Markus Arnold Kritik - Reflexion - Interpretation Anmerkungen zur Gouvernementa!itöt in den Kulturwissenschaften Verwendet man den Begriff der »Gouvernementalität« in Zusammenhang mit den Kulturwissenschaften, löst man noch immer oft Verwunderung aus. Dieser von Michel Foucault geprägte Begriff meint eine spezifisch »liberale« Herrschaftsform, in der nicht in erster Linie durch äußere Gewalt, sondern vor allem durch Erzeugung innerer Zustimmung auf Seiten der Beherrschten regiert wird. Es ist eine Regierungsform, in der Herrschaftstechniken sich mit Technologien des Selbst verbinden, in der Wissenspraktiken Machteffekte hervorbringen. Meist denkt man dabei jedoch an Seelsorge, Psychologie, Medizin, Polizey oder auch an die Statistik (vgl. Poovey 1998), viel seltener an Literaturwissenschaft, Geschichte, Philosophie oder auch an Wissenspraktiken aus dem Bereich der Cultural Studies. Doch in welchem Verhältnis stehen die sich selbst meist mit den Adjektiven »kritisch«, »reflexiv« und »interpretativ« beschreibenden Kulturwissenschaften zu jenen gouvernementalen Herrschaftstechniken? Wie greifen diese in gesellschaftliche Beziehungen ein? Und läßt sich auch von ihnen sagen, daß sie - so wie die Natur- und Technikwissenschaften (vgl. Ezrahi 1990) - in aller Unschuld Gesellschaft mitgestalten? Kurz, es sollte auch jenes »kritische Bewußtsein« der Kulturwissenschaften, das stolz darauf beharrt, nur etwas als wahr anzunehmen, wenn es die Gründe dieses anzunehmen selber für gut befindet, auf dessen gouvernementalen Qualitäten hin untersucht werden. Hierbei werden Beispiele aus den Bereichen der Geschichts- und der Literaturwissenschaft im Vordergrund stehen, jenen zwei traditionellen Leitdisziplinen der Kulturwissenschaften. l Arnold 136 1. Mißtrauen wir den Zeitgenossen ... Manchmal kann es in den Hörsälen der Universitäten zu erstaunlich emotionalen Szenen kommen, wenn Literaturwissenschaftler ihr philologisches Handwerk lehren. Ein Literaturwissenschaftler beschreibt dies in einem von uns geführten Interview bereits abgeklärt: Es gibt hundertprozentig [in den Seminaren] die natürliche Krise, daß einer aufsteht und sagt, was hat das mit Literatur zu tun [... ], was ihr da macht's, das ist eigentlich ein »Schas«, weil mir wird das Ganze nur verleidet, also das ist ein Topos, das kommt immer wieder. Das macht auf mich schon so einen rollenspielartigen Eindruck, daß da [... ] junge Wilde sitzen - sie tun dann auch so, als wären sie junge Wilde. Die Studierenden »versuchen [dabei] die Literatur vor mir m Schutz zu nehmen. Das passiert glaube ich in allen [literaturwissenschaftlichen] Einführungskursen auf der ganzen Welt.« (IL3/12) Ein anderer Lehrender bestätigt dies: Viele Studierende hätten das Gefühl, die von ihnen gelesene Literatur sei etwas Wertvolles und man sollte sie »unbehelligt<.< lassen, denn im Grunde wollen sie Kritik - Refiexion - Interpretation Emotionale Reaktionen von Seiten der Studierenden werden wenn überhaupt - meist als didaktische Probleme diskutiert und als solche müßten sie niemanden jenseits der Mauem der Universität auch nur interessieren: Studierenden werden die Praktiken und Normen der philologischen Kritik gelehrt, deren Sinn sie offenbar noch nicht begreifen. Solche Konflikte erscheinen jedoch in einem gänzlich anderen Licht, zieht man Pierre Bourdieus empirische Studien zur sozialen Positionierung ästhetischer Urteile heran: Wie er unter anderem in Die feinen Unterschiede zeigte, besteht zwischen der Art, wie man ästhetisch urteilt, und der eigenen Position im sozialen Raum eine strukturelle Homologie, sodaß eine Kritik an' einem bestimmten ästhetischen Zugang - wie etwa die Kritik an einem »identifikatorischen Lesen« - gar nicht anders kann, als auch eine Kritik an dem Verhalten und der Lebensweise bestimmter gesellschaftlicher Gruppen zu sein. Gesellschaftlich hat dies Folgen, denn die dem Ausbildungssystem inhärente Auszeichnung von bestimmten Praktiken und Diskursen in solche der legitimen »Bildung« transformiert ganz allgemein gesellschaftliche Klassifizierungen in solche des Ausbildungserfolgs und etabliert damit Hierarchien, die nicht mehr als rein technische [... ] empfunden werden, sondern als umfassende, in der Natur begründe- diese ästhetische Empfindung, die sie haben, nicht