1 Die Pfarrkirchen von St. Antonius Tönisberg Die Kapelle In der Stiftungsurkunde des cölnischen Generalvikars Johann, Probst der Apostelkirche zu Cöln, ausgefertigt am 9. August 1439, heißt es: „ In der Erwägung, daß der Umfang genannter Pfarrei (Aldekerk) sich soweit erstreckt, daß mehrere Pfarreingesessene eine Meile und mehr von der Pfarrkirche (Aldekerk) entfernt sind und daß in ihrer Nähe die genannte Kapelle schon länger als seit Menschengedenken errichtet ist und in derselben ein Altar ohne Einkünfte consecriert ist, …“ wird die Schenkung von 60 Morgen Land des Herzogs Arnold von Geldern genehmigt. Aus dieser Urkunde geht also hervor, dass es in Tönisberg, dieser Name wurde erst später geläufig, bereits im 14. Jahrhundert eine Kapelle ohne angestellten Geistlichen gab. Die Kapelle „am Ryckendael“ oder „Ryckendoir“ stand an der heutigen Rheinstraße, nahe der Honschaftsgrenze Stenden/Schaephuysen. In der Kapelle gab es Altäre zu Ehren des heiligen Antonius (Mönchsvater) und des heiligen Cornelius. Man nannte die Kapelle „Sanct Antonius am Berghe“ im Gegensatz zu „Sanct Antonius in der Heyden“ (St. Tönis) oder „Sanct Antonius in der Middelvluyn“ (Vluyn). Aus „Sanct Antonius am Berghe“ wurde schließlich St. Antoniusbergh – St. Tönisberg – Tönisberg. Der Tönisberger Pfarrer Paul Wiegels (1967-1976) schreibt in seiner Chronik, dass die Kapelle im 19. Jahrhundert als Leichenhalle benutzt wurde und 1888 abbrannte. Die erste Pfarrkirche Nach langen Bitten der um die Kapelle wohnenden Menschen, wurde St. Antonius Tönisberg endlich im Jahre 1529 von der Mutterpfarre Aldekerk abgepfarrt und eigene Pfarrei mit eigenem Pfarrer. 1537 beginnen die Tönisberger mit dem Bau einer Kirche. Hierzu bekommen sie von Herzog Carl eine Stiftung von 6 Morgen Land. Von der ersten Kirche, gebaut im barocken Stil, erfahren wir etwas vom Heimatforscher Richard Verhuven. Er schreibt u.a.: „Das Chorgewölbe hatte einen blauen Anstrich und war mit Messingsternen ausgeschlagen. Auf dem Chor befanden sich mehrer große Grabplatten, unter denen sich die Grüfte der früheren Geistlichen befanden. Weitere Grabplatten lagen im Fußboden dicht vor dem Chor. Es waren die Grüfte der hiesigen adeligen Familien, wie von Aefferden, von Born u.a. Der Hochaltar, ganz im Barock ausgeführt, stammte aus dem Jahr 1662. Das Mittelbild stellt die Himmelfahrt Christi dar. Im Oberbau befand sich das Bild des heiligen Antonius. Es gab zwei Seitenaltäre, die der unbefleckten Gottesmutter und der Mutter Anna geweiht waren.“ In der Kirche besaßen die Adelsfamilien der Rittersitze Erprath, Semont und Kiekhorst ihre Bänke. Durch Kriegswirren wurde die Kirche mehrmals stark in Mitleidenschaft gezogen, aber immer wieder aufgebaut. Sie diente mehr als 350 Jahre der Pfarrgemeinde als Kirche, war aber schließlich für die immer größer werdende Zahl der Gemeindemitglieder zu klein geworden und wurde 1893 abgebrochen, weil an derselben Stelle die größere Kirche gebaut werden sollte. Von der Kirche existieren nur Handzeichnungen des Geometers Adam Blum von 1724 (siehe Link: Geschichte der Pfarrgemeinde) und des Kirchmeisters Matthias Huers von 1730. 