1 Grundsätze1 1 Welche Rolle spielt Kultur in Zeiten der vielfach beschworenen Globalisierung, und welche Aufgaben stellen sich den Kulturwissenschaften zu Beginn des neuen Jahrtausends? Kulturen und damit das Konzept ‘Kultur’ sind in Bewegung geraten. Die Gleichsetzung von Kultur mit einem Territorium, die umstandslose Zuschreibung von Kultur auf Basis der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einer Gemeinschaft oder Nation ist alles andere als unproblematisch. Die herkömmliche Aufgabenstellung an die Kulturwissenschaften als Beschreibung der Vielfalt und des Inhalts einzelner Kulturen wird den heutigen Realitäten nicht mehr gerecht. Das kulturwissenschaftliche Interesse gilt heute vielmehr der komplexen Dynamik von weltweit zu beobachtenden Prozessen der Auflösung, Fragmentierung und Konstitution kultureller Identitäten und den damit verbundenen Prozessen der Symbolisierung, der Repräsentation, der Grenzziehung, des Aushandelns. Kultur spielt in aktuellen machtpolitischen und geostrategischen Konflikten eine zentrale Rolle und ist zu einem neuen Paradigma in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften geworden. Die kulturellen Äußerungen in Religion, Musik, Philosophie, Medien, Sport und in anderen Disziplinen sowie in der Alltagspraxis werden in Verbindung mit politischen, ökonomischen, ethnischen und territorialen Dimensionen von Konfliktsituationen gebracht und rücken ins Zentrum der analytischen Aufmerksamkeit. Mit dem Wissenschaftsschwerpunkt (WSP) Dynamik und Komplexität von Kulturenen stellen sich die Kulturwissenschaften der Universität Bremen diesem Bedeutungswandel von Kultur in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft und übernehmen eine wichtige Rolle hinsichtlich der Aufgabe der Erforschung komplexer kultureller Identitäten, ihrer gesellschaftlichen Kontextualisierung und der Entwicklung einer Kulturtheorie, die dieser Dynamik Rechnung trägt. Kulturwissenschaften gehen ihren Gegenstand – Kultur – in aller Regel interdisziplinär an. Die bisherige Praxis und Erfahrung aus dem Wissenschaftsalltag in den Studiengängen Kulturwissenschaft, Sportwissenschaft, Musik, Philosophie, Kunst und Religionswissenschaft im Fachbereich 9 sowie in anderen mit dem WSP zu verbindenden Einrichtungen und Disziplinen weisen vielerlei Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen auf. 1 Wir danken Dr. Werner Krauß (Institut für Ethnologie, Universität Hamburg) für seine Unterstützung bei der redaktionellen Überarbeitung des Antrages 2 Der WSP ist das Resultat einer gemeinsamen Anstrengung zur Koordination der laufenden und geplanten Aktivitäten in den einzelnen Disziplinen. Zielsetzung des neuen WSP ist es, die thematische Gewichtung der einzelnen Studiengänge mehr als bisher auf ein übergeordnetes Ziel, ein gemeinsames Verständnis von Kultur hin auszurichten und Interdisziplinarität und interne Vielfalt unter dem gemeinsamen Dach der Kulturwissenschaften als Stärke und als Privileg zu begreifen. Eine solche, die einzelnen Disziplinen übergreifende Identität bietet neue Möglichkeiten der Vernetzung bereits laufender und geplanter Forschungsvorhaben und Kooperationsansätze. Die Ausrichtung auf den WSP Dynamik und Komplexität von Kulturenen in Lehre und Forschung verleiht den Kulturwissenschaften an der Universität Bremen ein geschärftes Profil, sie erhöht ihre gesellschaftliche Relevanz und schafft so die konkreten Voraussetzungen, ihre Methoden und Kenntnisse in der Region Bremen und darüber hinaus effektiv anzuwenden. 