DEUTSCHES ÜBERSEE-INSTITUT Forschungsgruppe: „Informelle Politik und politische Parteien im interregionalen Vergleich“ Arbeitspapier Informale Politik im internationalen Vergleich: Ein Forschungsaufriss Joachim Betz (Institut für Allgemeine Überseeforschung) * Patrick Köllner (Institut für Asienkunde) * Dezember 2000 * Die ersten drei Abschnitte dieses Artikels basieren auf einer früheren Veröffentlichung von Joachim Betz, Patrick Köllner und Hanspeter Mattes (1999). Die Autoren danken insbesondere Andreas Mehler für Ergänzungen und kritische Hinweise. Die übliche Vorbemerkung gilt auch hier. 0 1 Informale Politik als Analysegegenstand ......................................................................................... 1 2 Formale und informale Politik ......................................................................................................... 2 3 Elemente informaler Politik ............................................................................................................. 5 4 Parteien und informale Politik.......................................................................................................... 8 4.1 Parteienorganisation und –finanzierung.................................................................................... 9 4.2 Parteien und Gesellschaft........................................................................................................ 12 4.3 Parteien und Wahlen ............................................................................................................... 14 4.4 Parteien und Regierung........................................................................................................... 15 5 Fazit und Perspektiven ................................................................................................................... 17 Literaturverzeichnis........................................................................................................................... 22 1 Informale Politik als Analysegegenstand Äußerlich gefestigte Demokratien, die mehrmalige demokratische Wahlgänge und friedliche Machtwechsels erlebt haben, können existieren, ohne dass sie einen ausreichenden Grad horizontaler Machtkontrolle, der Kontrolle von gesellschaftlichen Vetogruppen, der Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien, der bürgerlichen Freiheiten und von Minderheitenrechten garantieren. Sie kennen neben den verfassungsrechtlich sanktionierten Institutionen und Verfahren mannigfaltige informale politische Arrangements, die oft weitgehend praktiziert, akzeptiert und tief verwurzelt sind und meist unter Begriffen wie Klientelismus, Patronage oder Partikularismus subsumiert werden. Ursache weit verbreiteter informaler Verfahren im politischen Bereich ist vielfach die mangelnde Trennung von öffentlicher und privater Sphäre, die kennzeichnend für den westlichen Verfassungsstaat ist (siehe auch O’Donnell 1997: 4647, 49-51). Die Privatisierung des öffentlichen Lebens kann in den gesellschaftlichen Normen verankert sein und speist sich u.a. aus der Solidarität gegenüber der Familie, dem Clan, ethnisch-religiösen Identitätsgruppierungen etc. Auch „moderne“ politische Organisationen (Parteien, Verbände, NGOs) in den neuen Demokratien Afrikas, Asiens, Lateinamerikas sind von diesen informalen Regeln meist stark affiziert, zumal sie ja nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum existieren (Kothari 1997). Die informale Prägung des politischen Systems fällt in neuen und in „defekten“ bzw. „Fassadendemokratien“ am stärksten ins Auge, da sie hier den Charakter politischer Entscheidungsprozesse und der Distribution von Machtressourcen grundlegend bestimmen kann. Aber auch länger etablierte Demokratien sind nicht frei von derartigen informalen 1 Elementen. Immer wieder lassen sich partikularistische Muster in der Praxis des politischen Gemeinwesens ausmachen, die in der Transitions- und Konsolidierungsdiskussion dort wie bei den defekten Demokratien (a) dem informellen Erbe des autoritären Systems bzw. (b) der aus der autoritären Phase übernommenen Problemakkumulation zugeschrieben werden (Merkel/Croissant 2000). Das würde freilich nahelegen, daß informale Prozesse und Verfahren mit zunehmender Konsolidierung demokratischer Systeme immer stärker zurücktreten, eine bislang empirisch noch nicht überprüfte These. In vielen Fällen machen sie auch in schon länger etablierten demokratischen Gemeinwesen gerade den besonderen Charakter, quasi die spezifische „Färbung“ des politischen Systems aus. Was auch ihre jeweiligen Ursachen sein mögen; die Muster und Elemente informaler Politik sind von zentraler Bedeutung für die Analyse politischer Systeme. Sie zu ignorieren, als sui generis oder als Residualvariable zu begreifen und damit einer umfassenden und komparativen Untersuchung zu entziehen, hieße, eine zentrale Determinante bzw. Komponente der Beziehungen und Transaktionen in politischen Gemeinwesen zu ignorieren. Im Folgenden sollen einführend einige begriffliche und konzeptionelle Überlegungen zum Phänomen der informalen Politik präsentiert werden. Dabei wird zunächst auf den Unterschied zwischen formaler und informaler Politik eingegangen. Einige bekannte systemische und prozessuale Kategorien informaler Politik werden im Anschluss aufgezeigt und hinsichtlich ihrer Wirkungsweisen kurz charakterisiert. Informale Elemente im Kontext politischer Parteien werden im folgenden Abschnitt diskutiert. Der abschließende Abschnitt dieses einleitenden Artikels ist der weiteren Forschungsagenda und den Perspektiven der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der informalen Politik gewidmet. 2 Formale und informale Politik Unter formaler Politik können die verfassungsmäßig und gesetzlich kodifizierten politischen Strukturen und Entscheidungsprozesse in einem bestimmten Staat oder einer Gesellschaft verstanden werden. Mithin meint der Terminus die „De-jure-Version“ oder „Soll-Version“ der Politik, wie sie sich oftmals in Darstellungen der offiziellen Verbindungen zwischen politischen Organen und Organisationen und innerhalb dieser wiederfindet. Der Begriff „informale Politik“ bezieht sich im Gegensatz dazu auf die nicht durch formale und schriftlich 2 fixierte Regeln gedeckten Beziehungs-, Verhaltens- und Erwartungsmuster von Individuen und Gruppen innerhalb einer bestimmten Gesellschaft oder eines Staates, wobei diese informalen Strukturen (ebenso wie ihr formales Pendant) einigermaßen geordnet und vorhersehbar, also nicht anomischer Natur sind. Grundsätzlich wird mit informaler Politik das in den politischen Raum hineinwirkende und über individuelles Vorteilsstreben materieller und nichtmaterieller Art hinausgehende Handeln bezeichnet, das im Kern auf Machterlangung/-sicherung, Einflussvergrößerung und den Austausch von Ressourcen abzielt. Dabei ist es unwichtig, ob die betreffenden Handlungsträger einzelne Personen oder korporatistisch organisierte (Parteien, Verbände, Vereine) bzw. religionssolidarische (Kirche, Freidenker, Bruderschaften) Gruppen sind. Anders als bei der formalen Politik mit ihrer Ausrichtung an staatlich und nichtstaatlich verfassten Regeln und Normen findet im Bereich der informalen Politik nicht selten eine Missachtung/Umgehung der verfassungsmäßigen Ordnung und der daraus abgeleiteten Gesetze und sonstigen kodifizierten Regelungen oder zumindest deren Geist statt. In der Folge wird oftmals die per se bestehende Kluft zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit vergrößert. Informale Politik schließt nicht nur die entsprechenden Beziehungen und Transaktionen ein, sondern auch die ihnen zugrunde liegenden Verfahren und Regeln. Institutionelle Gefüge, d.h. der Komplex der relevanten sozialen Akteure und Institutionen,1 die nach dieser Definition dem Bereich der informalen Politik zuzurechnen sind, können in partikularistische Beziehungssysteme in Form von Netzwerken oder Klientelismus integriert sein bzw. durch entsprechende Strukturen herbeigeführt werden. Sie können darüber hinaus ihren Ausdruck in teilweise illegalen Erscheinungsformen wie Korruption und der Kriminalisierung von Politik finden (siehe unten). Wichtig ist es jedoch darauf hinzuweisen, dass informale Politik nicht mit illegalen Beziehungen und Handlungen per se gleichzusetzen ist. Keine Organisation, kein Gemeinwesen, kein Staat funktioniert nur auf der Basis von formalen Regeln, Anreizen und 1 In Anlehnung an Haggard (1999: 30) werden hier Organisationen als kollektive soziale Akteure verstanden, die gemeinsame Ziele verfolgen und gewöhnlich interne hierarchische Autoritätsmuster aufweisen (z.B. Unternehmen, Parteien, Gewerkschaften, Ministerialbürokratien etc.). Institutionen bezeichnen demgegenüber die formalen und informalen Regeln und Durchsetzungsmechanismen, welche das Verhalten von Organisationen 3 Sanktionen. In der Tat kann argumentiert werden, dass es zuweilen gerade die informalen Elemente sind, welche die Effektivität eines Systems bestimmen. Dies gilt v.a. in neuen Demokratien mit zwangsläufig zahlreichen noch nicht durch kodifizierte Gesetze definierten Handlungsräumen. Anders formuliert: Formale Regeln und Institutionen stellen notwendige Bedingungen für das Funktionieren von komplexeren Gemeinwesen, aber eben noch lange keine hinreichenden Bedingungen dar.2 Informale Politik kann mithin durchaus in dem Sinne institutionalisiert und insoweit „rational“ verlaufen, dass „regelmäßige Muster der Interaktion existieren, die von den politischen Akteuren gekannt, praktiziert und akzeptiert (wenn auch nicht unbedingt geschätzt) werden“ (O’Donnell 1997: 42). In etablierten Demokratien beobachten wir Beispiele informaler Politik insbesondere dort, wo es um die Vergabe von Mitteln und Posten nach sachlichen Kriterien geht, sich aus politischen Gründen aber die Verteilung nach Parteien-, Konfessions- oder regionalem Proporz gebietet oder wo zum Zwecke der Konsenssicherung den formalen Beschlussfassungsgremien informale „Kungelrunden“ vorangehen (vgl. Wewer 1991).3 Kritisch wird die Existenz informaler politischer Beziehungssysteme und Verhaltensweisen erst dann, wenn diese die formalen Institutionen der Demokratie nicht mehr stützen, sondern sie vielmehr untergraben. Das ist dann der Fall, wenn formale Entscheidungsprozesse innerhalb von Staatsführungen oder Parteien, die politische Machtausübung oder die Stimmenmobilisierung bei Wahlen durch Ausprägungen und Erscheinungen informaler Politik „kolonisiert“ und untergraben werden (Merkel und Croissant 2000), wenn die zusätzlichen informalen Strukturen das Funktionieren ihres formalen Pendants nicht erleichtern bzw. verbessern, sondern sie dominieren und konterkarieren. Das politische System eines Landes lässt sich also erst aus dem Zusammenspiel und dem und Individuen in der Gesellschaft beeinflussen. Hierzu gehören etwa Verfassungen, Gesetze und Bestimmungen, Verträge sowie Vertrauen, informale Regeln und soziale Normen. 2 Wie Storper, Thomadakis und Tsipouri (1998: 7) dazu erklärend in einem anderen Kontext anmerken, sind Routinevorgänge, Konventionen und informale Regeln [...] die Schlüsselelemente der Koordination. ... Informale Regeln sind das Resultat von Erwartungen, welche die (Re-)Aktionen der Handelnden bestimmen. Konventionen sind die Praktiken, Routinevorgänge, Übereinkünfte und verbundenen informalen und institutionellen Formen, welche die Handelnden durch gegenseitige Erwartungen miteinander verbinden. Konventionen sind somit der (nicht fassbare) Teil informaler Regeln, die am Ursprung von Entscheidungsfindungen über Ressourcenallokation liegen. Verhalten ist das beobachtbare Ergebnis dieser Konventionen und Regeln. 3 Für einen konkreten Fall der jüngsten Zeit siehe Schwennicke (2000). Informale Beziehungen und Transaktionen finden sich erwartungsgemäß auch in multi- und supranationalen Organisationen. Zum Fall von nationalen Seilschaften in der EU-Kommission siehe Oldag (2000). 4 Spannungsverhältnis von formaler Politik einerseits und den informalen Spielregeln der Politik andererseits einschätzen (Scalapino 1996: 227; O’Donnell 1997: 41). Wie sich das formale Raster der Politik auf die informale Politik (und umgekehrt) auswirkt, ist nicht zuletzt von den strukturellen Rahmenbedingungen (etwa dem Ausmaß staatlicher Wirtschaftslenkung), den verfassungs- und wahlrechtlichen Dispositionen und den historischen Entwicklungspfaden der Organisationen und Institutionen in einem bestimmten Land, also der jeweiligen Einbettung der politischen Akteure und Regeln abhängig. Die spezifische Ausgestaltung der beiden Elemente des politischen Systems eines Landes kann über lange Zeit stabil sein, kann sich aber auch mehr oder minder rasch durch innere oder äußere Schocks, soziale Veränderungen und Wertewandel, Wirtschaftsreformen, Demokratisierung und andere Formen des Regimewandels verändern. Änderungen des formalen politischen Rahmens (z.B. Wahl- und Parteiengesetze), können aber auch aktiv eingesetzt werden, um einen Wandel im informalen Bereich herbeizuführen oder aber praktiziertes informales politisches Handel offiziell zu sanktionieren. 