Der elektrische Stromkreis

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Der elektrische Strom als Bewegung von Elektronen unter dem Einfluss elektrischer
Felder – Versuch einer konsisteten Beschreibung
1 Problemstellung
Die wichtigsten Erfahrungen, die bei Experimenten mit einfachen elektrischen Stromkreisen
gewonnen werden, lassen sich modellhaft beschreiben durch das Strömen einer
inkompressiblen Flüssigkeit in einem geschlossenen Rohrleitungssystem. In der
Schulausbildung wird dieses Modell als Wasserkreis-Analogiemodell konkretisiert. Eine
konsistente mikroskopische Beschreibung der Vorgänge in elektrischen Stromkreisen wird
jedoch weder in der Mittelstufe noch in der Regel in der Oberstufe geleistet, obwohl
ausreichende Kenntnisse über elektrostatische Phänomene und mechanische Grundlagen
häufig vorhanden sind. So bleiben die physikalischen Teilgebiete der Stromkreiselektrik, der
Elektrostatik und der Mechanik weitgehend unverbunden nebeneinander bestehen, und die
Chance, die Phänomene und Modelle auf einer höheren Verständnisebene miteinander zu
verknüpfen, bleibt ungenutzt.
Ziel dieses Beitrages ist eine konsequente Beschreibung der Erfahrungen im Zusammenhang
mit Stromkreisen mit der Bewegung von Elektronen und die konsistente Darstellung der
Zusammenhänge dieser Bewegung mit den damit zugehörigen Kräften und elektrischen
Feldern. Der hier vorgestellte Ansatz, der konsistente physikalische Beschreibungen einer
großen Zahl von Phänomenen auf der Ebene der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen
Ladungsträgern bietet, wurde in den 80er Jahren in der Physikdidaktik intensiv diskutiert (vgl.
z. B. Duit, Jung & von Rhöneck, 1982). Trotz der hohen Bedeutung für ein Verständnis des
elektrischen Stromkreises wird diese Perspektive auch in der Lehramtsausbildung eher selten
vermittelt. Um die grundlegenden Aspekte möglichst übersichtlich zu gestalten, beschränken
wir uns in diesem Beitrag auf den einfachen, d. h. unverzweigten Stromkreis mit
Gleichspannung. Damit werden alle elektrischen Felder ausgeblendet, die auf
elektromagnetische Induktion zurückzuführen sind.
[M. E. noch mehr zum Aufbau des Artikels sagen: Wir gehen aus vom Wassermodell.
Dann werden Voraussetzungen genannt, um zu einer vertieften Betrachtung, also der
Vernetzung von Elektrodynamik, Mechanik und Elektrostatik zu kommen. Diese
Vernetzung wird anschließend vorgestellt und schließlich Alternativen kritisch geprüft.]
[Die Darstellung richtet sich vor allem an Lehrkräfte um ihnen eine fachlichfachdidaktische Entscheidungshilfe für ihren Unterricht zu geben …]
2 Voraussetzungen
In diesem Abschnitt werden Vorkenntnisse beschrieben, auf die im weiteren Text aufgebaut
wird und die in Zusammenhang gebracht werden sollen.
2.1 Eigenschaften von Gleichstromkreisen und ihre modellhafte Veranschaulichung
Die wichtigsten Grunderfahrungen im Zusammenhang mit der elektrischen Stromstärke, die
ein Modell des elektrischen Stromkreises veranschaulichen muss, sind die folgenden:
• Die Stromstärke an allen Stellen gleich groß.
• Beim Schließen (oder Öffnen) eines Schalters stellt sich dieselbe Stromstärke im
gesamten Stromkreis praktisch instantan ein.
• Die Stromstärke in einem Stromkreis ist von Quelle und angeschlossenen Geräten
abhängig.
• Durch Hinzuschalten weiterer Geräte in Reihe wird die Stromstärke im gesamten Kreis
kleiner.
