Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache

Werbung
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
EINLEITUNG
Aplysia
Gedächtnisfehler
…sind systematisch. Konsonanten werden häufig durch akustisch ähnliche ersetzt. Buchstaben werden
offenbar im Gedächtnis eher akustisch als visuell kodiert.
Rahmenbedingungen für Gedächtnissysteme
Organismen besitzen mehrere sensorische Kanäle
Sehen, Hören, Berührung, Geruch, Geschmack
Informationen aus diesen Kanälen können aufeinander bezogen werden.
Strukturorientierte Theorien betonen die Existenz unterschiedlicher Gedächtnissysteme (episodisch,
semantisch…)
Prozessorientierte Theorien betonen die Bedeutung unterschiedlicher Gedächtnisprozesse für das Erinnern
(Enkodierung, Konsolidierung, Abruf…)
Sensorische Speicher
•
•
•
Visuell – ikonische Gedächtnisspur
Akustisch – echoisch
Taktil (Berührung)
Segner: glühendes Kohlestück auf
rotierendes Rad. Ab bestimmter
Rotationsgeschwindigkeit ganzer
Kreis wahrgenommen Zeitdauer
für Rotation = Dauer der ikonischen
Gedächtnisspur ~ 0,1 s
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
George Sperling
•
•
•
•
•
Abbildung wurde für eine Millisekunde gezeigt
Probanden konnten 4-5 Buchstaben wiedergeben
Hatten Probanden nur einen Teil gesehen oder sie einen Teil bis zum
Zeitpunkt der Abfrage vergessen?
Danach: wieder Aufblendung, aber nur noch 1 Reihe abgefragt (Ein Hinweis
wurde gegeben, welche Reihe repliziert werden soll)
Probanden hatten fast alle aus der Reihe richtig
Buchstaben gehen in Normalexperiment im Gedächtnis verloren, hier nicht
Je eher Hinweis gezeigt wurde (im besten Fall schon mit der Aufblendung) desto besser die
Merkleistung
Wurden Buchstaben in hell gezeigt, war Leistung ebenfalls besser
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
I KURZZEITGEDÄCHTNIS
Das KZG ist ein System für die temporäre Speicherung und Manipulation einer begrenzten Zahl von
Informationen.
Die magische Zahl 7 ± 2 nach George A. Miller
•
•
Methode des „Subitizing“ schnelles Beurteilen von Anzahlen. 1 bis 200 Punkte wurden gezeigt, Vpn
sollten merken. 5-6 Punkte wurden fehlerfrei erkannt, alles darüber hinaus nicht fehlerfrei.
Klassische Methode: digit span (Jacobs, 1887)
Die Kapazität kann durch Mnemotechniken erweitert werden.
•
•
•
Chunking = Gruppierung (63543289 63 5432 89)
Rehearsal = innere Wiederholung
Man vergisst auch weniger als 7 Items schnell, wenn man sich nicht intern wiederholen kann und/
oder anderweitig beschäftigt ist z.B. in 3er Schritten rückwärts zählen (Brown & Peterson)
Vergessen im KZG
•
Experiment: Drei Konsonanten merken, von einer Zahl 4 mal 3 subtrahieren, Wiedergabe der
Konsonanten Rehearsal wurde verhindert = Interferenz
Proaktive Interferenz
•
•
•
Die Proaktive Interferenz bezeichnet die Beeinflussung bzw. Überlagerung von neu erworbenen
Gedächtnisinhalten durch früher Gelerntes
Experiment: 3 Tiere merken, Rechenaufgabe, Tiere wiedergeben (Rehearsal wird verhindert). Bei
Kategoriewechsel ist Wiedergabe einfacher, proaktive Interferenz hat sich aufgehoben
Nachrichtenmeldungen: Themawechsel nach drei aufeinanderfolgenden thematisch ähnlichen
Meldungen bewirkt eine Steigerung der Gedächtnisleistung für die vierte Meldung
Serielle Positionseffekte
•
•
•
•
Primacy- und Recency- Effekt
Liste mit 10, 20 oder 30 Wörtern, Wiedergabe sofort oder nach 15-30 sek
Bei sofortiger Wiedergabe, Wiedergabe der ersten und letzten Items besonders gut
(Postman & Philips, 1965)
Effekte beruhen auf verschiedenen Mechanismen: Primacy-Effekt v.a. auf LZG, Recency-Effekt nur im
KZG Recency-Effekt verschwindet je länger die Pause bis zur Wiederholung
LZG und KZG beruhen auf unterschiedlichen Systemen!
