Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache EINLEITUNG Aplysia Gedächtnisfehler …sind systematisch. Konsonanten werden häufig durch akustisch ähnliche ersetzt. Buchstaben werden offenbar im Gedächtnis eher akustisch als visuell kodiert. Rahmenbedingungen für Gedächtnissysteme Organismen besitzen mehrere sensorische Kanäle Sehen, Hören, Berührung, Geruch, Geschmack Informationen aus diesen Kanälen können aufeinander bezogen werden. Strukturorientierte Theorien betonen die Existenz unterschiedlicher Gedächtnissysteme (episodisch, semantisch…) Prozessorientierte Theorien betonen die Bedeutung unterschiedlicher Gedächtnisprozesse für das Erinnern (Enkodierung, Konsolidierung, Abruf…) Sensorische Speicher • • • Visuell – ikonische Gedächtnisspur Akustisch – echoisch Taktil (Berührung) Segner: glühendes Kohlestück auf rotierendes Rad. Ab bestimmter Rotationsgeschwindigkeit ganzer Kreis wahrgenommen Zeitdauer für Rotation = Dauer der ikonischen Gedächtnisspur ~ 0,1 s Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache George Sperling • • • • • Abbildung wurde für eine Millisekunde gezeigt Probanden konnten 4-5 Buchstaben wiedergeben Hatten Probanden nur einen Teil gesehen oder sie einen Teil bis zum Zeitpunkt der Abfrage vergessen? Danach: wieder Aufblendung, aber nur noch 1 Reihe abgefragt (Ein Hinweis wurde gegeben, welche Reihe repliziert werden soll) Probanden hatten fast alle aus der Reihe richtig Buchstaben gehen in Normalexperiment im Gedächtnis verloren, hier nicht Je eher Hinweis gezeigt wurde (im besten Fall schon mit der Aufblendung) desto besser die Merkleistung Wurden Buchstaben in hell gezeigt, war Leistung ebenfalls besser Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache I KURZZEITGEDÄCHTNIS Das KZG ist ein System für die temporäre Speicherung und Manipulation einer begrenzten Zahl von Informationen. Die magische Zahl 7 ± 2 nach George A. Miller • • Methode des „Subitizing“ schnelles Beurteilen von Anzahlen. 1 bis 200 Punkte wurden gezeigt, Vpn sollten merken. 5-6 Punkte wurden fehlerfrei erkannt, alles darüber hinaus nicht fehlerfrei. Klassische Methode: digit span (Jacobs, 1887) Die Kapazität kann durch Mnemotechniken erweitert werden. • • • Chunking = Gruppierung (63543289 63 5432 89) Rehearsal = innere Wiederholung Man vergisst auch weniger als 7 Items schnell, wenn man sich nicht intern wiederholen kann und/ oder anderweitig beschäftigt ist z.B. in 3er Schritten rückwärts zählen (Brown & Peterson) Vergessen im KZG • Experiment: Drei Konsonanten merken, von einer Zahl 4 mal 3 subtrahieren, Wiedergabe der Konsonanten Rehearsal wurde verhindert = Interferenz Proaktive Interferenz • • • Die Proaktive Interferenz bezeichnet die Beeinflussung bzw. Überlagerung von neu erworbenen Gedächtnisinhalten durch früher Gelerntes Experiment: 3 Tiere merken, Rechenaufgabe, Tiere wiedergeben (Rehearsal wird verhindert). Bei Kategoriewechsel ist Wiedergabe einfacher, proaktive Interferenz hat sich aufgehoben Nachrichtenmeldungen: Themawechsel nach drei aufeinanderfolgenden thematisch ähnlichen Meldungen bewirkt eine Steigerung der Gedächtnisleistung für die vierte Meldung Serielle Positionseffekte • • • • Primacy- und Recency- Effekt Liste mit 10, 20 oder 30 Wörtern, Wiedergabe sofort oder nach 15-30 sek Bei sofortiger Wiedergabe, Wiedergabe der ersten und letzten Items besonders gut (Postman & Philips, 1965) Effekte beruhen auf verschiedenen Mechanismen: Primacy-Effekt v.a. auf LZG, Recency-Effekt nur im KZG Recency-Effekt verschwindet je länger die Pause bis zur Wiederholung LZG und KZG beruhen auf unterschiedlichen Systemen! Bei amnestischen Patienten kann das KGZ völlig intakt sein (intakte Zahlenmerkspanne, intakter RecencyEffekt, normale Effekte in der Brown-Peterson-Aufgabe). Umgekehrt gibt es Patienten mit intaktem LZG, aber gestörtem verbalen KZG. Kodierung im KZG eher nach phonologischen, im LZG eher nach semantischen Merkmalen. Versuch Baddeley (1966). Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache • • • Phonologisch ähnlich/distinkt Semantisch ähnlich/distinkt Wiedergabe bei den phonologisch ähnlichen am schlechtesten Verarbeitungstiefe • • Craick & Lockheart (1972): Übertragung eines Items von KZG zu LZG hängt von der Verarbeitungstiefe ab Größere Verarbeitungstiefe bei semantischer Wortverarbeitung („deep encoding“) als bei phonologischer Verarbeitung („shallow encoding“) Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache II ARBEITSGEDÄCHTNIS Das Arbeitsgedächtnis ist ebenfalls ein System zur temporären Speicherung und Manipulation einer begrenzten Zahl an Informationen. Es ist nützlich um z.B. komplexe gesprochene Sätze zu verstehen oder für das Kopfrechnen. Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley Kontrollsystem – hier wird die Info manipuliert und verarbeitet wurde später um episodischen Puffer (= System, dass Informationen aus mehreren Quellen integriert, verbindet Informationen im Bewusstsein) erweitert Die zentrale Exekutive • • • • = Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität Kontrolliert phonologische Schleife und visuell-räumlichen Notizblock Steht in Verbindung zum LZG Bisher am wenigstens verstandene Komponente Phonologische Schleife • Arbeitsspeicher für gesprochenes Material Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Visuell-räumlicher-Notizblock • Arbeitsspeicher z.B. für das Erinnern von visuellen Informationen (Wie viele Tische hat ihr Lieblingscafé?) Evidenz für die phonologische Schleife (= dass es einen Arbeitsspeicher für gesprochenes Material gibt) 1) Phonologischer Ähnlichkeitseffekt: Die Tendenz, dass Fehler der Probanden phonologisch ähnlich zum korrekten Item sind (F S, B G etc), und die Tatsache, dass phonologisch ähnliche Items schwieriger zu erinnern sind als phonologisch unterschiedliche Items (Baddeley, 1966). 2) Irrelevanter Spracheffekt: Präsentation von irrelevanter, zu ignorierender gesprochener Sprache beeinträchtigt das KZG für visuell präsentierte Ziffern. Der Effekt ist unabhängig davon, ob die irrelevante Sprache englisch, deutsch oder arabisch ist; irrelevante nichtsprachliche Stimuli erzeugen ihn aber nicht (Salamé& Baddeley, 1982, 1989, Jones, 1994, 1995). Annahme daher: nur sprachliches Material kann in den phonologischen Speicher gelangen. 3) Der Effekt der Wortlänge auf die Gedächtnisspanne: Lange Worte kürzere Gedächtnisspanne; kurze Worte längere Gedächtnisspanne (Baddeley et al., 1975). Grund: rehearsal dauert für lange Wörter länger Gedächtnisspur vorher gezeigter Wörter zerfällt leichter. Effekt bleibt aus, wenn rehearsal verhindert (z.B. durch sog. artikulatorische Supression („das, das, das…“)), d.h. dann werden auch kurze Worte rasch vergessen 4) Artikulatorische Suppression (also Unterdrückung des inneren Wiedersprechens) eliminiert o den phonologischen Ähnlichkeitseffekt bei visueller Präsentation (= zu merkende visuell präsentierte Buchstaben können ja nun nicht sprachlich gemerkt werden kein Ähnlichkeitseffekt) Interpretation: visuelles Material kann nicht in den phonologischen Speicher transferiert werden) o und es eliminiert auch den irrelevanten Spracheffekt (= keine Ablenkung“ und Verschlechterung der Merkleistung durch Einspielen von irrelevanter Sprache, da zu merkende Sprache ja nun nicht phonologisch verarbeitet wird, denn inneres Wiederholen wird ja unterdrückt) (Interpretation: wenn Material