3 Elemente informaler Politik In der Vergangenheit sind in der politik- und regionalwissenschaftlichen Literatur eine Reihe von spezifischen soziopolitischen Beziehungsmustern und Interaktionsprozessen herausgearbeitet und analysiert worden, die unter dem Begriff informaler Politik subsumiert werden können. Bei diesen Elementen informaler Politik handelt es sich zum einem um generische Arten von Beziehungssystemen wie Netzwerke und Klientelismus. Sie können in bestimmte Herrschaftsformen (etwa: Neopatrimonialismus), gesellschaftliche oder sachgebietsspezifische Strukturen und Verhaltensnormen eingebettet sein und bestimmen die Verteilung von Machtressourcen. Zum anderen handelt es sich um spezifische Erscheinungsformen, die entweder auf den genannten generischen Beziehungssystemen basieren oder aber informale Handlungsweisen darstellen, die ebenfalls der Sicherung und dem Erhalt von Machtressourcen dienen. Einige dieser Erscheinungsweisen haben einen 5 deutlich illegalen Charakter. Hierzu gehören etwa die Korruption und die Kriminalisierung der Politik.4 Tabelle 1 gibt einen Überblick über zentrale Elemente informaler Politik. Tabelle 1: Elemente informaler Politik Beziehungssysteme • Netzwerke Erscheinungsformen (inkl. Verwandschafts- Seilschaften,. • Korruption Freundes- • Kriminalisierung der Politik • Partikularistische und beziehungen) • Klientelismus • Ethnisch-religiöse Ausprägungen politischer Akteure in Bezug auf oder regionale a) Identitätsgruppen Organisation (z.B. Personalismus, Faktionalismus), b) Entscheidungsfindung, c) Personalbesetzung (z.B. Patronage), d) Finanzbeschaffung, e) Stimmenmobilisierung, f) Einflussnahme etc. Quelle: Eigene Zusammenstellung Ganz offensichtlich gibt unter den genannten Elementen informaler Politik gewisse Überlappungen sowie Stufen zunehmender Komplexität.5 Alle erwähnten Beziehungen und Prozesse zwischen Akteuren im politischen Bereich haben gemeinsam, dass sie sich im Kern einiger spezifischer Transaktionsmodi zum Zwecke des Erwerbs und Austauschs von (Macht) Ressourcen zwischen und innerhalb von Einzelpersonen und Gruppen bedienen. Jedoch sollte noch einmal betont werden, dass wir es bei dem Analysegegenstand informale Politik mit einer weiten Spannbreite von Phänomenen zu tun haben, die von staatsprägenden Organisationsmustern und Prozessen über ungeschriebene Konventionen, Routinevorgängen und Verhaltensnormen innerhalb einzelner politischer Institutionen bis zu kriminellen Handlungsweisen reichen. 4 Siehe zu den erwähnten Beziehungssystemen und Erscheinungsformen siehe ausführlich Betz et al. (1999: Abschnitt 3). 5 Man denke etwa an die Bedeutung von Klientelnetzen innerhalb neopatrimonialer Gemeinweisen (siehe dazu Betz et al. 1999: 219-220). 6 In Dekonstruktion der komplexen Systemzusammenhänge lassen sich folgende Typen von informalen und politikrelevanten Austauschbeziehungen identifizieren, die regelhaft in Kombination auftreten, denen aber distinkte Wirkungsweisen zugeordnet werden können:6 • Verwandtschaftliche und Freundes-Beziehungen entfalten ihre Wirkung durch hohes Vertrauen bzw. eine hohe Solidaritätsverpflichtung zwischen den Beteiligten.7 • Loyalität innerhalb von Identitätsgruppen entfaltet seine Wirkung durch die Mobilisierung geglaubter Gemeinsamkeiten, wenn hierdurch zureichend organisations- und konfliktfähige Gruppen entstehen (relevant nur im Wettbewerb mit anderen Identitätsgruppen). • Patron-Klient-Beziehungen entfalten Wirkung solange Patron und Klient ausreichende Vorteile aus einer asymmetrischen Austauschbeziehung ziehen. • Seilschaften entfalten ihre Wirkung, wenn genügend strategische Posten in Apparaten durch ihre Mitglieder besetzt bzw. Ressourcen verteilt werden und somit gegenseitige Begünstigungen regelmäßig stattfinden können. • Korrupte Transaktionen entfalten ihre Wirkung durch den eigenen Vorteil in profitorientiertem Austausch von Waren und Leistungen, wobei politischer Einfluss Marktchancen schafft oder verbessert. • Kriminelle Beziehungen entfalten ihre Wirkung durch die Einspeisung illegal erworbener Mittel in den politischen Prozeß und damit das gemeinsame Interesse der Beteiligten an strikter Vertraulichkeit und gegenseitigem Erpresserwissen. • Gewaltanwendung (außerhalb der staatlich regulierten Bahnen) entfaltet seine Wirkung durch die unmittelbare Schädigung von Konkurrenten sowie durch direkten Zwang. • Spirituell-magische Beziehungen entfalten ihre Wirkung durch den geteilten Glauben an eine von „höheren Mächten“ gesetzte und von eingeweihten Spezialisten interpretierte Ordnung.8 Allen diesen informalen Austauschbeziehungen und Transaktionen ist gemeinsam, dass sie für die direkt Beteiligten gegenüber formellen Mechanismen zumeist Vorteile besitzen: Verfolgte 6 Für die folgenden Anmerkungen danken die Autoren Andreas Mehler. Siehe hierzu ausführlich Eisenstadt und Roniger (1984). 8 Zur Bedeutung von Magie und Zauberei in den politischen Systemen Schwarzafrikas siehe Geschiere (1995), Chabal und Daloz (1999: Kap. 5). 7 7 Ziele können schneller, vollständiger und/oder (durch Senkung von Transaktionskosten) kostengünstiger erzielt werden. Dagegen sind inhärente Nachteile abzuwägen, die vor allem im Hinblick auf Legitimität, Legalität, Abhängigkeit vom Transaktionspartner und dauerhafte Absicherung informaler Arrangements entstehen können. Beziehungs- und Transaktionsmuster informaler Politik können – in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität – überall dort beobachtet werden, wo Einzelpersonen und Gruppen soziopolitische Interessen in staatlichen, semistaatlichen und nichtstaatlichen Organen und Organisationen vertreten. Im Folgenden soll nun näher auf die informale Beziehungs- und Transaktionsmuster in Bezug auf politische Parteien eingegangen werden. 4 Parteien und informale Politik Trotz aller Niedergangsvoraussagen sind Parteien in alten und neuen Demokratien unverzichtbare und zentrale politische Akteure.9 Dies gilt v.a. für die Rekrutierung politischen Führungspersonals, die Koordination der gewählten Volksvertreter, die Artikulation und Aggregation gesellschaftlicher Interessen. Politische Parteien weisen jedoch im internationalen Vergleich recht unterschiedliche Formen auf und nehmen ihre staatlichen und gesellschaftlichen Aufgaben in unterschiedlicher Art und Weise wahr, wobei jeweils spezifische Mischungen formaler und informaler Elemente beobachtbar sind. Erstaunlicherweise gilt jedoch oftmals immer noch der Parteityp einer bestimmten historischen und gesellschaftlichen Periode, nämlich Massenparteien mit klarer Programmatik, als empirischer und normativer Referenzpunkt für länderübergreifende Vergleiche (vgl. Katz und Mair 1995), obwohl dessen konstituierende Merkmale (ideologische Orientierung, Bindung an ein explizites soziales Milieu, hoher Anteil der Stammwähler, Hineinreichen in bzw. feste Verbindung mit Kollateralorganisationen etc.) auch in den klassischen Demokratien beträchtlicher Erosion ausgesetzt sind (von Beyme 2000, Pogundtke 2000) bzw. sich diesem Idealtyp allenfalls partiell näherten (etwa in den USA). Übersehen wird bei der Verabsolutierung der Massenintegrationspartei auch, dass Parteien verschiedener Prägung ähnliche Funktionen wahrnehmen und ähnliche Beiträge zum Erhalt und zum Funktionieren demokratischer Gemeinwesen erbringen können wie diese. A priori können jedenfalls aus dem vorherrschenden Parteityp keine direkten Schlüsse in Bezug 9 Siehe dazu auch den nachfolgenden Artikel von Nolte sowie von Beyme 2000. 