Bei amnestischen Patienten kann das KGZ völlig intakt sein (intakte Zahlenmerkspanne, intakter RecencyEffekt, normale Effekte in der Brown-Peterson-Aufgabe). Umgekehrt gibt es Patienten mit intaktem LZG, aber
gestörtem verbalen KZG.
Kodierung im KZG eher nach phonologischen, im LZG eher nach semantischen Merkmalen.
Versuch Baddeley (1966).
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
•
•
•
Phonologisch ähnlich/distinkt
Semantisch ähnlich/distinkt
Wiedergabe bei den phonologisch ähnlichen am
schlechtesten
Verarbeitungstiefe
•
•
Craick & Lockheart (1972): Übertragung eines
Items von KZG zu LZG hängt von der Verarbeitungstiefe ab
Größere Verarbeitungstiefe bei semantischer Wortverarbeitung („deep encoding“) als bei
phonologischer Verarbeitung („shallow encoding“)
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
II ARBEITSGEDÄCHTNIS
Das Arbeitsgedächtnis ist ebenfalls ein System zur temporären Speicherung und Manipulation einer
begrenzten Zahl an Informationen. Es ist nützlich um z.B. komplexe gesprochene Sätze zu verstehen oder für
das Kopfrechnen.
Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley
Kontrollsystem –
hier wird die Info
manipuliert und
verarbeitet
wurde später um episodischen Puffer (= System, dass Informationen aus mehreren Quellen integriert,
verbindet Informationen im Bewusstsein) erweitert
Die zentrale Exekutive
•
•
•
•
= Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität
Kontrolliert phonologische Schleife und visuell-räumlichen Notizblock
Steht in Verbindung zum LZG
Bisher am wenigstens verstandene Komponente
Phonologische Schleife
•
Arbeitsspeicher für gesprochenes Material
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Visuell-räumlicher-Notizblock
•
Arbeitsspeicher z.B. für das Erinnern von visuellen Informationen (Wie viele Tische hat ihr
Lieblingscafé?)
Evidenz für die phonologische Schleife (= dass es einen Arbeitsspeicher für gesprochenes Material gibt)
1) Phonologischer Ähnlichkeitseffekt: Die Tendenz, dass Fehler der Probanden phonologisch ähnlich zum
korrekten Item sind (F S, B G etc), und die Tatsache, dass phonologisch ähnliche Items
schwieriger zu erinnern sind als phonologisch unterschiedliche Items (Baddeley, 1966).
2) Irrelevanter Spracheffekt: Präsentation von irrelevanter, zu ignorierender gesprochener Sprache
beeinträchtigt das KZG für visuell präsentierte Ziffern. Der Effekt ist unabhängig davon, ob die
irrelevante Sprache englisch, deutsch oder arabisch ist; irrelevante nichtsprachliche Stimuli erzeugen
ihn aber nicht (Salamé& Baddeley, 1982, 1989, Jones, 1994, 1995). Annahme daher: nur
sprachliches Material kann in den phonologischen Speicher gelangen.
3) Der Effekt der Wortlänge auf die Gedächtnisspanne: Lange Worte kürzere Gedächtnisspanne; kurze Worte längere
Gedächtnisspanne (Baddeley et al., 1975).
Grund: rehearsal dauert für lange Wörter länger Gedächtnisspur
vorher gezeigter Wörter zerfällt leichter. Effekt bleibt aus, wenn
rehearsal verhindert (z.B. durch sog. artikulatorische Supression („das,
das, das…“)), d.h. dann werden auch kurze Worte rasch vergessen
4) Artikulatorische Suppression (also Unterdrückung des inneren Wiedersprechens) eliminiert
o den phonologischen Ähnlichkeitseffekt bei visueller Präsentation (= zu merkende visuell
präsentierte Buchstaben können ja nun nicht sprachlich gemerkt werden kein
Ähnlichkeitseffekt) Interpretation: visuelles Material kann nicht in den phonologischen
Speicher transferiert werden)
o und es eliminiert auch den irrelevanten Spracheffekt (= keine Ablenkung“ und
Verschlechterung der Merkleistung durch Einspielen von irrelevanter Sprache, da zu
merkende Sprache ja nun nicht phonologisch verarbeitet wird, denn inneres Wiederholen
wird ja unterdrückt)
(Interpretation: wenn Material nicht in den phonologischen Speicher gelangt, wird es auch
nicht von irrelevantem Sprachmaterial gestört).
