KULTUR

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Kurt Luger, Fachbereich
Kommunikationswissenschaft
Kurt Luger, Fachbereich
Kommunikationswissenschaft,
Universität Salzburg
Bewegliche Horizonte
Transkulturalität aus
kommunikationswissenschaftlicher Perspektive
1.Kommunikation
2.Kultur
3.Transkulturalität
4.Globalisierung
1 - Kommunikation
Information
Führt zur Verringerung von Unwissen oder
Reduktion von Ungewissheit beim
Empfänger
Information spielt sich beim Empfänger ab
oder wird durch ihn erst konstruiert
Kommunikation
• Ziel der Verständigung
• Ziel der Durchsetzung von Interessen
• Allgemeines und spezielles Interesse
Kommunikation ist die intentionale
Informationsabgabe, d.h. ein Signal muss
zum Zwecke der Mitteilung bzw. Verständigung
absichtlich produziert und gesendet werden
Interaktion – Handlungsablauf sozialer
Beziehungen
Kommunikation – Verständigung, inhaltliche
Bedeutungsproduktion
Kommunikation ist Interaktion
mittels Zeichen und Symbolen
Kommunikation ist soziales Handeln
Trennung in Verhalten und Handeln, welches
intentionales, zielgerichtetes Verhalten ist.
Es ist nicht möglich, sich nicht zu verhalten.
Verhalten hat eine informative Komponente –
Kleidung, Haartracht, Körperhaltung, Sprache etc.
Rückbezüglichkeit ist wichtiges Merkmal von
Kommunikation
Reflexion von Prozessen in der Kommunikation,
eingehen auf den/die Partner
Menschliche Kommunikation liegt dann vor, wenn Individuen ihre
kommunikativen Handlungen nicht nur wechselseitig
aufeinander richten, sondern darüber hinaus auch die
allgemeine Absicht ihrer Handlungen (d.h. Bedeutungsinhalte
miteinander zu teilen) verwirklichen können und das konstante
Ziel (Verständigung) jeder kommunikativen Aktivität erreichen.
Erst dieser wechselseitig stattfindende Prozess der
Bedeutungsvermittlung kann Kommunikation
genannt werden.
Das handelnde Subjekt ist nicht nur abhängig von
externen Faktoren wie Sozialisation, Kultur, persönlichen Strukturmerkmalen, sondern auch ein
Individuum, das selbst Bedeutungszuweisungen
vornimmt und Handlungsweisen durch Interaktion
mit anderen bestimmt.
Voraussetzung: ein mehr oder weniger „gemeinsamer“ Zeichenvorrat (Code).
Menschliche Wesen
agieren auf Grundlage der
Bedeutungen, die Dinge
für sie haben
Bedeutungen werden
ausgehandelt, entstehen
in der Interaktion mit
anderen Menschen
Bedeutungen werden
benutzt und modifiziert
Theorie des Symbolischen
Interaktionismus
Unsere
Wahrnehmungen und
unser Verhalten sind
geprägt von
• zu „Landkarten“
verdichteten
Symbolenwelten
• von Filtern, die helfen
die Außenwelt zu
vereinfachen und zu
verstehen.
Sie basieren auf Werten
und Glaubenssätzen,
auf Normen
vernünftigen Handelns,
die sich als Kultur
ausdrücken.
Kultur – Landkarten der
Bedeutung, die „Software“ der
Gesellschaft
Ein Netz von Bedeutungsstrukturen,
die Wegmarkierungen der Ordnung,
die gelebten Praktiken und Traditionen, Lebensstile, Konventionen.
Ein stets in Bewegung befindliches
Orientierungssystem, ein Rahmen, in
dem Zugehörigkeit als Identität erlebt
wird.
Kultur ist ein Modell für Verhalten
Menschen benutzen Kultur, um ihre
Aktivitäten zu organisieren und zu
normalisieren. Elemente von Kultur
werden verwendet, bewahrt, modifiziert,
verworfen, je nach dem, wie nützlich sie
bei der Organisation von Realität sind.
