akkulturation

Werbung
Akkulturation und Integration
Gliederung:
1. Definitionen
2. Reaktionstypen gegenüber interkulturellen Anforderungen / Überschneidungssituationen
3. Akkulturationsbelastungen
4. Akkulturationsverlaufsmodelle
5. Akkulturation, Identität und Integration
Definitionen
Unter ENKULTURATION versteht man das
Hineinwachsen des Individuums in seine
Gesellschaft. Durch Prozesse des sozialen
Lernens im Kontext lebenslanger Sozialisation
erwirbt das Individuum die für ein Leben in
Gesellschaft und Kultur relevanten Werte,
Normen, Theorien, Konzepte, Verhaltensregeln,
Gewohnheiten, Rituale etc.
Werte:
Normen:
Theorien:
Verhaltensregeln:
Gewohnheiten:
Rituale:
10 Gebote
Einem Notleidenden muss geholfen werden.
Theorie vom Recht auf Selbstverwirklichung
Begrüßung, Umgang mit Autoritäten
Körperpflege, Eltern - Kinder - Familie
Heiliger Abend
Unter AKKULTURATION versteht man das
allmähliche Hineinwachsen eines Individuums,
das bereits einen Teil seines Enkulturationsprozesses erfahren hat, in eine neue kulturelle
und soziale Umwelt. Dieser Prozess vollzieht
sich freiwillig oder erzwungen, mit einem hohen
Maß an Freiheitsgraden oder unter sozialem
Zwang. Er kann als Bereicherung oder Belastung
erlebt werden und erfolgreich (Integration) oder
erfolglos (Marginalität) verlaufen.
Beispiele:
(1) Expatriate in China: Büro, Fabrik wie in Deutschland, Ausländerkolonie, Deutsche Community, Internationale Community
Deutscher Student in den USA
(2) Flucht, Vertreibung, Migration
Die Not treibt den Afghanen nach Deutschland
kein Pass / kein Zuhause
kein Geld / keine Familie
Theoretische Modelle (Perspektiven)
der Akkulturation
1. Lernpsychologische Perspektive
2. Stresstheoretische Perspektive
3. Eigenschaftspsychologische Perspektive
4. Entwicklungspsychologische Perspektive
Veränderungstypen kultureller Identität
(nach Bochner 1982)
Kulturelle
Identität
Persönliche
Identität
Soziale
Identität
Person
Fremdkulturelle Einflüsse
Bewältigung kultureller Überschneidungssituationen
Veränderungstypen
kultureller Identität
Assimilationstyp
(passing)
Kontrasttyp
(chauvinistic)
Grenztyp
(marginal)
Synthesetyp
(mediating)
Formen der Regulation interkultureller Divergenzen
1. Dominanzkonzept
Die eigenkulturellen Werte und Normen werden fremden Kulturen
gegenüber als überlegen angesehen. Sie sollen sich gegen Fremdeinflüsse durchsetzen und das Interaktionsgeschehen dominieren: z.B.
deutsche Führungskonzepte, Arbeitstugenden, Methoden der Konfliktbehandlung, des Krisenmanagements, Problemlösestrategien usw. werden als die besten, bewährtesten und sachgerechtesten Lösungen angesehen und gegenüber anderen Lösungsformen durchgesetzt. Auf alle
anderen Gruppenmitglieder wird so lange Anpassungsdruck ausgeübt, bis
sie gelernt haben, sich in ihrem Verhalten nach den deutschen (also aus
der Sicht der dominierenden Gruppenteilnehmer "richtigen") Kulturstandards zu orientieren.
2. Assimilationskonzept
Die fremdkulturellen Werte und Normen werden bereitwillig übernommen
und in das eigene Handeln integriert. Die Anpassungstendenzen an die
fremde Kultur können so stark werden, dass ein Verlust der eigenen
kulturellen Identität und ein völliges Aufgehen in der Fremdkultur die Folge sind. Die Gruppenmitglieder passen sich den nationalen und firmenspezifischen Normen und Werten einer Kultur, meist der überlegenen,
mächtigen, an, um so der ständigen Kritik an ihrem Verhalten zu entgehen
und den Anpassungsdruck seitens der Gruppenmitglieder und der
Führung zu minimieren.
