3/2016 –7– Architektur Historischer Charme im Einklang mit moderner Architektur Es war schon lange ein Traum des Bauherren, ein ungenutztes und seit längerer Zeit leerstehendes Stall- und Scheunengebäude in ein besonderes Hotel umzubauen. Das Ziel bestand darin, das Alte zu behalten, es aufzubereiten und wieder einzubauen. Autorin: Kristin Kurczinski Fotorechte: Berschneider + Berschneider Architekten Für diese spannende Bauaufgabe wurde ein Teil eines seit Jahren leerstehenden Stallgebäudes umgenutzt und binnen neun Monaten in ein Vier-Sterne-Hotel umgewandelt. Dabei sieht man der ehemaligen Scheune nicht mehr an, was sich dahinter verbirgt: ein kleines, aber mit feinen Details ausgeschmücktes Hotel mit sieben Doppelzimmern im Dachgeschoss und einem barrierefreien kleinen Appartement im Erdgeschoss. Im Erdgeschoss befindet sich neben dem Appartement auch die Rezeption. Eine Obstwiese hinter dem Haus und ein Apfelbaum vor dem Hoteleingang lassen den Gast in einer ländlichen Umgebung ankommen. Um den Eingang vom Parkplatz abzuschirmen, setzte der Architekt eine leichte Trennwand aus vertikal angeordneten Kant- hölzern, die dem Raum eine besondere Note verleihen. Das Eingangstor zum Ferienappartement ist – wie es früher üblich war – nur 1,40 m hoch. Die alte Stalltür ist erhalten geblieben. Im Foyer an der Rezeption schuf man einen Durchbruch zum bestehenden Gasthof. Auf einem Erdgeschoss aus Bruchsteinmauerwerk liegt der historische Dachstuhl, der weitestgehend erhalten blieb. In schadhaften Bereichen wurde dieser ergänzt und ausgebessert. Der alte Dachstuhl gibt den einzelnen Zimmern seinen ganz eigenen typischen Charakter. Eine Holztreppe führt zu den Schlafräumen. Auch für die Holztreppe wurden die alten Holznägel wieder verwendet. Durch eingebaute Dachfenster hat man einen weiten Blick durch den Garten mit den alten Obstbäumen und eine gute Sicht auf die Dächer der Stadt Neumarkt im Tal. Der 102 Jahre alte Stadel wurde mit regionalen Handwerkern in ein Hotel mit ganz besonderer Atmosphäre umgewandelt. Vom Holzbau des Stadels wurde so viel wie möglich sichtbar belassen. Die historische Bausubstanz wurde nur soweit wie nötig ausgebessert und konserviert. Mit der Verwendung von natürlichen und ökologischen Baustoffen hatte nachhaltiges, umweltbewusstes Bauen oberste Priorität, ganz gemäß der Philosophie des Hotelbetriebes „Almrefugio“. Das jetzt sichtbare Bruchsteinmauerwerk im Erdgeschoss wurde komplett von altem Putz freigelegt, gereinigt und verfestigt. Weitere Spuren der Vergangenheit finden sich überall im Haus. Etwa die alten Futtertröge wurden als Zeitzeugen in den Zimmern belassen, der alte Heukran schwebt über dem Treppenhaus und alte Gusseisenteile fungieren jetzt als Griffe an Möbeln. Nostalgie, moderne Architektur und Innenarchitektur: harmonisch vereint, dazu ein weitsichtiges Energiekonzept mit Photovoltaik auf der Dachfläche. Architektur Architektur und Innenarchitektur aus einem Guss: der gesamte Innenausbau, setzt durchwegs auf natürliche Materialien, wie Massivholz oder Lageplan –8– Kalkputz. Beispielsweise das Eiche-Echtholzparkett im Foyer wurde aus alten Bahnschwellen gefertigt, wie alle Baumaterialien natürlich völ- lig frei von Schadstoffen. Nach den Plänen der Architekten wurde alles vom Gebäude bis zum Innenausbau mit Handwerkern umgesetzt. Historischer Charme befindet sich im Einklang mit zeitgemäßen Ansprüchen an Komfort und Technik. So entstanden völlig unterschiedliche und individuelle Zimmer, die keine Nummer, sondern einen Namen tragen. Ein Mittelgang erschließt im Obergeschoss die kleineren Einheiten. Im Spitzboden befinden sich die Schlafbereiche für drei weitere Zimmer – mit sichtbar belassenen Balken. Gut durchdachte Übergänge machen hier aus weniger Mehr. Handwerklich sehr präzise ausgeführte Details lassen die Dinge wie selbstverständlich erscheinen. Eine perfekt aufeinander abgestimmte Farb- und Materialauswahl liefert hier eine gekonnt in 3/2016 Szene gesetzte Innenarchitektur, die weit davon entfernt ist, altbacken und altmodisch zu wirken. Auch auf die Beleuchtung wurde großes Augenmerk gelegt. Fast überall ist eine indirekte Lichtführung anzutreffen, die Akzente setzt und einzelne Bereiche betont. Wandverkleidungen aus Holz gehen nahtlos über in den Bodenbelag. Die Bruchsteinmauern fügen sich harmonisch in dieses Gesamtkonzept und gelten dabei optisch nicht als Unterbrechung der Inneneinrichtung. Farbliche Akzente werden in blaugrauen Tönen gefunden. Bei Mobiliar und Stoffen legten die Planer und Bauherren mit einem sehr guten Händchen für Details die ganz besondere Atmosphäre dieses Hotels fest. Ein warmes Beige beim Baustoff Holz und den Bruchsteinen schafft eine belebte Atmosphäre allein über die Haptik des Materials. 3/2016 –9– Architektur Architektur – 10 – 3/2016 Die Außenfassade gliedern sich in zwei Bereiche. Der Sockel aus Bruchsteinmauerwerk ist mit einem dunklem Grauton versehen. Das Obergeschoss mit dem alten Dachstuhl erhielt neben einer Dämmung eine Verkleidung aus Holz mit unregelmäßig breit zugeschnittenen Brettern, die vertikal angeordnet wurden. Die Dämmung mit der Außenverschalung wurde vor den alten Dachstuhl gesetzt. Durch diesen deutlichen Absatz des Obergeschosses nimmt das Gebäude auch Bezug auf die traditionelle Bauweise in der Landschaft. Der Überhang war schon beim bestehenden Stadel im Bestand konstruiert. Graue Fensterrahmen geben als vereinzelte und bewusst gesetzte Öffnungen den Blick Schnitt 1. Obergeschoss Erdgeschoss 2. Obergeschoss 3/2016 – 11 – Architektur Architektur nach außen frei. Zudem spielt die Fassade mit unregelmäßig großen Fensteröffnungen, die auch als Sicht- oder Sonnen- 3/2016 – 12 – schutz nach hinten verschwinden und dezent einen Tageslichteinfall bieten. Der Ortgang stellt sich als schma- ler Übergang dar. Ein weit abgeschlepptes Dach betont den Eingangsbereich mit dem vorgesetzten Gang. Mit einer ein- drucksvollen Beleuchtung ergibt sich in der Dämmerung ein belebtes und heimeliges Bild. 쐽 Bautafel Architekten: Berschneider + Berschneider, Architekten BDA + Innenarchitekten BDIA Hauptstraße 12 92367 Pilsach bei Neumarkt i. d. OPf. www.berschneider.com Bauherr: Claudia und Georg Lukas, Almrefugio 92318 Neumarkt-Höhenberg Bauzeit: 9 Monate EG als Bruchsteinmauerwerk OG und DG als historischer Dachstuhl