nicht in den phonologischen Speicher gelangt, wird es auch nicht von irrelevantem Sprachmaterial gestört). (Kritik jedoch: Phonologischer Ähnlichkeitseffekt und irrelevanter Spracheffekt scheinen auf unterschiedlichen Mechanismen zu beruhen; Martin-Loeches, Schweinberger & Sommer, 1997) Rolle der phonologischen Schleife • • • Kapazität der phonologischen Schleife kann die Effizienz des Fremdsprachenerwerbs vorhersagen Kinder mit verzögertem Spracherwerb haben oft eine stark reduzierte verbale Gedächtnisspanne und sind besonders beeinträchtigt bei der Wiederholung von Pseudowörtern („nonwordrepetitiondeficit“) Baddeley hält die phonologische Schleife für eine entscheidende Komponente beim Neuspracherwerb Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Arbeitsgedächtnisspanne • • • Aufgabe: Lesen von einfachen Sätzen, am Ende soll das letzte Wort jedes Satzes reproduziert werden Erkenntnis: Leistung korreliert mit Leseverständnis Arbeitsgedächtnisspanne korreliert hoch mit schlussfolgerndem Denken, evtl. Intelligenz Tiefendyslexie (deepdyslexia; Coltheartet al., 1980) • • • Aussprechbare Pseudowörter („flart“„speep“) können nicht mehr gelesen werden. Große Probleme beim Lesen abstrakter Wörter („Hoffnung“„Recht“) , aber geringere Probleme bei konkreten, vorstellbaren Wörtern („Haus“„Geige“). Häufig werden „semantische Fehler“ gemacht (Währung Geld, Fluss See), was impliziert, dass es möglich ist ein Wort ungefähr zu verstehen, ohne Zugriff auf dessen Phonologie zu haben Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache III LANGZEITGEDÄCHTNIS (nach Tulving) Methoden zur Erforschung des Gedächtnisses 1. 2. 3. Untersuchung neuropsychologischer Patienten (z.B. welche Gedächtnisbereiche können unabhängig voneinander gestört sein?) Experimentelle und psychophysiologische Untersuchungen (z.B. implizit vs. expliziter Abruf, Einfluss von Priming Tierexperimentelle Studien (z.B. welche neuroanatomische Läsion bewirkt welchen funktionellen Ausfall?) IV AMNESIE Unter Amnesie versteht man ein selektives Defizit des expliziten Langzeitgedächtnisses bei gleichzeitig erhaltenen anderen kognitiven Fähigkeiten. Amnesie ist einer Kardinalstörung des LZGs. Ursachen: • • • • Gehirnverletzungen Chronische Alkoholintoxikation Infektiöse Erkrankungen des Gehirns Psychogene Amnesien = Gedächtnisdefizite ohne feststellbare organische Ursache Formen: • • Anterograd („nach vorn gerichtet“) = Störung beim Lernen neuer Informationen Retrograd („rückwärtsgerichtet“) = Störung beim Erinnern alter Information, die bereits vor dem Eintreten der Amnesie abgespeichert wurden Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Untersuchungsmethoden: • • • Freie Reproduktion (z.B. Wortlisten) Paraassoziationslernen Wiedererkennen (Ja/Nein-Test, Forced-Choice-Test (Proband hat aus zwei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten diejenige auszuwählen, die für ihn am ehesten zutrifft)) Der Patient H.M. • • • • Unterzog sich aufgrund schwerer Epilepsie 1953 einer Gehirnoperation Dabei wurden bilateral Teile der medialen Temporallappen entfernt Folge: schwere anterograde Amnesie (konnte sich an nichts erinnern, was nach der OP passierte) Aber: keine messbaren Störungen der Intelligenz, der Sprache oder des KZGs H.M. leistete ohne wirklich Kenntnis davon zu besitzen, einen immensen Beitrag zur Gedächtnisforschung (er vergaß immer wieder, was er tat und wer die Forscher waren). Im Folgenden ein paar Erkenntnisse durch H.M. Erhaltene Bereiche des Gedächtnisses • • Fertigkeiten Perzeptuell-motorische Fertigkeiten werden oft gut gelernt (Pursuit Rotor Aufgaben, Tracking-Aufgaben – Vpn verfolgt mit realen oder per PC dargestellten Gegenstand kontinuierlich