Kunst- und Kulturwissenschaften Vorlesung 2 Baugeschichte und Bauanalyse: Nachkriegszeit – Straßennetz u. Kubatur wieder aufgebaut (Krefeld) - Historische Vorgeschichte eines Gebäudes beachten wie Geschichte selbst Bsp. Kunsthaus Faktensicherung 2 Methoden: 1. Bauaufnahme Vermessung und plangerechte Darstellung, Skizzen, Fotos, mit Leuten Interviews führen, die darin leben oder gelebt haben 2. Rückgriff auf Sekundärliteratur - immer wissenschaftliche Literatur - Zeichnung mit allen Details - Ziegelfertigung, Schichtung ... lassen Rückschlüsse auf die Zeit zu - Stile Stadtpfarrkirche St. Andreas/Kitzbühl Turm wurde später in die Kirche eingebaut - C14 Methode: alle organischen Stoffe bis 40 Jahre zurückdatieren Dendrochronologie anhand Jahresringe des Holzes lässt sich Alter erkennen Schriftliche und bildliche Quellen: Quelle: alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen ein Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann. - historische Pläne - Skizzen - Planänderungen - Einreichpläne - historische Fotos - Texte - Briefverkehr zw. Architekt und Bauherr .... Zu finden in Archiven, Museen, Schriften - Dehio Österreichische Kunsttopographie jedes Gebäude historisch erfasst; in Monarchie begonnen 1 Kunst- und Kulturwissenschaften Graz: Profanbauten; Innere Stadt Band I Band II (Lend und Grieß) - Agis. Graz Zonen die in Graz unter Schutz gestellt sind Fotos, Beschreibung usw. von jedem Haus Jede Quelle (Architekt) muss einer Kritik unterzogen werden. Bei alle Quellen wie auch Fotografien oder Grundrisse. GR sind Abstraktion und daher meistens falsch – idealisierte Darstellungen, Mauern begradigt ... Vorlesung 3 Baugeschichte Wozu? Funktion, Bauaufgabe (Büro, EFH, Geschäft ...) - Umnutzungen müssen ebenso berücksichtigt werden Warum? Anlass, Zweck - wirtschaftlicher, sozialer, religiöser, kultureller ... Bedarf Wo? Bauplatz, städtebaul. Kontext - Umfeld, um Aussehen zu verstehen - Nicht mehr existierende Gebäude sofern diese Einfluss haben Wer? Wichtigste Akteure Womit? Finanzierung - öffentl., private, Mischfinanzierung ... , Ablasshandel ohne Ablasshandel wäre keine mittelalterliche Architektur möglich gewesen Wann? Datierung - genauere Differenzierung zw. Wettbewerb, Baubeginn, Bauende, Eröffnung... Baubescheibung: Dieselben Fragen: 2 Kunst- und Kulturwissenschaften Wo? Bauplatz, städtebaul. Kontext, Achsen, Sonneneinstrahlung ... Was? GR, Aufriss, von außen nach innen, vom großen Gesamten ins Detail Woraus? Material - Technik Wie? Konstruktion u. Form/Stil - Proportionen, Anordnung der Elemente, Formensprache Liebfrauenkirche Kitzbühl - das Wort „Stil“ sollte in Architekturpräsentationen nie verwendet werden – ist seit der Moderne verpönt – diese hat sich als stillose Architektur gesehen – es ging vielmehr um die Funktion - Heinrich Hübsch: In welchem Style sollen wir bauen? 1828 Verfechter des Klassizismus – er hat klar gemacht, dass Style eine Frage der Wahl ist - Karl Friedrich Schinkel: Projekte werden bei Wettbewerben in versch. Stylen eingereicht - Raumstruktur blieb die Gleiche – ein „Stilkleid“ wurde übergezogen - Moderne wollte nackte, reine Konstruktion zeigen – Ablehnung des Stiles Bsp. Haus am Michaelerplatz von Adolf Loos 1909-11 - Stil betrifft nur die äußere Hülle Paradigmen Stilkunstgeschichte – Antike bis 1990 Lat. Stilus – Werkzeug zum Schreiben im übertragenen Sinne: „wie man schreibt“ Genus humile – einfach Genus medium – mittel Genus grande – großartig Je nach Anlass! Adelige etc = Verse Volk = Prosa Ebenso in der Architektur zB in der Säulenordnung zu erkennen: 3 Kunst- und Kulturwissenschaften - dorische/toskanische Säule = einfach dionische Säule = größerer Anspruch korinthische/komposite Säule = Paläste .... Bsp. Basilika Vicenza; Il Redentore in Venedig von Palladio Der Umschwung kam im 16. Jhd. 1578/79 Camillo Boito - sagt über Bauten von Palladio: Antiker Stil ist für moderne Kirche nicht angemessen - Geschichte ist ein Konstruktionsprozess - Kunst- und Architekturgeschichte ist Naturgeschichte - Plinius der Ältere: hat Kunstgeschichte analog dem Organismus einer Pflanze betrachtet - Vater der Kunstgeschichte ist Giorgio Vasari (Maler/Architekt) hat das erste Kunstgeschichte-Werk geschrieben - Johann Joachim Winckelmann: Begründer der modernen Kunstbetrachtung „Gedanken über die Nachahmung der griech. Werke“ = Startschuss des Klassizismus - „Geschichte d. Kunst des Mittelalters“ Einteilung der Stile schöner Stil = Hermes mit Dyonysoskind alles danach Zeit des Verfalls; Hellenismus = Verfallszeit das Hässliche wurde gezeigt, kein Maß gefunden - Goethe und die Morphologie: er war Vorläufer von Darwin’s Evolutionstheorie; Studien der Natur -> Formen haben Morphologik, nach Gesetzmäßigkeiten verändern sie sich = Evolution Bei Goethe ist die Form immer Ausdruck eines Wesens. Er hat erkannt, dass unterschiedliche Phänomene in der Natur auf ähnliche Strukturen beruhen: „In den gleichzeitig existierenden Dingen kann selbst dort, wo die sinnliche Anschauung nichts als Sprünge bemerkt, Kontinuität vorhanden sein. Denn viele Dinge erscheinen den Augen als gänzlich unähnlich und zusammenhanglos, die sich trotzdem in ihrem Innern als vollständig gleichartig erweisen würden, wenn es gelänge, sie distinkt zu erkennen.