• Durch Hinzuschalten weiterer Geräte parallel zu bereits vorhandenen wird die
Stromstärke im unverzweigten Teil des Stromkreises größer.
1
Obwohl bei den Phänomenen keinerlei Bewegung und bei den üblichen Versuchen auch
keinerlei Anhäufung eines „strömenden Mediums“ zu beobachten sind, ist es üblich, von
"Stromkreisen“ und "elektrischem Strom“ zu sprechen und die Erfahrungen auf das Fließen
einer Substanz zurückzuführen bzw. damit zu veranschaulichen. Die strömende Substanz wird
als elektrische Ladung bezeichnet, der Vorgang des Strömens als elektrischer Strom. Um die
überall gleiche Stromstärke und das Fehlen einer zeitlichen Reihenfolge mit dieser
Vorstellung beschreiben zu können, muss das strömende Fluid inkompressibel sein und in
einem geschlossenen Leitungssystem strömen. In elektrischen Geräten wird die Strömung
"behindert“, sodass sie sofort zum Erliegen kommt, wenn sie nicht durch die Quelle (z. B.
Batterie oder Generator) ständig „angetrieben“ wird. Werden auch energetische Aspekte
thematisiert, wird durch den Stromkreis Energie von der Quelle zu den angeschlossenen
Geräten übertragen. Diese Energie wird bei der Quelle in den Stromkreis eingespeist und an
den Geräten wieder ausgekoppelt („Energiequelle“ und „Energieverbraucher“).
Das Modell ist in der Lage, alle Phänomene zu veranschaulichen1 und typischen
Lernschwierigkeiten zu begegnen (einen Überblick zu den Vorstellungen findet sich bei
Rhöneck, 2004 und {Artikel mit inverse Widerstandsvortellung etc. noch raussuchen)
Das Modell stellt die folgende Analogie her:
elektrischer Stromkreis
(frei bewegliche) elektrische Ladung
Fließen von Ladung
Stromstärke = Ladung / Zeit
Wasserkreislauf
Wasser
Fließen von Wasser
Stromstärke = Wassermenge / Zeit
Das Modell bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den Spannungsbegriff phänomenologisch
zu veranschaulichen. Beispielsweise wird von Muckenfuß & Walz (1997) die Spannung als
die Energiestromstärke bezogen auf die elektrische Stromstärke eingeführt. Der so gebildete
P
Quotient U = ergibt für Haushaltsgeräte die (Spannung) von etwa 230 V (Netzspannung).
I
Das Modell stellt allerdings auf der mikroskopischen Ebene keine Verbindung zu
elektrostatischen Grunderfahrungen her. Es erklärt nicht den Mechanismus der
Inkompressibilität und der Energieübertragung, und es gibt keinerlei Begründung, warum sich
fließende elektrische Ladung so und nicht anders verhält. Mit anderen Worten: Das Modell
erklärt nicht, was elektrische Ladung eigentlich ist. Das ist aber auch nicht seine Aufgabe. In
der "reinen“ Form [was heißt das?] ist die strömende Substanz des Modells kontinuierlich,
weil es im Zusammenhang mit den üblichen Stromkreisexperimenten keinerlei Hinweise auf
eine „körnige Struktur“ gibt. Es mag sein, dass aus anderen Bereichen (chemische
Reaktionen, Phasenumwandlungen, . . . ) bereits Argumente für den Teilchenaufbau der
Materie bekannt sind. Auch dann ist der Schluss auf den Teilchencharakter der Elektrizität
nicht einfach. Es mag auch sein, dass die Bewegung von Elektronen als anschaulicher
empfunden wird als das Fließen einer wasserartigen Flüssigkeit. Fest steht jedoch, dass das
Modell durch die Einführung diskreter Elektronen zunächst an Erklärungsmächtigkeit
innerhalb der Stromkreiselektrik verliert:
• Elektronen sind negativ geladen. Bewegungsrichtung der Elektronen und Richtung des
Ladungstransportes stimmen also nicht überein.
