Graduiertenkolleg - Dynamik und Komplexität von Kulturen

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Graduiertenkolleg
Prozessualität in transkulturellen Kontexten:
Dynamik und Resistenz - Kurzdarstellung
Zusammenfassung
Die Erfahrung der intensiven Verschränkungen der Kulturen durch die komplexen
Vorgänge der Globalisierung lässt sich mit den traditionellen Paradigmata der Sozialund Geisteswissenschaften nur schwer analysieren. Wie die klassischen
Fächergrenzen überall in der Universität sich neu gruppieren, so auch in den
Kulturwissenschaften. Kultur ist dabei in einem umfassenden Sinne gemeint, nämlich
der Erfahrungswelt der Individuen als Wahrnehmende, Sprechende, Handelnde, die
mit diesen Handlungen wiederum ihre Lebenswelt prägen und Voraussetzungen
schaffen, innerhalb derer sie handeln, handeln müssen und/oder handeln wollen
oder sich verweigern. Das schließt auch Ökonomie, Institutionen und Verfahren ein
wie die Sprache, Recht und Normen.
Untersuchungsgegenstände sind transkulturelle Situationen, die so genannten
Dritten Räume, die mehrere Kulturen integrieren, aber keiner Kultur gehören. In
diesen Situationen wird die Prozessualität von Kultur besonders deutlich.
Um für die Untersuchung von Befunden neue Analysemethoden zu entwickeln,
bedarf es des intensiven Austauschs bereits in der Befundaufnahme und in der
Analyse über die Fächer hinweg. Deshalb werden im Graduiertenkolleg die
Doktorandinnen und Doktoranden interdisziplinär arbeiten und an ihrem jeweiligen
Material die Reichweite und Grenzen von vorhandenen Methoden und Theorien
überprüfen. Das Ziel ist es, ein Set von Analysemethoden zu entwickeln, die in der
Lage sind, transkulturelle Verhältnisse als intensivste Form von kultureller
Veränderung zu beschreiben und in ihren Wirkungen einzuschätzen.
Gemeinsame Fragestellung und Zielsetzung
In kulturell komplexen Situationen können Begriffe wie Hybridität, Multiple Identität,
Deterritorialisierung und der Umgang mit den daraus resultierenden subjektiven
Anforderungen untersucht werden. Im Kolleg werden nicht vorwiegend die aus der
interkulturellen Begegnung resultierenden Grenz- und Differenzsetzungen
untersucht, sondern die Prozesshaftigkeit der Transkulturalität: die transkulturelle
Vernetzung, Überschneidungen, Vermischungen kultureller Phänomene. Es geht uns
um die prozesshaften Momente der Veränderung, Übersetzung, Umdefinition
kultureller Bedeutungen, Zugehörigkeiten, Codes oder Sprachen. Sowie um die
dabei in Gang gesetzte Dynamik und dieser entgegenwirkende Resistenzen.
Die gemeinsame Fragestellung, unter der die Resultate der Teilprojekte geprüft
werden sollen, lautet:
“Welche Theorien dynamischer und komplexer Kulturen sind für die Analyse
transkultureller Prozesse geeignet? Welche methodischen Konsequenzen sind damit
verbunden?
Diese Fragen sollen in vier Arbeitsschritten behandelt werden:
• Dokumentation und Analyse neuer kultureller Erscheinungen wie Hybridität, Dritte
Räume, narzisstische Identifizierungen, multiple Identitäten, Entwurzelung, etc.
• Beschreibung und Analyse der inneren Beschaffenheit dieser Erscheinungen,
insbesondere der mentalen, kognitiven und symbolischen Repräsentationen und
ihrer Vernetzung.
• Analyse der einzelnen Resultate im Hinblick auf einen prozessualen Begriff von
Kultur. Dieser Schritt führt die verschiedenen Projekte und Disziplinen wieder zu
einer engen Zusammenarbeit bezüglich der gemeinsamen Hauptfragestellung. Der
geeignete Kulturbegriff und die dafür notwendigen Methoden sollen in gemeinsamen
interdisziplinären Kolloquien und Seminaren bearbeitet werden.
• Feststellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der disziplinären
Forschungserfahrungen und Erörterung der Frage, ob transkulturelle Prozesse eine
spezifische Methode erfordern.