bewegendes Objekt.) Denken und Problemlösen (Turm von Hanoi – H.M. war normal gut, andere Amnesiepatienten nicht gut) • • Priming Amnesiepatienten zeigen ähnliche Primingeffekte wie Kontrollprobanden Primingeffekte werden indirekt getestet und erfordern keinen expliziten Abruf Experiment • • • • • Amnesie-Probanden (schwarze Balken) mit jeweils vergleichbarer Kontrollgruppe (weiße Balken) Vowel: Gemeinsame Vokale mit dem vorherigen Wort? Proband muss auf explizites Gedächtnis zugreifen Liking: Magst du das Wort? Proband muss auf implizites Gedächtnis zugreifen In weiteren Durchgängen Tipps durch: o Completion (Wortbeginn war gegeben, freie Vervollständigung (Liking) vs. Wortstamm als Hinweis für die Replizierung von Wörtern aus der 1. Aufg. (Vowel)) Priming-Effekt o Hinweis (Cued Recall) (Worterkennungsschwelle wird noch tiefer gesetzt) noch größerer Priming-Effekt Befund: o Patienten mit Amnesie sind bei konventionellen Gedächtnistests (u.a. freier Abruf) stark beeinträchtigt o der Priming-Effekt ist von der Amnesie aber nahezu unberührt o Außerdem ist das implizite Gedächtnis (Liking) deutlich weniger beeinträchtigt. Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Können Priming (=implizites G.) und explizites Gedächtnis auch experimentell getrennt werden? • • • • Semantische Verarbeitung beeinflusst explizites Gedächtnis, aber nicht Priming (Jacoby & Dallas, 1981) Dagegen Burton, Bruce, Johnston: Priming erfordert das bewusste Erkennen des Primes widerlegt durch Schweinberger! Denn: Auditorisches Priming durch nicht erkannte Stimmen (Schweinberger, 2001) o Präsentation von Stimmen. o Einige davon im zweiten Durchgang rückwärts (kein bewusstes Erkennen der Stimme möglich!) Vpn sollten erkennen, ob Stimme bekannt oder nicht, die Rückwärtsstimmen wurden wenn nur durch Zufall erkannt. o Danach Stimmen wieder vorgespielt. o Stimmen wurden wiedererkannt, auch die aus der Rückwärtsbedingung, o Daraus folgt: Priming unabhängig von explizitem Gedächtnis! Normales Priming bei gleichzeitig verringertem explizitem Gedächtnis für nicht bzw. weniger betrachtete Gesichter (Jenkins, Burton, Ellis, 2002) o Experiment: Gesicht hinter Buchstaben o Aufgabe zu Buchstaben sollte gelöst werden o Danach Gesichterpräsentation + entweder Priming- oder explizite Gedächtnisaufgabe zu Gesicht (vorher wenig beachtet) o Unter höherer Ablenkung wurde die Gedächtnisaufgabe schlechter gelöst keine explizite Erinnerung o Der Primingeffekt blieb aber unberührt Ursachen der Amnesie • • • • • Wernicke-Korsakoff-Syndrom (durch Alkoholmissbrauch) Ischämische Hirnschädigung (durch Schlaganfall) Infektiöse Erkrankungen (Encephalitis) (Gefährliche Substanzen passieren Blut-Hirn-Schranke) Einschränkungen in visueller Wahrnehmung, antero- und retrograde Amnesie Transiente amnestische Störungen Weitere Gehirnverletzungen Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Erklärungsansätze der Amnesie Phasenorientierte Erklärungsansätze 1) Konsolidierungstheorie • • • Historisch älteste Theorie, sieht die Amnesie als Defizit beim Übertragen von Informationen aus dem KZG ins LZG Kritik: retrograde Amnesie und intaktes Lernen von Fertigkeiten kann nicht erklärt werden Squire et al. Nahmen daher an, dass der Zeitverlauf der Konsolidierung langsam verläuft und Prozesse wie Reaktivierung und Elaboration umfasst. 