1
Die Anschaulichkeit wird dadurch begrenzt, dass die Lernenden in der Regel auch Über wenig Erfahrungen im
Umgang mit geschlossenen Wasserkreisläufen haben. Immerhin aber können sich Erfahrungen und modellhafte
Beschreibungen in beiden Systemen gegenseitig stützen.
2
•
•
Die Inkompressibilität des Elektronengases ist [auf Schulniveau] schwierig zu
begründen.
Es ist schwierig zu begründen, dass die Dichte der frei beweglichen Elektronen nur vom
Material, nicht aber z. B. von der Feldstärke abhängt. [Auf diese Idee wäre ich gar nicht
gekommen, aber es stimmt natürlich]
2.2 Elektrostatik [Sollen diese Dinge hier aufgeführt werden, oder bei Bedarf genannt
werden? Für die jetzige Form spricht, dass es sehr fachsystematisch ist und sehr
deutlich wird, was Voraussetzung ist und was nicht. Allerdings wird auf diese
Voraussetzungen im Weiteren Verlauf nur z. T. Bezug genommen. Z. B. kommt die 1/r2
– Abhängigkeit der Kraft nicht explizit vor]
• Für die Kraft zwischen zwei Ladungen gilt das Coulombsche Gesetz. Der Betrag ist durch
1 Q1Q2
gegeben.
F=
4πε 0 r 2
• Die Kraft auf einen geladenen Körper ist proportional zur Feldstärke und hat dieselbe
(bzw. entgegen gesetzte) Richtung: F = QE . Elektrische Feldstärken werden gemessen,
indem die Kraft auf einen geladenen Körper gemessen wird.
• Feldstärken addieren sich wie Kräfte vektoriell. Die resultierende feldstärke ist daher
durch ERe s = ∑ Ei gegeben.
i
•
•
Elektrische Feldlinien beginnen bei positiv geladenen und enden bei negativ geladenen
Körpern.
Die bei der Bewegung eines geladenen Körpers im elektrischen Feld umgesetzte Energie
r2
ist Q ⋅ ∫ E ⋅ dr {Vorzeichen?}
r1
∫ E ⋅ dr = 0 {Maxwellgleichung}
•
Im statischen Feld gilt
•
Der Zusammenhang des elektrischen Feldes mit der Spannung zwischen zwei Punkten ist
r2
durch U = ∫ E ⋅ dr gegeben 2 .
r1
2.3 Mechanik
• Der Zusammenhang zwischen resultierender Kraft, die auf einen Körper ausgeübt wird,
und seiner Beschleunigung ist durch das zweite Newtonsche Gesetz gegeben: FRes = m ⋅ a
• Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Reibungskraft proportional zur
Geschwindigkeit: FReib = γ ⋅ v . Bei gleichförmiger Bewegung herrscht
Kräftegleichgewicht zwischen Reibungskraft und antreibender Kraft Fan , sodass v ∼ Fan .
In diesem Fall hat die Geschwindigkeit also dieselbe Richtung wie die antreibende Kraft.
3. Das Modell
[Im Folgenden entwickeln wir nun ein Modell, welches die phänomenologischen
Eigenschaften des elektrischen Stromkreises bzw. die modellhafte Darstellung im
Rahmen des Wasserstromkreises auf eine mikroskopische Basis stellt]
3.1 Grundannahmen
2
Auf die Problematik der Vorzeichenkonvention wird hier nicht eingegangen.
3
•
•
•
•
Wir nehmen an, dass der elektrische Strom durch die Bewegung elektrisch negativ
geladener Elektronen entsteht.