2 Eine Seite aus dem Boenderbuch von 1730. Die bildliche Darstellung zeigt den hl. Antonius und daneben die erste Pfarrkirche. Matthias Huers führte als Kirchmeister das Buch. Von Beruf war er Töpfer und konnte gut zeichnen, wie die vielen Darstellungen in dem Buch bezeugen. Die neue Pfarrkirche Mit Pfarrer Dr. theol. Heinrich Laakmann kam 1891 ein Geistlicher nach Tönisberg, der bereits in Waldniel beim Bau der neuen Kirche als Kaplan mitgewirkt hatte. Sofort setzte er alle Hebel in Bewegung, Gelder für eine neue größere Kirche in Tönisberg zu beschaffen. Er gründete im Ort einen „Pfennigsverein“, bei dem sich die Mitglieder verpflichteten, wöchentlich ihren Obolus zu geben. Außerdem schickte er Sammler in die Nachbarpfarreien und schickte Bittbrief auf Bittbrief an die Obrigkeiten. Anfang Oktober 1893 war es dann schließlich soweit. Die Notkirche (der Saal Hennings) wurde geweiht und das Allerheiligste aus der alten Kirche hinübergetragen. Sofort begannen die Baumeister Gebrüder Bernhard und Johann Laakmann aus Rees mit dem Abbruch der alten Kirche. Der Turm jedoch blieb stehen und wurde später mit neuen Klinkern umbaut. Im Glockenstuhl der heutigen Kirche ist das alte Mauerwerk noch gut sichtbar. Am 2. April 1894 wurde der Grundstein gelegt (unter dem Chorkreuz zu sehen). Bereits am Dienstag, den 18. Dezember 1894 konnte Dechant Reenen aus Grefrath die Kirche feierlich weihen (benedicieren). Das Allerheiligste wurde aus der Notkirche in die neue Kirche übertragen und Pfarrer Laakmann konnte „unter großer Anteilnahme der Bevölkerung“ das erste Hochamt feiern. Der Kirchbau hatte 67 657,34 Mark gekostet und bereits im März 1895 konnte Pfarrer Laakmann die letzte Rate bezahlen. Die Kirche ist eine neugotische einschiffige Hallenkirche mit Kreuzrippengewölbe und Querschiff. Der Turm ist bis zum Hahn 48 m hoch. Nun war der Kirchbau zwar fertig, die Innenausstattung aber noch dürftig. Die Orgel aus der alten Kirche wurde genutzt, ebenso die Bänke. Die Fenster waren in Weißglas und der Hauptaltar fehlte. Pfarrer Laakmann hielt das Geld weiter zusammen und baute 1895 noch ein Pfarrhaus an der Hülser Straße (Bergstraße). 1896 wurde der Kirchbauer versetzt. Der Bischof übertrug ihm eine neue Pfarrstelle in Hamborn, wo die aufstrebenden Industriegemeinden neue Pfarreien und Kirchen brauchten. Die Consekration, d.h. ihre Weihe und Übergabe an die Gemeinde erhielt die Kirche erst am 17. Juli 1898 durch Bischof Hermann (Dingelstad). Die heutige Ausmahlung des Kirchenraumes führte erstmals der Tönisberger Kirchenmaler Karl Heil 1919 aus. Bei einer Restaurierung wurde die Polychromierung 1960 weiß übertüncht und nochmals unter Pfarrer Wiegels (1967-76) neu gestaltet. Unter seiner Federführung wurde auch der Chorraum nach den Vorgaben des 2. Vatikanums umgebaut, d.h. die Kommunionbank wurde weggenommen und der Chor weiter in das Kirchenschiff vorgezogen. Ein bronzener Opferaltar (Karl Franke) wurde näher zu den Gläubigen aufgestellt, beide Seitenaltäre und die Kanzel entfernt sowie 3 Stippes und Predella des Hauptaltares. Das Retabel wurde auf einen Sockel vor die Chorrückwand gesetzt. Weil Putzbrocken aus dem Kirchturm auf die Straße fielen, wurde 1982 mit einer Grundsanierung der Kirche im Außenbereich begonnen, die 1991 mit einer neuen Polycromierung des Kirchenraumes abgeschlossen werden konnte. Bei der Ausmalung durch die Malergemeinschaft Maul-Beumling (Chor) und Thissen/Elbers (Kirchenschiff) wurde wieder die alte Polychromierung gewählt, jedoch auf das Teppichmuster im unteren Bereich verzichtet. Nach und nach wurden Orgel und Kunstgegenstände restauriert und der Hauptaltar nach alten Vorlagen wieder erstellt. Die Ausstattung der Kirche Die Kirchenfenster Drei zweistreifige Chorfenster mit sechs Bildern aus dem Leben des heiligen Antonius. In den Dreipass-Maßwerken Engel mit Spruchbändern, mit dem Gelübde der Antoniter-Mönche: Gehorsam, Armut, Keuschheit. Die Fenster wurden in der Werkstatt W. Derrix in Goch bzw. Kevelaer nach Entwürfen von Friedrich Stummel 1898/99 hergestellt. Die beiden seitlichen Chorfenster stammen aus der Werkstatt Pitt van Treek. Sie zeigen in blauen und roten, in sich verschlungenen Kreisen die Gemeinschaft des Himmels und der Erde (Gott und Mensch). Die übrigen Fenster haben alle Bleiverglasung, in den Dreipässen mit BuntglasMotiven. Sie stammen aus der Werkstatt W. Derrix, Kevelaer. 