(Kritik jedoch: Phonologischer Ähnlichkeitseffekt und irrelevanter Spracheffekt scheinen auf
unterschiedlichen Mechanismen zu beruhen; Martin-Loeches, Schweinberger & Sommer, 1997)
Rolle der phonologischen Schleife
•
•
•
Kapazität der phonologischen Schleife kann die Effizienz des Fremdsprachenerwerbs
vorhersagen
Kinder mit verzögertem Spracherwerb haben oft eine stark reduzierte verbale
Gedächtnisspanne und sind besonders beeinträchtigt bei der Wiederholung von
Pseudowörtern („nonwordrepetitiondeficit“)
Baddeley hält die phonologische Schleife für eine entscheidende Komponente beim
Neuspracherwerb
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Arbeitsgedächtnisspanne
•
•
•
Aufgabe: Lesen von einfachen Sätzen, am Ende soll das letzte Wort jedes Satzes reproduziert werden
Erkenntnis: Leistung korreliert mit Leseverständnis
Arbeitsgedächtnisspanne korreliert hoch mit schlussfolgerndem Denken, evtl. Intelligenz
Tiefendyslexie (deepdyslexia; Coltheartet al., 1980)
•
•
•
Aussprechbare Pseudowörter („flart“„speep“) können nicht mehr gelesen werden.
Große Probleme beim Lesen abstrakter Wörter („Hoffnung“„Recht“) , aber geringere Probleme bei
konkreten, vorstellbaren Wörtern („Haus“„Geige“).
Häufig werden „semantische Fehler“ gemacht (Währung Geld, Fluss See), was impliziert, dass es
möglich ist ein Wort ungefähr zu verstehen, ohne Zugriff auf dessen Phonologie zu haben
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
III LANGZEITGEDÄCHTNIS
(nach Tulving)
Methoden zur Erforschung des Gedächtnisses
1.
2.
3.
Untersuchung neuropsychologischer Patienten (z.B. welche Gedächtnisbereiche können unabhängig
voneinander gestört sein?)
Experimentelle und psychophysiologische Untersuchungen (z.B. implizit vs. expliziter Abruf, Einfluss
von Priming
Tierexperimentelle Studien (z.B. welche neuroanatomische Läsion bewirkt welchen funktionellen
Ausfall?)
IV AMNESIE
Unter Amnesie versteht man ein selektives Defizit des expliziten Langzeitgedächtnisses bei gleichzeitig
erhaltenen anderen kognitiven Fähigkeiten. Amnesie ist einer Kardinalstörung des LZGs.
Ursachen:
•
•
•
•
Gehirnverletzungen
Chronische Alkoholintoxikation
Infektiöse Erkrankungen des Gehirns
Psychogene Amnesien = Gedächtnisdefizite ohne feststellbare organische Ursache
Formen:
•
•
Anterograd („nach vorn gerichtet“) = Störung beim Lernen neuer Informationen
Retrograd („rückwärtsgerichtet“) = Störung beim Erinnern alter Information, die bereits vor dem
Eintreten der Amnesie abgespeichert wurden
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Untersuchungsmethoden:
•
•
•
Freie Reproduktion (z.B. Wortlisten)
Paraassoziationslernen
Wiedererkennen (Ja/Nein-Test, Forced-Choice-Test (Proband hat aus zwei vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten diejenige auszuwählen, die für ihn am ehesten zutrifft))
Der Patient H.M.
•
•
•
•
Unterzog sich aufgrund schwerer Epilepsie 1953 einer Gehirnoperation
Dabei wurden bilateral Teile der medialen Temporallappen entfernt
Folge: schwere anterograde Amnesie (konnte sich an nichts erinnern, was nach der OP passierte)
Aber: keine messbaren Störungen der Intelligenz, der Sprache oder des KZGs
H.M. leistete ohne wirklich Kenntnis davon zu besitzen, einen immensen Beitrag zur Gedächtnisforschung (er
vergaß immer wieder, was er tat und wer die Forscher waren). Im Folgenden ein paar Erkenntnisse durch H.M.
Erhaltene Bereiche des Gedächtnisses
•
•
Fertigkeiten
Perzeptuell-motorische Fertigkeiten werden
oft gut gelernt (Pursuit Rotor Aufgaben,
Tracking-Aufgaben – Vpn verfolgt mit realen
oder per PC dargestellten Gegenstand
kontinuierlich bewegendes Objekt.)