Ausgangslage und Stand der Forschung
Im letzten halben Jahrhundert ist es zu einer immer enger werdenden Verschränkung
von Kommunikationsprozessen in der Welt gekommen. Motor dieser Globalisierung
sind dabei sicher die ökonomischen Austauschformen, aber sie sind verknüpft mit
Migrationsbewegungen, der Begegnung von Menschen als Individuen und als
Gruppen, als Experten und Musiker, als Asylsuchende und Seeleute. Eindeutige
Einheiten wie Nationalstaaten, Religionen, Kulturen weisen nicht nur Einsprengsel
und Randphänomene aus anderen Kulturen auf, sie sind als ganze in der Krise. Das
Aufeinandertreffen von Kulturen gehört elementar zur Geschichte der Menschheit;
Austauschprozesse zwischen kulturellen Formationen sind die treibende Kraft ihres
Vorhandenseins. Die Verschränkung der Welt führt nicht zum „Ende der Geschichte“
im Sinn der Durchsetzung der westlichen Normen, sondern auch zur Differenzierung
von bislang als Einheiten verstandenen Phänomenen. Dynamik und Resistenz sind
die komplementären Kräfte im Globalisierungsprozess.
Bisherige Untersuchungen im Feld der Interkulturalität lassen sich grob in drei
Gruppen ordnen: a) deskriptive Studien über den Verlauf und die Konflikte des
interkulturellen Zusammentreffens, b) Studien zur Rehabilitation von als minderwertig
eingeschätzten kulturellen Hervorbringungen und c) angewandte/praktische
Forschungen zur Überwindung von kultureller Diskriminierung (interkulturelle
Pädagogik, Zweisprachigkeitspädagogik). Dabei konzentrierten sie sich unabhängig
von ihrem methodischen Ansatz stark auf die Analyse von kulturellen
Repräsentationen als Teil einer Kultur und auf die Legitimierung eines Status als
„Minderheiten“, um sie damit einer politischen Privilegierung zu öffnen.
Diese konkreten Forschungen sind weitgehend geprägt von einer Frage nach der
„Identität“. Die bisherige Forschung ging von der Annahme aus, in den
interkulturellen Kontakten könne man relativ homogene Entitäten von Geschlechtern,
Milieus, Gruppen, Ethnien, Sprachen oder gar Nationen abgrenzen. Die Kultur
(Sprache, Habitus, Normen) der Minderheiten müsse sich anpassen und verändern;
die Mehrheitskultur bleibe stabil und müsse sich ihrer Werte und ihres Wesens
besinnen. Die öffentlichen Debatten über „Leitkultur“ und die Frage, ob die Türkei zu
Europa gehöre, spiegeln diesen Diskurs. Aber in den Analysen kristallisierte sich
zunehmend heraus, dass die ursprünglich sowohl aus der Ethnologie als auch den
anderen Kulturwissenschaften stammende Annahme eines essentialistischen Kulturund Identitätsbegriffs nicht haltbar ist. Kultur und kulturelles Selbstverständnis sind
als je vorläufiges Ergebnis historischer Konstruktionen deutlich geworden. Um die
Hypothese des Konstruktionscharakters empirisch nachzuweisen und den Prozess
der wechselseitigen Dynamik zu verstehen, versuchen einige Forschungsrichtungen
seit den 80er Jahren Kulturkontakte als Formen des „Aushandelns“ von kulturellen
Selbst- und Fremdzuschreibungen oder Machtpositionen zu beobachten, zu
beschreiben und methodisch neuartig zu verstehen.
Ein Neuansatz
Der Neuansatz definiert Kulturen als primär dynamisch und komplex und folglich dem
Wesen nach als sich ständig verändernde semantische Referenzsysteme, die aber
auch stabile und resistente Teile enthalten, die sich gegenüber Wandel und
Multideterminiertheit verschließen. Kulturen erscheinen in wissenschaftlichen
Darstellungen aber auch in politischen Diskursen oft als relativ geschlossene
Ganzheiten und entfalten in konkreten Situationen ein wahrnehmungs- und
handlungsorientierendes Potenzial. Zum Teil werden solche essentialisierenden
Tendenzen in kulturellen Gefügen auch schon durch Instititutionalisierung verfestigt,
durch die Geschichte als master-narrative, resp. als eine kulturell verankerte
Teleologie autorisiert, und durch politische Strategien als gegeben bestätigt.
Als Gegenstand für die Untersuchungen eignen sich Situationen mit besonders
intensiven Kulturkontakten und die keiner der beiden (oder mehr) Kulturen
„angehören“. Homi Bhabha hat dafür den Begriff des „Dritten Raumes“ geprägt. Hier
bilden einerseits die daran teilnehmenden Personen ihre Identität in einer bisher
noch nicht festgelegten Form der kulturellen Vielfalt und Vermischung. Andere
reagieren auf die transkulturellen Zumutungen mit Resistenz. Die Situation bringt
aber auch eine eigene Dynamik hervor, die Virtuosen beherrschen können und
typenbildend wirken, während andere sich verweigern oder sich ängstlich ihrer
früheren Identität zu versichern suchen.