“ (J. W. Goethe, Werke, Sophienausgabe, II. Abt., 7. Bd., Weimar 1887ff, S. 214) Morphologie = Lehre von der Gestalt 4 Kunst- und Kulturwissenschaften - Ruskins Formenlehre Stones of Venice – er hat Profillinien Ideologien, Weltanschauungen zugeordnet – nicht nur Zeit “Diese Gesimse stehen für die amtskirchliche Gotik Venedigs; da liegt das christliche Element im Kampf mit dem Formalismus des Papsttums – und dieses Papsttum ist in allen Grundzügen ganz und gar heidnisch. Das Offiziöse dieser Blätter und Rippen deutet auf die apostolische Nachfolge hin und auf vieles mehr, und es bereitet sich schon der Übergang zum alten Heidentum, zur Renaissance, vor... Das ist Protestantismus; eine kleine Spur von Widerspruch, noch nicht von Schisma, steckt in diesen fallenden Blättern und mit ihr die Wahrheit des Lebens.“ (John Ruskin, The Stones of Venice, Bd. 1, London 1851, Kap. XII, § XII) - Alois Riegl 1. – aufgeräumt mit dem Modell von Blüte und Verfall - „Unsinn ganze Epoche als Verfall zu bezeichnen“ - Kunstgeschichte ist ungleich Biologie 2. – Stil ist Ausdruck eines Charakters – wurde ebenso abgelehnt von ihm Kunstindustrie = Kunsthandwerk - die Spätantike wird in seinem Werk rehabilitiert, jedes Werk nach seiner Epoche zu messen – kein anderer Maßstab darf herangezogen werden; „Kunstwollen“ – sein Begriff für das was eine Epoche will konstantinische Reliefs Vorlesung 4 Parametrismus Formen werden parametrisch bestimmt Patrick Schumacher: „Parametrismus ist der Architekturstil des 21. Jhd.“ Lifestyle – aus Psychologie in der Soziologie verwendet; beschreibt die Art wie eine Person lebt – soziale Beziehungen, Konsum, Unterhaltung, Verhaltensweisen, Konditionen, bewusste und unbewusste Handlungen – die Einstellungen reflektieren/Weltanschauung Stil = Ausdruck eines Inhaltes Bsp. König = auf Grund Kleidung einer Klasse zugeordnet 5 Kunst- und Kulturwissenschaften Alois Riegl: Stilwandel ist ein Pendeln zwischen zwei Polen, die gleichwertig sind, aber verschiedene Sichtweisen auf die Kunst bedeuten. „haptisch-optisch“ zwischen Polen pendelt die Entwicklung der Kunst, vom Haptischen zum Optischen – er belegt dies anhand der Kunst Heinrich Wölfflin (schweizer Kunsthistoriker): Er hat sich der Frage des Stilwandels ebenso gestellt – hat versucht in der Tiefe die Gründe des Stilwandels zu finden. Er hat Barock und Renaissance als die beiden Vergleichsepochen genommen. Er stellt beide auf eine Stufe und versucht den Unterschied auf 5 zentrale Strukturbegriffe zu bringen – mit diesen 5 Begriffen könne man alle Unterschiede der Epochen klären: 1. linear (zeichnerisch, plastisch, Tastbild) – malerisch (Sehbild) in Malerei, Plastik und Architektur – Bild ist wie ein Relief aufgebaut 2. flächenhaft – tiefenhaft 3. geschlossene Form (tektonisch) – offene Form (atektonisch) symmetrisch – assymmetrisch 4. Vielheitlich (Harmonie freier Teile) – Einheitlichkeit (Subordination aller Teile unter ein führendes Motiv) 5. Absolute Klarheit des Gegenständlichen – Relative Klarheit des Gegenständlichen Diese 5 Kriterien sind auch auf die Architektur umlegbar. Frauenkirche Kopenhagen (Klassizismus) im Vergleich mit der Stiftskirche Melk (Barock) Palazzo Rucellai – Palazzo della Concelleria - Unterordnung des Socklgeschosses Palazzo Odeschalchi – beherrschendes Motiv: „Unterwerfung der einzelnen Elemente“ Das malerische/optische nimmt zu. Peter Meyer (Architekt und Kunsthistoriker) hat den Gliederbau dem Massenbau gegenüber gestellt. 6 Kunst- und Kulturwissenschaften Weiche und harte Formen: Bsp: Raffael – Hochrenaissance (Anfänge)/ Perugiono – Frührenaissance Bsp: Villa Rotonda Unterschied: andere Strukturprinzipien – Übergang Säulengang zu geschlossene Wand bei Palladio Richard Boyle macht das nicht – alle Elemente stehen bei ihm für sich Hans Sedlmayr: - 1949: „Verlust der Mitte“ eigene Methode: Strukturanalyse in „gestaltetes Sehen“ „Die unterscheidbaren Einzel‘teile‘ (...) des Kunstwerks stehen (...) in einem bestimmten Ordnungszusammenhang. Sie werden durchwaltet und durchwirkt von einem organisierenden Prinzip, das wir seit (Wilhelm) Dilthey unter dem Begriff der Struktur fassen. Unter Strukturzusammenhang ist also, wie es Dilthey formuliert, zu verstehen die Anordnung, wonach Tatsachen von verschiedener Beschaffenheit durch eine innere Beziehung auf ein übergeordnetes Ganzes miteinander verbunden sind und einander wechselseitig durchdringen. In einem so beschaffenen Ganzen ist jeder akzentuierend heraussonderbare ‚Teil‘ in seinem Sein oder So-Sein an dieser seiner Stelle dieses Ganzen durch ein Strukturprinzip des Ganzen bestimmt und in diesem Sinne notwendig. (...) Das Ziel jeder ‚Strukturanalyse‘ ist: ‚von wenigem Zentralen her möglichst vieles bestimmbar, begreifbar zu machen.