Somit ist Kultur ein „Programm“, dessen
Anwendung unter bestimmten soziohistorischen Bedingungen das hervorbringt, was wir als kulturelle Phänomene
bezeichnen (etwa Mythen, Riten,
Erziehungsstile, Vergnügungspraktiken).
„Culture is a design for living", mit ihr
"findet die Gesellschaft zu ihren Formen"
(Georg Simmel).
In den Industriegesellschaften hat die Medien- und Kulturindustrie die Rolle übernommen, neue Themen, Ideen,
Lebens- und Modernisierungsentwürfe in die Gesellschaft zu
implantieren, bislang „fremde“ Positionen zu vermitteln und
damit auch kulturelle Wandlungsprozesse zu initiieren.
Kultur, das Formenprogramm einer Gesellschaft, wird durch
Kommunikation gesteuert, Bedeutungen und Sinn werden
kommunikativ – interpersonell und/oder durch technische Medien
– ausgehandelt bzw. angeeignet. Nachdem kulturelle Systeme als
prinzipiell offene und wandlungsfähige Systeme gesehen werden,
sind auch die Individuen als handelnde Akteure zu begreifen, die
auf ihr gesellschaftliches Umfeld reagieren. Sie nehmen Einfluss,
arrangieren sich mit neuen Positionen, leisten Widerstand,
vertreten ihre Interessen, bilden Konsumgewohnheiten oder auch
einen „Eigensinn“.
Sie formen somit Lebensstile, entwickeln ihre Kultur als
Lebensweise, die sie immer wieder modifizieren. Kultur
schlägt sich daher in Symbolen, Überzeugungen, Werten,
Geschmacksurteilen, Normen, Lebensentwürfen usw.
nieder, die der Erhaltung und Reproduktion der Gesellschaft dienen und durch ihre Dynamiken auch deren
Wandel herbeiführen. Raum-zeitliches Neben- und
Durcheinander, Entgrenzung, Verschmelzung und lokale
Aneignung globaler Trends kennzeichnet die Welt.
Grenzüberschreitung Gegenstand jeglicher Kulturforschung
– Ethnologie spricht z.B. von der Transgression, der
Überschreitung der Alltagsvernunft
Alfred Schütz versteht die Fremdwahrnehmung – damit auch
Infragestellung der eigenen Sinnproduktion – als
Kommunikationsvoraussetzung
Kultur heißt immer auch kulturelle Differenz, im Prinzip
Paradoxie statt Orthodoxie, deswegen lehnen wir
Fundamentalismus auch ab, weil sie dem Recht auf
Andersheit widerspricht
Unesco Universal Declaration on Cultural
Diversity
Article 1
Cultural Diversity: the common heritage of
humanity
Culture takes diverse forms across time and
space. This diversity is embodied in the
uniqueness and plurality of the identities of the
groups and societies making up humankind. As a
source of exchange, innovation and creativity,
cultural diversity is as necessary for humankind
as biodiversity is for nature.
3 - Transkulturalität
Alle heutigen Kulturen
sind längst voneinander
durchdrungen, die
Lebensstile sind
multiethnisch und
multikulturell.
Denn: Kultur ist kein
hermetisches Konzept,
sondern ermöglicht
Außeneinflüsse. Es
kommt zur permanenten
Überschreitung
bisheriger kultureller
Grenzen, zu
Vermischung und
Hybridisierung.
Transkulturalität heißt, von
Denkweisen sauberer Trennung
des Eigenen vom Fremden
abzugehen und zu Denkformen
des Gewebes, der Verflechtung,
des Flusses zu kommen.
Denkfiguren der TK sind der
„Übergang“, „dritte Kulturen“,
„Verkreuzungen“, d.h. kreolische Formen von temporärer
Gültigkeit.
Es gibt kein strikt Fremdes und
kein strikt Eigenes mehr,
sondern Durchdringungen –
transversale Identitäten.
Tourismus und globale
Kulturindustrie heben
die Separiertheit und
Besonderheit von
Kulturen tendenziell auf.