Denken und Problemlösen (Turm von Hanoi –
H.M. war normal gut, andere
Amnesiepatienten nicht gut)
•
•
Priming
Amnesiepatienten zeigen ähnliche
Primingeffekte wie Kontrollprobanden
Primingeffekte werden indirekt getestet und
erfordern keinen expliziten Abruf
Experiment
•
•
•
•
•
Amnesie-Probanden (schwarze Balken) mit jeweils
vergleichbarer Kontrollgruppe (weiße Balken)
Vowel: Gemeinsame Vokale mit dem vorherigen Wort? Proband muss auf explizites Gedächtnis zugreifen
Liking: Magst du das Wort? Proband muss auf implizites
Gedächtnis zugreifen
In weiteren Durchgängen Tipps durch:
o Completion (Wortbeginn war gegeben, freie
Vervollständigung (Liking) vs. Wortstamm als
Hinweis für die Replizierung von Wörtern aus der
1. Aufg. (Vowel)) Priming-Effekt
o Hinweis (Cued Recall) (Worterkennungsschwelle
wird noch tiefer gesetzt) noch größerer Priming-Effekt
Befund:
o Patienten mit Amnesie sind bei konventionellen Gedächtnistests (u.a. freier Abruf) stark
beeinträchtigt
o der Priming-Effekt ist von der Amnesie aber nahezu unberührt
o Außerdem ist das implizite Gedächtnis (Liking) deutlich weniger beeinträchtigt.
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Können Priming (=implizites G.) und explizites Gedächtnis auch experimentell getrennt werden?
•
•
•
•
Semantische Verarbeitung beeinflusst explizites Gedächtnis, aber nicht Priming (Jacoby & Dallas, 1981)
Dagegen Burton, Bruce, Johnston: Priming erfordert das bewusste Erkennen des Primes widerlegt
durch Schweinberger!
Denn: Auditorisches Priming durch nicht erkannte Stimmen (Schweinberger, 2001)
o Präsentation von Stimmen.
o Einige davon im zweiten Durchgang rückwärts (kein bewusstes Erkennen der Stimme
möglich!) Vpn sollten erkennen, ob Stimme bekannt oder nicht, die Rückwärtsstimmen
wurden wenn nur durch Zufall erkannt.
o Danach Stimmen wieder vorgespielt.
o Stimmen wurden wiedererkannt, auch die aus der Rückwärtsbedingung,
o Daraus folgt: Priming unabhängig von explizitem Gedächtnis!
Normales Priming bei gleichzeitig verringertem explizitem Gedächtnis für nicht bzw. weniger
betrachtete Gesichter (Jenkins, Burton, Ellis, 2002)
o Experiment: Gesicht hinter Buchstaben
o Aufgabe zu Buchstaben sollte gelöst werden
o Danach Gesichterpräsentation + entweder Priming- oder explizite Gedächtnisaufgabe zu
Gesicht (vorher wenig beachtet)
o Unter höherer Ablenkung wurde die Gedächtnisaufgabe schlechter gelöst keine explizite
Erinnerung
o Der Primingeffekt blieb aber unberührt
Ursachen der Amnesie
•
•
•
•
•
Wernicke-Korsakoff-Syndrom (durch Alkoholmissbrauch)
Ischämische Hirnschädigung (durch Schlaganfall)
Infektiöse Erkrankungen (Encephalitis) (Gefährliche Substanzen passieren Blut-Hirn-Schranke) Einschränkungen in visueller Wahrnehmung, antero- und retrograde Amnesie
Transiente amnestische Störungen
Weitere Gehirnverletzungen
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Erklärungsansätze der Amnesie
Phasenorientierte Erklärungsansätze
1) Konsolidierungstheorie
•
•
•
Historisch älteste Theorie, sieht die Amnesie als Defizit beim Übertragen von Informationen aus dem
KZG ins LZG
Kritik: retrograde Amnesie und intaktes Lernen von Fertigkeiten kann nicht erklärt werden
Squire et al. Nahmen daher an, dass der Zeitverlauf der Konsolidierung langsam verläuft und Prozesse
wie Reaktivierung und Elaboration umfasst.
2) Enkodierungstheorie
•
•
•
•
•
Problem bei der Enkodierung (die Darstellung einer Information mithilfe eines Codes) von
Informationen.
Patienten mit Korsakoff-Amnesie zeigen keine Aufhebung der proaktiven Interferenz beim
Kategoriewechsel (konnten sich also nach Subtrahieren der Zahlen die Wörter aus der neuen
Kategorie nicht einfacher merken)
keine semantische Enkodierung (nach Bedeutung) nach Craick & Lockheart
Kritik: retrograde Amnesie wird nicht erklärt, Gedächtnisstörung = Sekundärfolge mangelnder
Aufmerksamkeit?