8 auf die Stabilität, Dauerhaftigkeit, Legitimität und Effektivität des betreffenden politischen Systems gezogen werden. Wie immer politische Parteien ausgestaltet sein mögen; ihnen kommt in demokratischen (und vielen semi-demokratischen) politischen Systemen eine essentielle Rolle als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft zu. Der wohl wichtigste, weil in vielen Ländern einzige Mechanismus, bei denen sich diese Scharnierfunktion klar manifestiert, sind Wahlen. Mithin ist es nahe liegend, den Blick bei der Analyse informaler Elemente in Parteien auf (a) die gesellschaftliche Anbindung der Parteien, (b) ihre Rolle in der Regierung, (c) bei Wahlen und (d) unter eigenständiger organisatorischer/organisationstheoretischer Perspektive zu richten, wobei diese Organisationen für ihre Aktivitäten größere Ressourcen, nicht zuletzt finanzieller Art, benötigen. Im Folgenden soll daher informale Elemente in allen vier Bereichen aufgezeigt werden. 4.1 Parteienorganisation und –finanzierung Von politischen Parteien wird erwartet, dass sie idealiter „über organisatorische Strukturen verfügen, die es ihnen ermöglichen, gleichzeitig funktionale Effektivität und binnenorganisatorische Partizipation zu gewährleisten“ (Haungs 1981: 41). Von der Erfüllung dieses Desideratums sind bekanntlich nicht nur viele Parteien der so genannten „Dritten Welt“ weit entfernt. Man braucht nur an Michels frühe Kritik an der „Oligarchisierung“ von Parteiorganisationen zu denken (Michels 1989 [1911]). In jedem Fall stellen sich Fragen nach der innerparteilichen Demokratie (vgl. Teorell 1999) und mithin dem Verhältnis zwischen Parteiführern, -aktivisten und gewöhnlichen Parteimitgliedern10 (Stichworte: Rechenschaft und Entscheidungsfindung), dem Informationsfluss und der Kommunikation innerhalb von Parteien, der Rolle und Funktion von Parteitagen sowie der Parteigliederungen – soweit gegeben - auf den verschiedenen Ebenen. 10 Allein die Frage nach der Mitgliederbasis politischer Parteien ist in vielen Ländern nur schwer zu beantworten, da bereits höchst unterschiedliche und schwierig nachzuprüfende Modi der Mitgliedschaft und der Registrierung von Parteimitgliedern. Siehe etwa Erdmann und Weiland (2000: 4-5) zum Thema „informeller Mitgliedschaft“ in afrikanischen Parteien. 9 In formaler Hinsicht haben Parteien verschiedener Prägung, seien es nun elitäre Kaderparteien, Massenparteien, „Volksparteien“ (catch-all parties) oder Kartellparteien,11 ihre spezifische Antwort auf die Aufgabe der Entwicklung organisatorischer Strukturen gegeben – ob nun effektiv und „partizipationsorientiert“ oder auch nicht. Komparative, länder- und regionen übergreifende Studien hierzu sind rar. Noch viel seltener, obwohl in den letzten Jahren als Desiderat häufig moniert (Liebert/Lauth 1999, Kitschelt et al. 1999) sind Analysen der informalen Modi parteiinterner Abstimmung und der Verbindung mit Wählergruppen, die – ergänzend oder in Konkurrenz – zu den formalen Verfahren existieren, wie dieses Mischungsverhältnis durch sozioökonomische und verfassungsrechtlich-institutionelle Hintergrundvariablen beeinflußt wird und welche Folgen es etwa für das Zusammenspiel von Politik und Zivilgesellschaft und die Stabilität der Demokratie in den betreffenden Ländern hat. Ein besonders auffälliges Phänomen informeller Politik in nicht-westlichen Demokratien stellt im weltweiten Vergleich ist das Phänomen des innerparteilichen Faktionalismus dar. Verglichen mit Strömungen, Flügeln und Seilschaften, die in politischen Parteien auf der ganzen Welt anzufinden sind, weisen Faktionen einen höheren Grad an Dauerhaftigkeit, Stabilität und eigenständiger organisatorischer Untermauerung auf. Die klassische Funktion von Faktionen liegt in der Macht- und „Beuteverteilung“, der Besetzung von Parteiposten und Regierungsämtern. Faktionen können daneben aber auch der Interessenvermittlung parteiexterner Gruppen und der Artikulation ideologischer Positionen dienen. Diese unterschiedlichen Funktionen von Faktionen spiegeln die grundsätzlichen Konfliktlinien in Parteien wider, wobei in der Realität innerparteiliche Faktionen auch verschiedene Funktionen erfüllen können.12 Besonders virulent sind innerparteiliche Faktionen offenbar in den jungen Demokratien in Süd- und Osteuropa (Gillespie et al. 1995), in Teilen Lateinamerikas (Peeler 1985; Coppedge 1997) sowie in Ost- und Südasien (Dittmer et al. 2000; Huang 2000; Kohli 1990; Subramanian 1999). Faktionalismus existiert jedoch auch in Parteien in fortgeschrittenen Industrienationen; einen besonders hohen Grad an institutionalisierter Faktionalisierung weisen bzw. wiesen etwa die Liberaldemokratische Partei Japans (Köllner 1999a), die Demokratische Partei in den USA (Key 1984 [1949]), die Democrazia Christiana Italiens (Zuckerman 1979) auf. 11 Zu den verschiedenen Parteitypen siehe Katz und Mair (1995) und die dort zitierte Literatur. 10 Beeinflusst wird die Art der Parteiorganisation unter anderem von den jeweiligen Formen der Parteienfinanzierung. Politische Parteien benötigen für ihre Apparate und Aktivitäten, insbesondere zu Wahlkampfzeiten, finanzielle Ressourcen im größeren Maßstab. Zu den „klassischen“, zumeist formal geregelten Arten der Parteienfinanzierung gehören offizielle Spenden von Privatpersonen und Korporationen, Mitgliederbeiträge und ggfs. der Verkauf von Parteipublikationen sowie die staatliche Parteienfinanzierung. Daneben (oder stattdessen) können aber auch Einnahmen aus dem legitim oder auch illegitim erworbenen Vermögen der Parteien und/oder ihrer Parteiführer existieren.13 Es ist offenkundig, daß in Fällen, wo Wahlkampfausgaben oder die Finanzierung von anderen Parteiaktivitäten ganz oder überwiegend durch lokale Bosse erbracht werden, der Faktionalismus gleichsam in die Parteistrukturen eingebaut wird. Zudem kann kommerzielles Einkommen von politischen Parteien aus Unternehmen im Besitz der Parteien oder ihrer Gliederungen stammen (siehe etwa den Fall der Kuomintang in Taiwan). Auch können örtliche Unternehmen, reiche Patrone, im Ausland lebende Staatsbürger und zurückkehrende Emigranten die „Sponsorenschaft“ für politische Parteien übernehmen. Diese Arten der Parteienfinanzierung fallen häufig bereits in den Graubereich der Finanzierung politischer Aktivitäten, zumal wenn es keine klaren Rechenschaftspflichten gibt oder diese unterlaufen werden. Schlichtweg illegal wird es bei anderen Formen der Parteifinanzierung wie Schmiergeldern, nichtdeklarierten Spenden oder finanziellen Zuwendungen vonseiten krimineller Elemente, die ebenfalls nicht nur in „Dritte-WeltLändern“ existent sind.14 12 Zum Faktionalismus siehe ausführlicher den entsprechenden Artikel von Köllner in diesem Heft. Dieses Vermögen kann beispielsweise zuvor von einer Partei oder deren Führern als Resultat der Zugehörigkeit zur ehemals herrschenden Elite erworben worden sein (z.B. im Rahmen einer Militärregierung oder eines formalen Einparteien-Staates). 13 14 Eine Übersicht über die verschiedenen Formen der Parteienfinanzierung gibt Burnell (1998: 11-12). Für empirische Untersuchungen zur Parteienfinanzierung in Nordamerika und Westeuropa siehe Gunlicks (1993), zum westafrikanischen Fall siehe Kumado (1996) und zum japanischen Fall Köllner (2000a). 