Transkulturalität ist
daher ein Prozess, bei
dem die neuen
Lebensformen und Stile
den Kulturbegriff im
Sinne von abgegrenzten
und homogenen
kulturellen Ordnungen
oder von Nationalkultur
längst durchdrungen
haben.
„Es geht längst nicht mehr um Echtheit, Ursprung oder
innere Kohärenz. Alle Kulturen sind zusammengestückelt;
vom Standpunkt des Ethnopuritaners passt nichts mehr
zusammen: Auf den strohgedeckten Kegeldächern stehen
Fernsehantennen, auf unseren maschinell hergestellten
Textilien erscheinen „Ethnomuster“, Büromenschen
beschäftigen sich in der Freizeit mit Yoga und Buddhismus.
Wenn es keine Reinheit mehr gibt, braucht man auch nicht
mehr über Synkretismus zu sprechen. Alles ist Aura,
atmosphärischer Nebel, den die Menschen benötigen wie die
Luft zum Atmen.“ (Bernhard Streck, Fröhliche Wissenschaft Ethnologie)
Im Zentrum steht nicht die Frage nach dem Eigenen
oder Fremden, sondern nach der neuen Qualität und
Besonderheit des transkulturell Neuen, Gemeinsamen oder auch Trennenden.
Im Zeitalter der Globalisierung ist anstelle der klaren Trennung
zwischen Vertrautem innen und dem Fremden draußen eine
allgemeine Vertrautheit, aber auch eine globale Selbstentfremdung
getreten. Alles wird gewissermaßen gleich vertraut wie fremd,
Zentrum und Peripherie laufen durcheinander.
Die Vielfalt von Sichtweisen, Kostümen, sozialen Strömungen und
moralischen Konventionen erzeugt aber auch Angst und Konflikt,
weitet Gräben unter Umständen und führt zu Fragmentierungen,
Rückzug – zur Erschütterung der Horizonte.
Transkulturalität impliziert den Verzicht auf Klarheit, Eindeutigkeit
und Wahrheit – die Wahrheit ist so endlos wie die Schönheit.
In der vernetzten, globalisierten Welt formen deterritorial
agierende Medienkonzerne
geo- und transkulturelle
Märkte.
Verdichtungen erfolgen in
globalen Medienstädten zu
Hybridkulturen, dort findet
man aber auch den
Widerspruch:
In der Praxis wird die Überschreitung von nationalen
wie kulturellen Zugehörigkeitsgrenzen sanktioniert,
ökonomische Konflikte
werden kulturalisiert.
Der globale komplexe und zielgerichtete Transformationsprozess zwingt kulturelle Ordnungssysteme zu Anpassungen. Entwicklungsländer des Südens und die Staaten
Osteuropas davon stark betroffen – kulturelle Geografie
erlebt einen beschleunigten Wandel.
Konfliktzone zwischen dem „verlässlichen Eigenen im
inneren Kreis“ und den antagonistischen Einflüssen von
außen. Absorbierungspotenzial von Kulturen erheblich.
4 - Globalisierung
Globalisierung bezeichnet eine Transformation der
institutionellen Strukturen der Moderne: der
Nationalstaaten, der kapitalistischen Weltwirtschaft, der
internationalen Arbeitsteilung und der militärischen
Weltordnung.
A. Giddens spricht von einer Intensivierung weltweiter
Verbindungen und auch von einer „kulturellen
Globalisierung“, die zu einem scharfen Kontrast
zwischen Moderne und Tradition geführt hat.
Durch Globalisierungsprozesse werden Nationalstaaten
und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre
Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und
Netzwerke unterlaufen und querverbunden. Dieser
Prozess wurde durch den Neoliberalismus und die
Technikentwicklung massiv beschleunigt.
Globalisierung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive
Prozesse, die grenzübergreifend bzw. weltweit wirksam sind
und Gesellschaften über Raum und Zeit in Verbindung setzen
Ethnoscapes
Flüchtlings-, Migranten- und
Gastarbeiterströme erzeugen
im ethnischen Bereich
Vermischungen und damit
globalisierende Tendenzen.