Jacoby (1983): Amnesie als Defizit beim „willentlichen Erinnern“ bei gleichzeitig intakter perzeptueller
Verfügbarkeit (perceptual fluency) der gelernten Items
3) Abruftheorie
•
•
Problem beim Abruf der Information
Kritik: mehr, schwerwiegendste anterograde Amnesie als retrograde Amnesie (die beiden Ausmaße
korrelieren nicht miteinander) keine generelle Erklärung
Bereichsorientierte Erklärungsansätze
1) Amnesie als Störung des episodischen (Ereigniswissen, persönliche Erfahrungen) bei erhaltenem
semantischen (Faktenwissen) Gedächtnis
•
•
•
Patienten haben oft erhaltenes semantisches Wissen (Faktenwissen)
Kritik: semantisches Wissen wurde meist vor der Amnesie erworben (Was ist bei retrograder
Amnesie?), Patienten mit retrograder Amnesie für öffentliche Ereignisse, Patienten haben große
Probleme beim Neuerwerb semantischer Informationen (z.B. Vokabellernen, H.M. lernte 10 Tage lang
à 150 Lerndurchgänge 8 neue Vokabeln und scheiterte… ), Annahme, dass semantische
Gedächtnisaufgaben generell leichter sind
Semantisches und episodisches Gedächtnis sind ähnlich stark beeinträchtigt, auch der Neuerwerb
von semantischen und episodischen Informationen ist gleichermaßen beeinträchtigt
Gedächtnis für Kontext –Gedächtnis für Fakten
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
•
•
Squire(1982): Patienten mit Wernicke-Korsakoff-Amnesie scheinen eine zusätzliche Beeinträchtigung
des Gedächtnisses für zeitliche Abfolgen zu haben – Problem: REIHENFOLGE
Janowskyet al. (1989): Quellenamnesie. Patienten mit Läsionen im Frontallappen (ohne Amnesie)
erinnern genauso viele Fakten wie Kontrollprobanden, haben aber häufig die Quelle dieser Fakten
vergessen – Problem: QUELLE
2) Amnesie als Störung des expliziten/deklarativem (Wissen) bei erhaltenem implizitem/prozeduralem
(Verhalten) Gedächtnis
•
•
Cohen & Squire(1980): Deklaratives Gedächtnis beinhaltet Wissen über Fakten und Ereignisse und ist
dem Bewusstsein zugänglich („knowing that“). Prozedurales Gedächtnis ist implizit („knowing how“).
Graf & Schacter(1985): Verwenden die Begriffe „explizites“ vs. „implizites“ Gedächtnis als streng
atheoretische Begriffe, die sich lediglich auf den Zustand des Individuums beim Gedächtnisabruf
beziehen, also auf Gedächtnis, das sich aufgrund eines expliziten, bewussten Abrufs manifestiert, vs.
Gedächtnis ohne bewussten Abruf.
Semantisches Gedächtnis bei Amnesie
•
•
•
Semantisches Wissen (Faktenwissen) ist eigentlich bei Amnesiepatienten intakt, doch Warrington &
McCarthy (1987) untersuchten eine Reihe von Patienten mit großen semantischen Wissensdefiziten
Warrington & Shallice (1984) zeigten, dass semantische Gedächtnisstörungen selektiv sein können
(belebte <-> unbelebte Objekte mehr unbelebte erkannt (70-80%), da im Alltag mehr benutzt
(Ausnahme Instrumente) bei belebten nur 5% (Ausnahme Körperteile))
Unterschied funktionales Wissen <-> Visuelles Wissen (Hammer <-> Katze) (Kiefer & Spitzer, 2000)
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
V VERGESSEN
•
•
Selbstversuch Ebbinghaus: lernte 169 Listen mit je 13 sinnlosen Silben. Versuchte diese Listen nach
variablen Intervallen wieder zu lernen, ein Teil war vergessen
Zeit, die zum erneuten Lernen benötigt wurde = Maß für das Vergessen
•
•
Logarithmische Beziehung
Items, die das „rapide Vergessen“ überstanden haben, haben
gute Chancen weiter zu „überleben“
Diverse Versuche
•
•
•
Warrington & Sanders (1971)> Markante öffentliche Ereignisse jedes der letzten ~30 Jahre
Bahricket al. (1975). Gedächtnis für Namen und Gesichter ehemaliger High SchoolKlassenkameradennach mehr als 30 Jahren