befragen. Das te, und läßt damit den gesellschaftlichen und den »persönlichen« Wert kommt wie das Amen im Gebet; das ist in jedem Kurs, immer, seit ich als identisch erscheinen. [... ] Nicht gebildet sein wird deswegen als das unterrichte. [... ]Dann kommt diese chirurgische Metaphorik: »der Verstümmelung der Person empfunden, die sie in ihrer Identität und wird so zerlegt und auseinandergenommen«, das sei ja schrecklich Würde beschädigt und bei allen offiziellen Anlässen, bei denen man und überinterpretiert. Das wird [von ihnen] als echter Verlust emp- [... ] sich vor den anderen mit seinem Körper, seinen Umgangsformen, funden. (IL 1/14) seiner Sprache zu zeigen hat, mit Stummheit schlägt. (Bourdieu 1997, Wogegen jene Studierenden sich wehren, ist die Zumutung, die eigenen Lesepraktiken aufzugeben: sich nicht mehr beim. Lesen mit den Personen einer Erzählung identifizieren zu dürfen, d.h. das aufgeben zu müssen, was Literaturwissenschaftler abwertend »naives« bzw. »identifikatorisches Lesen« nennen, um stattdessen gegenüber dem Text jene »reflektierte Distanz« einzuüben, die Grundlage jedes literaturwissenschaftlichen Arbeitens ist. 137 605) Darüber hinaus gibt es - wie David Lloyd und Paul Thomas für England und Georg Bollenbeck für Deutschland gezeigt haben historisch auch einen engen Zusammenhang zwischen den im 18. Jahrhundert entwickelten Konzepten der »Bildung« und der »Kultur« auf der einen Seite und der Durchsetzung des politischen Modells der repräsentativen Demokratie auf der anderen. Denn zu 138 Arnold jener Zeit war umstritten, inwieweit man als Bürger seine Interessen an eine in ihren konkreten Entscheidungen nicht an die Meinung des Volkes gebundene Körperschaft - wie es das Parlament ist delegieren kann. Bei der Durchsetzung dieser Regierungsform spielten Argumente, die sich sowohl auf die »Bildung« der politischen Mandatare wie auch auf die ihrer Wähler beriefen, eine große Rolle. Grundlage war dabei die Vorstellung, daß durch Bildung egoistische Interessen überwunden werden, sodaß ein »Gebildeter« sich im wahrsten Sinne des Wortes zum Repräsentanten allgemeiner Interessen gebildet habe. Dieser galt somit als jener, der fähig sei, die allgemeinen Interessen aller Bürger zu vertreten, mehr noch, er galt auch als derjenige, der fähig sei, einzusehen, warum es letztlich besser ist, die Vertretung seiner eigenen Interessen an ein solches Parlament zu delegieren (Lloyd!Thomas 1998). Die Bedeutung dieses gesellschaftlich-politischen Aspekts der Bildung für ein Verständnis der Kulturwissenschaften sollte nicht unterschätzt werden. Ist es doch gerade jene Distanzierung von dem beschränkten Standpunkt eigener Interessen und Sichtweisen, der in der Überwindung des »identifikatorischen Lesens« von der Literaturwissenschaft eingefordert und jedes Mal bei einigen Studierenden erneut auf Widerstand stößt. Und wenn wir uns der Geschichtswissenschaft, der zweiten Leitdisziplin innerhalb der Kulturwissenschaften, zuwenden: Lassen sich hier nicht ähnliche Brüche und Distanzierungen finden? - Man nehme nur ein Zitat Fernand Braudels aus dem Vorwort von Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Phillips II.: Mißtrauen wir [„.] der Geschichte, wie sie die Zeitgenossen im Rhythmus ihres Lebens - das kurz war wie das unsere - empfunden, beschrieben, erlebt haben. (Braudel 1990, XIIIf.) Eine Aussage, die in den Literaturwissenschaften wohl lauten würde: Mißtrauen wir den Intentionen des Autors und dessen Äußerungen über sein Werk. Wobei jedoch in der Geschichtswissenschaft die Worte des Autors, z.B. die eines mittelalterlichen Kanzleischreibers, in der Regel mit weit weniger Emotionen Kritik - Reflexion - Interpretation 139 besetzt sind. Werden diese zur historischen »Quelle« und zum Gegenstand historischer Analyse, steht daher auch im Gegensatz zu den Literaturwissenschaften nur selten jemand auf, um dagegen zu protestieren, daß der Sinn des Textes bis zur Unkenntlichkeit »Zerlegt und auseinandergenommen« wird. Dabei ist das distanzierende »Mißtrauen« der historischen Methodik immanent. Indem Historiker darauf beharren, in die Archive zu den »Quellen« zu gehen - anstatt sich einfach nur in die Bibliothek zu setzen - zeigen sie ein prinzipielles Mißtrauen gegenüber den etablierten Vorstellungen, Begriffen und