D G M P 2016 Dosis erhöht Bedarf Die zukünftige Rolle des Medizinphysik-Experten (MPE) Eine neue europäische Richtlinie soll den Strahlenschutz am Arbeitsplatz und für die Bevölkerung sowie den medizinischen Strahlenschutz weiter verbessern. Guido Gebhardt sprach auf der APT-Tagung 2016 in Magdeburg mit Dr. Georg Stamm, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik der DRG, über die zukünftige Rolle von Medizinphysik-Experten (MPE). neuen Strahlenschutzrechts im nächsten Jahr fortlaufend fordern. Im Februar 2018 muss die Europäische Verordnung in deutsches Recht umgesetzt sein. Und wir wissen, dass das BMUB mit Hochdruck an der Umsetzung arbeitet. Weshalb steckt der Begriff des Medizinphysik-Experten derzeit scheinbar in aller Munde? Wir haben durch die neue Euratom-Richtlinie Vorgaben bekommen, die besagen, dass in Zukunft auch in der Röntgendiagnostik bei besonders dosisintensiven Untersuchungsverfahren Medizinphysik-Experten hinzuzuziehen sind. Mit der Umsetzung der Richtlinie beschäftigt sich der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft schon seit geraumer Zeit. Zum einen haben wir bereits versucht abzuschätzen, wie viele Medizinphysiker wir zukünftig brauchen. Zum anderen interessieren wir uns natürlich auch für deren Tätigkeitsfeld und Zuständigkeiten. Ein weiterer Aspekt ist die Ausbildung von Physikern bzw. die notwendigen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Medizinphysik-Experten. Diese Thematik wir uns sicherlich bis zur Fertigstellung des 52 Strada · 2016 Wie hoch schätzen Sie den künftigen Bedarf an Medizinphysik-Experten ein? Die Zahlen haben wir vor kurzem in einem Positionspapier der APT abgeschätzt (www. apt.drg.de/de-DE/1310/eilmeldung). Wir gehen davon aus, dass wir in Deutschland grob über rund 2.500 CTs sowie auch etwa 2.500 interventionelle Arbeitsplätze verfügen. Die einzelnen Tätigkeitsfelder für diese beiden Untersuchungsverfahren haben wir mit Punkten gewichtet und bewertet. Dabei ergab sich, dass wir pro CT sechs Prozent einer Ganztagsstelle und pro Angiographieanlage acht Prozent einer Ganztagsstelle benötigen. Daraus errechnet sich ein Bedarf von ungefähr 280 bis 300 MPEs, die wir ab 2018 bräuchten. Im Moment sind lediglich etwa 120 Medizinphysiker im Bereich der radiologischen Diagnostik beschäftigt, d. h. wir benötigen ca. 180 zusätzliche Stellen. Neben CT und Angiographie sehen wir im Bereich der Niedrigkontrast-Bildgebung mit DVTs eine weitere Modalität für eine medizinphysikalische Begleitung und Betreuung zur Dosisoptimierung. DVTs, die im Bereich der Hochkontrast-Bildgebung (z. B. Zahnmedizin) eingesetzt werden, haben im Vergleich dazu einen deutlich geringeren Dosisbedarf. An welchen Standorten in Deutschland werden MPEs ausgebildet? Neben den Hochschulen in Gießen und Berlin bieten insgesamt ca. 20 Standorte Studiengänge für die Ausbildung und Weiterbildung von Medizinphysikern bzw. MPEs mit fertiger Strahlenschutzausbildung an (www.dgmp.de/de-DE/177/studium-undweiterbildung). Die Professoren Fiebich und Buchgeister legen dabei großen Wert auf eine praxisbezogene Ausbildung mit entsprechendem Abschluss. Ein weiterer Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen dürfen, ist die berufsbegleitende Weiterbildung. So gibt es an vielen Kliniken bereits Physiker in bildgebenden Bereichen (z. B. MRT), die mit ionisierender Strahlung bisher jedoch wenig Erfahrung haben. Diesem Euratom-Richtline Personenkreis wollen wir anbieten, im Rahmen eines Tutorenprogramms die Qualifikation eines MPEs zu erreichen. Die Fachkunderichtlinie sieht dazu einen zweijährigen Sachkundeerwerb unter Aufsicht eines fachkundigen MPE vor. Begleitend hierzu müssen zusätzlich noch Kurse angeboten werden, um die Physiker, vergleichbar mit den Spezialkursen für Ärzte, weiterzubilden. Hierzu wurde in Nürnberg bereits ein entsprechendes Pilotprojekt initiiert. Im September findet dort inzwischen der zweite