Frau schrieb Tagebuch (2 Ereignisse pro Tag) und las diese nach 5 Jahren zufällig. Oft gelesene blieben
viel länger im Gedächtnis
Erkenntnisse
•
•
Erinnert man sich mehrmals an ein Ereignis wird es im Vergessensverlauf aufgefrischt und weniger
stark vergessen, im schlechtesten Fall jedoch erinnert man sich an die Reproduktion
Vergessen findet bis zu einem bestimmten Punkt statt, dann scheint das Gedächtnis wie eingefroren
(„permanent store“)
Vergessen von Fertigkeiten
Kontinuierliche Fertigkeiten (closed-loop)
• Geschlossener Kreislauf, immer gleich
• Fliegen, Fahrrad fahren Fleischmann &
Parker: Probanden wurden im Flugsimulator
trainiert, zeigen nach 9-24 praktisch
unveränderte Fähigkeiten
Theorien des Vergessens
1) Zerfall der Gedächtnisspur
•
•
Passiver Prozess
Kritischer Faktor: Zeit
Diskrete Fertigkeiten (open-loop)
• Bedürfen ständiger Nachkontrolle
• Z.B. visueller Input erforderlich bei
Schreibmaschine
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
2) Zerstörung der Gedächtnisspur durch nachfolgende Lerninhalte (Interferenz)
•
•
•
•
Kritischer Faktor: Anzahl neuer Lerninhalte
Bsp.: Rugbyspieler sollten die Teams nennen, gegen die sie als letztes gespielt haben. Erinnerung war
abhängig von Anzahl intervenierender Spiele
Probanden die Material abends unmittelbar vor dem Zubettgehen lernen, zeigen besseres Gedächtnis
als Probanden, die morgens lernen(Jenkins & Dallenbach, 1924) Annahme: weniger Vergessen
durch weniger intervenierende Ereignisse Vergessen durch Interferenz
Doch: spätere Vermutung: Schlaf ist verantwortlich (Crick& Mitchison, 1983) nicht klar belegt
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
V I DENKEN
Denken
• Propositional (sprachlicher Gedankenstrom)
• Bildhaft
• Motorisch (Vorstellung mentaler Bewegungsabläufe)
z.B. Tageszeitung
Name von Person sofortige
Assoziation mit Bild
Hoher Grad an Abstraktion
– Konzept-Denken
Konzepte
•
•
•
•
sind kognitive Repräsentationen von Klassen von Dingen. Konzepte umfassen die Merkmale oder
Relationen, die einer Klasse von Objekten gemeinsam sind.
Konzepte haben Vorhersagekraft (predictivepower, vgl. Barsalou, 1985)
Konzepte resultieren aus der Fähigkeit, individuelle Erfahrungen zu kategorisieren, ihnen ein gleiches
Etikett zu geben und sie funktionell gleichartig zu behandeln.
Konzeptbildung wird als grundlegende Fähigkeit höherer Organismen betrachtet.
Erwerb von Konzepten
•
•
•
In der Regel durch Erfahrungen erworben
1) Exemplarstrategie
o Geht von einzelnen Exemplaren aus, die im Gedächtnis gespeichert wurden. Durch Erfahrung
mit weiteren Exemplaren kann ein Konzept zunehmend verfeinert werden, z.B. „Katze“
2) Strategie des Hypothesentestens
o Geht von bereits bekannten Exemplaren aus und abstrahiert daraus allgemeine Merkmale.
Neue Exemplare werden daraufhin geprüft, ob sie der Hypothese entsprechen
Kategorisierung
Kritische Merkmalstheorie:
•
Ein Konzept wird charakterisiert durch das Vorhandensein einer genügenden Anzahl notwendiger
Merkmale.
Prototypentheorie:
•
Ein Konzept wird charakterisiert durch einen Prototyp, welcher der zentralen Tendenz der Merkmale
aller Exemplare des Konzepts entspricht.
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Exemplarbasierte Theorien:
•
Ein Konzept wird charakterisiert durch eine Sammlung von Exemplaren.
Experimente
(Moar, 1987)
Entfernungen innerhalb Deutschland wurden generell
überschätzt. Dies geschieht besonders, wenn die „mentale
Mauer“ bei einer Entfernungsschätzung überschritten wird
(Carbon, Leder)
Neglect-Patienten
•
•
•
Patienten mit Neglect vernachlässigen die linke Raumhälfte stark (keine halbseitige Erblindung!)