1.1 Ausgangssituation und Themenstellung Zur Jahrtausendwende genügt ein Blick in die Tageszeitungen, um festzustellen, dass Kulturen in Bewegung geraten sind und ‘Kultur’ zu einem omnipräsenten und mit vielfachen Bedeutungen aufgeladenen Terminus geworden ist. Ob in Osteuropa oder im Nahen Osten, in Afrika oder Lateinamerika, aber auch vor unserer eigenen Haustür: Im Namen der Kultur werden Nationen aufgelöst und neue gebildet, Kriege geführt, Menschen diskriminiert und verfolgt, Differenzen geschaffen und Identitäten gebildet. Hierbei wird oftmals auf ein Reservoir von Symbolen und Zeichen im kollektiven Gedächtnis zurückgegriffen: Geschichte wird zur Legitimation. Im Zuge des Prozesses, der ‘Globalisierung’ genannt wird, ist gleichzeitig die Rede von einer globalen Kultur und damit von einem neuen Typus des Weltbürgers allgegenwärtig, und universelle Menschen- oder Naturschutzrechte werden eingeklagt. Diese Konstruktionen von Weltbürgertum und Universalität haben historische Wurzeln und beinhalteten von Anfang an auch Ausgrenzungen. Kultur ist in Bewegung, und diese Bewegung zwischen Diversifizierung und Vereinheitlichung, zwischen Universalismus und Partikularismus ist vielfältig und oft widersprüchlich. In jedem Fall ist Kultur zu einem zentralen Einsatz im politischen, ökonomischen und sozialen Spiel um Anerkennung, Macht und Identität geworden. Kulturelle Identitäten sind keineswegs homogen oder ausschließlich territorial zu verankern, sondern komplex und dynamisch. Spuren davon finden sich nicht nur in der Politik, sondern auch im Alltag: Es entstehen neue Milieus und lifestyles, oft zusammengesetzt aus unterschiedlichen kulturspezifischen Versatzstücken, die bisher als vermeintlich antagonistisch und ausschließend konzipiert wurden. Den Kulturwissenschaften stellen sich heute die Aufgabe der 3 Erforschung dieser ganzen Bandbreite unterschiedlicher Erscheinungsformen und Bedeutungen von Kultur. 1.2 Rahmenbedingungen Dynamik und Komplexität kultureller Identitäten sind Ausdruck vielfältiger und widersprüchlicher Prozesse, die oft allzu vereinfacht unter dem Begriff „Globalisierung“ subsumiert werden. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht bilden u.a. folgende Phänomene die äußeren Rahmenbedingungen für ihre Erforschung: - Durch Entkolonialisierung, Kriege, Flucht und Vertreibung, durch Arbeitsmigration und die Flexibilität der Märkte lösen sich traditionelle Zugehörigkeiten auf, und es entstehen oft über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg neue kulturelle Identitäten. Asylsuchende, Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, aber auch sogenannte global players – von Wissenschaftlern über Politiker hin zu den Angehörigen transnational operierenden Wirtschaftsunternehmen – bilden neue Identitätsmuster, die sich oftmals in neuen kulturellen Formen verfestigen; - aufgrund der Aufweichung der nationalen Grenzen durch transnationale Organisationen von der EU über die OECD hin zur UNO geraten herkömmliche regionale oder nationale Identitätsmuster in Konflikt mit einer kontinentalen oder globalen „Weltkultur“, „global“ und „lokal“ durchdringen sich gegenseitig; - verstärkt werden diese Prozesse durch die zunehmende globale Zirkulation von Zeichen, Symbolen und Informationen durch die Medien. Beispiele hierfür sind die Entstehung einer globalisierten Populärkultur via Fernseh- und Radiostationen, von Englisch als einer Weltsprache und des Internets und anderer elektronischen Kommunikationsmittel; - eine wichtige Rolle nimmt die globale Zirkulation von Waren und damit die Tendenz zu einer zunehmenden Industrialisierung traditioneller oder indigener Produktionsweisen ein, z. B. durch Abkommen von Welthandelsorganisationen. Folge ist die Integration immer weiterer peripherer Regionen in den Weltmarkt, die Tendenz zu Monokulturen und die Entkoppelung und Neudefinition von ökonomischen und sozialen Aspekten des Handels; - die Abhängigkeit der sogenannten „dritten Welt“ steigt z.B. durch den Export von Saatgut oder durch Raubbau an den natürlichen Ressourcen. Die dadurch entstehenden Umweltprobleme – wie die Abnahme von Biodiversität – haben wiederum nicht nur zu globalen Natur- und Umweltschutzmaßnahmen geführt, sondern befördern auch die Vereinheitlichung divergierender kultureller Naturinterpretationen; - die Kluft zwischen Norden und Süden, zwischen „erster“ und „dritter Welt“, zwischen arm und reich und damit verbunden hinsichtlich des Wohlergehens und der Gesundheit wird immer größer, 4 - und oft damit einhergehend die Zunahme der