Elektronen sind viel kleiner als Atome. [Man muss sich dazu zunächst klarmachen,
dass diese mikroskopische Interpretation ein Modell darstellt, und keineswegs
selbstverständlich ist. Viele Aspekte lassen sich im Rahmen dieses Modells nicht
angemessen verstehen, wie z. B. die vergleichsweise geringe Wärmekapazität. Hier
sind dann quantenmechanische Modelle heranzuziehen]
Die Anzahl der Elektronen pro Volumeneinheit (Teilchendichte n) hängt nur vom
Material ab, und nicht z. B. von der Feldstärke {oder der Temperatur}. Dies ist für Metalle
in guter Näherung erfüllt. [Man könnte im Anhang noch eine Abschätzung dafür
bringen, bei welchen Feldstärken „Feldemission“ stattfindet: diese sind um
Größenordnungen größer als die Feldstärken im el. Stromkreis]
Die Bewegung der „freien“ Elektronen wird außerhalb der Quelle durch Stöße mit den
Atomen beeinflusst. Aufgrund des großen Massenunterschieds zwischen Atom und
Elektron ist der Energieverlust des Elektrons sehr gering. Das Elektron wird jedoch aus
seiner Bewegungsrichtung abgelenkt. Wir nehmen an, dass die Richtungsinformation über
viele Stöße gemittelt vollständig verloren geht {vgl. Kaganow S. 137: das ist der Fall,
wenn die Temperatur groß gegen die Debye-Temperatur ist}. Dieses Modell liegt dem
klassischen Modell von Drude zugrunde {Lit}
3.2 Erste Folgerungen
[Mir ist nicht klar, wieso das Folgerungen sind? Vielleicht wäre es besser, diesen Absatz
3.2. als „Quantitative Formulierung des vorgeschlagenen Modells“ zu nennen.]]
• Bei kontinuierlich verteilter Ladung gilt der folgende Zusammenhang zwischen
Stromdichte j (Stromstärke pro Flächeneinheit), Ladungsdichte ρ (Ladungsdichte pro
Volumeneinheit) und Strömungsgeschwindigkeit v : j = ρ v . Im Elektronenmodell wird
daraus j = nevD . n ist die Zahl der freien Elektronen pro Volumeneinheit. vD ist die
Driftgeschwindigkeit der Elektronen. Möchte man die Driftgeschwindigkeit berechnen, so
muss die Dichte der freien Elektronen aus anderen Experimenten (Halleffekt, Lit) ermittelt
werden.
• Überträgt man den Zusammenhang zwischen Feldstärke und Spannung auf das Innere von
Leitern (E=U/l), dann kann man durch Messung der Spannung an einem Widerstand die
elektrische Feldstärke in seinem Inneren bestimmen. In Kabeln ist die elektrische
Feldstärke klein gegenüber der Feldstärke in Widerständen.
• Wenn im Inneren ein elektrisches Feld vorhanden ist, dann wird auf die Elektronen die
Kraft Fel=eE {vektoriell} ausgeübt. Die nicht vom Ort abhängende Stromstärke zeigt
jedoch, in Verbindung mit der vorausgesetzten Konstanz der Elektronendichte, dass sich
die Elektronen trotz dieser Kraft mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Es muss also
eine zusätzliche Kraft geben, die die Bewegung der Elektronen hemmt. Die folgende
Überlegung zeigt, dass diese Kraft proportional zur Geschwindigkeit der Elektronen sein
muss: …
• Im Falle eines ohmschen Leiters der Länge l, an dem die Spannung U anliegt, ergibt sich:
{Formeln von Udo S. 7 noch eintragen}. Dabei sind … der spezifische Widerstand des
Materials, Sigma die so genannte Leitfähigkeit und Mü die so genannte Beweglichkeit der
Elektronen in dem Material. Diese Gleichungen stellen die Beziehungen her zwischen den
makroskopischen Messgrößen I, U, R und rho und den inneren Parametern des
mikroskopischen Modells E, n, sigma und mü.
Im Folgenden beleuchten wir die folgenden Fragen, die mit dem mikroskopischen Modell
zusammenhängen:
4
1. Wie kann man verstehen, dass die Geschwindigkeit und nicht die Beschleunigung!)
der Elektronen proportional zur Feldstärke ist?