Am Beispiel der Identitätsfrage kann z. B. die Prozessualität näher erläutert werden.
Der Begriff beschreibt gewissermaßen instabile, nicht starre Identitäten, indem er
davon ausgeht, dass trotz der Notwendigkeit eine Identität zu „haben“ (so wie sie die
Individuen und Gruppen selbst begreifen), es auch Bedrohung und Veränderung von
Identitäten gibt; dass Identitäten verteidigt oder „gemanagt“ werden; dass es multiple
(und das heißt auch bi- bzw. transkulturelle) Identitäten gibt; dass es das Spiel mit
Identifikationen, also wechselnden, situationsspezifischen Identitäten (Images) gibt;
dass Identitäten für unterschiedliche Gruppen eine unterschiedliche Relevanz haben.
Historisch kann man Phasen von beschleunigter Veränderung (mit J. Burckhardt
kann man sie auch als „Krisen“ bezeichnen) und von längerer Stabilität erkennen. Es
sind vor allem solche Phasen längerer Stabilität mit geringen Veränderungen, die
den Eindruck der Homogenität und Abgrenzbarkeit erweckten. Ihre Dynamik erhellt
sich deshalb aus der Untersuchung von vorwärtstreibenden und
veränderungswilligen und -fähigen Kräften; ihre Stabilität erhellt sich aus der Analyse
der entgegengesetzten gesellschaftlichen Kräfte. Die für kulturelle Einheiten (im
klassischen Paradigma) typischen Prozesse beruhen auf für sie je spezifischen
Konventionen, Vereinbarungen. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher
Bedeutungen entspricht den Prinzipien von Dynamik und Resistenz, es führt
zunächst zu Missverständnissen, Verunsicherungen, die einerseits die existierenden
Bedeutungen verwischen, andererseits in produktiven Missverständnissen neue
definieren und erfinden.
Die Reflexion der methodischen Aspekte einer prozessbezogenen Kulturtheorie wird
einen wichtigen Platz in der geplanten Forschung einnehmen. Entsprechend der
Hypothese der Konstruktivität haben die essentialistischen Konzepte zu kulturellen
Entitäten wenig explikativen Wert gegenüber der sachlichen Realität. Im
Wesentlichen beruhen sie auf einem kognitiv konstruierten Realitätsanspruch, der
damit allerdings soziokulturell nicht weniger relevant ist. Es ist uns bewusst, dass die
postulierten „Einheiten“ von bestimmten Interessensgruppen in bestimmten
historischen und politischen Kontexten definiert wurden und der Verfestigung und
Legitimierung bestehender Machtpositionen dienten. In dieser Richtung bedarf es
weiterer Untersuchungen zu den prozessualen und dynamischen Aspekten von
Kulturalität, indem die grundsätzliche Abhängigkeit kultureller Beschreibungen und
Definitionen von ihrem Kontext genau untersucht wird. Die erkenntnistheoretische
Relativierung wissenschaftlicher Kategorienbildung durch Kuhn und andere schlug
sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Form einer Krise und Skepsis
gegenüber jeder Art von Textproduktion nieder. In der Writing-Culture-Debatte,
eingeleitet durch Clifford Geertz und weitergeführt von Literaturwissenschaftlern wie
James Clifford oder von Ethnologen wie Paul Rabinow, George Marcus und Abu
Lughod wurde der Text, die Ethnographie, jede Beschreibung des Anderen als eine
kulturelle Konstruktion der Wissenschaftler betrachtet, die ihre Forschungsdaten von
ihrem wissenschaftlichen, politischen und ethnischen Standort her organisieren und
niederschreiben. Dadurch erzeugen sie kulturelle Bilder, Kategorien, Gewichtungen,
wie sie auch die Kultursemiotik beschreibt (Roland Barthes, Umberto Eco u.a.).
Ausgehend von der Beschreibung der Kultur als Text soll in unserem Projekt aus der
Perspektive verschiedenster Disziplinen der Frage nachgegangen werden, unter
welchen kontextuellen Bedingungen welche Konstruktionen von Kultur gemacht
werden. Dieser Ansatz soll auch aus diachroner Perspektive aufgenommen werden,
um abzuklären, ob solche Fragen tatsächlich neu sind oder ob sie in anderer Form
auch schon zu früheren Zeiten sowohl theoretisch, methodisch als auch praktisch
gestellt wurden. Insofern könnte der Ansatz auch für historische Situationen neue
Erkenntnisse ermöglichen.
