WS 2008/09 Seminar: Städtebiografie Professor: Helmuth Berking Referenten: Anggi Harahap, Gulzat Kalmurzaeva, Erik O. Martin Referat zu: Städte am 05.11.2008 3. Städte Globalisierung wirkt auf die Städte zurück (S.93) Städte sind „heterogene Räume“ mit unterschiedlichen gesellschaftlichen ‚Geschichten’ und Geographien (ebd.) Es lassen sich einige Stadtmodelle als vereinfachende Annäherung zur Veranschaulichung an städtischen Wirklichkeiten diskutieren (ebd.) 3.1. Stadtmodelle Stadtmodelle verweisen auf ein räumlich-soziales Gefüge (ebd.). Sie spitzen Beobachtungen und Analysen von Wirklichkeiten zu. Modelle sind aber nicht identisch mit den Wirklichkeiten. Wesentliche Kriterien für die Stadtmodelle: „Region, Zeitpunkt, politischer Kultur, wirtschaftlicher Bedeutung etc“ (S.94f) Benutzte Kriterien können z.B die Relation zur Weltwirtschaft oder die Stadtplannung aufzeigen. Die Modelle beziehen sich auch auf die historische Seite und die implizierte Norm Sechs Stadmodelle werden vorgestellt: Europäische Stadt, Funktionelle Stadt, Sozialistische Stadt, Zwischenstadt, Global City und Postkoloniale Stadt Europäische Stadt: Wesentliche Merkmale: vormoderne Geschichte, Emanzipationsgeschichte, urbane Lebensform (Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit, Zentralität, Gröse, Dichte, Heterogenität, Planung und Regulierung (De)Urbanisierungstendenz Funktionelle Stadt: Stadtplanung des „Neuen Bauens“ Prinzip: funktionale Trennung und Zonierung der Stadt Prägung der modernen Stadtplanung Sozialistische Stadt Übertragung der Kollektivitätsidee in räumliche Organisation Besipiel: Neubauwohnung in Platte Zwischenstadt Vernetzungsfunktion zwischen Stadt und Vorortsiedlungen Merkmale: unstrikte Linien/Trennung zwischen Gewerbegebiet, Einfamilienhaussiedlungen, Supermärkte, Autobahnanschluss Global City Funktionelle Verflechtungen zwischen Nationen auf Grund internationaler Arbeitsteilung Kennzeichen: Steuerungszentralen, Präzenz der multinationalen Konzerne und Arbeitsmärkte Postkoloniale Stadt Aufkommen der Megastädte Vernetzung mit Macht und Kontollfunktionen Strikte Trennung zwischen Stadt und Land Hohes städtisches Bevölkerungswachstum 3.2. Ökonomie und Kultur der Stadt Früher: Ökonomie und Kultur werden getrennt angesehen, aber ab 1960 werden sie zusammen betrachtet Die Verflechtung von Ökonomie und Kultur zeigen Städte als einen Ort des Tausches und einen Ort der Herausbildung von diversen städtischen Kulturformen 3.2.1. (Stadt)ökonomische Forschungsansätze (S.123ff) Es gibt 2 theoretische Perspektiven: 1) mikroökonomische Ebene untersucht die lokalen Wirtschaftssubjekte (Transport und Dienstleistungen) der Wirtschaft (Immobilienmärkte) 2) In der Makroökomie geht es um die überregionalen Wachstumsprozesse. (Export) Harvey untersucht die Relation zwischen Kapitalakkumulation und internationalem Kapitalfluss bei Städten durch z.B multinationale und transnationale Konzerne. Er unterscheidet funktional zwischen westlichen Ländern als Orten der Konsumption und den Ländern des globalen Süden, vorwiegend als Orte der Produktion 3.2.2. Stadt und Ökonomie der Symbole Es geht hier in den Städten des Westens (Nordens) vielmehr um den Verkauf von Symbolen und Werten Immaterielle Bilder und Ideen werden hier als Symbole verstanden Ziel: ökonomische Wertsteigerung (S.128) 1. Beispiel: die Marke Nike „’verkauft’ … Gefühle, Wünsche, Bilder und Identifikationsmöglichkeiten“ (ebd.) Zukin weist auf den historischen Wertewandel der Symbole hin. Funktion der Symbole als Representation von Macht (Zukin) z.B.: Die Skyline von Frankfurt am Main ist Symbol für Wirtschaftswachstum. Dabei geschieht ein Wertewandel. Das ist bei dem Anschlag auf NewYorker Wolkenkratzer zu sehen. Disneyfizierung in USA: positiv angesehen, aber in Europa z.B wegen der Checkpoint Charlie-Aktion in Berlin negativ aufgenommen. Grund: Touristische Vermarktung und geschichtliche Verfälschung. Die privaten Akteure machen aus der Geschichte einen s.g. Event. 3.2.3. Stadtkultur heute. Der Autor Rolf Lindner unterscheidet 3 Formen der Stadtkultur: Kultur der Stadt: Häußermann nennt Stadtkultur als Urbanität und sie wird als geschichtlicher ausdruck der „mitteleuropäischen Bürgerstadt“ verstanden. Kultur in der Stadt: Hier zeigt Park auf die ethnische und berufliche Herausbildung von Diversität. Charakteristisch ist die Entstehung von verschiedenen Persönlichkeitstypen. Kultur einer Stadt: Lindner und Lee stellen Identität als Stil oder Habitus einer jeweils besonderen Stadt dar. Trotz materieller Veränderung des Äußerlichen bleibt die Lebensweise der Stadtbewohner bewahrt. Z.B. Detroit als Autostadt. Stadtpolitiker gewinnen derzeit jede Wahl mit dem Versprechen die Sicherheit in einer Stadt zu erhöhen. Soziologen sind besorg um eine zunehmende Kontrolle und Disziplinierung. Bürger begrüßen jedoch die Überwachung des öffentlichen Raumes. Diskrepanz zwischen den beiden Ansichten Während junge Männer am stärksten Gewalt ausgesetzt sind, haben diese am wenigsten Angst. Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen finden meist im eigenen Familien und Bekanntenkreis statt. Somit im privaten Raum. Dennoch richtet sich das Augenmerk auf die Stadt bei Nacht. Unsicherheit im privaten Raum wird auf den öffentlichen Raum übertragen Disziplinierung und (Video) Überwachung Michael Foucault (1994, orig.1975), Max Weber (1980, orig. 1920), Norbert Elias (1976a, orig. 1939; 1976b, orig. 1939) als wichtige Vertreter der Analyse und Normierung des sozialen Verhaltens. Disziplin = (kritiklose) Verinnerlichung von Abläufen. Nicht nur der Einzelne, sondern auch die Gesamtgesellschaft. Macht = das Vermögen des Durchsetzen des eigenen Willens gegen Widerstände Herrschaft = zentrale Rolle von Befehl und Gehorsam. Somit geht Disziplin der Herrschaft voraus. Foucault analysiert das Verhalten in Situationen bei der es zu einer permanenten Überwachung und somit Bestrafung kommen könnte. (Bsp. Videoüberwachung in Kaufhäusern) Folge: Disziplinierung als Prinzip, welches bei der Unsicherheit eintritt ob man gerade überwacht wird oder nicht. weitere Folge: Verhaltensänderungen sollen so aus potentiellen Verbrechern normale Mitglieder der Gesellschaft machen. Die mögliche Beobachtung soll stets mit einkalkuliert werden. Vor und Nachteile der Videoüberwachung: Seit 1996 Videoüberwachung öffentlicher Räume zur Prävention von Straftaten Beginn jedoch bereits bei den 1870er Revolten in Paris. Damals erstmals Personen aufgrund von Fotos identifiziert und daraufhin exekutiert. Großbritanien erlebt ein Boom der Videoüberwachung. Liegt an Projekten zur Bekämpfung von Kriminalität. Der Videoüberwachung wird unterstellt, dass sie einen positiven Einfluss auf die Kriminaltätsrate hat. Folge: Videoüberwachung wird subventioniert – das aufstellen der Überwachung wird recht günstig. Raum und Zeit werden zu unabhängigen Variablen. Weitere Überlegungen Videosystem zu automatisieren - Verkehrsüberwachungskameras sollen gleichzeitig automatische Überprüfungen der Geschwindigkeiten und andere Ordnungswidrigkeiten erkennen und sanktionieren. Folge: soziale Kontrolle wird auf Technik übertragen. Sie soll den Bürger bei Verstößen sanktionieren und somit disziplinieren. Kritik: es wird in der Regel nicht geprüft ob es effizientere Möglichkeiten gibt. Ergebnisse einer Studie von Brandon C. Welsh und David P. Farrington (2002a) - Drei verschiedene Anwendungsfelder: o 1. Innenstadt und öffentliche Gebäude o 2. Transportwesen o 3. Parkplätze 1. Innenstadt und öffentliche Gebäude Gewünschte Effekte signifikant in drei von insgesamt 9 Studien. In zwei Studien unerwünschte Effekte. Für alle neun Studien insgesamt ein Rückgang der Kriminalität um 2% 2. Transportwesen In nur einer von vier Studien wurde ein signifikanter Rückgang der Kriminalität beobachtet. Alle vier Studien zusammengefasst geben einen Rückgang der Kriminalität um 6% an. Jedoch ein Nulleffekt für die Kategorie Gewaltdelikte. 3. Parkplätze Fünf Studien, welche zusammengefasst einen Rückgang von 28% nachweisen. Kritik: Oftmals nicht geprüft ob es effizientere und kostengünstigere Methoden gibt. So bringen Straßenbeleuchtung einen gewünschten Effekt von bis zu 30% ! Polizeiarbeit Studie von Benjamin J. Goold (2003) in sechs Städten mit Videoüberwachung anhand narrativer Befragung von Polizisten. zunächst Verneinung von Einfluss auf die Polizeiarbeit. Erneutes Fragen: 2/3 der Polizisten geben an aufgrund von der Überwachung „vorsichtiger“ zu arbeiten und „Dienst nach Vorschrift“ zu absolvieren bzw. zu suggerieren. Weiterer Effekt: Nervositäten und Unbehagen der Einsatzkräfte bei Arbeit vor Videokameras - Positiv: Man kann sich vor Eintreffen der Einheiten ein Lagebild verschaffen Schutz für beide Seiten: Video als Beweisführung was geschehen ist. Problem: Gibt manchmal keine nötige Objektivität in der Komplexität der Lage. Bericht darüber, dass Polizisten aufgrund der Kameras verunsichert sind und Angst haben in bestimmten Situationen in das Geschehen einzugreifen. Überwachungsstaat? „Vorratsdatenspeicherung“ – Daten aller EU Bürger werden für mindestens 6 Monate gespeichert (Handy, SMS, Telefon, E-Mail, Internet etc.) Rasterfahndung. Verbrechen werden nicht im Nachhinein geahndet, sondern bereits im Vornherein durch ein „Raster“ getroffen. Gefahr, dass ein einzelner Bürger aufgrund eines falschen Rasters zum „Verbrecher“ wird.