4 Die Orgel Die Orgel mit ihrem neugotischen Prospekt stammt aus der Werkstatt Fabritius und Brehm, Kaiserswerth. Sie wurde 1927 gebaut wird bis heute rein pneumatisch, d.h. mit Luft betrieben; bis Ende der 50er-Jahre des 21. Jahrhunderts mit Blasebalg, danach mit einem Windmotor. Der Spieltisch hat zwei Manuale, Pedale und Schwellwerk. Die Orgel hat 17 Register. Nähere Einzelheiten siehe Heimatbuch des Kreises Viersen von 1999. Die Glocken Im Turm hängen vier Stahlglocken aus dem Stahlwerk des Bochumer Vereins. Am 23.März 1952 weihte Pfarrer Wüst die : Antoniusglocke mit 1580 kg, Marienglocke mit 1400 Josefsglocke mit 630 kg Sebastianusglocke mit 340 kg. Die Tönisberger neue Pfarrkirche hatte nun zum dritten Mal neue Glocken. 1917 mussten zwei der drei Glocken, die aus dem Jahr 1866 stammten, zu Kriegszwecken abgegeben werden und nachdem man 1924 endlich wieder ein neues Geläute von drei Bronzeglocken geweiht hatte, wurden diese 1942 erneut zu Kriegszwecken beschlagnahmt. Eine kleine Glocke, gegossen 1756 bei Petit und Edelbrock, hat alle Kriegswirren überlebt. Sie hängt heute im Dachreiter über dem Kirchenschiff und wird als „Klimpglöckchen“ genutzt. Hochaltar Der Hochaltar im Chor der Pfarrkirche ist in seiner ursprünglichen Form nicht mehr erhalten. Die noch vorhandenen Teile bestehen aus dem eigentlichen Altaraufsatz mit Gesprenge und zwei Seitenflügeln. Altartisch, Predella und Leuchterbank sind nicht mehr vorhanden. Im Schrein sehen wir zwei reliefartig ausgearbeitete Darstellungen des Leidens Jesu und im Zentrum die Beweinung des Gekreuzigten. Der Schrein ist ein Werk des Kevelaerer Bildhauers Jacob Holtmann aus dem Jahr 1900. Die beiden Seitenflügel wurden 1899 vom Kevelaerer Maler Heinrich Holtmann gefertigt. Sie zeigen auf der Sonntagsseite die Ölbergszene und die Auferstehung. Auf der Werktagsseite finden wir Heilige, die im Ort besondere Verehrung erfuhren oder noch erfahren. Auf der linken Bildtafel finden wir die hl Brigitta von Cildare und die hl. Anna. Beide Heilige hatten in der alten Kirche einen Altar. Auf der rechten Bildtafel ist der hl. Sebastian (Patron der Linder Schützenbruderschaft) und der hl. Isidor (Patron der Junggesellen-Bruderschaft) abgebildet. Stippes (Altartisch) und Predella wurden Ende der 60-er Jahre abgebrochen. Im Zuge der Restaurierung durch die Diplomrestauratorin Beate Zumkley aus WeselBislich im Jahr 2005 wurde der Hochaltar wieder vervollständigt. Den Altartisch baute der hiesige Bauunternehmer Matthias Thelen zusammen mit dem Steinmetz Manfred Messing und dem Maler Peter Thissen. Die Predella wurde in der Holzbildhauerei Christoph Müller in Brühl nach alten Fotos original erstellt, gebeizt und mit Leinöl gestrichen (Vorstufe zur Polychromierung). Am 2. Oktober 2005 konnte der scheidende Pfarrer Alois Bimczok den Hochaltar segnen. 5 Die Pfarrkirche St. Antonius Tönisberg besitzt noch weitere Kunstwerke und Andachtsgegenstände, die es lohnten, beschrieben zu werden. Besser ist es aber, sie besuchen unsere schöne Kirche einmal und lassen sich an Ort und Stelle von kompetenter Stelle führen. Auch ein stilles Gebet wäre möglich. Da die Kirche nur während der heiligen Messen geöffnet ist, müsste eine Besichtigung im Pfarrbüro angemeldet werden. Einzelheiten erfahren Sie auch aus der Broschüre von Hans Krudewig: St. Antonius Tönisberg, 100 Jahre neue Pfarrkirche – 1894 – 1994.