‘ (M. Wertheimer.)“ (Hans Sedlmayr, Kunst und Wahrheit. Zur Theorie und Methode der Kunstgeschichte, verm. Neuausgabe Mittenwald 1978, S. 102f) Vorlesung 6 Semiotik der Architektur Semeion = griech. Zeichen Semiotik, Semiologie = Lehre von den Zeichen Funktionsabläufe – alle Formen menschlicher Kommunikation als Zeichen verstanden – das Sprachliche steht im Mittelpunkt – Auswirkung auf die Architektur bis heute - Architektur als Text betrachtet Vergleich zwischen Architektur und Sprache ist so alt wie die Architektur selbst – Grammatik des Bauens (Vitruv) 60er Jahre in der Architektur insofern wichtig, als dass ein Umschwung statt fand = die Postmoderne begann „linguistic turn“ 7 Kunst- und Kulturwissenschaften Sandro Boticelli (Bild) „Die Geburt der Venus“ Zeichen, die uns überreden etwas wieder zu erkennen Rene Magritte „Der Verrat der Bilder“ Es handelt sich bloß um die Darstellung einer Pfeife Ausgangspunkt der Semiotik: Der Mensch kann nur mit Zeichen umgehen. Semiotische Systeme bei Saussure: Ferdinand de Saussure/Schweiz/Prof. der Linguistik Nach seinem Tod wurde sein linguistisches Lehrbuch publiziert. Sprache ist ein Zeichensystem – Blatt Papier/Zwei Seiten – untrennbar miteinander verbunden 1. Blatt Signifikat – Vorstellung, die man von einer Sache hat 2. Blatt der Signifiant – ist das Lautbild beide ergeben erst das Zeichen - Das Zeichen ist mit der Sache nicht identisch – Vorstellung + Lautbild – aber nicht die Sache selbst Die Vorstellung ist je nach Kultur und Kontext anders – davon abhängig Charles Sanders Pierce a) das Zeichen – er unterscheidet b) das, worauf das Zeichen verweist – das Denotatum c) die Reaktion des Empfängers – das Interpretant ad b) dem Zeichen x wird eine Bedeutung y zugeschrieben – aber auch z (der Kontext) ist dabei wichtig – das Mitschwingen anderer Bedeutungen kann nicht ausgeblendet werden – sekundäre Bedeutung – Vgl. Kunstwissenschaft Ikonografie mit Denotatum was das Bild hinaus sagen will – Überlagerung Bild Königin Victoria: Dennotatum = Überreichung der Bibel Message: „die Wilden unterwerfen sich der Zivilisation, bekommen Wissen und Schriftkultur „ein Geschenk“ an die Kolonialisierten Darstellung als Akt der Gnade, freiwillige Unterwerfung, Reinheit, Güte der Königin = das ist die „Konnotation“ 8 Kunst- und Kulturwissenschaften Roland Barthes 1915-1980 Buch – Bild oder Slogan genauer auf die Konnotation und die dahinterliegende Ideologie zu untersuchen Er unterscheidet drei Typen von Zeichen: Index: Beziehung von Zeichen – Bezeichnetes Ursache – Wirkung (zB Rauch – Feuer) Ikion: Zeichen – Bezeichnetes = Ähnlichkeit Muss nicht alles was es bezeichnet ähnlich sein (alle Arten von (Ab-) Bildern) Symbol: Konvention, willkürlich festgelegt = Sprache, Schriftzeichen, Ziffern – A = a lt. Pierce: alle Zeichen funktionieren nur innerhalb eines bestimmten Kontext ground = Kontext – Schlüssel um Zeichen richtig zu lesen (Code) Bsp. Zeichen des Kopftuches – unterschiedlicher Code Umberto Eco: Semiotik der Architektur Gebäude verweist nicht auf anderes Gebäude – Gebäude ist schwer als Zeichen zu begreifen – das Gebäude teilt aber auch etwas durch Funktion mit – seine Funktion = Ausdruck Bsp: Steinzeitmensch – sieht Höhle im Regen als Schutz Frank O. Gehry: Deutsche Bank – „Geldsicherheit“ wird assoziiert Charles Jencks Ist der führende Theoretiker der Postmoderne Jencks: jedes Zeichensystem braucht einen Code – auch ein Gebäude muss etwas symbolisieren, was über die Funktion hinaus geht Bsp: Mies van der Rohe – Seagram Building; Murphy – Chicago Civic Centre Klare Codierung auf traditionelle Symbole – „welche Codes beherrschen Nutzer?