2) Enkodierungstheorie • • • • • Problem bei der Enkodierung (die Darstellung einer Information mithilfe eines Codes) von Informationen. Patienten mit Korsakoff-Amnesie zeigen keine Aufhebung der proaktiven Interferenz beim Kategoriewechsel (konnten sich also nach Subtrahieren der Zahlen die Wörter aus der neuen Kategorie nicht einfacher merken) keine semantische Enkodierung (nach Bedeutung) nach Craick & Lockheart Kritik: retrograde Amnesie wird nicht erklärt, Gedächtnisstörung = Sekundärfolge mangelnder Aufmerksamkeit? Jacoby (1983): Amnesie als Defizit beim „willentlichen Erinnern“ bei gleichzeitig intakter perzeptueller Verfügbarkeit (perceptual fluency) der gelernten Items 3) Abruftheorie • • Problem beim Abruf der Information Kritik: mehr, schwerwiegendste anterograde Amnesie als retrograde Amnesie (die beiden Ausmaße korrelieren nicht miteinander) keine generelle Erklärung Bereichsorientierte Erklärungsansätze 1) Amnesie als Störung des episodischen (Ereigniswissen, persönliche Erfahrungen) bei erhaltenem semantischen (Faktenwissen) Gedächtnis • • • Patienten haben oft erhaltenes semantisches Wissen (Faktenwissen) Kritik: semantisches Wissen wurde meist vor der Amnesie erworben (Was ist bei retrograder Amnesie?), Patienten mit retrograder Amnesie für öffentliche Ereignisse, Patienten haben große Probleme beim Neuerwerb semantischer Informationen (z.B. Vokabellernen, H.M. lernte 10 Tage lang à 150 Lerndurchgänge 8 neue Vokabeln und scheiterte… ), Annahme, dass semantische Gedächtnisaufgaben generell leichter sind Semantisches und episodisches Gedächtnis sind ähnlich stark beeinträchtigt, auch der Neuerwerb von semantischen und episodischen Informationen ist gleichermaßen beeinträchtigt Gedächtnis für Kontext –Gedächtnis für Fakten Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache • • Squire(1982): Patienten mit Wernicke-Korsakoff-Amnesie scheinen eine zusätzliche Beeinträchtigung des Gedächtnisses für zeitliche Abfolgen zu haben – Problem: REIHENFOLGE Janowskyet al. (1989): Quellenamnesie. Patienten mit Läsionen im Frontallappen (ohne Amnesie) erinnern genauso viele Fakten wie Kontrollprobanden, haben aber häufig die Quelle dieser Fakten vergessen – Problem: QUELLE 2) Amnesie als Störung des expliziten/deklarativem (Wissen) bei erhaltenem implizitem/prozeduralem (Verhalten) Gedächtnis • • Cohen & Squire(1980): Deklaratives Gedächtnis beinhaltet Wissen über Fakten und Ereignisse und ist dem Bewusstsein zugänglich („knowing that“). Prozedurales Gedächtnis ist implizit („knowing how“). Graf & Schacter(1985): Verwenden die Begriffe „explizites“ vs. „implizites“ Gedächtnis als streng atheoretische Begriffe, die sich lediglich auf den Zustand des Individuums beim Gedächtnisabruf beziehen, also auf Gedächtnis, das sich aufgrund eines expliziten, bewussten Abrufs manifestiert, vs. Gedächtnis ohne bewussten Abruf. Semantisches Gedächtnis bei Amnesie • • • Semantisches Wissen (Faktenwissen) ist eigentlich bei Amnesiepatienten intakt, doch Warrington & McCarthy (1987) untersuchten eine Reihe von Patienten mit großen semantischen Wissensdefiziten Warrington & Shallice (1984) zeigten, dass semantische Gedächtnisstörungen selektiv sein können (belebte <-> unbelebte Objekte mehr unbelebte erkannt (70-80%), da im Alltag mehr benutzt (Ausnahme Instrumente) bei belebten nur 5% (Ausnahme Körperteile)) Unterschied funktionales Wissen <-> Visuelles Wissen (Hammer <-> Katze) (Kiefer & Spitzer, 2000) Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache V VERGESSEN • • Selbstversuch Ebbinghaus: lernte 169 Listen mit je 13 sinnlosen Silben. Versuchte diese Listen nach variablen Intervallen wieder zu lernen, ein Teil war vergessen Zeit, die zum erneuten Lernen benötigt wurde = Maß für das Vergessen • • Logarithmische Beziehung Items, die das „rapide Vergessen“ überstanden haben, haben gute Chancen weiter zu „überleben“ Diverse Versuche • • • Warrington & Sanders (1971)> Markante öffentliche Ereignisse jedes der letzten ~30 Jahre Bahricket al. (1975). Gedächtnis für Namen und Gesichter