3. Divergenzkonzept
Werte und Normen beider Kulturen werden als bedeutsam und effektiv
angesehen. Viele Elemente sind allerdings inkompatibel und führen in der
Anwendung zu ständigen Widersprüchen. Da eine Integration nicht gelingt, kommt es zu unauflösbaren Divergenzen und ständigen Schwankungen zwischen beiden Kulturen. Besonders in der Anfangsphase der
Bildung interkultureller Arbeitsgruppen bzw. beim Übergang eines Unternehmens von einem internationalen zu einem transnationalen Unternehmen sind solche Prozesse zu beobachten. Dies führt zu Verunsicherungen bezüglich der nun für die Zusammenarbeit gültigen Werte, Normen und Verhaltensregeln und langfristig zur Reduzierung der Arbeitsmotivation und der Gruppenkohäsion.
4. Synthesekonzept
Den Gruppenmitgliedern gelingt es, bedeutsame Elemente beider Kulturen zu einer neuen Qualität (Gesamtheit) zu verschmelzen. Das Resultat
besteht dann nicht mehr in der Bevorzugung einer der beiden Kulturen,
sondern in einer aus den "Ressourcen" beider Kulturen gewonnenen Neudefinition wichtiger Elemente (Synergie), die dann für alle Gruppenmitglieder normgebend werden.
Reaktionsformen auf kulturelle
Überschneidungssituationen
Kulturelle Überschneidungssituation
K1
K2
Eine kulturelle Überschneidungssituation wird wahrgenommen, als
Möglichkeit antizipiert oder bereits als real gegeben erlebt.
1. Abgrenzung (Kontrasttyp)
K1
K2
Das Individuum, aber auch Gruppen erleben die Unterschiede zwischen der
eigenen und der fremden Kultur sehr deutlich. Es besteht ein grundsätzliches Interesse, die Unterschiede zu betonen, um auf dem Hintergrund
der fremdkulturellen Erfahrungen den Wert der eigenen Kultur und damit der
eigenen Persönlichkeit hervorzuheben. Angestrebt wird eine räumliche und
soziale Isolierung. Zwischen der eigenen und der fremden Gruppe kann es
zu Auseinandersetzungen kommen. Ethnozentrische Tendenzen bis hin
zum Chauvinismus werden verstärkt.
Zwei Unterformen sind denkbar:
1. Radikale Isolierung des Fremden.
2. Versuche, einzelne Personen oder Gruppen zu assimilieren und zur
Übernahme eigenkultureller Vorstellungen und Verhaltensweisen zu „bekehren“ oder zu zwingen
2. Dialog (Grenztyp)
K1
K2
Grundlage ist die Erkenntnis, dass die fremde Kultur viele Ähnlichkeiten und
Identitäten mit der eigenen Kultur aufweist und dass die fremdkulturellen
Wert- und Normvorstellungen sowie Verhaltensweisen Anerkennung und
Wertschätzung verdienen.
Zwei Unterformen sind denkbar:
1. Unter Beibehaltung der Überzeugung von der Höherwertigkeit der eigenen Kultur genießen spezifische fremdkulturelle Denkweisen und Verhaltensmerkmale eine hohe Wertschätzung und werden als Ergänzung und
Bereicherung des eigenkulturellen Repertoires übernommen .
2. Der interkulturelle Dialog konzentriert sich auf die Entwicklung gemeinsamer Handlungsziele, die in beiden Kulturen eine hohe Wertschätzung
besitzen und nur gemeinsam verwirklicht werden können
3. Synthese
K1
K2
Bedeutsame kompatible Elemente aus beiden Kulturen können zu einer
neuen „Ganzheit“ verschmelzen. Das Produkt aus diesem Prozess kann zu
einer Bereicherung der eigenen Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung angesehen werden, aber auch zur Potentialoptimierung in Gruppen
und größeren sozialen Verbänden führen. Aus diesem Prozess erwachsen
Chancen zur interkulturellen Verständigung und zur Erhöhung der interkulturellen Handlungskompetenz .