Erzählungen über das Vergangene. Eine Gemeinsamkeit in den sonst recht heterogenen Praktiken der Geschichts- und der Literaturwissenschaft läßt sich daher am ehesten in einer spezifischen Form der Distanzierung finden: Sei es die kritische Haltung der Historiker oder die philologische bzw. ästhetische Haltung der Literaturwissenschaftler, sie alle setzen implizit - um die Worte Pierre Bourdieus zu verwenden - eine »Distanz und [die] hohe Warte des Beobachters voraus, der über dem Getümmel steht«. Dies ist jedoch eine Haltung, die auch den politisch Regierenden eigen ist in ihrem Verhältnis zu der von ihnen regierten Gesellschaft, speziell in repräsentativen Regierungsformen. Oder anders formuliert: Es ist eine soziale Haltung, der auch eine bestimmte Lebensweise entspricht, die nicht in jeder sozialen Position in gleicher Weise eingeübt, geschweige denn, gelebt werden kann (Bourdieu 1997, 699; vgl. Lloyd/Thomas 1998). 2. ... das ist es, was Interpretation heißt Aber wie wirkt sich diese Distanzierung in der alltäglichen Arbeit der Kulturwissenschaften aus? - Für eine erste Antwort wenden wir uns am besten jener Diskussion zwischen Hans-Georg Gadamer und Jürgen Habermas über den epistemologischen und gesellschaftlichen Status der Ideologiekritik zu. Im Zentrum ihrer Auseinandersetzung stand - im Zuge der politischen Debatten im Anschluß an die sog. 68er Bewegung - die Frage, welche Rolle den Intellektuellen mit ihrer Kritik in der Gesellschaft zukommt. 140 Arnold Habermas vertrat die These, daß in einer ungerechten Gesellschaft auch die Worte nicht unschuldig sein können, »Sprache [... ] auch ein Medium von Herrschaft und sozialer Macht [ist].« (Habermas et al., Hrsg., 1971, 52) Daher sei es Aufgabe einer kritischen Wissenschaft, die Sprache und ihre im Umlauf befindlichen Begriffe kritisch zu interpretieren. Habermas glaubte hierfür in der Psychoanalyse ein geeignetes Modell zu haben. Hier fand er ein Gespräch, in das »Arzt und Patient mit dem Ziel eintreten, einen dialogischen Aufklärungsprozeß in Gang zu setzen und den Kranken zur Selbstreflexion anzuleiten.« (ibid., 149) Was der Psychoanalytiker für den Neurotiker soll der kritische Wissenschaftler für die Gesellschaft leisten: Durch Analyse und Kritik des Gesprochenen soll dieser die unterdrückten, nicht-sprachlichen Anteile an der Kommunikation den Sprechern sichtbar machen, um diese zur Selbstreflexion anzuleiten. Aber auch wenn Habermas selbst dies einen »dialogischen Aufklärungsprozeß« nennt, ist nicht schwer zu sehen, daß dieser Aufklärungsprozeß sich zwar das Ziel setzt, die Bedingungen für einen herrschaftsfreien Dialog in der Zukunft herzustellen, aber die Beziehung des Ideologiekritikers zur Gesellschaft selbst - da nach dem hierarchischen Arzt-PatientenVerhältnis modelliert - von Habermas gerade 11icht herrschaftsfrei gedacht werden kann. Der zentrale Einwand Hans-Georg Gadamers gegen einen solchen Aufklärungsprozeß war daher auch: Kritik - Reflexion - Interpretation 141 Einbildungskraft verstehen zu wollen, als den bedeutungsvollen Ernst unbewußter SymbolisieIJ,!Ilg einer verschütteten Biographie zu deuten unternimmt. (ibid„ 295) Wenn ich jemandem einen Traum erzähle [... ], dann hat die Zu verurteilen sei ein solcher Aufklärer, da er sich weigere den Dichter Jean.Paul als Gesprächspartner anzuerkennen, indem er sich über ihn erhebt und statt mit dessen Texten einen Dialog zu beginnen, für sich beansprucht, nur mehr über diese zu reden. Gegen Habermas müsse daher am »eigentlichen Sinn von Kommunikation« festgehalten werden (ibid„ 306). Der ideologiekritische Interpret habe keine Erkenntnisse, die ihn prinzipiell berechtigen würden, das Gespräch abzubrechen und stattdessen einen Metadiskurs über die Sprache des anderen zu beginnen. Hermeneutik und nicht Ideologiekritik sei daher die einzig vertretbare ethische Position in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Was Gadamer jedoch übersah, ist, daß der Abschied von einem solchen Modell der Kommunikation bereits in den traditionellen Geistes- und Kulturwissenschaften methodisch angelegt ist. 2 Gleichgültig ob Historiker in den Archiven Selbstbezichtigungen von »Hexen« aus dem 16. Jahrhundert finden oder zeitgenössische Berichte, sie werden darauf beharren, diese auch zu interpretieren. D.h. sie