Neglect bezieht sich auf bildliche Vorstellung d.h. der Fehler scheint in der mentalen
Repräsentation (nicht in der Wahrnehmung) zu liegen
Experiment von Bisiach & Luzatti (1978):
o Milano, Piazza del Duomo: Stell dir vor, du stehst auf dem Mailänder Dom, welche Gebäude
siehst du dir gegenüber? Neglect-Patienten erinnerten sich nur an Gebäude rechts. Stellt
dir vor, du stehst auf dem Platz und blickst zum Dom, welche Gebäude siehst du? nun
genau die Gebäude der anderen Seite
Schlussfolgerndes Denken
Deduktives Denken
Ableitungen von Erkenntnissen aus allgemeinen
Regeln (Regel vorgegeben)
Induktives Denken
Der Schluss von Einzelfällen auf das Allgemeine
(Regel selbst finden)
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Bayes-Theorem
•
•
•
A priori Wahrscheinlichkeit: Die Wkt, Mitglied einer Klasse (z.B. weisserSchwäne) zu sein, ist umso
grösser, je grösserder Anteil dieser (z.B. weissen) Mitglieder an der Gesamtheit (z.B. der Schwäne) ist
(base-rate-rule).
Bedingte Wahrscheinlichkeit: Wkt, dass ein Ereignis eintritt, wenn eine bestimmte Hypothese zutrifft
(z.B. dass wir in Europa sind).
A posteriori Wahrscheinlichkeit: Wkt, dass eine Hypothese nach Berücksichtigung eines Ereignisses
tatsächlich eintritt.
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
V II AUGENZEUGENAUSSAGEN
•
•
Beispiel: In England& Wales wurde bei einer Überprüfung von 200 Fällen, jeweils nur
o 45 % der Täter identifiziert
o 85% von diesen verurteilt
Oft Augenzeugenbericht einzige Evidenz, in diesen Fällen werden
o 74 % der Verdächtigen verurteilt
Fehlbarkeit von Augenzeugenaussagen
•
•
Seit der Einführung von DNA-Test wurden in den USA bis 2008 ca. 200 verurteilte Personen
rehabilitiert lange Lagerung von DANN-Beweismitteln erforderlich
Richter und Polizisten wissen oft nichts von den psychologischen Erkenntnissen über Fehlbarkeit
Lückenhafte/fehlerhaft Beobachtungsgabe
•
•
•
•
Simons & Levin: Auch dramatische Veränderungen einer visuellen Szene werden oft nicht bemerkt
(change blindness)
Beobachter sind häufig davon überzeugt, dass sie beschriebene Veränderungen bemerken würden
Besonders einfach in nicht fixierten Objekten zu übersehen
o Tür bei Wegerfragung
o Lindholm und Christianson: Video eines simulierten Raubüberfalls wurde schwedischen und
immigrierten Studenten gezeigt danach: 8 Fotos nur 30 % korrekt | Leistung besser bei
derselben Ethnik des Täters | häufiger Immigrant beschuldigt
Grundlegende Unterscheidung: Andere Mechanismen für das Erkennen bekannter und das
Wiedererkennen unbekannter Personen (Hancock et al., 2000) bekannte Gesichter unterscheiden
sich leichter Im forensischen Kontext geht es oft um das Wiedererkennen Unbekannter!
Post-hoc-Verzerrung
• Loftus & Palmer: Autokollision (31.8 – 40.8 mph)
Missattribution
• Info wird zwar erinnert, die tatsächlich erlebt wurde, stammt aber von anderem Ereignis/Quelle Donald Thomson
Individuelle Unterschiede
Altersunterschiede:
• Kleine Kinder weniger reliabel
• Ältere Menschen ebenso (identifizieren eher fälschlicherweise, lassen sich „false memories“
entlocken)
• Own age bias
Ethnikunterschiede:
• Bessere Wiedererkennung von Gesichtern der eigenen ethn. Gruppe own race bias
• Erklärungsmöglichkeiten:
o Expertise-Hypothese = häufig gesehene Gesichter können perzeptuell leichter kodiert werden
o Soziokognitive Hypothese = Gesichter einer „outgroup“ werden unvollständig verarbeitet
(Schubladensystem, keine Infos wie Attraktivität…)
• Gegen soziokognitive Hypothese: gemorphte Gesichter ergaben Mischungen 2er ethn. Gruppen inund outgroup wurden gleich gut erkannt.