“/Umberto Eco Bsp: Klosett – Oliven Haus Hollein – Macht, Phallussymbol als Synonym für Wolkenkratzer 9 Kunst- und Kulturwissenschaften Kritik der Architektur der 60er an Moderne: Behauptung ein Gebäude sei Zweckarchitektur Bsp: Torre Agbar/Jean Nouvel – Symbolik: Wasserfontaine eines Geisiers, Türme Sagrada Famiglia => Konotationen Begriff „Weib“ – Geschlecht der Frau – später Adelige aus Oberschicht als Frau bezeichnet – im 19. Jhd. noch wertfrei – ab 20. Jhd. Unterschichtbegriff/abwertend Bsp: Parthenontempel – Dreiecksgiebel waren ausschließlich bei Sakralbauten erlaubt – erst Julius Caesar hat an seinem Wohnhaus Dreiecksgiebel machen lassen = Gottgleichheit = starke Denotation – später ohne Probleme bei Adeligen möglich – war nichts sakrales mehr – Liberale in England – Assoziation von Liberalismus, Demokratie – Bedeutung der Demokratie noch im 19. Jhd. aufrecht (Parlament in Wien) – der Portikus wurde allgemein Symbol für öffentliche Gebäude – Börse, Bank, Museum ... Stil = Nationalstil der USA – Ausdruck der Nationalität Architektur als Massenkommunikationsmittel Umberto Eco: a) b) c) d) e) f) g) persuasiv psychagogisch zerstreute Wahrnehmung Botschaft mit falschen Signifikanten befüllbar Max. Zwang – max. Verantwortungslosigkeit Schneller Verschleiss Warencharakter Vorlesung 7 Poststrukturalismus: Ad. Umberto Ecco a) bestehende Codes bedienen Dienstleister, Gesellschaft – in der Architektur wiedergegeben, was Bauherr verlangt und als Architektur versteht wird umgesetzt b) Entwurf eines völlig neuen Codes Bsp.: Le Corbusier Cité Frugés, Pessac 1930 c) Grundcode auf neue Anwendungsmöglichkeiten untersuchen Strukturalismus: 10 Kunst- und Kulturwissenschaften Philosophische Denkschule, FR, aufbauend auf die Symbiotik... Zeichen festes System, Strukturalisten Schlüsselfigur: Claude Lévi-Strauss 1908-2009 (Belgier) Machte Feldforschungen bei Indianer in Brasilien – er erkannte das Verschwinden ursprünglicher Kulturen – „Traurige Tropen“ – wurde von den Juden verfolgt und imigrierte in die USA – 1950 Prof. in Paris Forschungsanliegen: Entdeckung, dass er bei den Ethnien unterschiedliche Mythen gibt – die Grundstrukturen sich aber ähnlich sind Bsp: Heiratsregeln – Auseinandersetzung damit: Verlauf der Beziehung und Kommunikation unter der Familie ist bestimmt durch verwandtschaftliches Verhältnis, das gewisse Gesetze mit sich bringt Poststrukturalismus: Seit etwa Mitte der 60er Jahre – baut auf Strukturalismus auf – kritisiert aber Unveränderlichkeit der Strukturen - prinzipielle Veränderbarkeit einer Struktur, Wandelbarkeit von Bedeutungen Michel Foucault (1926-1984) – an AIDS gestorben Historische Analysen war Ziel seiner Untersuchungen: Wie entsteht Wissen? Wie wird Macht ausgeübt? (quer durch die Geschichte) Wahnsinn, Macht, Sexualität ... Er hat Philosophie und Psychologie studiert. Bsp. Diagnose „Geisteskrankheit“ – die Krankheit wird durch die Diagnose erst konstruiert – ebenso Bsp. Diagnose Hysterie 1970 – Lehrstuhl der Denksysteme in Frankreich „Diskurs“: lt. Foucault nicht Auseinandersetzung, Diskussion nämlich ist: das in der Sprache aufscheinende Verständnis von Wirklichkeit, dass in der Sprache aufscheint und in der Sprache konstruiert wird Der Diskurs forciert gewisse Vorstellung bzw. unterdrückt gewisse Vorstellungen. Durch die Anwendung von Worten wird indirekt zB die politische Haltung mitgeteilt. Realität wird erzeugt – Sprache schafft Wirklichkeit 11 Kunst- und Kulturwissenschaften Dispositiv: Zentrales Anliegen: Analyse der Macht - politisches und kritisches Denken gegenüber Machtstrukturen (alle Themen) Erkenntnis: in früheren Zeiten wurde Macht mit körperlicher Gewalt ausgeübt, in der Neuzeit indirekt – von einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft verinnerlicht Panoptimismus Alles (Pan), Optische (Optismus) Machtinstrument (Bsp. Pest) - hat zu Notmaßnahmen geführt – Bsp. Ghetto in Venedig Jeremy Bentham – Panopticon 1787 – Traktat Form der Architektur der Strafanstalt soll die Menschen zu besseren Menschen werden lassen Rundbau; Wand nach Innen wurde weggelassen und durch Gitter ersetzt; in der Mitte gibt es einen Turm, wo sich das Aufsichtspersonal befindet – Jalousiensystem – Werter konnte von den Häftlingen nicht gesehen werden, diese fühlten sich dadurch beobachtet Effekt: Gefühl des beobachtet werdens wird verinnerlicht und Häftling fühlt sich nach Entlassung weiter beobachtet – dadurch soll er nicht rückfällig werden – „der liebe Gott sieht alles“ – Gebote sollen befolgt werden = Analogie Siegmund Freund später: Über-Ich Die Idee des Großraumbüros geht darauf zurück; ebenso wurden Krankenhäuser nach diesem Prinzip gebaut Panoptikum – Umkehrung des Theaterprinzips Gleichzeitig: Panorama - ist ein durchgehendes Gemälde auf der Innenseite einer Rotunde – äußerst beliebte Massenunterhaltung – ähnlich wie später das Kino 8. Vorlesung Raumtheorien I Definition räumen: Skript! Raum muss erst geschaffen werden 12 Kunst- und Kulturwissenschaften Romanische Sprache: Franz. Espace Engl. Space Lat. Spatium (Zwischenraum) Abstand zwischen zwei Objekten – im lat. mehr statischer Raumbegriff Raum = Produkt menschlichen Handelns, Mensch schafft Kulturraum, erst dann entsteht Raum - menschlicher, kultureller Raum 1. religiöser Raumbegriff Theologie: auf eine Religion beschränkt Religionswissenschaft: auf viele Religionen bezogen Mircea Eliade Raum ist nichts homogenes 2 verschiedene Arten: - heilige Raum