeinsame Tangente finden. Überträgt man die Punkte auf die x-Achse, erhält man c1 (Konzentration des Stoffes B im Festkörper-Anteil) und c2 (Konzentration des Stoffes B im Schmelz-Anteil). T4: Bei T4 ist die Schmelztemperatur vom Stoff B erreicht. Für eine Konzentration von xB = cB = 1 sind Festkörper und Schmelze gleich stabil, das heißt, die Phasenumwandlung ist komplett abgeschlossen. Ansonsten ist der Festkörper stabiler. T5: geringer als die Schmelztemperatur beider Stoffe: es liegt für A und B eine gemeinsame Phase, der Festkörper vor. => Das T-c-Diagramm erhält man, indem man für alle Temperaturen zwischen T2 und T4 die jeweiligen Konzentration c1 und c2 einträgt. Dadurch ergibt sich die Liquiduslinie für die Konzentrationen der Schmelze und die Soliduslinie für die Konzentrationen des Festkörpers. Werkstoffkunde 1 6.3 GIBBsche Phasenregel F+P=K+2 F: Anzahl der Freiheitsgrade, P = Anzahl der Phasen, K = Anzahl der Komponenten; Beispiel Wasser: >> Abb. 6.11 (S. 139): • Im Bereich einer der drei Phasen (gasförmig, flüssig oder fest): K = 1 (Wasser = 1 Komponente), P = 1 (im Bereich einer Phase) => F = 2: es können die beiden Zustandsgrößen p und T unabhängig voneinander variiert werden, nicht aber die Konzentration c (ist damit automatisch festgelegt). • Im Bereich zwischen zwei Phasen: K = 1, P = 2 => F = 1: es kann nur noch eine Zustandsgröße unabhängig variiert werden, weil die anderen beiden automatisch festgelegt sind • Im Tripelpunkt (alle drei Phasen liegen vor): K = 1, P = 3 => F = 0 Bei konstantem Druck reduzierte GIBBsche Phasenregel: F + P = K + 1 >> Abb. 6.12 (S. 140): Phasenregel am Beispiel der beiden Komponenten A und B: Konstanter Druck, K = 2; innerhalb der Linse P = 2 (2 Phasen) => F = 1 6.4 Grundtypen der Zustandsschaubilder von Zweistoffsystemen 6.4.1 System vollständiger Mischbarkeit im festen und flüssigen Zustand Wie bisher betrachtet: 2 Komponenten, z.B. Cu-Ni => linsenförmiges Zustandsschaubild; Gründe für die Mischbarkeit im festen Zustand: beide Elemente kristallisieren im gleichen Kristallsystem; die Atomradien der Elemente unterscheiden sich nur gering (max. 8%); Punkte auf waagrechten Linien in den Zustandsschaubildern werden als Haltepunkte bezeichnet! 6.4.2 Eutektische Systeme System vollständiger Mischbarkeit im flüssigen und vollständige Unmischbarkeit im festen Zustand: >> Abb. 6.14 (S. 142): Drei Phasen A, B (Festkörper) und S (Schmelze), vier Phasenbereiche S, A+S, B+S (jeweils zwischen der Soliduslinie = Isotherme TE = Eutektiale = eutektische Konode und der Liquiduslinie), A+B (erstarrte Schmelze durch fein gebautes Gefüge gekennzeichnet); im eutektischen Punkt existieren alle 3 Phasen: eutektische Zusammensetzung xBE; eutektische Phasenumwandlung S —> A + B läuft ab; x < xBE: untereutektisches Schmelzen x > xBE: übereutektisches Schmelzen • • System vollständiger Mischbarkeit im flüssigen und begrenzter Mischbarkeit im festen Zustand = System mit Mischungslücke im festen Zustand: >> Abb. 6.15 (S. 142): Drei Phasen α, β (Festkörper), S (Schmelze), sechs Phasenbereiche: S: reine Schmelze (flüssiger Zustand) α und β: Randlöslichkeiten der reinen Komponente, d.h. in α können begrenzt β-Atome eingebaut werden (bis xαmax) und in β begrenzt α-Atome (bis xβmax) (fester Zustand): begrenzte Mischbarkeit im festen Zustand! xαmax und xβmax liegen bei der eutektischen Temperatur TE vor. α+β: Mischungslücke: Es liegen beide Komponenten vor (nicht mischbar) (fester Zustand) α+S und β+S: Es liegt eine feste Komponente (α bzw. β) vor sowie die Schmelze (nicht