Drei Unterformen sind möglich:
1. Aus dem fremdkulturellen Gefüge werden einzelne Elemente herausgebrochen und mit entsprechenden Elementen aus dem eigenen Kultursystem so verschmolzen, dass daraus eine neue Qualität entsteht..
2. Individuen oder Gruppen bewegen sich zwischen beiden Kulturen oder
zwischen Elementen aus beiden Kulturen hin und her, ohne der einen
oder der anderen einen Vorrang einzuräumen und ohne eine neue
Qualität aus der Begegnung zu entwickeln oder entwickeln zu können.
3. Über einen längeren gegenseitigen Austauschprozess zwischen zwei
Kulturen werden neue "Ganzheiten" synthetisiert, wobei die dazu besonders geeigneten Elemente aus beiden Kulturen betont werden bzw. auf
das ihnen Gemeinsame hin entwickelt und interpretiert werden und andere nicht passende Elemente nachrangig behandelt oder beseitigt werA den.
4. Konversion (Assimilationstyp)
K1=K2
Eine Person oder Gruppe lehnt die eigene Kultur radikal ab und übernimmt
die Werte, Normen und Verhaltensweisen der Fremdkultur vollständig..
Zwei Unterformen sind denkbar:
1. Die Konversion wird zwar vollzogen, es bleiben aber enge Beziehungen
zur Heimatkultur bestehen. Manche Denkweisen, Wertvorstellung und
Verhaltensmuster aus der Ursprungskultur werden beibehalten. Eine
solche, nur teilweise erfolgte Assimilation an die neue Kultur wird von der
sozialen Umwelt mit Misstrauen und Ablehnung beantwortet .
2. Der Bruch mit der ursprünglichen Kultur vollzieht sich so radikal, dass
eine feindselige Einstellung gegenüber der Ursprungskultur aufgebaut
wird und womöglich eine Integration in die neue Kultur über eine aktive
Bekämpfung der Ursprungskultur versucht wird.
Reaktionstypen gegenüber
interkulturellen Anforderungen
1. Der Ignorant: Wer nicht so denkt und handelt, wie es richtig ist, d.h.
wie ich es gewohnt bin, ist entweder dumm (ihn muss man aufklären),
unwillig (ihn muss man motivieren oder zwingen) oder unfähig (ihn
kann man trainieren). Wer sich nach allen erdenklichen Bemühungen
immer noch falsch verhält, dem ist nicht zu helfen. Er kommt als
Partner nicht in Betracht. Kulturell bedingte Verhaltensunterschiede
werden nicht wahrgenommen, nicht ernstgenommen oder einfach
negiert.
2. Der Universalist: Menschen sind im Grunde auf der ganzen Welt
gleich. Kulturelle Unterschiede haben - wenn überhaupt - nur unbedeutende Einflüsse auf das Managementverhalten. Mit Freundlichkeit, Toleranz und Durchsetzungsfähigkeit lassen sich alle Probleme
meistern. Im Zuge der Tendenz zur kulturellen Konvergenz werden
die noch bestehenden Unterschiede im „global village“ sowieso rasch
verschwinden.
3. Der Macher: Ob kulturelle Einflüsse das Denken oder Verhalten
bestimmen oder nicht, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass
man weiß, was man will, dass man klare Ziele hat, sie überzeugend
vermitteln kann und sie durchzusetzen versteht. Wer den eigenen
Wettbewerbsvorteil erkennt und ihn zu nutzen versteht, gewinnt unabhängig davon, in welcher Kultur er lebt und tätig wird.