Das Erkenntnisinteresse richtet sich somit einerseits auf kulturelle Prozessualität, die
durch Dynamik und Resistenz gekennzeichnet ist, und andererseits auf den
Vergleich der Methoden und weiteren kontextuellen Bedingungen, die die
Dokumentation, Analyse und Beschreibung dieser Prozessualität beeinflussen. Diese
Bedingungen umfassen den jeweiligen Kontext des Gegenstandes, den disziplinären
Standort der Forscherinnen wie auch die zur Anwendung kommenden methodischen
Schritte. Es geht also auch um die Abklärung der Frage, ob es spezielle Methoden
für die Untersuchung transkultureller Prozesse gibt.
Transkulturalität und Prozessualität
Hinsichtlich des geplanten Doktorandenkollegs sind vor allem zwei Konzepte relevant
– Interkulturalität und Multikulturalität –, zu denen sich in jüngerer Zeit ein drittes –
Transkulturalität – hinzugesellte.
• Interkulturalität basiert auf der Annahme, dass es verschiedene, in sich homogene
Kulturen gibt, die gezwungenermaßen oder freiwillig in Beziehung zueinander treten.
Als Konzept meint Interkulturalität, dass es zwischen diesen Kulturen
Verständigungsprobleme gibt, die in der Regel als Folge eines schockartigen
Aufeinandertreffens zu Konflikten, Missverständnissen, Diffamierungen usw. führen.
Daraus folgt die gesellschaftliche Aufgabe, dieses Konfliktpotential zu überwinden
und nach Wegen des Miteinanders, der Verständigung und des Ausgleichs zu
suchen.
• Auch Multikulturalität thematisiert die Verschiedenheit in sich homogener Kulturen
innerhalb desselben Raumes. Als Lösungsmöglichkeit oder Entwurf konzipiert
Multikulturalität, dass diese Vielheit zugleich einen erstrebenswerten
gesellschaftlichen Versuch darstellt, indem jede Kultur nach der ihr eigenen Weise
Lebens- und Gestaltungsraum zuerkannt bekommt und so auf der Basis
gegenseitiger Toleranz und Verständnisses ein Miteinander geschaffen wird. Es steht
somit dem Konzept Interkulturalität nicht entgegen, sondern ist selbst schon ein
Vorschlag zur Bewältigung des Konfliktpotentials.
• Erst Transkulturalität bricht mit der Vorstellung von Kulturen als homogenen, in sich
geschlossenen Einheiten und bezieht ein erweitertes Konzept von Kultur mit ein.
Transkulturalität geht davon aus, dass in der heutigen Gesellschaft durch Migration,
erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten und ökonomische Verflechtungen
Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Welt miteinander vernetzt sind. Die
Unterscheidung zwischen uns und den anderen läuft nicht mehr entlang der
Zugehörigkeit zu einer Region, einer Kultur oder einem Nationalstaat, sondern sie ist
immer auch eine Definitions- und Verhandlungssache. Transkulturalität betont somit
die Aspekte der Vieldeutigkeit von Repräsentationen, der Symbolisierung, der
Grenzziehung.
Unser Ansatz kommt in seiner Konzeption derjenigen von Transkulturalität am
nächsten, ohne jedoch Elemente der anderen Konzeptionen auszuschließen. Im
Umlauf und Gebrauch befindliche Konzepte von Kultur werden aufgegriffen, und der
Fokus der kulturwissenschaftlichen Untersuchung richtet sich auf ihre Dynamik und
Resistenz.
Methodisches Vorgehen
Methodenpluralismus
Prozessualität und Transkulturalität stehen in einem wechselseitigen
Begründungsverhältnis. Transkulturalität bezeichnet in den vorliegenden
Forschungsprojekten nicht wie in komparatistischen Paradigmen kulturelle
Universalien. Vielmehr ist ein Kulturkonzept zugrunde gelegt, das sich mit einem
reflexiven und offenen Methodenverständnis verbindet. Die Methode begrenzt sich
nicht auf einen vorher definierten Ausschnitt der Wirklichkeit, sondern nähert sich
multiperspektivisch, kontext- und standortbezogen den Forschungsgegenständen an.
Es ist ein Ziel des Doktorandenkollegs zu erforschen, welche methodischen Schritte
sich für das Verstehen der genannten transkulturellen Prozesse eignen werden.