mischbar) (fester und flüssiger Zustand); eutektische Phasenumwandlung S —> α + β im eutektischen Punkt; >> Abb. 6.16 (S. 143): Erstellen eines Zustandsschaubildes für eutektisches System mit Mischungslücke; Seite 139 Seite 140 Seite 140 Seite 141 Seite 144 • Sonderfälle eutektischer Systeme Eutektoide Reaktion: eutektoide Phasenumwandlungen (= eutektoide Entmischungen) nicht nur für die Umwandlung von einer Schmelze in eine Festkörperphase wie bisher betrachtet, sondern auch für die Umwandlung einer Festkörpermischphase in eine andere Festkörperphase: γ —> α + β: >> Abb. 6.17 (S. 144): α, β, γ sind homogene Festkörperphasen! Werkstoffkunde 1 Seite 144 Seite 145 - >> Abb. 6.18 (S. 145): Umwandlung bei Eisen: sehr wichtige Umwandlung bei 723°: γ-Fe (kfz) —> α-Fe (krz) + Fe3C (=Zementit): Grundlage für die meisten technologischen Wärmebehandlungen von Stahl! Systeme mit vollständiger Mischbarkeit im flüssigen Zustand und begrenzter Mischbarkeit und intermetallischer Verbindung im festen Zustand: es existieren eine oder mehrere intermetallische Phasen bzw. Verbindungen. Verbindungen mit strenger Stöchiometrie treten im Zustandsdiagramm durch senkrechte Linien auf (=Linienverbunde), andere sind nur in einem begrenzten Konzentrationsbereich existent. 1. Systeme mit offen schmelzender intermetallischer Verbindung V: die intermetallische Phase kristallisiert aus der Schmelze (V schmilzt bei der Erwärmung als letzte Phase): >> Abb. 6.19 (S. 146) 2. Systeme mit verdeckt schmelzender intermetallischer Verbindung V: Ergebnis einer peritektischen Umwandlung (siehe nächstes Kapitel) oder einer Reaktion zwischen zwei Schmelzen (V schmilzt bei der Erwärmung nicht als letzte Phase): >> Abb. 6.20 (S. 146) 6.4.3 Peritektische Systeme Gehören zu den Systemen vollständiger Mischbarkeit im flüssigen Zustand und begrenzter Mischbarkeit im festen Zustand (wie die eutektischen Systeme mit Mischungslücke im festen Zustand): >> Abb. 6.21 (S. 147) Schmelze S sowie Mischkristalle α und β => peritektische Reaktion im peritektischen Punkt: S + β —> α: Peritektikum bezeichnet das „Herumgebaute“, da die neue Kristallart α an der Grenzfläche zwischen Schmelze S und β-Phase um die bereits erstarrten β-Mischkristalle herum gebaut wird und diese aufzehrt. Sonderfall Peritektischer Systeme: Peritektoide Reaktion: Wenn an der peritektischen Reaktion nur Festkörperphasen beteiligt sind: α + β —> γ Seite 148 Seite 149 Seite 150 6.4.4 Weitere Systeme • Syntektikum: begrenzte Mischbarkeit im flüssigen Zustand: >> Abb. 6.22 a (S. 148): Phasenreaktion: S1 + S2 —> α • Metatektikum: Entmischung eines homogenen Mischkristalls β unter Bildung einer neuen Mischkristallart und einer Schmelze: >> Abb. 6.22 b (S.148): Phasenreaktion: β —> S + α 6.5 Wozu dienen Zustandsschaubilder? 6.5.1 Bestimmung relativer Phasenmengen, Hebelgesetz Festlegung einer Temperatur und einer Konzentration => Bestimmung des Phasenanteils einer Mischung aus dem Zustandsschaubild: >> Abb. 6.23 (S. 150): Beispiel in der Abbildung: Bestimmen, welchen Anteil die Phasen α und β am festgelegten Punkt (xL | Ti) am Mischkristall α+β haben => Anwenden des Hebelgesetzes: Mechanisch betrachtet entspricht dies einem Hebel, der am betrachteten Punkt (xL | Ti) gelagert ist und auf dem im Abstand (xL - x1) bzw. (x2 - xL) von diesem Drehpunkt die Gewichte mα bzw. mβ hängen. Es gilt: Pα + Pβ = 1 mit Pα, Pβ = jeweilige Phasenanteile mL = mα + mβ Mit dem Hebelgesetz folgt (Herleitung siehe Skript): 6.5.2 Bestimmung der Gefügebestandteile Beispiele siehe Skript Werkstoffkunde 1