2. Wie kann man zu Aussagen über die Geschwindigkeit der Elektronen gelangen?
3. Was kann man über das elektrische Feld im Innern der Kabel und Widerstände
aussagen; wie kann man den Feldverlauf begründen?
3.3 Wechselwirkung zwischen Elektronen und Gitter
Nach Unterbrechung eines elektrischen Stromkreises geht die Stromstärke praktisch sofort auf
Null zurück. Im Modell ist das darauf zurückzuführen, dass die Elektronen durch Stöße mit
den Atomrümpfen isotrop, d. h. gleichermaßen in alle Richtungen reflektiert werden, und
daher die über viele Elektronen gemittelte Geschwindigkeit Null wird 3 . Die Stöße mit den
Atomrümpfen geschieht mit ungeheuer großer Rate (ca. 1014 Stöße pro Sekunde, vgl. z. B.
Kopitzki & Herzog, 2004, S. 163). Über viele Stöße gemittelt, stellt sich jedoch eine
durchschnittliche Geschwindigkeit ein, die so genannte Driftgeschwindigkeit. Hilfreich ist
dazu eine Analogie zum Autofahren (Muckenfuß & Walz, 1997, S. 101): wird mit konstanter
Kraft angetrieben, so nimmt die Geschwindigkeit zunächst zu. Da aber die Reibung mit der
Geschwindigkeit zunimmt, stellt sich nach einiger Zeit ein Gleichgewicht zwischen Antrieb
und Reibung ein. Ist der Antrieb konstant, so ergibt sich damit schließlich eine konstante
Fahrgeschwindigkeit. Je stärker der Antrieb ist, desto höher ist die resultierende
Gleichgewichtsgeschwindigkeit. Analog resultiert die elektrische Stromstärke aus einem
Gleichgewicht zwischen Antrieb und Hemmung der Elektronen. Der Antrieb ist durch
elektrische Felder gegeben.
3.4 Driftgeschwindigkeit und thermische Bewegung der Elektronen
[Abschätzung der Elektronendichte (mindestens ein Elektron pro Atom frei / höchstens
alle Elektronen frei und Berechnung der zugehörigen Driftgeschwindigkeiten.
Abschätzung der thermischen Geschwindigkeit]
[Wir greifen nun Frage 1 auf: Warum ist diese Driftgeschwindigkeit (und nicht die
Beschleunigung!) proportional zur elektrischen Feldstärke. …]
Auf mikroskopischer Ebene ist das Gleichgewicht durch eine bestimmte mittlere
Geschwindigkeit, die Driftgeschwindigkeit der Elektronen gekennzeichnet, die in vielen
Materialien ungefähr proportional mit der elektrischen Feldstärke zunimmt. Dies wird
mathematisch durch den Zusammenhang vDrift = μ ⋅ E zusammengefasst. Der Buchstabe μ
bezeichnet die Beweglichkeit und hängt im Wesentlichen vom Material und der Temperatur
ab. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Antrieb der Elektronen durch elektrische
Felder erfolgt. Für ein mikroskopisches Verständnis der Bewegung der Elektronen, und damit
des Zustandekommens des elektrischen Stroms, müssen wir daher ein Verständnis für die
zugrunde liegenden elektrischen Felder anstreben. Aufgrund der großen Zahl von
Ladungsträgern und der uns vertrauten Zeitskalen, sind statistische Schwankungen der
Driftgeschwindigkeit für den Schulunterricht nicht relevant. Die Driftgeschwindigkeit liegt
bei üblichen Stromstärken größenordnungsmäßig im Bereich von einem Millimeter pro
Sekunde und ist daher um Größenordnungen kleiner als die thermische Geschwindigkeit bei
3
In der Literatur wird häufig suggeriert, dass die Elektronen ihre kinetische Energie bei den Stößen mit den
Atomrümpfen an diese abgeben würden. Diese Vorstellung ist problematisch, da aufgrund des großen
Massenunterschieds praktisch eine elastische Reflexion stattfindet.