werden in einer spezifischen intellektuellen Operation die aufgezeichneten Ereignisse und Reden auf etwas beziehen, was diese erst begründen und erklären soll. Denn ein moderner Historiker Mitteilung offenkundig nicht den Sinn, eine analytische Traum- schaut nach, was sich hinter den Wörtern befindet. Er koppelt die ver- deutung einzuleiten. Der Zuhörer verfehlt den hermeneutischen führerische Rede an die nicht-diskursive Wirklichkeit, die sich in ihr Scopus, wenn er das dann doch tut. Die Absicht ist vielmehr, an den ausdrückt und verkleidet. [„.] Genau das ist es, was Interpretation unbewußten Spielen der eigenen Traumphantasie teilzunehmen, so wie man etwa auch an der Märchenphantasie oder an der dichterischen Einbildungskraft teilnimmt. (ibid., 295) Dieses Verhalten habe nichts mit »Widerstand« im Sinne der Psychoanalyse zu tun. Und als wollte er die »jungen Wilden« in den Literaturwissenschaftlichen Seminaren verteidigen, ergänzt er: Es ist durchaus berechtigt, es abzulehnen, wenn einer[... ] z.B. Jean Pauls Traumdichtungen, statt sie als bedeutungsvolle Spiele der heißt (Ranciere 1994, 52, vgl. auch de Certeau 1991). Was der Psychoanalyse das »Unbewußte«, was der Habermasschen Ideologiekritik die »unterdrückten, nicht-sprachlichen Anteile« an der Sprache sind, ist der Literaturwissenschaft der von den Intentionen des Autors unterschiedene »Text« und sind der Geschichtsschreibung u.a. die »soziale Klasse«, die »Mentalität«, das »Zeitalter« oder auch die »Kultur«. Allen diesen Entitäten ist gemeinsam, daß sie den Wissenschaftlern ermöglichen, in den ------ 142 Arnold Reden der Menschen etwas zu finden, was dem Sprecher selbst beim Sprechen nicht als solches bewußt war. Sie alle sind - auf unterschiedliche Weise - davon überzeugt, daß den Sprechern die wahre Bedeutung ihrer Aussagen verborgen ist. Allein ihr Beharren, interpretieren zu müssen, verstellt den Kulturwissenschaftlern bereits die Möglichkeit, gegenüber den Interpretierten »den eigentlichen Sinn der Kommunikation« (im Sinne Gadamers) aufrecht zu erhalten. 3. Wie kritisch ist die Kritik der Kulturwissenschaften? Das Ideal der »Kritik« und die mit diesem Ideal verbundenen Sprachspiele begegneten uns bei unserer zweijährigen Untersuchung des Selbstverständnisses der Kulturwissenschaften auf Schritt und Tritt. Diesem Ideal entsprechen jedoch traditionell zwei Vorwürfe, die den Einfluß der Kulturwissenschaften auf die Gesellschaft betreffen: Die Kulturwissenschaften würden mit ihrer Kritik die sozialen Grundlagen der Gesellschaft durch ihre Beförderung des »Relativismus« gefährden und darüber hinaus hätten sie sich immer wieder - wie ihre Beiträge zum Nationalismus bzw. zur NS-Zeit belegen - als Ideologieproduzente~ betätigt. Während der erste Vorwurf ein Zuviel an Kritik beklagt, deutet letzterer die Selbsteinschätzung der Kulturwissenschaften, in besonderer Weise »kritisch« zu sein, als eine besonders hartnäckige Form einer professionellen kulturwissenschaftlichen Selbsttäuschung (illusio ). Doch was heißt Kritik in diesem Zusammenhang? Welche Verfahren lassen sich in den Kulturwissenschaften als spezifisch »kritische« identifizieren? - Wir können hier nicht die ganze Vielfalt kulturwissenschaftlicher Methoden in den Blick nehmen, und konzentrieren uns daher in Fortführung des Bisherigen anf einen Teilaspekt des Problems: den speziellen Umgang mit Abstraktionen, Klassifikationen und Modellen in den Kulturwissenschaften. Ziel wäre es, zumindest zu skizzieren, wie diese Disziplinen kritisch mit »ideologischen« Begriffen umgehen und welche Konsequenzen dies für ihre sozialen Beziehungen zu der übrigen Gesellschaft hat. Kritik - Reflexion - Interpretation ,"_ ___________________ 143 Alle Formen der historischen Darstellung (einschließlich der erzählenden) klassifizieren, abstrahieren, und generalisieren. Doch hat man weder von der Geschichte noch von der historischen Methode etwas verstanden, wenn man nur diese abstrahierten Vorstellungen sich aneignet. Um ein Beispiel zu geben: Begriffe wie »die Renaissance«, der »Absolutismus«, die »neuzeitlichen Wissenschaften«, der »moderne Staat«, die »industrielle Revolution«, der »Kapitalismus«, aber auch Allgemeinbegriffe wie etwa der der »Kulturwissenschaften« gehören nicht nur zum Wortschatz unserer