11 4.2 Parteien und Gesellschaft Im Rahmen des politischen Wettbewerbs in Demokratien und Semi-Demokratien stehen Parteien vor der Herausforderungen, bestimmte Segmente der Gesellschaft an sich zu binden, um die nötige Unterstützung bei Wahlen zu erhalten. Prinzipiell sind dabei mehrere Arten der Bindungen/Verknüpfungen (linkages) zwischen Parteien und Gesellschaft denkbar. Die vielleicht bekannteste, aber deswegen nicht unbedingt weit verbreiteteste Art sind programmatische Verknüpfungen. Parteien binden dabei ihre Anhänger-/Wählerschaft durch inhaltliche (und zuweilen ideologisch fundierte) Programme oder Plattformen an sich. Programmatische Bindungen spielen in der Parteienliteratur nicht nur in empirischanalytischer, sondern auch in normativer Hinsicht eine zentrale Rolle, da im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass sie das größte Maß an demokratischer Rechenschaft und „Responsivität“ politischer Parteien gewährleisten. Die vorherrschende „Idealisierung“ programmatischer Bindungen (Kitschelt 2000: 846) muss jedoch in demokratietheoretischer Hinsicht zumindest hinterfragt werden. So ist nicht klar, ob nicht auch andere Arten der Verknüpfungen zwischen politischen Parteien und der Gesellschaft in funktionaler Hinsicht für ähnliche Dauerhaftigkeit, Legitimität und Leistungsfähigkeit demokratischer Gemeinwesen sorgen können oder sogar für Gesellschaften mit geringerer Ausprägung mobiler Mittelschichten, einer wenig professionalisierten Bürokratie und massiver wirtschaftlicher Staatsintervention angemessener sind. (Rückläufigkeit auch in westlichen Demokratien (von Beyme 2000)) Anstelle oder ergänzend zu programmatischen Verbindungen zwischen Parteien und Gesellschaft können zum einen auch klientelistische Bindungen bestehen. Hier wird die gesellschaftliche Unterstützung von Parteien durch konkrete materielle „Wohltaten“ sicher gestellt und aufrecht erhalten. Zu diesen materiell orientierten Maßnahmen können etwa lokale Bauprojekte, Arbeitsplatz- und Wohnungsbeschaffung, Patronage sowie direkte Zuwendungen gehören. Im Rahmen des klientelistischen Austausches zwischen Parteien und Wählern werden also materielle Gefallen gegen Wählerstimmen „getauscht“. Das Spektrum klientelistischer Verbindungen reicht vom personalisierten Klientelismus auf der Seite (direkte Kontakte zwischen Patron und Klienten mit gegenseitigen, aber asymmetrischen persönlichen Verpflichtungsbeziehungen) bis zum anonymen Klientelismus (Bindung über die Aktivitäten „politischer Maschinen“ von Parteien und deren Abgeordneten/Kandidaten) auf 12 der anderen Seite (Kitschelt 2000: 849-850). Klientelistische Bindungen zwischen Parteien und Wählern sind weltweit weit verbreitet und offenbar in Lateinamerika und der Karibik, Südostasien, Afrika, Südeuropa und im postkommunistischen Südosteuropa besonders ausgeprägt.15 Es ist die Frage, inwieweit der klientelistische Modus durch die fortgesetzte wirtschaftliche Entwicklung und soziale Mobilisierung oder durch institutionelle Reformen (Wahlrecht) erodieren wird. Frühere Prognosen, die Einführung von Mehrparteiensystemen allein und/oder weitgehende wirtschaftliche Strukturreformen würden sein schnelles Ende herbeiführen, haben sich nicht bewahrheitet (Angaben Hanke 1999, Neubert 1999). Eine weitere Art der Verknüpfungen zwischen Parteien und Gesellschaft existiert in Form von charismatischen Bindungen. Persönliche Fähigkeiten und Überzeugungskünste des Parteiführers oder –kandidaten sorgen hier für den nötigen Rückhalt bei ihren Wählern. „Glaube“ in die (Problemlösungs-)Fähigkeiten des Parteiführers ersetzt in diesem Fall „Überzeugungen“, die in den Programmen und Ideologien von Parteien reflektiert werden bzw. manifeste materielle Vorteile. Erwartungsgemäß finden sich in der Realität oftmals Überlappungen bzw. Kombinationen der verschiedenen Arten der Bindungen zwischen politischen Parteien und der Gesellschaft (Kitschelt 2000: 853-855). Sind die klientelistischen und/oder charismatischen Bindungen fest institutionalisiert und manifestieren sich mithin in spezifischen Beziehungssystemen und Erscheinungsformen, können sie dem Bereich der informalen Politik zugerechnet werden. Neben den Beziehungen zu ihrer eher „amorphen“ Wähler- und Anhängerschaft fallen in den Bereich Parteien und Gesellschaft auch die Beziehungen zwischen Parteien und korporativ organisierten nichtstaatlichen Akteuren. Beziehungen dieser Art etwa zwischen Gewerkschaften, Verbänden, religiösen und kriminellen Vereinigungen oder dem Militär einerseits und Parteien andererseits sind für beide Seiten von Interesse, da sie die Möglichkeit zur (gegenseitigen) Einflussnahme inhaltlicher und personeller Art bieten. Beziehungen dieser Art sind auf der ganzen Welt ubiquitär, wenngleich in den klassischen Demokratien Westeuropas von substantiell sinkender Bedeutung und Verbindlichkeit (vgl. Poguntke 2000). Sie werden erst dann von Interesse für die Analyse informaler Politik wenn a) eine 15 Siehe etwa Cazorla et al. (1997), Edie (1991), Kitschelt et al. (1999), Martz (1997). Für eine Diskussion der möglichen Ursachen des Klientelismus in politischen Systemen siehe Kitschelt (2000: 856-866). Kitschelt (ebd.: 873) argumentiert, dass in zahlreichen Demokratien klientelistische Politik das funktionale Äquivalent des Wohlfahrtsstaates darstellt oder dargestellt hat; materielle Zuwendungen an die unterprivilegierten Schichten dienen hier der Sicherstellung sozialer und politischer Stabilität. 13 systemische Verflechtung zwischen beiden Seiten besteht, die nicht auf formalen Grundlagen beruht (etwa reservierte Posten/besondere Stimmrechte für Gewerkschaften in sozialistischen Parteien) oder b) im Rahmen dieser Beziehungen institutionalisierte Erscheinungsformen informaler Politik (Korruption, Stimmenmobilisierung „im Block“16) auftreten. 4.3 Parteien und Wahlen Elemente informaler Politik in Bezug auf Parteien und Wahlen lassen sich im internationalen Vergleich sowohl in der Phase der Kandidatenaufstellung, im Rahmen des Wahlkampfs als auch beim Wahlgang selbst beobachten. So kann es zunächst informale Regeln bei der Aufstellung von Kandidaten und der Zusammenstellung von Kandidatenlisten geben. Zu denken ist hier etwa an das (nicht formal verankerte) Proporzprinzip, dass auf Basis ethnischer, regionaler, konfessioneller, faktionaler, ideologischer oder anderer Zugehörigkeit Nominierungsprozesse beeinflussen oder gar bestimmen kann. Bekannt sind auch Fälle des Kaufs oder Verkaufs von Kandidatennominierungen oder (höheren) Plätzen auf Kandidatenlisten einer Partei. Wie etwa im Fall der japanischen Regierungspartei LDP kann auch die Zahl „geworbener“ Parteimitglieder17 den Platz auf der Kandidatenliste für das Parlament (eine Kammer hiervon) bestimmen. Schließlich ist auf die Rolle von Politikerfamilien von Interesse. Während diese in einer Vielzahl von Demokratien zu finden sind, weisen einige einen deutlichen überdurchschnittlichen Anteil davon auf. Wiederum im japanischen Fall entstammen beispielsweise rd. 40% der Abgeordneten der LDP „Politikerdynastien“, wobei in den meisten Fällen die Kandidatur in einem bestimmten Wahlkreis von einer Generation auf die nächste „vererbt“ wird (vgl. Köllner 1999b). Einschlägig ist diesbezüglich auch die südasiatische Region: In Indien schien auf zentraler Ebene Jahrzehnte eine Familie auf die Besetzung der Stelle des Premierministers abonniert, auf lokaler Ebene wiederholt sich dieses Phänomen (z.B. in Kaschmir, Tamil Nadu, Orissa). Parlamentssitze werden oftmals in Erbpacht transferiert. Ähnlich gelagerte Phänomene lasse sich in Bangladesh, Pakistan und Sri Lanka entdecken. 