5
Raumtemperatur 4 . Damit ist auch klar, dass die für den Strom notwendigen Ladungsträger
nicht erst von der Quelle zum Verbraucher zugeführt werden, sondern die bereits im Draht
vorhandenen Elektronen wesentlich sind. Für diese Überlegungen gibt es eine hilfreiche
Analogie: Stellt man sich die Ladungsträger als die Glieder einer Fahrradkette vor, so müssen
diese permanent angetrieben werden. Für einen konstanten „Gliederstrom“ muss der Antrieb
zunehmen, wenn der Widerstand durch Abbremsen der Kette vergrößert wird (Abb. 1). Diese
und ähnliche Analogien sind auch für den Unterricht hilfreich um einer Reihe von
Schülervorstellungen zu begegnen (Muckenfuß & Walz, 1997, von Rhöneck, 1986).
Abb. 1: Ein hilfreiches Modell zum einfachen Stromkreis. Die Kette muss permanent angetrieben werden, um
einen konstanten Kettengliederstrom gegen einen Widerstand aufrechtzuerhalten.
Quelle: Closset, J.-L. (1994). Woher stammen bestimmte „Fehler“ von Schülern und Studenten aus dem Bereich
der Elektrizitätslehre? Kann man sie beheben? Der Physikunterricht Heft 2, 21 – 31
3.5 Inkompressibilität und Oberflächenladungen
[Mir ist nicht klar, wozu dieser Abschnitt dient.]
Überschüssige freie Elektronen müssen sich an der Oberfläche anhäufen. Diese
Oberflächenladung verhindert durch elekrostatische Abstoßung eine weitere Anhäufung. Die
Oberflächenladung ist im Vergleich zur strömenden Ladung winzig. Dies wird später an
einem Beispiel quantitativ veranschaulicht [Strom um die Ecke] ist aber nicht unplausibel:
Elektrostatische Kräfte sind vergleichsweise sehr stark (1040 mal so groß wie die
Gravitationskraft) und fallen im Allgemeinen deshalb nicht ins Gewicht, weil sie durch
entgegengesetzte Ladung kompensiert werden.
Die Inkompressibilität des Elektronen“gases“ ist keine Schlussfolgerung aus der
elektrostatischen Abstoßung, dazu ist sie wiederum viel zu schwach, sondern auf das
Pauli-Prinzip zurückzuführen. Auf unser Beispiel angewandt würde es lauten: Zwei
Elektronen (mit parallelem Spin) können sich nicht am gleichen Ort aufhalten.
3.6 Oberflächenladungen und der Feldverlauf im Inneren
[Hier noch die Ergebnisse der Simulationen von Udo einbetten]
[Außerdem seine Bemerkungen noch berücksichtigen]
Nachdem wir einige gängige Vorstellungen über die Ursache des antreibenden elektrischen
Feldes verworfen haben ist nun zu fragen, welche Ladung für diejenigen elektrischen Felder
verantwortlich sind, die die Elektronen im Draht antreiben. Dies kann nur durch zusätzliche
Ladungsträger verursacht werden, deren elektrische Felder von den vorhandenen
Ladungsträgern nicht kompensiert werden. Außerdem müssen sie sich auf der Oberfläche des
Drahtes befinden, da sie sich gegenseitig abstoßen. Um die weitere Diskussion möglichst
durchsichtig zu gestalten gehen wir von einem sehr einfachen Stromkreis aus: ein homogener
4
Dies kann leicht über die Gleichung
1 2 3
mv = kT zu etwa 105 m/s abgeschätzt werden. Für ein
2
2
anschauliches Verständnis dieses Sachverhalts kann man darauf hinweisen, dass auch die Windgeschwindigkeit
viel kleiner als die thermische Geschwindigkeit der Luftmoleküle ist.