Artikulation dieser Unterschiede entlang der Kategorien „Klasse“, „Geschlecht“, „Ethnie“ oder „Religion“ - mit der Folge von einer Zunahme von Gewalt, Diskriminierung und Krieg, wobei kulturelle Unterschiede die Ursache oder aber auch nur die Verschleierung der genannten politischen, ökonomischen und sozialen Ungleichheiten sein können. Die Liste dieser antagonistischen Prozesse zwischen kultureller Zersplitterung, Neuzusammensetzung und des Entstehens einer Globalkultur lässt sich beliebig weiter auffächern und mit Inhalten füllen. Gemeinsam ist ihnen, dass Kultur eine zentrale Bedeutung einnimmt: Die globalen ökonomischen, politischen und sozialen Prozesse, mit denen alle Menschen konfrontiert werden, werden von diesen mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt, sie werden unterschiedlich interpretiert, ihnen wird ein jeweils eigener Sinn verliehen. Der WSP Dynamik und Komplexität von Kulturen konzentriert die Anstrengungen der Kulturwissenschaften auf diesen Zwischenraum, in dem Bedeutung entsteht und Handeln Sinn verliehen wird. 1.3 Kultur als Paradigma Durch diese Bewegung der Kulturen zwischen Partikularismus und Universalismus, zwischen Vereinheitlichung und Diversifizierung, zwischen Essentialisierung und Dynamisierung vermischen sich unausweichlich populäre mit wissenschaftlichen Kulturbegriffen. Der Abschied von der Suche nach absoluten Wahrheiten und der einen, allumfassenden Theorie und die Hinwendung zur Untersuchen von Praktiken und Prozessen, Diskursen und partiellen Wahrheiten ist zu einem neuen Paradigma in den Geisteswissenschaften geworden und damit auch zu einer besonderen Herausforderung für die Kulturwissenschaften: Ihr eigentlicher Gegenstand, die Kultur, ist Ausdruck dieser Auffächerung, ihre Theorie und Praxis zugleich. Zentrale Punkte, denen eine Kulturtheorie Rechnung tragen muß, sind folgende: die zunehmende Auflösung und Transzendierung der Illusion, dass Territorium und kulturelle Identität zusammenfallen müssen; die Wiederbelebung, Behauptung oder Erfindung, aber auch das Negieren von Traditionen als Basis einer kulturellen oder nationalen Identität, die Imaginierung von Nationen; die Diversifizierung, Aufsplitterung und Neuzusammensetzung kultureller Identitätsmuster, die Vielschichtigkeit kultureller Identität; die inflationäre Verwendung des Kulturbegriffs, z.B. in Form von „Unternehmenskultur“, von lifestyles, von Globalkultur, von Subkulturen; 5 die Vermischung populärer und wissenschaftlicher Kulturbegriffe, wobei letztere oft zur Legitimation politischer oder territorialer Interessen instrumentalisiert werden; Es sind diese Komplexität und Dynamik von Kultur, die selbst zum Thema der Kulturwissenschaften werden. Es geht nicht darum, den Kulturbegriff von seiner Überdeterminierung, von den vielfachen und sich häufig widersprechenden Aufladungen zu reinigen und einen eineindeutigen Kulturbegriff zu entwickeln, sondern es geht im Gegenteil darum, genau diese vielfältigen und komplexen Verwendungen, den Spuren der Kultur(en), zu folgen. Die Stärke der Kulturwissenschaften liegt darin, auf empirischer und theoretischer Ebene vom Einzelfall auszugehen, spekulativen Überlegungen über Globalkultur oder einen „Krieg der Kulturen“, wie eine populäre These der letzten Jahre lautete, die Forschung vor Ort, auf einen konkreten Untersuchungsgegenstand bezogen, entgegenzusetzen und somit Kultur als Praxis zu untersuchen. Kultur – plural und in Bewegung gedacht – steht nicht über den Handlungen und dem Alltag der Menschen, sondern sie ist dieser Alltag und das, was die Menschen machen, wie sie leben, welchen Sinn und welche Bedeutung sie den Dingen verleihen, Kultur ist eine Praxis. Es sind die kulturellen Äußerungen, die Prozesse der Konstruktion von kulturellen Identitäten, die Repräsentation, die Bedeutungsgebung und Sinnstiftung, die im Rahmen des WSP zum Gegenstand der Untersuchung werden. Eine wichtige Konsequenz, die sich daraus für die Lehre ergibt, ist deren Reorganisation im Sinne einer größeren Durchlässigkeit der Fächergrenzen durch Modularisierung. 