4. Der Potenzierer: Jede Kultur hat eigene Arten des Denkens und
Handelns ausgebildet (kulturspezifisches Orientierungssystem), die
von den Mitgliedern der Kultur gelernt und als „richtig“ anerkannt werden. Produktives internationales Management muss diese unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen auch als Potential erkennen und ernst nehmen. Kulturelle Unterschiede können aufeinander
abgestimmt und - miteinander verzahnt - synergetische Effekte erzeugen und so einen Wettbewerbsvorteil im internationalen Management
bieten
Akkulturationsdruck und Akkulturationsstress
Soziale Situation
Psychische Reaktion
Auflösung stabilisierender
Familienbande
Misstrauen - paranoide Reaktionen
Wandel der Familienstruktur
Angst
Soziale Isolation - Abbruch sozialer
Beziehungen
Depression
Geringer Zugang zu ökonomischen
Erfolgszielen, soziale
Randständigkeit, Frustrationen
Aggressivität
Aufstiegs- und Abstiegsmobilität
erhöhte Scheidungsraten,
Ehezerrüttung
Dogmatismus
Psychosen, Erwachsenenneurosen,
kindliche Verhaltensstörungen
Kulturschock-Symptome
(nach Kühlmann, 1995)
Ebene
Beispiele
Körperliche
Verfassung
•
•
•
•
Erleben
Verhalten
Schlafstörungen
Appetitverlust
Verdauungsprobleme
Bluthochdruck
• Verärgerung und Misstrauen gegenüber Vertretern der
Gastkultur
• Sorgen um den eigenen Gesundheitszustand
• Befürchtungen, ständig hintergangen zu werden
• Hilflosigkeit und Niedergeschlagenheit im Hinblick auf
alltägliche Probleme, die unüberwindbar erscheinen
• Rückgang des Selbstverstrauens angesichts der erlebten
Unfähigkeit, sich in der fremden Kultur zurechtzufinden
• Wutausbrüche bei geringfügigen Anlässen
• Gefühl der Isolation im Gastland, Heimweh
• Erfahrung der Entwurzelung
• Verunsicherung im Hinblick auf die Gültigkeit der
eigenkulturellen Grundannahmen, Werte und Normen
• Selbstmitleid
• Erlebnis ständiger Anspannung und Überbeanspruchung
• Verantwortlichmachen der fremdkulturellen Umwelt für das
eigene Schicksal
•
•
•
•
•
•
Leistungsdefizite
Kreativitätsabfall
Abkapselung gegenüber Einheimischen
Suche nach Beziehungen mit Landsleuten
Erhöhter Alkoholkonsum
Widerstand, die Sprache des Gastgebers zu sprechen bzw.
zu lernen
• Abwertende Bemerkungen und Beschimpfungen gegenüber
dem Gastland und seinen Einwohnern
Kulturschockmodell nach Oberg (1960)
(nach Kühlmann, 1995)
Phase
Honeymoon
Crisis
Merkmale
Begeisterung und Faszination für die fremde Kultur
dominieren. Zu den Gastgebern bestehen freundliche,
oberflächliche Beziehungen.
Unterschiede der Sprache, Konzepte, Werte und Symbole zwischen der Heimat und Gastkultur bewirken
Gefühle der Unzulänglichkeit, Angst und Verärgerung.
Vermehrt wird der Kontakt zu anderen Landsleuten
gesucht.
Recovery
Die Kenntnisse der Landessprache verbessern sich.
Man findet sich in der neuen Umgebung zurecht. Die
Einstellung gegenüber der Gastkultur verbessert sich
wieder.
Adjustment
Die Eingliederung ist abgeschlossen. Man akzeptiert
die Gepflogenheiten der anderen Kultur. Ängste treten
kaum mehr auf.
Das Verlaufsmodell eines Akkulturationsprozesses
(nach Torbiörn, 1982)
Hoch
Orie ntie r ungs kla rheit
Ver halte ns angemes s enheit
M
indes tans pruchs niveau
Nie drig
I
II
Ankunft
Zeit
IIIIV
Stufenmodell interkultureller Sensibilität
Ethnozentrische Stufen
1. Leugnung
- Isolation
- Trennung
2. Abwehr
- Herabsetzung
- Überlegenheit
Ethnorelativistische Stufen
4. Akzeptanz
- Achtung von Verhaltensunterschieden
- Achtung von Wertunterschieden
5. Anpassung
- Empathie
- Pluralismus
- Umkehrung
3. Minimierung
- Physischer Universalismus
- Übernatürlicher Universalismus
6. Integration
- Kontextuelle Bewertung
- Konstruktive Marginalität
Nach: M.J. Bennett (1993). In R. M. Paige (Ed.), Education for the Intercultural Experience
(pp. 21-71).
Herunterladen