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
Konfidenz von Augenzeugen
• Richter und Geschworene lassen sich tendentiell von der Konfidenz von Augenzeugen beeinflussen
• Perfect & Hollins (1996): Konfidenz in einer Identifikationssituation korreliert zwar mit
Allgemeinwissen, aber kaum mit der eigentlichen Identifikationsleistung
• In Gerichtsverhandlungen dürfte die Beziehung zwischen Konfidenz und Identifikationsleistung noch
schwächer sein (coaching, confirmatory feedback)
Einfluss von Angst und/oder Gewalt
• Metaanalyse von Deffenbacher et al. (2004): Konsistent reduzierte Identifikationsleistung bei hohem
Niveau von Angst bzw. Stress sowohl für Gesichter (54% vs. 42%) als auch für Details einer
Verbrechensszene (64% vs. 52%)
CCTV-Erkennung
Bedingungen:
• Ganzer Körper: > 90% richtig
• Gang nicht erkennbar: > 80%
• Körper verdeckt: > 80%
• Gesicht verdeckt: < 40 %
Verbal overshadowing
• Schooler und Engstler-Schooler (1990): Augenzeugenidentifikation nach Betrachten eines Videos des
Verbrechens leidet unter dem Versuch, den Täter zuvor sprachlich zu beschreiben
• Dieser Effekt kommt möglicherweise dadurch zustande, dass eine verbale Täterbeschreibung die
Augenzeugen bei einer späteren Gegenüberstellung vorsichtiger werden lässt (d.h. es wird eher kein
falscher, aber insgesamt seltener überhaupt ein Täter benannt; Clare & Lewandowsky, 2004)
• Auch spezifische Enkodierungsstrategien und insbesondere physische Beschreibungen scheinen das
Gedächtnis für Gesichter nicht zu verbessern, sondern im Vergleich zu einer spontanen
Enkodierungsstrategie eher zu verschlechtern (Sporer, 1991 wollte Wiedererkennung verbessern,
verschiedene Methoden verschlechterten die Leistung jedoch nur weiter oder ließ sie gleich bleiben)
Polizeiliche Prozeduren mit Augenzeugen
Gegenüberstellungen (lineups).
•
Valentine et al. (2003) analysierten Daten von 640 echten Augenzeugen, die in 314 echten
Gegenüberstellungen der Londonder Polizei Verdächtige identifizieren sollten. Etwa 40%
identifizierten den Verdächtigen, etwa 20% identifizierten eine nicht verdächtige Person, und 40%
nahmen keine Identifikation vor
•
Wichtig: der Augenzeuge sollte informiert werden, dass der Täter u.U. nicht unter den Personen ist.
Diese Warnung reduzierte die Gefahr einer falschen Identifikation um 42%, während gleichzeitig die
Gefahr des „Verpassens“ des echten Täters nur um 2% verringert wurde (Steblay, 1997).
•
Simultane oder sequentielle Präsentation? Meist wird simultane Präsentation verwendet; bei
sequentieller Präsentation scheinen Augenzeugen insgesamt konservativer zu agieren, d.h. weniger
falsche Identifikationen, aber auch weniger korrekte Identifikationen zu produzieren (Steblay et al.,
2001)
Interviewtechniken
• Typische Fehler:
1. Zu enge Fragen (closed-endedquestions). Z.B. „Welche Farbe hatte das Auto?“. Besser „Was
können Sie über das Auto sagen?“
Zusammenfassung
Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache
2.
3.
•
•
Unterbrechungen während des Berichtes
Vorgefertigtes Schema von Fragen in einer bestimmten Reihenfolge, ohne die Antworten des
Zeugen zu berücksichtigen
Empfehlungen (entsprechend dem kognitiven Interview; Geiselmanet al., 1985)
1. Mentales „reinstatement“ der Umgebung und der persönlichen Kontakte, die während des
Verbrechens stattfanden
2. Ermunterung, jedes Detail zu berichten, unabhängig davon wie nebensächlich es für das
Verbrechen scheint
3. Versuch, das Ereignis in mehreren unterschiedlichen Abfolgen zu beschreiben
4. Versuch, das Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln (inklusive denen anderer Teilnehmer oder
Zeugen) zu berichten
Studien zeigen die Überlegenheit des kognitiven Interviews im Vergleich zu Standard-Interviews der
Polizei oder Hypnosetechniken (Geiselmanet al., 1985; Köhnkenet al., 1999)
Skript aus dem WS 2010/2011 von Laura ☺
Herunterladen