1.4 Anwendungs- und Regionalbezug Die Frage nach Kultur richtet sich nicht nur an die anderen, sondern auch an uns, sie betrifft uns alle: Wer sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir, wer gehört zu uns und wer sind „die anderen“? Kultur ist in Bewegung, wir sind Teil dieser Bewegung, werden mit ihr konfrontiert und lösen sie zugleich aus. Mobilität in Beruf und Alltag, Ferienoder Geschäftsreisen, Zuwanderung von Arbeitsmigranten und Asylsuchenden, weltweite Interdependenzen in Kommunikation und Ökonomie konfrontieren uns in unserem Alltag mit „der Welt“ und stellen uns vor neue Fragen. Auch hier genügt ein Blick in die Tageszeitungen und ihre Regionalteile, um den Anwendungs- und Regionalbezug des WSP Dynamik und Komplexität von Kulturen aufzuzeigen: - Ist Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft, und wie sieht die Realität in Asylrecht und Einwanderungspolitik aus? 6 - Gibt es eine deutsche „Leitkultur“, woran macht sich diese fest, und welche Interessen sind mit dieser Forderung verbunden? - In welchem Spannungsverhältnis Geschichtspolitik? - Wie haben sich Repräsentationen/ Imaginationen von Kultur verändert? - Wie sieht eine multikulturelle Gesellschaft aus, und welche Rolle spielen darin die hier in Deutschland geborenen Kinder von Einwanderern? - Welche neuen kulturellen Identitäten entstehen in diesem Kontext, woran machen sich Differenz und Identität fest? - Wie sind Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, und Rassismus zu erklären, in welchen Kontext sind sie eingebunden? - Dürfen islamgläubige Schülerinnen oder Lehrerinnen in deutschen Schulen ein Kopftuch tragen? - Wo verläuft die Grenze zwischen uns und den anderen, wie wird diese Grenze zugleich inszeniert und unterlaufen? stehen Erinnerungskultur und Diese und ähnliche Fragen bestimmen unseren Alltag, sie werden in den Medien und in der Politik diskutiert und in der sportlichen und religiösen Betätigung, in der Kunst und in der Musik verhandelt, und sie sind der adäquate Gegenstand einer gesellschaftlich relevanten kulturwissenschaftlichen Forschung. Die Kulturwissenschaften stehen hierbei nicht außerhalb der „Kultur“ oder der „Gesellschaft“, sondern sie sind Teil derselben und müssen sich mit den Konzepten, die gesellschaftlich diskutiert werden, auseinandersetzen. Hinsichtlich des geplanten WSP sind vor allem zwei Konzepte relevant – Interkulturalität und Multikulturalität –, zu denen sich innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften in jüngerer Zeit ein drittes – Transkulturalität – hinzugesellt. Interkulturalität basiert auf der Annahme, dass es verschiedene, in sich homogene Kulturen gibt, die gezwungenermaßen oder freiwillig in Beziehung zueinander treten. Als Konzept meint „Interkulturalität“, dass es zwischen diesen Kulturen Verständigungsprobleme gibt, die in der Regel als Folge eines schockartigen Aufeinandertreffens zu Konflikten, Missverständnissen, Diffamierungen usw. führen. Daraus folgt die gesellschaftliche Aufgabe, dieses Konfliktpotential zu überwinden und nach Wegen des Miteinanders, der Verständigung und des Ausgleichs zu suchen. Auch Multikulturalität thematisiert die Verschiedenheit in sich homogener Kulturen innerhalb desselben Raumes. Als Lösungsmöglichkeit oder Entwurf konzipiert Multikulturalität, dass diese Vielheit zugleich einen erstrebenswerten gesellschaftlichen Versuch darstellt, indem jede Kultur nach der ihr eigenen Weise Lebens- und Gestaltungsraum zuerkannt 7 bekommt und so auf der Basis gegenseitiger Toleranz und Verständnisses ein Miteinander geschaffen wird. Es steht somit dem Konzept „Interkulturalität“ nicht entgegen, sondern ist selbst schon ein Vorschlag zur Bewältigung des Konfliktpotentials. Erst Transkulturalität bricht mit der Vorstellung von Kulturen als homogenen, in sich geschlossenen Einheiten und bezieht ein erweitertes Konzept von Kultur mit ein. „Transkulturalität“ geht davon aus, dass in der heutigen Gesellschaft durch Migration, erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten und ökonomische Verflechtungen Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Welt miteinander vernetzt sind. Die Unterscheidung zwischen uns und den anderen läuft nicht mehr entlang der Zugehörigkeit zu einer Region, einer Kultur oder einem Nationalstaat, sondern sie ist immer auch eine Definitions- und Verhandlungssache. „Transkulturalität“ betont somit die Aspekte des Pluralismus von Repräsentationen, der Symbolisierung, der Grenzziehung. Der WSP Dynamik und Komplexität von Kulturen kommt in seiner Konzeption derjenigen von Transkulturalität am nächsten, ohne jedoch Elemente der anderen Konzeptionen auszuschließen. Im Umlauf und Gebrauch befindliche Konzepte von Kultur werden aufgegriffen, und der Fokus der kulturwissenschaftlichen Untersuchung richtet sich auf ihre Komplexität und Bewegung. So werden interkulturelle Räume, wie sie z.B. in Flüchtlingsheimen, in Schulen oder durch unterschiedliche Religionspraxen entstehen, genauso thematisiert, wie Multikulturalität als politische Strategie und Modell mit der Alltagsrealität in vielen Stadtteilen konfrontiert wird. Als kulturell benannte Unterschiede zwischen einzelnen Gruppierungen (z.B. nach ethnischen, geschlechtlichen oder sozialen Kategorien) werden genauso zum Gegenstand kulturwissenschaftlicher Forschung wie die vielfältigen Differenzen innerhalb dieser Gruppierungen. Und schließlich trägt der WSP der Tatsache Rechnung, dass Kultur per se nie homogen ist, sondern immer im Plural, vielfach fragmentiert und neu zusammengesetzt einem permanenten Prozess der Bewegung unterworfen ist – Kultur wird als Praxis von Menschen konzipiert. Daraus resultiert ein realitätsnahes und flexibles Konzept, das durch konkrete Thematisierung und Erforschung komplexer Situationen in der Region Bremen und darüber hinaus in die gesellschaftliche Diskussion eingreift und praxisnahe Handlungsmöglichkeiten aufweist – sowohl für die konkret Beteiligten als auch auf gesellschaftlicher Ebene. 1.5 Zielsetzung Der WSP Dynamik und Komplexität von Kulturen ist das Resultat einer kritischen Begutachtung bisheriger und aktueller Arbeiten in Forschung und 8 Lehre an der Universität Bremen. In den Kulturwissenschaften und in anderen Disziplinen haben sich in den letzten Jahren über die in den einzelnen Disziplinen laufenden Forschungsvorhaben und Lehrinhalte hinaus vielfache thematische und inhaltliche Überschneidungen sowie Diskussionszusammenhänge und Kooperationen ergeben. Auf dieser Basis haben sich fachübergreifende Strukturen und Themenstellungen entwickelt, die in dem WSP koordiniert und zu einem integrierenden Programm gebündelt werden. Dies gilt sowohl hinsichtlich theoretischer und methodisch Ansätze und Verfahren als auch für die Untersuchung von gemeinsamen Themenkomplexen aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven. Der WSP fasst diese Tendenzen zusammen, er verleiht der bisher eher informellen, wenngleich intensiven Zusammenarbeit einen übergeordneten Rahmen und eröffnet so die Möglichkeit, Interdisziplinarität und Perspektivenvielfalt produktiv zu nützen und der diversifizierten Wissenslandschaft eine programmatische Struktur zu verleihen. Zielsetzung auf einer allgemeinen Ebene sind - die intensivere Ausrichtung der übergeordnete Paradigma „Kultur“; einzelnen Disziplinen auf das - die fachübergreifende Vernetzung in Forschung und Lehre - und damit eine Erhöhung des Praxisbezugs, der Anwendungs- und Transfermöglichkeiten und der gesellschaftlichen Relevanz der Kulturwissenschaften. Konkret heißt dies, dass - die vorhandenen Ressourcen durch Koordination und Zusammenlegung besser genutzt werden, - Interdisziplinarität nicht nur gefordert, sondern in Lehre, Forschung und Studium institutionalisiert wird, - auf Basis des WSP zielgerichtet Drittmittel (ISP, DFG, VW etc.) angefordert werden können, - und neue integrierende Lehrangebote – vor allem ein Doktorandenstudium – geschaffen und somit zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten für Studierende angeboten werden.