bedeutungsvoll, kraftgeladener, „wirklicher“ Raum - profaner Raum nicht heiliger Raum, bedeutungslos, strukturlos, amorph (keine Gestalt/Form = Wildnis/Urwald gleich) Mittelpunkt des profanen Raumes wird von den Göttern bestimmt – durch Erscheinung (Hirophanie) des Heiligen – Kraftquelle, um die herum der Raum entsteht Weltachse – Axis Mundi Sanchi (Madya Pradesh): Halbkugelförmiger künstlicher Hügel, innen massiv, symbolisiert Himmelskugel, oben ist der Wohnsitz der Götter und die Weltachse geht hindurch Pagode sind ebenso solche Weltachsen – auch zur Orientierung, oft auf natürlichen Erhebungen, Berg als Sitz der Götter Bsp. Skript – Markierung und Öffnung der HIrophanie - Austausch zwischen Sterblichen und Unsterblichen im Himmel („Antennen“) Verbinden der Unterwelt mit dem Reich der Lebenden Bsp. Tempelberg – Judentum, Christentum, Islam – Himmelsreise des Propheten Mohammed Vertikale Öffnung = Leiter 13 Kunst- und Kulturwissenschaften Im Haus: Herdstelle als Symbol für die Achse – darum herum zentrieren sich die Menschen – hlg. Ort innerhalb des Hauses spiegelt Vorgang der Weltschöpfung wieder Spiegelt sich auch in der Moderne wieder – Frank Lloyd Wright: Robie House – Präriehouses – Gebäude mit Horizontalerstreckung, vertikale Achse = Kamin + Stiegenhaus Römer: Wiederholung der Schöpfung bei Gründung der Städte: „Wo ist der Mittelpunkt der Stadt?“ – dies heraus zu finden war das Wichtigste – Augur hat ihn bestimmt, auf Grund magischer Fähigkeiten, 4 Himmelsrichtungen bestimmt – Quadrat ¼ Teilung der Stadt zwischen den Himmelsrichtungen – Hauptachsen der Stadt Cardo N – S Decumanus O – W Mittelpunkt wo sie sich treffen ist das Forum Folgen heute: Mehr Aufmerksamkeit dem Zentrum als der Peripherie 2. absoluter versus relativer Raumbegriff: geometrischer Raumbegriff: Raum ist großer Container – Raum ist immer da ob voll oder leer Isaac Newton: Hat sich auf den Container bezogen – x/y/z-Achse Gottfried Wilhelm Leibniz war sein Gegenspieler In seiner Monadologie - primäre Erfahrung von Raum ist, dass zwei Dinge nebeneinander bestehen – Abstände, Relationen, Strecken - Lage eines Dinges im Raum lässt sich nur durch Relation zu anderen Dingen bestimmen - Ebenso Zeit ist für ihn etwas relatives (Morgen/Gestern) Beobachtung eines Körpers ist perspektivisch – vom Mensch aus gesehen Das Newton’sche Raumverständis ist heute noch präsent (obwohl überholt) Albert Einstein: a) Lagerungsqualität der Körperwelt – Raum ohne Körper ist undenkbar b) Raum als Container a) ist konstruktivistisch Moderne: Le Corbusier 14 Kunst- und Kulturwissenschaften Raum noch als Container-Raum definiert, in dem Körper gestellt sind – Raum ist monofunktional, unterschiedliche Funktionen nebeneinander: wohnen, arbeiten ... 3) Begriff des Ortes in der Postmodernen Raumtheorie wieder aufgetaucht wichtiger Vertreter: Christian Norbert Schulz (Architekt/Norwegen) „Was gibt dem Ort seine Identität?“ „Was macht den Ort aus?“ Untersuchung mittelalterlicher Städte – Architektur und Kunst soll Aufgabe übernehmen solche Zentren herzustellen – Orte/Markierungen/Unverwechselbarkeit Richard Sennet: Ähnliche Unterscheidung: lineare und narative Plätze Linearer Platz: Monofunktion – also Trennung von Funktionen (Le Corbusier) Erlauben nichts wofür sie nicht gedacht sind Narative Plätze: Vielfältigkeit von Funktionen – machen Qualität einer Stadt aus Marc Augé (franz. Antropologe) Unorte sind das Gegenteil von antropologen Orten – wo man sich wohl fühlt – sich identifiziert – Unorte können nicht angeeignet werden – Orte die Transitorte und monofunktional sind (Flughäfen, Parkhäuser, Autobahnen ...) erlauben keine Identität, haben keine Geschichte und man kann keine Beziehung zu ihnen aufbauen Begriff Heterotopie = die anderen Orte Michel Foucault: 1967 vor franz. Architekturvereinigung Vortrag über „die anderen Orte“ Raumbegriff im Mittelalter durch Lokalisierung bestimmt – Raum als das Ausgedehnte (Galileo) – Zeit ist entsakralisiert – er sagt jeder Ort steht in Beziehung zu anderen Orten, die in ihm gespiegelt werden – Utopie und Heterotopie unterscheidet er – Utopie = Irreales – ihn interessiert die Heterotopie Heterotopie: 1) Krisenheterotopien 2) Abweichungsheterotopien Ad 1) wenn man Krise durchmacht o.ä. sucht man einen Ort auf 15 Kunst- und Kulturwissenschaften Ad 2) für Menschen die nicht der Norm entsprechen – Sanatorien, psych. Anstalten, Gefängnisse, Altersheime Spiegelungsfunktion – Kino, Theater Verweis auf Anderes – Museum, Bibliotheken – in andere Zeit „einsteigen“ Märkte, Feriendörfer – Bruch mit normalen Dingen Rituale zum Hineingehen und Verlassen des Ortes – zB Kirche/Weihwasser Auch im profanen Bereich Kino/Nachspann Orte, die zwischen extremen Orten vermitteln 3) soziologische Raumtheorien: Pitirim Sorokin „soziale Vorstellungen sind immer räumlich definiert“ zB Upper Class, Lower Class – sozialer Aufstieg/Abstieg Die Gesellschaft kann nur räumlich definiert und gedacht werden. 