Tief unter die Haut Die Lyrikaden inszenieren Erika Künzels Tagebuch Was kann man erwarten von fünf Frauen auf dem Parkett und zwei Musikern, wenn Annabella Akçal alles dirigiert? Eine Friedensmission, auf unerwartete Weise umgesetzt, mit einer Frau im Mittelpunkt, die der städtischen Musikschule zu einem unverhofften Geldsegen verhalf. Gise Kayser-Gantner Schwäbisch Gmünd. Die Hauptprobe zur Uraufführung von „Bei mir gab's koine Wonda, bloss blaue Flecka“ ist verwirrend. Fünf mal Erika Künzel hat der Besucher vor sich. Fünfe, die miteinander sprechen, singen und agieren. Das Textbuch hilft nicht weiter, sondern wirft als nächste Frage auf: „Hatte Erika Schwestern oder Cousinen, die ihr so zwillingshaft ähnlich sahen, wie diese Damen? Alle mit diesem wunderbaren dichten blonden Haarschopf?“ Denn die haben ihre Auftritte im Textbuch als Angelika, Barbara, Christa, Marianne und Ulla Künzel. Einen Streifzug durch das ganz persönliche Leben unternehmen die Lyrikaden. Anhand der Tagebuchaufzeichnungen von Erika Künzel und Interviews mit Zeitzeugen haben Angelika Huber-Sommer und Annabella Akçal diese Aufführung dramaturgisch bearbeitet, sodass nun in vielen Szenen die unbekanntere Seite von Erika Künzel zu erleben ist. „Schau, wo die Falten, wo die Ohren des Publikums sind", rät Akçal, wenn das Spiel intensiver unter die Haut gehen soll. Die Lyrikaden haben eine hohe Hürde zu überwinden, denn das Spiel lebt von kleinen Gesten oder „homöopathischem Schauspielen“, wie die Regisseurin es nennt. So tief, wie sie unter die Haut von Erika Künzel schlüpfen, so dicht wollen sie ran an die Zuschauer. Sie führte ein privilegiertes Leben an der Seite eines wohlbetuchten Mannes. In ihrem riesigen Garten am Vogelhof begrüßte die Exzentrikerin an jedem Tag ihre Büsche und Bäume. In ihrem Haus lebte sie ihre Künste aus. „Jeden Tag ein Gedicht geschrieben und ein Bild gemalt“, notiert sie im Tagebuch. Mit Originalaufnahmen von Künzels Gesang und Instrumentalspiel werden die Szenen des Stücks illustriert. Sie haben hart gearbeitet, die Darstellerinnen der Lyrikaden. Zu Beginn waren sie sich nicht einig, ob man sich diese Texte, die sich qualitativ von den vorhergegangenen Arbeiten unterschieden, überhaupt zeigen wollte. Aber in der intensiven Arbeit an der Frage: „Wer war Erika Künzel?“, habe sich gezeigt, dass man mithilfe der Sprechkunst aus den schlichten Texten viel mehr herausholen konnte als erwartet. Heute steht ein mitreißendes Schauspiel auf der Bühne, ein authentisches Zeugnis aus dem Leben einer Gmünder Bürgerin, die stets einen eigenen Kopf bewahrte, und sich nicht scheute, politische Anweisungen zur Erhaltung des Friedens rund um die Welt an Präsidenten und Regierende zu schicken. Musikalisch begleitet werden die Szenen von Sabine Betz, Akkordeon, und Peter Funk, Bass, mit Chanson- und Jazzeinschlägen sowie den Swany Feet Warmers, die häufig zu Gast bei Erika Künzel waren und von ihr gefördert wurden. Info: Die Uraufführung von „Bei mir gib's koine Wonda, bloss blaue Flecka“ ist am Sonntag, 1. März, um 19.30 Uhr im Schwörsaal der städtischen Musikschule Schwäbisch Gmünd. © Gmünder Tagespost 21.02.2015 21:22:17