ehemaliger High SchoolKlassenkameradennach mehr als 30 Jahren Frau schrieb Tagebuch (2 Ereignisse pro Tag) und las diese nach 5 Jahren zufällig. Oft gelesene blieben viel länger im Gedächtnis Erkenntnisse • • Erinnert man sich mehrmals an ein Ereignis wird es im Vergessensverlauf aufgefrischt und weniger stark vergessen, im schlechtesten Fall jedoch erinnert man sich an die Reproduktion Vergessen findet bis zu einem bestimmten Punkt statt, dann scheint das Gedächtnis wie eingefroren („permanent store“) Vergessen von Fertigkeiten Kontinuierliche Fertigkeiten (closed-loop) • Geschlossener Kreislauf, immer gleich • Fliegen, Fahrrad fahren Fleischmann & Parker: Probanden wurden im Flugsimulator trainiert, zeigen nach 9-24 praktisch unveränderte Fähigkeiten Theorien des Vergessens 1) Zerfall der Gedächtnisspur • • Passiver Prozess Kritischer Faktor: Zeit Diskrete Fertigkeiten (open-loop) • Bedürfen ständiger Nachkontrolle • Z.B. visueller Input erforderlich bei Schreibmaschine Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache 2) Zerstörung der Gedächtnisspur durch nachfolgende Lerninhalte (Interferenz) • • • • Kritischer Faktor: Anzahl neuer Lerninhalte Bsp.: Rugbyspieler sollten die Teams nennen, gegen die sie als letztes gespielt haben. Erinnerung war abhängig von Anzahl intervenierender Spiele Probanden die Material abends unmittelbar vor dem Zubettgehen lernen, zeigen besseres Gedächtnis als Probanden, die morgens lernen(Jenkins & Dallenbach, 1924) Annahme: weniger Vergessen durch weniger intervenierende Ereignisse Vergessen durch Interferenz Doch: spätere Vermutung: Schlaf ist verantwortlich (Crick& Mitchison, 1983) nicht klar belegt Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache V I DENKEN Denken • Propositional (sprachlicher Gedankenstrom) • Bildhaft • Motorisch (Vorstellung mentaler Bewegungsabläufe) z.B. Tageszeitung Name von Person sofortige Assoziation mit Bild Hoher Grad an Abstraktion – Konzept-Denken Konzepte • • • • sind kognitive Repräsentationen von Klassen von Dingen. Konzepte umfassen die Merkmale oder Relationen, die einer Klasse von Objekten gemeinsam sind. Konzepte haben Vorhersagekraft (predictivepower, vgl. Barsalou, 1985) Konzepte resultieren aus der Fähigkeit, individuelle Erfahrungen zu kategorisieren, ihnen ein gleiches Etikett zu geben und sie funktionell gleichartig zu behandeln. Konzeptbildung wird als grundlegende Fähigkeit höherer Organismen betrachtet. Erwerb von Konzepten • • • In der Regel durch Erfahrungen erworben 1) Exemplarstrategie o Geht von einzelnen Exemplaren aus, die im Gedächtnis gespeichert wurden. Durch Erfahrung mit weiteren Exemplaren kann ein Konzept zunehmend verfeinert werden, z.B. „Katze“ 2) Strategie des Hypothesentestens o Geht von bereits bekannten Exemplaren aus und abstrahiert daraus allgemeine Merkmale. Neue Exemplare werden daraufhin geprüft, ob sie der Hypothese entsprechen Kategorisierung Kritische Merkmalstheorie: • Ein Konzept wird charakterisiert durch das Vorhandensein einer genügenden Anzahl notwendiger Merkmale. Prototypentheorie: • Ein Konzept wird charakterisiert durch einen Prototyp, welcher der zentralen Tendenz der Merkmale aller Exemplare des Konzepts entspricht. Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Exemplarbasierte Theorien: • Ein Konzept wird charakterisiert durch eine Sammlung von Exemplaren. Experimente (Moar, 1987) Entfernungen innerhalb Deutschland wurden generell überschätzt. Dies geschieht besonders, wenn die „mentale Mauer“ bei einer Entfernungsschätzung überschritten wird (Carbon, Leder) Neglect-Patienten • • • Patienten mit Neglect vernachlässigen die linke Raumhälfte stark (keine halbseitige Erblindung!) Neglect bezieht sich auf bildliche Vorstellung d.h. der Fehler scheint in der mentalen Repräsentation (nicht in der Wahrnehmung) zu liegen Experiment von Bisiach & Luzatti (1978): o Milano, Piazza del Duomo: Stell dir vor, du stehst auf dem Mailänder Dom, welche Gebäude siehst du dir gegenüber? Neglect-Patienten erinnerten sich nur an Gebäude rechts. Stellt dir vor, du stehst auf dem Platz und blickst zum Dom, welche Gebäude siehst du? nun genau die Gebäude der anderen Seite Schlussfolgerndes Denken Deduktives Denken Ableitungen von Erkenntnissen aus allgemeinen Regeln (Regel vorgegeben) Induktives Denken Der Schluss von Einzelfällen auf das Allgemeine (Regel selbst finden) Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Bayes-Theorem • • • A priori Wahrscheinlichkeit: Die Wkt, Mitglied einer Klasse (z.B. weisserSchwäne) zu sein, ist umso grösser, je grösserder Anteil dieser (z.B. weissen) Mitglieder an der Gesamtheit (z.B. der Schwäne) ist (base-rate-rule). Bedingte Wahrscheinlichkeit: Wkt, dass ein Ereignis eintritt, wenn eine bestimmte Hypothese zutrifft (z.B. dass wir in Europa sind). A posteriori Wahrscheinlichkeit: Wkt, dass eine Hypothese nach Berücksichtigung eines Ereignisses tatsächlich eintritt. Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache V II AUGENZEUGENAUSSAGEN • • Beispiel: In England& Wales wurde bei einer Überprüfung von 200 Fällen, jeweils nur o 45 % der Täter identifiziert o 85% von diesen verurteilt Oft Augenzeugenbericht einzige Evidenz, in diesen Fällen werden o 74 % der Verdächtigen verurteilt Fehlbarkeit von Augenzeugenaussagen • • Seit der Einführung von DNA-Test wurden in den USA bis 2008 ca. 200 verurteilte Personen rehabilitiert lange Lagerung von DANN-Beweismitteln erforderlich Richter und Polizisten wissen oft nichts von den psychologischen Erkenntnissen über Fehlbarkeit Lückenhafte/fehlerhaft Beobachtungsgabe • • • • Simons & Levin: Auch dramatische Veränderungen einer visuellen Szene werden oft nicht bemerkt (change blindness) Beobachter sind häufig davon überzeugt, dass sie beschriebene Veränderungen bemerken würden Besonders einfach in nicht fixierten Objekten zu übersehen o Tür bei Wegerfragung o Lindholm und Christianson: Video eines simulierten Raubüberfalls wurde schwedischen und immigrierten Studenten gezeigt danach: 8 Fotos nur 30 % korrekt | Leistung besser bei derselben Ethnik des Täters | häufiger Immigrant beschuldigt Grundlegende Unterscheidung: Andere Mechanismen für das Erkennen bekannter und das Wiedererkennen unbekannter Personen (Hancock et al., 2000) bekannte Gesichter unterscheiden sich leichter Im forensischen Kontext geht es oft um das Wiedererkennen Unbekannter! Post-hoc-Verzerrung • Loftus & Palmer: Autokollision (31.8 – 40.8 mph) Missattribution • Info wird zwar erinnert, die tatsächlich erlebt wurde, stammt aber von anderem Ereignis/Quelle Donald Thomson Individuelle Unterschiede Altersunterschiede: • Kleine Kinder weniger reliabel • Ältere Menschen ebenso (identifizieren eher fälschlicherweise, lassen sich „false memories“ entlocken) • Own age bias Ethnikunterschiede: • Bessere Wiedererkennung von Gesichtern der eigenen ethn. Gruppe own race bias • Erklärungsmöglichkeiten: o Expertise-Hypothese = häufig gesehene Gesichter können perzeptuell leichter kodiert werden o Soziokognitive Hypothese = Gesichter einer „outgroup“ werden unvollständig verarbeitet (Schubladensystem, keine Infos wie Attraktivität…) • Gegen soziokognitive Hypothese: gemorphte Gesichter ergaben Mischungen 2er ethn. Gruppen inund outgroup wurden gleich gut erkannt. Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache Konfidenz von Augenzeugen • Richter und Geschworene lassen sich tendentiell von der Konfidenz von Augenzeugen beeinflussen • Perfect & Hollins (1996): Konfidenz in einer Identifikationssituation korreliert zwar mit Allgemeinwissen, aber kaum mit der eigentlichen Identifikationsleistung • In Gerichtsverhandlungen dürfte die Beziehung zwischen Konfidenz und Identifikationsleistung noch schwächer sein (coaching, confirmatory feedback) Einfluss von Angst und/oder Gewalt • Metaanalyse von Deffenbacher et al. (2004): Konsistent reduzierte Identifikationsleistung bei hohem Niveau von Angst bzw. Stress sowohl für Gesichter (54% vs. 42%) als auch für Details einer Verbrechensszene (64% vs. 52%) CCTV-Erkennung Bedingungen: • Ganzer Körper: > 90% richtig • Gang nicht erkennbar: > 80% • Körper verdeckt: > 80% • Gesicht verdeckt: < 40 % Verbal overshadowing • Schooler und Engstler-Schooler (1990): Augenzeugenidentifikation nach Betrachten eines Videos des Verbrechens leidet unter dem Versuch, den Täter zuvor sprachlich zu beschreiben • Dieser Effekt kommt möglicherweise dadurch zustande, dass eine verbale Täterbeschreibung die Augenzeugen bei einer späteren Gegenüberstellung vorsichtiger werden lässt (d.h. es wird eher kein falscher, aber insgesamt seltener überhaupt ein Täter benannt; Clare & Lewandowsky, 2004) • Auch spezifische Enkodierungsstrategien und insbesondere physische Beschreibungen scheinen das Gedächtnis für Gesichter nicht zu verbessern, sondern im Vergleich zu einer spontanen Enkodierungsstrategie eher zu verschlechtern (Sporer, 1991 wollte Wiedererkennung verbessern, verschiedene Methoden verschlechterten die Leistung jedoch nur weiter oder ließ sie gleich bleiben) Polizeiliche Prozeduren mit Augenzeugen Gegenüberstellungen (lineups). • Valentine et al. (2003) analysierten Daten von 640 echten Augenzeugen, die in 314 echten Gegenüberstellungen der Londonder Polizei Verdächtige identifizieren sollten. Etwa 40% identifizierten den Verdächtigen, etwa 20% identifizierten eine nicht verdächtige Person, und 40% nahmen keine Identifikation vor • Wichtig: der Augenzeuge sollte informiert werden, dass der Täter u.U. nicht unter den Personen ist. Diese Warnung reduzierte die Gefahr einer falschen Identifikation um 42%, während gleichzeitig die Gefahr des „Verpassens“ des echten Täters nur um 2% verringert wurde (Steblay, 1997). • Simultane oder sequentielle Präsentation? Meist wird simultane Präsentation verwendet; bei sequentieller Präsentation scheinen Augenzeugen insgesamt konservativer zu agieren, d.h. weniger falsche Identifikationen, aber auch weniger korrekte Identifikationen zu produzieren (Steblay et al., 2001) Interviewtechniken • Typische Fehler: 1. Zu enge Fragen (closed-endedquestions). Z.B. „Welche Farbe hatte das Auto?“. Besser „Was können Sie über das Auto sagen?“ Zusammenfassung Allgemeine 1 - Gedächtnis, Denken, Sprache 2. 3. • • Unterbrechungen während des Berichtes Vorgefertigtes Schema von Fragen in einer bestimmten Reihenfolge, ohne die Antworten des Zeugen zu berücksichtigen Empfehlungen (entsprechend dem kognitiven Interview; Geiselmanet al., 1985) 1. Mentales „reinstatement“ der Umgebung und der persönlichen Kontakte, die während des Verbrechens stattfanden 2. Ermunterung, jedes Detail zu berichten, unabhängig davon wie nebensächlich es für das Verbrechen scheint 3. Versuch, das Ereignis in mehreren unterschiedlichen Abfolgen zu beschreiben 4. Versuch, das Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln (inklusive denen anderer Teilnehmer oder Zeugen) zu berichten Studien zeigen die Überlegenheit des kognitiven Interviews im Vergleich zu Standard-Interviews der Polizei oder Hypnosetechniken (Geiselmanet al., 1985; Köhnkenet al., 1999) Skript aus dem WS 2010/2011 von Laura ☺