16 Für einen kurzen Literaturüberblick zum Thema Stimmenmobilisierung durch soziale Gruppen siehe Gray und Caul (2000: 1100-1101). 17 Gemeint ist hiermit, dass (prospektive) Kandidaten Parteimitgliedschaften von Unterstütztern bezahlen oder einfach Parteiausweise erwerben. Bereits vor dem Hintergrund ist den offiziellen Angaben zu Parteimitgliedern (siehe Abschnitt 4.1) in einigen Ländern zu misstrauen. 14 Bereits im vorangegangenen Abschnitt wurde die (mögliche) Rolle von korporativ organisierten gesellschaftlichen Gruppen für die Stimmenmobilisierung politischer Parteien erwähnt. Stimmen in einem bestimmten Gebiet oder einer bestimmten Gruppe können jedoch auch auf andere informale Weise mobilisiert werden. Neben der Nutzung von örtlichen Notabeln als „Multiplikatoren“ ist insbesondere im Fall der Regierungspartei auch an die mögliche Instrumentalisierung von Verwaltungsbeamten oder ehrenamtlichen Funktionsträgern mit Parteihintergrund auf kommunaler Ebene zu denken. Durch ihre Verbindungen, ihre Bedeutung als Vehikel der Ämterpatronage und ihren Einfluss auf lokaler Ebene können diese Personen im Interesse einer Partei oder einzelner Abgeordneter und Kandidaten agieren. Letztere können auch wie im südkoreanischen und vor allem japanischen Fall über größere, permanent existierende persönliche Unterstützergruppen verfügen, die im Wahlkampf zur Stimmenmobilisierung eingesetzt werden (vgl. Köllner 1999b). Schließlich können auch Parteien, die sich nach außen hin (etwa im Rahmen ihrer Parteistatuten oder ihres Parteiprogramms) als säkulare und/oder universalistische „Volksparteien“ präsentieren, in Wahlkampfzeiten durch partikularistische Appelle, landsmannschaftlicher oder anderer Natur, versuchen, bestimmte Zielgruppen zu aktivieren. Neben diesen informalen Formen der Stimmenmobilisierung können schließlich auch andere Arten der Stimmensammlung beobachtet werden, die einen klar illegalen Charakter aufweisen. Hierzu gehören zum einen verschiedene Formen des Wahlbetrugs, etwa gefälschte Ergebnisse, absichtlich falsch ausgezählte Stimmen, das „Einkassieren“ von Wahlurnen oder Stimmabgaben für verstorbene Wähler. Daneben können Stimmen gegen finanzielle oder andere materielle Zuwendungen gekauft werden. Darüber hinaus ist an verschiedene Formen der Einschüchterung zu denken, mit denen Wähler von der Stimmabgabe abgehalten werden sollen. 4.4 Parteien und Regierung Im Bereich Parteien und Regierung können informale Elemente zum einen dort existieren, wo es um die Vergabe von Posten in der Regierung, in öffentlichen Ämtern oder in staatlich kontrollierten Körperschaften geht. Auch hier kann z.B. das Proporzprinzip auf mehr oder minder institutionalisierte Art und Weise zum Tragen kommen. Ein besonders prägnantes Beispiel liefert wiederum der Fall der japanischen Regierungspartei LDP. Hier existieren nicht nur informale Regeln, die darüber bestimmen, wann ein Parlamentarier die nötige Seniorität 15 für eine Regierungsposten (Parlamentarischer Staatssekretär, Minister, Premierminister) aufweist, sondern es besteht auch die informale Regel der „fairen Beteiligung“ bei der Zusammensetzung des Kabinetts. Danach sind die innerparteilichen Faktionen entsprechend ihrer Größe bei der Vergabe der Portfolios zu berücksichtigen. Dem Premierminister, der formal über die Zusammenstellung seines Kabinetts entscheidet, sind so deutliche Beschränkungen bei der tatsächlichen Auswahl seiner Minister auferlegt (vgl. Köllner 1999a: 68). Zum anderen können informale Beziehungssysteme und Erscheinungsformen auch im Rahmen der inhaltlichen Regierungsarbeit von Bedeutung sein. Hier können etwa spezifische Netzwerke, Seilschaften, „Kungelrunden“ und andere informale Interaktions- und Beziehungsmuster die Entscheidungsprozesse und Politikformulierung der Regierungspartei/en bestimmen oder zumindest beeinflussen. Die Vorbereitung von Gesetzesakten und die Auseinandersetzung mit den Anliegen interessierter sozialer und wirtschaftliche Akteure braucht zudem nicht nur auf die formal bestehenden Arbeitskreise in den Parteien und die Ausschüsse im Parlament beschränkt sein. Informal organisierte Gruppen von spezialisierten Parlamentariern können hier die entscheidende Arbeit leisten und der zentrale Anlaufpunkt für Lobbyisten sein. Wie etwa die Forschung zum US-Kongress gezeigt hat, kann es zudem informale Regeln geben, die neben oder ergänzend zu den formalen Regeln den parlamentarischen Umgang der Parteien und ihrer Abgeordneten mit- und untereinander prägen. So waren in der Nachkriegszeit die Beziehungen und Interaktionen im Senat der Vereinigten Staaten in die Normen und Prinzipien der Lehre, der Seniorität, der Spezialisierung, der Höflichkeit, der Reziprozität und des institutionellen Patriotismus eingebettet. Demgegenüber waren in der Nationalversammlung Südkoreas der Gehorsam gegenüber Befehlen, das Imperativ der legislativen Produktivität, der Personalismus im Sinne der Herrschaft persönlicher Netzwerke und die Konfliktbeilegung durch höher gestellte Führer von Bedeutung (vgl. Köllner 2000b). In Bezug auf das Verhältnis von Regierungs- und Oppositionsparteien im japanischen Parlament betont schließlich Sakamoto (1995) die Norm des Konsensualismus, die dazu beigetragen hat, offene Konflikte zu reduzieren und die Kompromissbereitschaft zu erhöhen. 16 5 Fazit und Perspektiven Es erscheint unstrittig, dass zum Verständnis der Funktionsweise politischer Systeme auch eine Kenntnis bzw. Ermittlung der vorherrschenden ungeschriebenen Regeln, informaler Beziehungen und Transaktionen unerlässlich ist. Insbesondere in Fällen, in denen informale Prozesse und Mechanismen die formalen Strukturen und Regeln der jeweiligen politischen Gemeinwesen überlagern, hilft eine ausschließliche Beschäftigung mit Verfassungen, Gesetzen, Statuten und anderen offiziellen Institutionen nur wenig weiter, wenn sie nicht gar in die Irre führt. Dies gilt im abgeschwächten Maß auch, wenn informale Institutionen oder (Netzwerke von) Beziehungen parallel neben den formalen Institutionen existieren und diese nur im Extremfall aushebeln und wirkungslos machen. Im Regelfall sind jedoch formale und informale Politik eng miteinander verflochten und beeinflussen sich gegenseitig: Geben die formalen Institutionen die grundsätzliche Struktur und den Korridor vor, innerhalb der sich die politischen Akteure bewegen, werden ihre tatsächlichen