Wochenkurs zum Thema Dosisoptimierung am CT statt. Die Eingangsvoraussetzungen für einen Medizinphysik-Experten sollte im Allgemeinen ein Master im naturwissenschaftlich-physika­ lischen oder Ingenieur-Bereich sein. Aber wir haben ebenfalls Sachverständige nach Röntgenverordnung im Blick, die zukünftig vielleicht nicht nur technische Zustandsprüfungen durchführen, sondern sich zusätzlich um die Anwendung am Patienten kümmern möchten. Welche Möglichkeiten gibt es, die Dosis signifikant zu senken? Mit der Einführung von MedizinphysikExperten wurde eine Möglichkeit geschaffen den Anwender bei der Optimierung der Strahlenexposition kompetent zu leiten und zu unterstützen. Aber unserer Erfahrung nach sind es vor allem auch die Hersteller, die ihre Modalitäten mit zu hohen DosisVoreinstellungen ausliefern und übergeben. Sie können sich denken weshalb? Höhere Dosis erzeugt i. A. eine bessere Bildqualität und es ist daher unerlässlich dem Anwender den Zusammenhang von optimaler diagnostischer Qualität, und der dafür notwendigen Dosis zu erläutern. Für dosisintensive Untersuchungsmethoden gibt es daher einen entsprechend großen Optimierungsbedarf, der auch in der neuen Euratom-Richtlinie zwingend gefordert wird. Die neue Euratom-Richtlinie basiert auf dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand und hat das Ziel, einen umfassenden Schutz vor ionisierender, also energiereicher, Strahlung zu gewährleisten. Zu den wesentlichen Neuerungen der Richtlinie zählen: ◾◾ Ein verbesserter Strahlenschutz bei natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen, die sich in Böden und Gesteinen der Erdkruste finden und infolge industrieller Verarbeitung ein Gesundheitsrisiko darstellen können ◾◾ Maßnahmen zum Schutz vor dem natürlich vorkommenden radioaktiven Edelgas Radon, das an Arbeitsplätzen und in Wohngebäuden auftreten und Lungenkrebs verursachen kann ◾◾ Regelungen zur Bewältigung radiologischer Altlasten ◾◾ Regelungen zur natürlichen Radioaktivität in Baustoffen ◾◾ Detaillierte Vorgaben für die Notfallplanung und die verstärkte Kooperation aller ­Mitgliedsstaaten zum Zweck eines einheitlichen Handelns im Notfall ◾◾ Klare Vorgaben für medizinische Früherkennungsuntersuchungen mit Röntgenstrahlung, um nicht erforderliche Röntgenuntersuchungen zu vermeiden ◾◾ Optimierung der Strahlenanwendungen im Sinne der diagnostischen Referenzwerte ◾◾ Aufbau eines Meldesystems für unfallbedingte oder unbeabsichtigte medizinische ­Expositionen ◾◾ Neue Grenzwerte für die Augenlinsendosis Diese Aufgabe kann jedoch vernünftigerweise nur mit einem Dosismanagementsystem in Angriff genommen werden. Und hier spreche ich nicht ausschließlich von großen Kliniken, sondern auch von kleineren Einrichtungen, in der MPE nicht ständig vor Ort sondern z. B. konsiliarisch tätig sein wird. Für den Optimierungsprozess ist es quasi eine Grundvoraussetzung, auf eine breite Datenbasis an Dosiswerten für alle Protokolle zurückgreifen zu können, um die Probleme zu identifizieren und Ansatzmöglichkeiten für mögliche Verbesserungen festlegen zu können. Welche Untersuchungen werden häufig durchgeführt? Wo steckt großes Einsparpotenzial? Und was sind die Gründe für etwaige Ausreißer? Diese Fragen sind sinnvollerweise nur mithilfe von Dosismanagementsystemen zu beantworten, mit denen sich Untersuchungsdurchführung und Anwenderverhalten über einen längeren Zeitraum beobachten lassen. Diesen Vorteil weiß ich durchaus auch aus eigener Erfahrung zu schätzen, da sich damit auch die Ergebnisse einer Optimierung bestätigen und dokumentieren lassen. Aber wie Sie sehen, ist nicht nur der Bedarf an Medizinphysik-Experten groß, auch das Betätigungsfeld und das Einsatzspektrum sind vielfältig und spannend. ◼ Neue europäische Vorgaben sollen ab Anfang 2018 einen umfassenden Strahlenschutz gewährleisten. Dazu werden zahlreiche Medizinphysik-Experten im Bereich der Röntgendiagnostik benötigt. 2016 · Strada 53