Voraussetzung für das Aushandeln, Differenzieren und Zuschreiben kultureller
Positionen sind immer auch Prozesse des Übersetzens, Annäherns, Angleichens
und des gegenseitigen verstehenden Wahrnehmens, die im Kontext mit
methodischen Anwendungen gemacht werden. Selbst wenn transkulturelle
Situationen die kulturelle Abgrenzung zum Ziel haben, setzten sie eine
vorhergehende notwendige gegenseitige Wahrnehmung voraus (Dialektik zwischen
identifizierendem Einlassen und identitätsbildendem Abgrenzen). Dies kann
ungewollt veränderte Formen kultureller Bedeutungen, Symbole und Handlungen
bewirken und oft auch veränderte politische Positionen zur Folge haben. Die
vorübergehende verstehende Annäherung oder Überschneidung der differenten
Positionen wird in den wissenschaftlichen Analysen oft isoliert und nicht genügend
untersucht, obwohl sie z. B. die Ursache für eine unerwartete Entwicklung von
transkulturellem Verstehen sein kann. Eine differenzierte methodische Einsicht in die
Bedingungen solcher Veränderungsprozesse streben wir an.
Da die kulturellen Transformationsprozesse in unterschiedlichen gesellschaftlichen
Bereichen, in Texten, Sprach- und Wissenssystemen untersucht werden sollen,
verwendet jeder auch unterschiedliche, der einzelnen Disziplin angemessene
Methoden.
– Für die Bearbeitung von Repräsentationen (Literatur, Linguistik, Codes, Medien,
etc.) werden als zentrale Methoden Textanalysen, linguistische Analysen, etc.
eingesetzt.
– Für die Erhebung sozialer Praktiken (Rituale, Körper- und Bewegungsabläufe,
soziale Bedeutung von Medien, Sprachenlernen, Meinungen) werden als zentrales
Vorgehen qualitative Methoden der Datenerhebung wie Interviews, Gespräche,
Beobachtungen, Feldforschung, etc. eingesetzt.
In einem späteren Stadium, wenn die Sammlung, Auswahl und
“Herstellung”/Konstruktion der Daten erfolgt ist, beginnt die Analyse der Daten im
Hinblick auf einen prozessualen Begriff von Kultur. Dieser Arbeitschritt wird auch in
gemeinsamen Seminaren und Kolloquien geleistet. Die verschiedenen Formen der
theoriegeleiteten oder hermeneutischen Interpretationen und Analysen der Daten
bezüglich der in ihnen enthaltenen kulturellen Bedeutungen, Transformationen und
Resistenzen werden gemeinsam in interdisziplinärer Zusammenarbeit in
Deutungsgruppen besprochen. An diesem Punkt beschäftigen sich die Teilnehmer
trotz der disziplinären und gegenstandsgegebenen Unterschiede mit ähnlichen
methodischen Problemen der Hermeneutik, Reflexion und Kulturtheorie.
Ein wichtiger Punkt der methodischen Reflexionen wird in der Beschäftigung mit dem
Verlauf der Forschungen und ihren verschiedenen Stadien, Problemen und
Kontexten bestehen. Der Verlauf der Forschung selber kann zu einem wichtigen
Datum werden, dessen Analyse Auskunft über transkulturelle Prozesse bezüglich
des bearbeiteten Themas und bezüglich der Beschaffenheit des transkulturellen
Verhältnisses zwischen dem Milieu des Gegenstandes und dem Milieu des
Forschers gibt. Gleichzeitig gibt die Analyse des Forschungsverlaufs und seiner
Störungen auch Hinweise auf die Inkongruenz oder Eignung bestimmter
methodischer Positionen und Techniken. Es wird für die Gruppe der Doktoranden
und ihrer Betreuer auf der Methodenseite die zentrale Aufgabe sein, sich
interdisziplinär darüber zu verständigen und sich zu fragen, ob es für transkulturelle
und dynamische Gegenstände besonders geeignete Methoden (und Theorien) gibt.
Die Gemeinsamkeit aller Teilprojekte besteht weniger in den detaillierten
Forschungsgegenständen, als in der gemeinsamen theoretischen und methodischen
Reflexion. Die thematische Vielfalt wird im Sinne typologischer Diversität eher als
Chance verstanden, um Methodendifferenzen sichtbar zu machen und Unterschiede
wahrzunehmen. Es geht auch darum, die einzelnen methodischen Schritte zu
benennen und dabei voneinander zu lernen und schließlich zu diskutieren, ob es
gemeinsame und adäquate neue Methoden für transkulturelle Fragen gibt und wenn
ja, welche Kernelemente sie enthalten müssen, um Transkulturalität in ihrer Dynamik
und Resistenz zu erfassen.
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