Beziehungen, Interaktionen und Erwartungshaltungen auch durch informale Institutionen/Spielregeln bestimmt oder zumindest beeinflusst. Die je nach Land und Sachgebiet spezifische Wechselwirkung von formaler und informaler Politik ist von einer Reihe von Faktoren abhängig, zu denen die jeweilige politische Kultur, der Entwicklungsstand der Ökonomie, die Stärke des staatlichen Wirtschaftseinflusses, Wahlrechtsbestimmungen und der Grundcharakter des politischen Systems gezählt werden können (Cheng und Womack 1996: 337; Kitschelt et al. 1999). Zur Bedeutung dieser Hintergrundfaktoren für die Prävalenz informeller Verfahren im politischen System generell und in den Parteien im Besonderen, liegen freilich noch keine komparativen Analysen vor (Liebert/Lauth 1999). Formale und informale Elemente der Politik stehen mithin in allen politischen Systemen in einem mehr oder minder ausgeprägten Spannungsverhältnis, sie können einander jedoch auch ergänzen oder sogar stützen. So ist sowohl denkbar, dass sich (vielfach ältere) informale Mechanismen an (neuere) formale Institutionen anpassen und diese gegebenenfalls aushöhlen als auch, dass formale, legal-rationale Institutionen informale Mechanismen obsolet werden lassen. Die lange Zeit in Modernisierungsdiskussionen vertretene These, dass die Säkularisierung von Gesellschaften und politischen 17 Gemeinwesen oder „soziale Mobilisierung“ im Sinne des Anwachsens von Urbanisierung, Alphabetisierung, Bildung, Medieneinflüssen, Wohlstand und dergleichen (Deutsch 1961) zwangsläufig zu einer Atrophie informaler Beziehungen und Transaktionen führt, hat sich jedenfalls als Trugschluss herausgestellt.18 Informale Elemente sind keineswegs auf traditional bestimmte oder im Übergang befindliche politische Systeme beschränkt, sondern können auch in langjährig gefestigten Demokratien angetroffen werden. Informale Elemente können außerdem genauso fest institutionalisiert sein wie die formalen Elemente.19 O’Donnell (1997: 41) spricht in diesem Zusammenhang vom Zustand der „informalen Institutionalisierung“. Dieses Phänomen, so O’Donnell, habe weitreichende Konsequenzen für die konzeptionelle und komparative Agenda des Studiums bestehender Demokratien und, so müsste man ergänzen, politischer Systeme im Allgemeinen. So legt die Dauerhaftigkeit und Stabilität informaler Beziehungs- und Transaktionstypen nahe, dass diese wichtige Funktionen für das politische System erfüllen, die keineswegs nur negativer Natur sein müssen (siehe auch unten). Nun ist es eines, auf die Bedeutung informaler Beziehungen und Interaktionen für die Analyse politischer Systeme, Organisationen und Prozesse zu verweisen, ein anderes, das Studium informaler Politik ernsthaft zu betreiben. Diesem stehen nämlich eine Reihe von Problemen gegenüber, zu denen die Qualität der verfügbaren Informationen sowie die Notwendigkeit umfangreicher Feldforschung, teilnehmender Beobachtung, narrativer Analyse und dem damit verbundenen Aufwand und Nachteilen gehören (siehe auch Cheng und Womack 1996: 334337). Viel wäre bereits gewonnen, wenn es gelänge im einzelnen Fall die informalen Beziehungs- und Transaktionsmuster offen zu legen, ihre Ursachen und Entwicklung, ihre Funktionen und Auswirkungen sowie ihre Perzeption/Beurteilung vonseiten der betreffenden Akteure und der Bevölkerung im Allgemeinen zu ergründen. Im zweiten Schritt wäre zu 18 So kommt etwa Caciagli (1997: 296) in Bezug auf den Klientelismus zu dem Ergebnis, dass dieser „von entscheidender Bedeutung bei Systemen im Übergang [ist], wenn die traditionellen Bindungen schwächer und die neuen nicht formalisiert werden“. Der Klientelismus verschwindet „weder mit dem Aufkommen formal demokratischer Spielregeln, noch ist er ein bloßes Übergangsphänomen, vielmehr kann er sich verfestigen und die Institutionen noch weiter korrumpieren“. Zur Dauerhaftigkeit traditionaler Elemente in den politischen Systemen der arabischen Welt siehe Hudson (1977: 7-16). 19 Unter Institutionalisierung soll hier in Anlehnung an Huntington (1968) der Prozess verstanden werden, durch den Organisationen und Prozeduren Wert und Stabilität erlangen. Ein hoher Grad der Institutionalisierung bezeichnet ein hohes Maß an Dauerhaftigkeit, Anpassungsfähigkeit, (interner) Komplexität, Autonomie und Kohärenz dieser Organisationen und Prozeduren. 18 klären, inwiefern hierbei regionenspezifische oder darüber hinaus gehende Verallgemeinerungen möglich sind. Zu den zentralen Forschungsfragen im Bereich der informalen Politik gehört dabei zunächst die nach den Ursachen der Entstehung und Entwicklung der jeweils relevanten Elemente informaler Politik. Hierbei gilt es, die Auswirkungen der jeweiligen sozioökonomischen Entwicklungsprozesse und der damit verbundenen politischen und wirtschaftliche Machtstrukturen auf die Herausbildung und Weiterentwicklung informaler Beziehungssysteme und Erscheinungsformen zu untersuchen. Besonderes Augenmerk bei der Analyse dieser „Makrostrukturen“ sollte den Spezifika und der Sequenz der jeweiligen Prozesse der Staatsbildung und der politischen Demokratisierung gelten. Zudem ist zu bedenken, dass institutionelle Rahmenbedingungen in Bezug auf das Wahlsystem, die Regierungsform (Präsidential- versus Kabinettssystem) oder die räumliche Verteilung der politischen Machtkompetenzen (Zentralismus versus Föderalismus) die Ausprägung informaler Elemente beeinflussen können. Zudem sollte den spezifischen politikökonomischen Gegebenheiten Aufmerksamkeit geschenkt werden. Beispielsweise ist zu klären, ob die Existenz geschützter binnenorientierter Industriezweige und/oder ein großer Staatssektor Renten- und Patronagemöglichkeiten schafft (vgl. Kitschelt 2000: 856-864, Mainwaring 1999: Kapitel 2). Auf die Entstehung und Entwicklung informaler Elemente in politischen Parteien fokussierend, ist der Zusammenhang zwischen der ideologischen Ausrichtung der jeweiligen Parteien und der Stärke informaler Arrangements zu hinterfragen. Mit anderen Worten gilt es die These zu überprüfen, dass marktliberale und marxistische Parteien eine geringere Neigung zu Klientelismus (und anderen informalen Elementen?) aufweisen, als dies bei sozialistischen, liberalen oder „ethnokulturellen“ Parteien der Fall ist (siehe dazu Kitschelt 2000: 864-866). Schließlich kann hinsichtlich der Ursachen und Entwicklung von Elementen informaler Politik auch deren soziokultureller Einbettung nachgegangen werden. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, ob – im Gegensatz zur formalen Politik, die an staatliche Strukturen angelehnt ist – informale Politik in letzter Instanz Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen ist, wie etwa Fukui (2000) argumentiert. In diesem Zusammenhang erscheinen jedoch einige 19 Anmerkungen zum Zusammenhang zwischen soziokulturellen Normen und der Ausprägung informaler Politik angebracht.20 So kann es nicht ausreichen, vermeintlich lineare Verbindungen zwischen soziokulturellen Normen und Wertvorstellungen einerseits und der Praxis politischer Tätigkeit in einem bestimmten Land oder Bereich zu postulieren. Klar erscheint jedoch, dass es sich bei den Trägern/Praktizierern informaler Politik um Akteure handelt, die (zumindest in der Regel) rational handeln, dabei jedoch in einen bestimmten Kontext eingebettet sind. Informale Beziehungen und Transaktionen werden eben auch von ihrem strukturellen Kontext beeinflusst. Zu letzterem gehören naturgemäß soziokulturelle Rahmenbedingungen, wie dies im Konzept der sozialen beziehungsweise institutionellen „Einbettung“ (politischer und wirtschaftlicher) Handlungen zum Ausdruck kommt (vgl. Granovetter 1992 [1985]). Während soziales Verhalten im Rahmen von Beziehungen und Transaktionen prinzipiell durch die Interaktion von individuellen Präferenzen und spezifischer Situation erklärt werden kann (Reed 1992: 28), heißt dies nicht, dass die soziokulturelle Einbettung der relevanten Akteure völlig bedeutungslos wäre. Kultur repräsentiert die von einer Gruppe geteilten Werte, die sich in (politisch relevanten) Haltungen und Präferenzen manifestieren können. Dabei darf nicht übersehen werden, dass, in den Worten von (Granovetter 1992 [1985]: 57), „culture is not a once-and-for-all influence but an ongoing process, continuously constructed and reconstructed during interaction. It not only shapes its members but is also shaped by them, in part for their own strategic reasons“. Das vorherrschende Muster sozialer Beziehungen und der sie beeinflussenden Institutionen ist zudem pfadabhängig, d.h., dass „spätere Entwicklungen ... von früheren in dem Sinne abhängig [sind], dass die Spannbreite der möglichen Variationen durch entwicklungsgeschichtlich ältere Fixierungen begrenzt ist“ (Lehmbruch 2000: X). Die Dynamik innerhalb der sozialen Beziehungen und der damit verbundenen Institutionen zum einen und von außen einwirkende Faktoren zum anderen bringen immer wieder Neuausrichtungen des Entwicklungspfades mit sich.21 20 Für den Versuch einer Darstellung des Zusammenhanges zwischen soziokulturellen Normen und staatlicher Praxis am Beispiel Afrikas siehe Hillenbrand (1994). 21 Siehe hierzu ausführlich Thelen (1999) sowie Clemens und Cook (1999). 20 Neben den Ursachen und der Entwicklung von Elementen informaler Politik sollte sich die Analyse auch auf die Funktionen und Auswirkungen informaler Politik richten. In Bezug auf die Funktionen, auf die auch im nachfolgenden Artikel von Nolte eingegangen wird, stellt sich zunächst die Frage, welche Funktionen überhaupt von den spezifischen Elementen informaler Politik wahrgenommen werden. Sind hierbei zudem funktionale Äquivalenzen zu Elementen formaler Politik gegeben?. Allgemein ist auch zu klären, ob die vorherrschenden Elemente informaler Politik eher funktional oder dysfunktional für das betreffende politische System sind. Eng damit ist zum einen die Frage verknüpft, in welchem Verhältnis die spezifischen Elemente informaler Politik zu denen formalen Art stehen – stehen sie zueinander in Konkurrenz, sind sie kompatibel oder sogar komplementär?22 Zum anderen knüpft daran die Frage nach den Auswirkungen der spezifischen Elemente informaler Politik auf das politische System im Allgemeinen und die Parteientätigkeit im Besonderen an. Mithin ist zu beantworten, welche Implikationen die informale Politik für die Stabilität, Legitimität und Effektivität des betreffenden demokratischen Gemeinwesens bzw. die Verantwortlichkeit (accountability) und die Responsivität der betreffenden politischen Parteien hat. Letztlich geht es also darum zu ermitteln, wie sich die Existenz informaler Elemente der Politik auf die Qualität der Demokratie auswirkt. Eine weitere Fragestellung betrifft schließlich die Perzeption von Elementen informaler Politik durch die politischen Akteure und die Bevölkerungen in den einzelnen Ländern und Regionen. So ist es a priori nicht auszuschließen, dass beispielsweise klientelistische Strukturen, die Praktizierung von Magie und Hexerei im politischen Bereich oder auch verallgemeinerte Korruption hier und da auf Toleranz, wenn nicht sogar Zustimmung stoßen. Alles in allem ergibt sich so ein weites und offenkundig fruchtbares Feld für die weitere Forschung zum Gegenstand der informalen Politik. 22 Siehe dazu auch Abschnitt 4 in dem nachfolgenden Artikel von Nolte. 21 Literaturverzeichnis Betz, Joachim, Patrick Köllner und Hanspeter Mattes (1999), „Informelle Politik im internationalen Vergleich“, in: Nord-Süd aktuell 13, 2, S.217-228 von Beyme, Klaus (2000), Parteien im Wandel, Opladen: Westdeutscher Verlag Burnell, Peter (1998), „Introduction: Money and Politics in Emerging Democracies“, in: ders. und Alan Ware (Hrsg.), Funding Democratization, Manchester und New York: Manchester University Press, S.1-20 Caciagli, Mario (1997), „Klientelismus“, in: Dieter Nohlen, Peter Waldemann und Klaus Ziemer (Hrsg.), Lexikon der Politik. Band 4: Die östlichen und südlichen Länder, München: C.H. 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Sie stellen also Werkstattberichte dar, die zur Diskussion und Kritik anregen wollen. Bisher erschienen: AP (12/2000) Dimensionen politischer Repräsentation und Interessenvermittlung durch Parteien im interregionalen Vergleich: Eine Problemskizze Detlef Nolte in Zsm.arbeit mit Joachim Betz, Gero Erdmann und Patrick Köllner AP (12/2000) Informale Politik im internationalen Vergleich: Ein Forschungsaufriss Joachim Betz / Patrick Köllner Generell wird die Forschungsarbeit des Deutschen Übersee-Instituts, soweit sinnvoll und möglich, zu Forschungsschwerpunkten verdichtet. Dabei stehen Aktualität, regionale und überregionale Relevanz und Forschungsbreite grundsätzlich vor langfristigen und theoretisch abstrahierenden Spezial- und Generalanalysen. Aktuell existieren folgende Forschungsgruppen: 1. Globalisierung und Politiken sozialer Entwicklung auf nationaler und transnationaler Ebene 2. Parteien im Spannungsfeld formaler und informeller Politik 3. Internationale Medien und politische Kommunikation 4. Krisenprävention und peace-building 5. Süd-Süd-Kooperation Nähere Informationen über die Forschungsarbeit des Deutschen Übersee-Instituts erhalten Sie in unserem Online-Angebot. Dort sind die Arbeitspapiere vollständig online gestellt und können kostenfrei als Printausgabe ebenso bestellt werden wie alle anderen entgeltlichen Publikationen des Forschungsverbundes. Der Verbund Deutsches Übersee-Institut betreibt anwendungsorientierte Forschung, Beratung und Dokumentation auf dem Gebiet der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und des Nahen und Mittleren Ostens sowie der Nord-Süd- und Süd-Süd-Beziehungen. Das DÜI umfasst das Institut für Afrika-Kunde, Institut für Asienkunde, Institut für IberoamerikaKunde, Deutsches Orient-Institut, Institut für Allgemeine Überseeforschung sowie die ÜberseeDokumentation. DEUTSCHES ÜB ERSEE- INSTITUT Neuer Jungfernstieg 21 · 20354 Hamburg · Telefon +49 (0)40 42834-593 · Fax +49 (0)40 42834-547 · Email: [email protected] 27