9. Vorlesung Raumtheorien 3/Gender Studies Raumtheorien 2 Physischer Raum: nicht nur gebaut Soziale Raum: durch Beziehungen unter Personen zB Familie, Uni … -> Hirarchien, räuml. Bezeichnungen Henri Lefébvre „la production de l’espace“ – schrieb 65 Bücher, sehr interessiert an der marxistischen Denkschule „die Produktion des städt. Raums“ (www.anarchitektur.com) Begriff: „Verstädterung“ von ihm hat sich mit Struktur des Landes beschäftigt; meint auch am Land greifen Prinzipien um sich, die von der Stadt kommen – Elemente wie zB Einkaufszentren, Autobahn… Bildliche Vorstellung, Idee von Raum l’espace percu Präsentation von Räumen, wo Vorstellungen gelebt werden können 16 Kunst- und Kulturwissenschaften Raum und Produktionsweisen - der analoge Raum o o älteste naturwüchsige Stammesgesellschaft gebaute Raum -> Projektion des menschlichen Körpers - kosmologischer Raum Trennung zw. Profan und sakral Antike Polis (Stadtstaat) und Land werden unterschieden – jede Polis ist Abbild des Kosmos (Bsp. Pantheon, Kaiser Hadrian – Kuppel = Himmelsgewölbe, allen Göttern geweiht) Auch Obelisk oder Forum -> Weltenachse - der symbolische Raum Mittelalter, Feudalzeit – Transformation der Sklavenschaft, Gesellschaftsbeziehungen rein persönlich – Lehenswesen, Abhängigkeitsbeziehung Raum der versucht den Himmel, als eine Zukunftserwartung vorwegzunehmen, Bsp. Kathedralen – symbolisiertes Licht - der perspektivische Raum Renaissance, Perspektive – Frühform des kapitalistischen Denkens, Florenz, Pisa, Siena… - Bankensystem der Medici – Verbindungen zw. Punkten des Wirtschaftsnetzes perspektivisch dargestellt – Raum funktioniert für Auge Fassade (lat. facies) ist zu Plätzen ausgerichtet – durchgehend messbarer Raum; Koordinatensystem – Raum als Ware -> Grundbesitzer erzielen Profit mit Parzelle - der kapitalistische Raum Kommodifizierung -> zur Ware werdender Raum – Ort des Zerfalls; Ende der Perspektive in der Kunst – Fassaden spielen keine Rolle mehr Mies – Chicago – quaderförmige Gebäude – kein bevorzugtes Gesicht mehr/Fassade führt im Extrem dazu, dass große stadtplanerische Entwürfe nicht mehr möglich sind -> durch Privatwirtschaft – ebenso phallischer Charakter der Hochhäuser Pierre Bourdien Hat Beziehung zwischen physischem und sozialem Raum untersucht – wichtig bei ihm ist das, dass das Verhältnis zwischen phys. Und soz. Raum umgedreht ist sozialer Raum = wahrer Raum 17 Kunst- und Kulturwissenschaften physischer Raum = Abstraktion, rein gedanklich 1972 – Untersuchung kabylische Gesellschaft Soziale Untersuchung zwischen männlich und weiblich Versammlungsräume = Markt und Felder -> sind männlich dominiert Der weibl. Raum = Haus, Garten, private Räume Innerhalb des Raumes gibt es ebenso eine Differenzierung zwischen männlichem und weiblichen Raum. Das Geschlechterverhältnis ist in den physischen Raum eingeschrieben. Begriff: Habitus = von ihm aus Kunstgeschichte übernommen (Skript); Durch Erfahrungen übernommenes Weltbild, Körperhaltung, Verhalten … „Es ist der Habitus, der das Habitat macht.“ Räumliche Strukturen determinieren soziale Ordnungen. Strukturen sind sehr stabil und schwer zu ändern. Gesellschaftliche Strukturen – interessant, wenn sie sich ändern Bsp. Berlin Friedrichshain – Wende 1990 – Leute mit geringem ökonomischen Kapital, aber mit hohem kulturellen und gesellschaftlichen Kapital siedeln sich an (Galleristen, Künstler …) – schaffen es gehobene Kundschaft anzuziehen – Folge: Anstieg der Mietspreise Prozess der Gentrifizierung Martina Löw: „Spacing“-Räume schaffen; durch Aufstellen von Ortsschildern oder durch Positionierung Ware/Mensch Verteilung des Menschen im Raum – beides: physischer und sozialer Raum bedingen einander Öffentlich und Privat Öffentlicher Raum: kein Begriff des physischen Raumes, sondern sozialpolitischer Raum Begriff der Öffentlichkeit durch Begriff des Privaten – geht zurück auf die antike Rechtsordnung – griech. Antike Öffentlich = polis (Stadtstaat) – res publica (öffentl. Sache) Privat = oikos (Haus, Dom) – domus Innerhalb des privaten Haushaltes hatte der Hausherr das Recht – politisches Leben in der Öffentlichkeit – Platz Agora – Demokratie: Männer 18 Kunst- und Kulturwissenschaften Öffentl. Raum entsteht durch politischen Entscheidungsprozess publicus = öffentl., staatlich, allgemein, Unterbeamter, Polizist publica = Prostituierte publicum = Staatsgebiet, Staatskasse, Staat, Öffentlichkeit, Straße privatus = einer einzigen Person gehörig, Person ohne öffentliches Amt (Bsp. Privatier) privatim = als Privatmann, in eigenem Namen, zu Hause, aus eigenen Mitteln Die Entwicklung des privaten