Gesellschaft, sondern werden auch in kulturwissenschaftlichen Darstellungen und Interpretationen verwendet. Das Besondere an ihrer Verwendungsweise ist nun, daß solche Begriffe weit mehr als nur Gattungsnamen sind. »Aufklärung« meint etwa nicht nur einen historischen Abschnitt in der europäischen Geschichte, sondern ist zugleich ein Modell, an dem einzelne Ereignisse und Personen gemessen werden können. Man kann fragen, inwieweit ein bestimmter Denker bereits Teil der Aufklärung ist, inwieweit er ihr Gegner ist. Eine typische Forschungsfrage wäre etwa, inwieweit eine oberitalienische Stadt zur Zeit der Renaissance unserem Bild und Modell »der« italienischen Renaissance entspricht und inwieweit z.B. andere soziale Formen, die in der Regel meist nicht mit dem Begriff der Renaissance in Verbindung gebracht werden, in dieser Stadt damals existierten. D.h. eine mögliche Fragestellung wäre: inwieweit entspricht eine bestimmte italienische Stadt zur Zeit der Renaissance unserem Modell einer italienischen Stadt der »Renaissance«? - Und auch in den Literaturwissenschaften beschäftigt man sich mit Fragen ähnlicher Art: Wieweit entspricht eine Erzählung eines bestimmten Autors des 18. Jahrhunderts dem allgemeinen Modell der Erzählung, d.h. ihrem Geme, und inwieweit verarbeitet dessen Inhalt bereits bekannte allgemeine Motive? Und vor allem in welchen Details und aus welchen Gründen weicht es von diesen Modellen ab? Kurz, es geht in den Kulturwissenschaften meist darum, die Eigenart einzelner Phänomene herauszuarbeiten. Jedoch nicht, indem man auf allgemeine Begriffe verzichtet, sondern indem man 144 Arnold diese m einem ersten Schritt - verwendet, um dann deren Grenzen am konkreten Einzelfall zu bestimmen (vgl. de Certeau 1991, 109f.). Es geht in den Kulturwissenschaften zwar auch darum, inadäquate Begriffe durch adäquate zu ersetzen, aber nur, um sogleich zu zeigen, daß sogar die adäquatesten Begriffe und Vorstellungen letztlich gegenüber dem besonderen Fall und Kontext inadäquat bleiben. Kulturwissenschaftliche Verfahren, so könnte man formulieren, verwenden in der Regel archivarische »Quellen« oder philologisch »gereinigte« Editionen, um mit deren Hilfe die singulären Details eines besonderen Falles jederzeit ins Spiel bringen zu können und auf diese Weise erst jenen spezifisch »kritischen« Umgang mit potentiell ideologischen Begriffen und Vorstellungen - den eigenen wie auch mit denen der Gesellschaft zu ermöglichen. Das heißt aber auch: Die Frage, ob die Kulturwissenschaften in erster Linie Ideologieproduzenten sind oder Kritiker derselben, ist offenbar falsch gestellt. Es ist die eigentümliche Verschränkung beider Aspekte innerhalb ein und derselben methodischen Operation, die kulturwissenschaftliches Forschen und Interpretieren charakterisiert. Doch was in der Arbeit zwei Seiten einer Methode sind, wird in der allgemeinen Öffentlichkeit s~lten als solche rezipiert. Während innerhalb der Universität nicht umsonst die Kritik im Sinne der historischen »Quellenkritik«, der philologischen Textkritik und der Literaturkritik im Mittelpunkt stehen, sind es vor allem die idealisierten Modelle und generalisierenden Begriffe, die im Schulunterricht, in den popularisierenden Werken von Historikern, aber auch in Filmen meist unkritisch dargestellt werden. Was dem Forscher ein heuristisches Modell ist, das er im Laufe seiner Untersuchung der Kritik aussetzt, gilt der Öffentlichkeit daher meist als scheinbar akkurate Beschreibung der Realität. Doch ist heute gerade auch in diesem Bereich (und dies ist für die Frage der Gouvernementalität entscheidend) die Grenze zwischen Kulturwissenschaft und Öffentlichkeit fließend geworden. Der Denk- und Arbeitsstil der Kulturwissenschaften infiltriert schon seit langem weite Teile der Gesellschaft. Gab es früher nur den Staat, die Kritik - Reflexion - Interpretation 145 Kirche und die großen Familien eines Landes, die Archive produzierten, steht der Historik~r heute einer Gesellschaft gegenüber, die an einer »Aufzeichnungswut« zu leiden scheint. Heute ist das »papierene Gedächtnis« längst eine autonome Institution bestehend aus Museen,. Bibliotheken, Depots, Dokumentationszentren und Datenbanken. Allein für die öffentlichen Archive schätzen die Experten, daß sich dank der seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um sich greifenden Aufzeichnungswut die Bestände bereits vertausendfacht haben (Nora 1998, 22f.). Neben den Behörden sind es aber auch private Firmen und zahlreiche Interessensvertretungen, Städte und Dörfer, sowie Privatpersonen, die Archive aufgebaut haben, um ihre eigene Geschichte durch Dokumente zu belegen. Offenbar sind es nicht mehr nur die verwendeten Begriffe, Modelle und Inhalte der Kulturwissenschaften, die die Sprache der Gesellschaft infiltrieren. Es. sind bereits die Methoden und Techniken selbst, die in die Gesellschaft eindringen. 