Technoscapes
Technologietransfer verändert Arbeitsformen und
Berufsbilder; ähnliche
Berufsbilder haben letztlich
auch ähnliche Denkweisen
zur Folge.
Financescapes
weltweit agierende Wirtschaftsimperien, Geldtransaktionen, Börsen und
Aktienhandel haben auch
weltweite Auswirkungen.
Mediascapes
transnationale Informationsund Unterhaltungsindustrien
sorgen für den weltweiten
Vertrieb von
Medienprodukten.
Ideoscapes
die Propagierung von
bestimmten Werthaltungen,
Lebensformen (z.B. American
Way of Life), Vorstellungen
von Demokratie,
Menschenrechte, die
Verbreitung von Religionen
(etwa Islamisierung, Transfer
asiatischer Lehren in
Managementseminare etc.).
Alle diese Einflussfaktoren können
Auslöser von kulturellem Wandel
sein oder diesen behindern. Die
weltweite Interdependenz ist am
besten im ökologischen Bereich
erkennbar. Atomare Bedrohung,
Treibhauseffekt und Ozonloch
stellen Bedrohungen dar, die
nationalstaatliche Denkweisen oder
derartige Lösungsvorschläge
obsolet machen, da diese
Bedrohungen nicht vor nationalen
Grenzen halt machen.
=> C a t a s t r o s c a p e s
Globale Einflussgrößen und
globale Bedrohungslagen (z.B.
Terrorismus, Seuchen) verlangen
daher auch Maßnahmen, die global
wirken. Neue Strategien in
Richtung „gobal governance“
müssen entwickelt werden.
Theoriediskurse im
Kontext von
Transkulturalität und
Globalisierung
Weltkultur –
Glokalisierung der Welt
Globale Monokultur oder Welt der Verschiedenheit?
„McWorld“ oder Erneuerung nationaler bzw. kultureller
Identitäten und Schutz der Rechte indigener Kulturen?
Weltkultur als
Supermarkt?
Weltweite Angebundenheit (Konnektivität)
führt zu Integration
oder neuem
Kulturimperialismus?
Konsumerismus als
Kulturideologie des
globalen
Netzwerkkapitalismus
Deterritorialisierung
Produkte haben keine
nationale Beschränkung,
Esskultur global und
pluralistisch, nicht
homogen.
Kauf von alltäglichen
Gütern zeigt kosmopolitane Entwicklung, wir
leben in lokalen wie
globalen Kontexten zur
gleichen Zeit.
Kontrast dazu:
Rückzugskulturen
Kulturelle Diversität
Anerkennung auch im
globalen Zeitalter
(Unesco Declaration
on Cultural Diversity)
Weltkultur produziert
Differenz in der
Praxis und enthält
Differenz im Prinzip
Indigene Kulturen
benötigen Schutz und
die Globalisierung ein
„menschliches
Antlitz“
Weltkultur als Folge europäischer Zivilisation?
Imperialismus & Kolonialismus; Logik und Aufklärung;
Freiheit - Gleichheit – Brüderlichkeit oder Lernen von Asien?
Hochkulturen der archaischen Gesellschaft und Subsistenz
der Stammeskultur – globale ökologische Verantwortung?
Die transkulturelle Kommunikationswissenschaft versucht,
den ineinander verschlungenen Ketten theoretischer wie
empirischer Erklärungszusammenhänge auf die Spur zu
kommen. Das System wird aber immer komplexer – etwa
durch neue Technologien. Die Erkenntnis hängt den beweglichen Horizonten notgedrungen hinterher.
Um Transkulturalität zu
analysieren bedarf es einer
entgrenzten Kommunikationswissenschaft als
Methodologie, denn es geht
nicht nur um die Zeichen
selbst.
Was nützte uns die Elektrizität ohne die Erfindung
des Lichtschalters?
Edisons Genialität brachte
der Welt eine neue Form von
Energie. Erst durch den
Schalter aber wird es im
Raum hell und man sieht
sein Gegenüber.
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