Raumes Bsp.: röm. Haus Innerhalb des Gebäudes gibt es keine weitere Differenzierung; Hausherr hat absolute Gewalt im Haus – Grenze löst sich im Mittelalter auf – Herrscher behandelt sein Land als Privatbesitz; öfentl./privat ist für das Mittelalter nicht zutreffend Rückzug in eigene 4 Wände – ausgehend von Klöster (Kartäuser) – jeder hat eigenes Häuschen „Kartause“ – private Meditation Anspruch auf Privatsphäre erst später in höheren Ständen – Bürgertum Abschottung nach Außen – Garten gehört zum Haus – uneinsehbar – Trennung von privat und öffentlich Der öffentliche Raum Hannah Arendt – dt. Philosophin Unterscheidung von Arbeiten (privat), Herstellen (öffentl.), Handeln (Kommunikation im politischen Raum), Herstellen (Tun für die Öffentlichkeit) Jürgen Habermas „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ Raumtheorien 3/Gender Studies Repräsentative Öffentlichkeit: 19 Kunst- und Kulturwissenschaften Ein best. öffentliches Amt wird dargestellt und gezeigt. Bsp: Hyacinthe Rigaud – Herrscher repräsentiert Herrschaft vor dem Volk; Aufgabe des Volkes ist es zu applaudieren – Entfaltung ist an best. Attribute geknüpft: Insignien, Rhetorik … Auch in der kath. Kirche gibt es noch die repräsentative Öffentlichkeit. Entwicklung Forum Romanum Buch: „Fleisch und Stein“ Entstehung der bürgerlichen und demokratischen Repräsentanz Staat entsteht durch Institutionalisierung – Staatskasse: Erfindung des Steuersystems – Beamte werden gebraucht – parallel dazu entwickelt sich das Bürgertum in wirtschaftlicher Hinsicht – privat tritt über die Schwelle des Hauses – immer regionaler, internationaler = Handelsnetz entsteht – dazu ist gutes Nachrichtensystem wichtig – Kurse an Börsen – Boten die Nachrichten überbringen, zuerst privat – dann wird Nachricht als Ware entdeckt – Geburtsstunde der Zeitung „Aviso“ – erste Zeitung im röm. Reich – chronikale Ereignisse – Gesetzeserlasse wurden nun auch über die Zeitung veröffentlicht – die Untertanen wurden nun zum „Lesepublikum“/Öffentlichkeit – Voraussetzung sie mussten lesen können, daher war es die Minderheit – Bürger definieren sich durch die Bildung, Kaufleute, Handwerker, Ärzte, Beamte (Bildungsbürger) Ende 17. Jhd. Kritiken, Rezessionen usw. – im Laufe des 18. Jhd. Gab es „kritische Darstellungen“ – zunächst kulturelle Ereignisse (Konzerte, Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt) – Entwicklung der Kritikfähigkeit und der öffentlichen Meinung – auch an bestimmten Orten wurde diese Kund getan, zB Gelehrtensalons, Kaffeehäuser – später auch durch das Vereinswesen – schließlich wurden auch politische Themen kritisch betrachtet – dies wird für die Herrscher des Absolutismus gefährlich König Friedrich II „der große“ von Preußen versucht dies zu verhindern – Volk soll privat sein und sich nicht in den Staat einmischen 19./20. Jhd. Verfall – Kulturkonsumierendes Volk – Kulturindustrie – Öffentlichkeitsarbeit – öffentliche Meinung wird immer mehr manipuliert Richard Sennet Verfall und Ende des öffentlichen Lebens – wie im 20.Jhd. – Verlust an Repräsentation – Sennet meint, es hat mit Verlust der Repräsentation zu tun – man drückt sich privat aus, statt Rolle im öffentlichen Leben zu spielen – alles politische würde ins psychologische verkehrt Von linker Seite kommt Kritik an Habermas – Oskar Negt/Alexander Kluge – Buch – These: nicht nur eine Öffentlichkeit, sondern viele – bürgerl. und private Öffentlichkeit – Bürgerbewegungen sind Gegenöffentlichkeiten Öffentl. Raum – in ihm (Konfliktfeld) treffen Öffentlichkeiten aufeinander 20 Kunst- und Kulturwissenschaften „Produktionsöffentlichkeit“: 1) Sinnliche Präsenz von Fabriken und Banken 2) Bewusstseinsindustrie Werbe und Warenzusammenhang – Industrie sorgt für Produkte und Bedürfnisse 3) PR der Firmen und Parteien Neoliberalismus – Margareth Thatcher: „Es gibt keine Gesellschaft – nur Leute“ Ronald Reagan: „Der Staat ist nicht die Lösung, der Staat ist das Problem“ Öffentlicher Raum wird immer mehr zurückgedrängt - jeder Bürger hat Recht den öffentlichen Raum zu nutzen – Bsp. Shoppingmalls haben Funktion übernommen – Privatisierung John Portman – Hotel Westin Bonaventure – bietet alles was man auch in einer Stadt tun kann – wie bei den Burgen Rückzug der Reichen – um sich vor den eigenen Leuten, wie Bauern usw., zu schützen – Rückzugsorte Gated Communities – Kleinstädte ohne öffentlichen Raum – Modell aus USA Im Fernsehen wird ebenso Privatheit vorgegaukelt. Öffentl. Raum muss offen sein für Dinge, die dort passieren können; öffentl. Raum ist nicht fix. 10. Vorlesung Gender Studies Einführung in die Geschichte des Feminismus: Öffentl. Raum war in der Geschichte männlich, der private Raum weiblich konnotiert Franz. Revolution – Männerrechte, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit Mittelalter: Christine de Pizan – Buch von der Stadt der Frauen – gilt als 1. Schriftstellerin, die von ihren Werken leben konnte. Kampf um das Wahlrecht im Westen spätes 19./Anfang 20. Jhd. – von England ausgehend „Suffrage“ (Wahl) – nur Frauen der Oberschicht bekamen Stimme – in Schweden wurde es wieder aufgehoben – in Ö 1918 – 1945 in FR – 1971 Jahre in der Schweiz Simone de Beauvoir – „Le deuxieme sexe“ 21 Kunst- und Kulturwissenschaften Argumentiert darin, dass Männer sich als das absolute, essenzielle sehen – Frau ist die Abweichung der Regel – Frauen werden immer in Abhängigkeit des Mannes gesehen – Wunsch der Frau sich als freies Objekt zu entwerfen Bsp.: Dürer – geschlechtliche Konnotation Kulturell, erworbenes, produziertes Verhalten – Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht 60er Jahre: Aufwertung der Weiblichkeit – gynozentrischer Feminismus – daneben gibt es noch den kulturellen Feminismus – zwischen Männern und Frauen gibt es fundamentale Persönlichkeitsunterschiede – weibliche Eigenschaften werden als besser angesehen – durch die Integration von mehr Frauen in das öffentliche Leben soll es eine bessere Welt geben „Women Studies“ ab 60er Jahre an Universitäten in den USA eingeführt Im Laufe der 70er: Festmachung von weibl. Eigenschaften am biologischen Geschlecht: Natürlich = weiblich und folglich nicht veränderbar – dies ist antiemanzipatorisch wenn dies geschieht 2 Formen von Geschlecht: Biologisches und kulturelles Geschlecht Sex: biologisches Geschlecht Gender: kulturelles Geschlecht Judith Butler: „Gender Trouble“ These: Korset/Homogenität männlich oder weiblich – biologisches Geschlecht ist Teil des Diskurses – es existiert keine Unterscheidung – das biologische Geschlecht ist auch sprachlich konstruiert – Identitätszuschreibung Vorlesung 11 Gender Studies 2 Forschungsfelder: a) Künstlerinnen und Architektinnen Beschäftigung mit der Bibliografie b) Weibl. – männl. Ästhetik entwerfen Frauen anders als Männer? c) Darstellung/Einschreibung der Geschlechterdifferenz in der Kunst/Architektur -> Diskursanalytischer Zugang a) Frauen bekamen keine Ausbildung – daher gibt es keine berühmten weibl. Künstler – Öffnung der Akademien für Frauen erst im 20. Jhd. – in Österreich war ab 1919 das Architekturstudium für Frauen möglich – vorher nur Innenarchitektur 22 Kunst- und Kulturwissenschaften Margarethe Schütte-Lihotzky „Frankfurter Küche“ 1926-1928 Innenarchitektur weiblich behaftet – Architekt stark männl. Konnotiert – „Macher“ und „Künstler“Image Thomas Rowlandson „The Gamber of Genius“ 1812 – Bild vom Künstler Genie = der Mensch, der von Gott inspiriert ist Genius, ingenio – erzeugen, gebären Männliche Zeugungskraft, Schutzgeist des Mannes – Genietum den Frauen aus dem Grund von vornherein abgesprochen – hat sich bis ins 20. Jhd. Gehalten – Begabung, Charakter, Genie, Talent, Einfall usw…. Antonio Canova b) Weibliche – männliche Ästhetik – Studie über Kinder und deren Bauverhalten mit Bauklötzen a) Darstellung/Einschreibung der Geschlechterdifferenz … Sandro Botticelli „Die Geburt der Venus“ – Hochzeitsbild – Braut in mythologischem Gewand – Venus blickt aus Bild heraus – Spiegelbild/Vorbild für die Braut – sie sollte so schön sein wie Venus und anziehend auf den Bräutigam Valie Export – bestimmte Körperhaltungen von Frauen; Ergebenheitsgesten Kunst als Diskursfeld um gesellschaftl. Normen auf unbewusste Weise vermittelt Bsp: GR bürgerliche Wohnung – Anordnung der Räume nach Rollenzuordnung Alvar Aalto/Villa Mairea – für Bierfabrikant gebaut – Frau war Malerin mit Studium in Paris – Geschlechteraufteilung Cultural Studies Siegfried Giedion – Buch über das Thema wie die Maschine unseren Alltag übernommen hat Cultural Studies kümmern sich um Themen, die bei anderen Disziplinen durchfallen und nicht eindeutig eingeordnet werden können Alain Corbin „Pesthauch und Blütenduft“ – behandelt die Geschichte von Gerüchen, Kultur usw. 23 Kunst- und Kulturwissenschaften Mary Douglas „Reinheit und Schmutz“ – hat Reinheitsvorschriften untersucht; These: Reinheitsvorschriften haben nichts mit Hygiene zu tun, sondern es hat mit Ordnungsrichtlinien zu tun – damit wir uns im tägl. Leben besser zurecht finden Kultische Reinheit – Reinigungsriten, damit Kontakt mit den Göttern klappt Moralische Reinheit – weiße Weste, reines Gewissen, reine Hände Hygienische Reinheit – um die Gesundheit zu erhalten Rassenreinheit – bezogen auf Volkskörper Charlotte Roche „Feuchtgebiete“ 16.Jhd. – Zeitalter der Glaubenskämpfe – Kalvinisten stürmten Kirchen „Kirchenputz“ Daniel Chodowiecki – „künstliches Gehabe“ des Adels kritisiert Diese Entwicklung bringt eine neue Reinheit hervor – Claude Nicolas Ledoux – reine Architektur Georg Ritter von Schönerer – Begründung des Antisemitismus 24