3 Die Folgen sind zwiespältig, da gerade die akribischen Methoden der Kritik gesellschaftlich einen hierarchischen Diskurs erzeugen: Indem sich - mit den Archiven, der Quellenkritik, und der Notwendigkeit, Behauptungen durch Literatur zu belegen - kulturwissenschaftliche Technologien der »Kritik« in der Gesellschaft zunehmend als Standards etablieren, befördern sie eine Akademisierung gesellschaftlicher Kritik mit all ihren sozialen Implikationen. Eine notwendige Bedingung für solche gesellschaftsrelevanten Effekte kulturwissenschaftlicher Kritik ist jedoch die prinzipielle Bereitschaft der Subjekte, diese Art der Kritik als »Aufklärung« zu übernehmen und zu ihrer eigenen zu machen. Eine Bereitschaft, die - nicht immer, aber erstaunlich häufig - vorhanden ist. Der Transfer der kulturwissenschaftlichen Technik des Archivierens ist selbst ein Zeichen dafür, daß soziale Gruppen und Institutionen bereits ihrem eigenen Gedächtnis und ihren mündlichen Überlieferungen zu mißtrauen beginnen und zunehmend bereit sind, ihre Wahrnehmung und Deutung der Ereignisse durch eine mit Hilfe von Dokumenten erarbeitete Interpretation in Frage zu stellen. Zumindest sind sie bereit (vielleicht auch nur um mit ihren 146 Arnold Handlungen selbst einmal Teil der aufgezeichneten Geschichte zu werden) ihre eigenen Erfahrungen dem Zwang zu unterwerfen, archivarisch belegbar zu sein. Dieses Zugeständnis schafft in der Gesellschaft jenes Mißtrauen gegenüber den eigenen Überzeugungen, jene spezifische Distanzierung von den eigenen Meinungen und Begriffen, die erst ein gesellschaftliches Bedürfnis nach kritischer »Aufklärung« durch die Kulturwissenschaften weckt. Worauf es mir hier ankommt, ist daher nicht die Rezeption bestimmter kulturwissenschaftlicher Inhalte und Interpretationen, wie etwa der Einfluß von Interpretationen der »nationalen« Literatur- und Geschichtswissenschaften auf die Nationswerdung lokaler Gesellschaften (Giesen 1999); weit wichtiger ist für unseren Zusammenhang die Tatsache, daß diese Differenz Teil des Denkens und Handelns der Subjekte wird: Denn erst die Anerkennung der Existenz »objektiver Sinnzusammenhänge«, die nicht mit den eigenen »subjektiven Sinnzusammenhängen« korrelieren, schafft in den einzelnen Subjekten jene kritische Distanz, die Voraussetzung ist für das, was - im Sinne der Kulturwissenschaften - »Reflexion« und ein »kritisches Bewußtsein« meint. Dabei ist es den Kulturwissenschaften nicht möglich, die Spannung zwischen den »subjektiven Sinnzusammenhä~gen« der Betroffenen und den kulturwissenschaftlich konstruierten »objektiven Sinnzusammenhängen« zugunsten einer der beiden Seiten aufzulösen.4 Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als diese Spannung als soziale Beziehung bewußt zu gestalten. Denn letztlich ist die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdinterpretation nicht nur das Einfallstor für die gouvernementalen Praktiken der »Selbstregierung« der Subjekte, sondern auch Bedingung für jenen spezifischen Erkenntnisgewinn, den Kulturwissenschaften der Gesellschaft anzubieten haben. Daß sich hierbei Herrschaft und Wissen miteinander verbinden, kann nur einer naiven Ideologiekritik suspekt sein, die übersieht, daß gerade indem das kulturwissenschaftliche Wissen sich als kritischen Beitrag zur »Selbsterkenntnis« der Subjekte anbietet, sich dieses Wissen zwanglos mit den Zielen liberaler Gouvernementalität verbinden kann, die ja darauf insistiert, Kritik - Reflexion - Interpretation 147 daß der ideale Staat - im Gegensatz zu den absolutistischen Herrschaftsformen davor_.,... in weiten Teilen des sozialen Lebens auf die Fähigkeit zur »Selbstregierung« auf Seiten der einzelnen Subjekte vertraut. Als Ergebnis- unserer Überlegungen zur Gouvernementalität ließe sich daher festhalten: Warum es falsch wäre, die politischen Aspekte der Kulturwissenschaften allein in deren politischen Aussagen zu suchen. Warum kritische Aussagen nicht per se politisch »widerständig« sind. Und warum sich in scheinbar rein didaktischen Fragen weit komplexere gesellschaftlich-politische Probleme verbergen können. Denn es sind die kulturwissenschaftlichen Praktiken selbst, die sich in der modernen Gesellschaft mit den gouvernementalen Praktiken liberaler Provenienz verbinden und so - auch entgegen den Intentionen einzelner Kulturwissenschaftler selbst - in fundamentaler Weise politisch werden. Diese hier nur kursorisch betrachteten Effekte kulturwissenschaftlichen Arbeitens gilt es schärfer in den Blick zu bekommen, wenn in Zukunft nach dem gesellschaftlichen Ort und der Aufgabe der Kulturwissenschaften gefragt wird. Denn die oft beschworene »Krise« der Kulturwissenschaften könnte letztlich eine Krise ihrer Gouvernementalität sein. Anmerkungen Die Arbeit ist entstanden innerhalb einer vom FSP-Kulturwissenschaften/Cultural Studies geförderten Studie, in der Wissenschaftskulturen von Kultur- und Naturwissenschaften untersucht und verglichen wurden. Mein Dank geht hier an die Biologin Karen Kastenhofer, die Physikerin Martina Erlemann, die Literaturwissenschaftlerin Antoinette Glaser und den Historiker Martin Schmid für hilfreiche Diskussionen und Anregungen. Speziell zu den im Projekt untersuchten Kulturwissenschaften verweise ich auf die im demnächst erscheinenden Endbericht enthaltenen Arbeiten von Antoinette Glaser Arnold 148 2 3 4 und Martin Schmid. Zitierte Interviews sind im Rahmen des Projekts geführt worden. Bezeichnenderweise orientiert Gadamer in Wahrheit und Methode seine Theorie der Geisteswissenschaften am Modell der Kunst, wie sie einem in der ästhetischen Betrachtung begegnet, wobei er diese Erfahrung als Kommunikationsprozeß zwischen Betrachter und Kunstwerk deutet. Ein Modell, das systematisch die Rolle des analytischen Handwerkzeugs zugunsten der »Tradition« als eines unmittelbaren Wirkungszusammenhangs ausblendet. Ein Vorgang, der - folgt man Reinhart Koselleck - bereits im 18. Jahrhundert einsetzte, als in der Zeit des Absolutismus die »Kritik der Gelehrtemepublik« gerade in ihrem Anspruch »unpolitisch« urteilen zu können, mit ihren Urteilen politisch wurde (Koselleck 1973, 81-105). Einer der ersten, der das Problem der prinzipiellen Differenz zwischen den »subjektiven Sinnzusammenhängen« der Betroffenen und den von den Wissenschaften konstruierten »objektiven Sinnzusammenhängen« sah, war in den 30er Jahren Alfred Schütz (Schütz 193211974). Versuchte er mit dieser Unterscheidung eine verstehende Sozialforschung zu begründen, so lassen sich seine Überlegen auch auf die Situation der »verstehenden« Kulturwissenschaften übertragen. Literatur Bollenbeck, Georg (1996): Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. - Frankfurt/M.: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre (1997): Die feinen Unterschiede. Ktitik der gesellschaftlichen Urteilskraft. - Frankfurt/M.: Suhrkamp. Braudel, Femand (1990): Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Phillips II. - Frankfurt/M: Suhrkamp. de Certeau, Michel (1991): Das Schreiben der Geschichte. -Frankfurt/New York: Campus. Kritik - Reflexion - Interpretation 149 Ezrahi, Yaron (1990): The Descent of lcarus. Science and Transformation of Contemporary Democracy. - Cambridge/Mass.: Harvard University Press. Foucault, Michel (1992): Was ist Kritik? (frz. Orig. 1990). Berlin: Merve. Foucault, Michel (2000): Die Gouvernementalität (frz. Orig. 1978). In: Ulrich Bröckling et. al., Gouvernementalität der Gegenwart. - Frankfurt/M.: Suhrkamp, 41-67. Giesen, Bernhard (1999): Kollektive Identität. Die Intellektuellen und die Nation 2. - Frankfurt/M: Suhrkamp. Habermas, Jürgen et al., Hrsg., (1971): Hermeneutik und Ideologiekritik. - Frankfurt/M.: Suhrkamp. Koselleck, Reinhart (1973): Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. - Frankfurt/M.: Suhrkamp. Lloyd, David, Paul Thomas (1998), Culture .. and State, New York/London: Routledge. Nora, Pierre (1998): Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Frankfurt/M.: Fischer Verlag. Poovey, Mary (1998): The History of the Modem Fact. Problems ofKnowledge in the Sciences of Wealth and Society. - ChicagoLondon: The University of Chicago Press. Ranciere, Jacques (1994): Die Namen der Geschichte. Versuch einer Poetik des Wissens. - Frankfurt/M.: Fischer Verlag. Schütz, Alfred (193211974), Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. - Frankfurt/M.: Suhrkamp. Christina Lutter, Lutz Musner (Hg.) .. Kulturstudien in Osterreich Löcker 5 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des BKA, Sektion für Kunstangelegenheiten, des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Magistrats der Stadt Wien, MA 7, Wissenschafts- und Forschungsförderung. Inhalt Christina Lutter, Lutz Musner (Hg.) Kulturstudien in Österreich ............................ 7 Christian Gerbe!, Manfred Lechner, Dagmar C. G Lorenz, Oliver Marchart, Vrääth Öhner, Ines Steiner, Andrea Strutz. Heidemarie Uhl Transformationen gesellschaftlicher Erinnerung.~ .......... 13 Zur hegemonietheoretischen Konzeption einer »Gedächtnisgeschichte« der Zweiten Republik Fritz Betz, Johanna Riegler Das Imaginäre der Arbeit im digitalen Neoliberalismus ...... 31 Eine Diskur~analyse zeitgenössischer Repräsentationen Sabine Payr Multikulturelle Gesellschaft im Netz .................... 51 Reflexionen zur Kultur der virtuellen Charaktere Matthias Marschik Die Konstruktion des »Bösen« ......................... 69 Fatale Strategien der österreichischen »Wende« Birgit Wagner Postcolonial Studies für den europäischen Raum ........... 85 Einige Prämissen und ein Fallbeispiel © Erhard Löcker GesmbH, Wien 2003 Herstellung: Novographic, Wien Printed in Austria ISBN 3-85409-374-8 Christina Wessely, Paulus Ebner, Markus Feig! »THE HUG OF THE WILD« ......................... 101 Inszenierungen des Natürlichen im Tiergarten Schönbrunn 6 Roswitha Muttenthaler, Regina Wanisch Grammatiken des Ausstellens ......................... 117 Kulturwissenschaftliche Analysemethoden musealer Repräsentationen Markus Arnold Kritik - Reflexion - Interpretation ..................... 135 Anmerkungen zur Gouvernementalität in den Kulturwissenschaften Gert Dresse!, Nikola Langreiter: Immerhin Programm ............................... 151 Reflexivität in den Cultural Studies Kurzbiographien der Autorinnen ...................... 169 Kulturstudien in Österceich Knapp fünf Jahre Laufzeit des Forschungsschwerpunkts (FSP) »Cultural Studies/Kulturwissenschaften« im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK) und die Fülle der daraus direkt und indirekt hervorgegangen Projekte, Publikationen und Forschungsnetzwerke sind ein erfreulicher Anlaß, eine vorläufige Bilanz dieser Aktivitäten zu ziehen - besonders, weil sich zunehmend der Eindruck verstärkt, daß ein guter Teil dieser Initiativen mittlerweile weit über den ursprünglichen institutionellen wie nationalen Rahmen hinausgehen. Gleichzeitig aber bietet die Tatsache, daß die Finanzierung dieses »Impulsprogrammes« aus staatlicher Quelle mit dem Jahr 2002 ein Ende finden wird, Anlaß zur kritischen Reflexion darüber, ob und welche Auswirkungen die gesetzten Impulse in Zukunft haben werden und ob die dazu notwendigen Voraussetzungen (noch) bestehen oder ob sie überhaupt erst geschaffen werden müssen. In dieser offenen Situation erhielten wir als Herausgeberinnen dieses Bandes zwei Einladungen des Löcker Verlages und des renommierten englischsprachigen Journals Cultural Studies zur Dokumentation kulturwissenschaftlichen Arbeitens in Österreich, die wir gleichzeitig zum gemeinsamen Nachdenken über zukünftige Entwicklungspotentiale und -möglichkeiten sowohl in Österreich als auch im Rahmen internationaler Netzwerke nutzen wollten. Wir formulierten daher einen breiten Call for Papers für beide Publikationen mit der Bitte um »Beiträge, die um forschungsleitende Begriffe, Theorien und Methoden so gruppiert sind, daß der Bezug zu den Kulturwissenschaften bzw. Cultural Studies deutlich gegeben und der gegenständliche wie wissenschaftstheoretische Kontext der Arbeit erkennbar ist«. Während der englischsprachige Sammelband einem internationalen Publikum primär österreichbezogene Themen und vergleichende Fragestellungen aus dem Feld der Cultural Studies vorstellen soll, geht es uns mit dem vorliegenden Band vor allem darum, Kontexte, Prozesse und Praxis kultur-