6
Metalldraht mit festem Durchmesser werde an eine Batterie angeschlossen. Die Verhältnisse
sind in Abb. 5 dargestellt. Die wesentlichen Aspekte sind bereits anhand dieses einfachen
Systems zu verstehen. Eine Erweiterung auf realistischere Stromkreise ist dann leicht möglich
und wird weiter unten diskutiert.
Abb. 5: Elektronen werden so lange verschoben, bis die elektrische Feldstärke überall im Draht denselben Betrag
hat. Dann ist die Elektronengeschwindigkeit v (und damit die Stromstärke) überall gleich und es kommt zu
keiner Änderung der Oberflächenladung mehr. Elektrisches Feld und Driftgeschwindigkeit sind einander
entgegengesetzt gerichtet, da das elektrische Feld per Definition von Plus nach Minus gerichtet ist. Die
Elektronen bewegen sich hingegen in Richtung des Pluspols. Die Verteilung der Oberflächenladung ist sehr
schematisch dargestellt. Details hängen von der genauen räumlichen Konfiguration ab. {Änderungen: Batterie
statt Plattenkondensator wie in Abb. 7}
Eigenschaften der felderzeugenden Ladung
1. Die Zusatzladungen befinden sich auf der Oberfläche
In Abb. 5 ist die Ursache des elektrischen Feldes schematisch eingezeichnet: es handelt sich
um zusätzliche Ladungsträger auf der Oberfläche des Drahtes. Die Oberfläche des Drahtes ist
also elektrisch geladen. Dies lässt sich auch experimentell nachweisen (Shabay & Sherwood,
2002). [Hier evtl. noch einen Hinweis auf die Dicke der Oberflächenladungsschicht:
Debye-Länge abschätzen; m. E. führt das aber evtl. zu weit]
Warum aber befinden sich die Ladungsträger auf der Oberfläche? Erinnern wir uns daran,
dass es sich um Überschussladung handeln muss: es findet keine Abschirmung durch Ionen
statt. Sonst könnte diese Ladung kein elektrisches Feld im Inneren des Drahtes erzeugen. Die
Überschusselektronen erfahren also auch untereinander Kräfte. Sie stoßen sich daher ab und
bewegen sich somit zur Oberfläche hin.
Ein Verständnisproblem kann in diesem Zusammenhang daraus resultieren, dass das Innere
von geladenen Metallen (z. B. eine geladene Kondensatorkugel) bekanntlich feldfrei ist: wäre
es anders, würden diese Felder Elektronen solange verschieben, bis der feldfreie Zustand im
Inneren eben erreicht ist. Bei einem langen, geraden Draht ergibt sich also eine gleichmäßige
Flächenladungsdichte und damit ein feldfreies Inneres. Wie passt das zu den Überlegungen,
die wir eben anstellten, nach denen im Inneren der stromdurchflossenen Drähte ein
elektrisches Feld vorhanden ist? Durch die angeschlossene Batterie wird ein
Nichtgleichgewicht erzwungen, dass sich als Gefälle in der Flächenladungsdichte äußert.
Wir möchten noch ergänzend noch erwähnen, dass diese Oberflächenladung nicht nur für ein
konstantes elektrisches Feld in Richtung des Drahtes sorgen. Auch über den Querschnitt des
Drahtes hat das elektrische Feld überall denselben Wert (eine Begründung findet sich in der
7
Bildunterschrift von Abb. 6). Damit ist auch die Driftgeschwindigkeit unabhängig vom
Abstand zur Drahtoberfläche gleich groß 5 .
Abb. 6: Nachweis, dass das elektrische Feld (und damit die Driftgeschwindigkeit) über den Leiterquerschnitt
A
konstant ist. Das Integral
∫ Eds gibt die Potentialdifferenz bei Integration entlang des Weges ABCDA an und
A
ist daher Null. Es gilt also E1⋅L+ E2(-L)=0 und damit E1⋅= E2 Quelle: Chabay & Sherwood, S. 631.
2. Die Dichte der Elektronen auf der Oberflächen nimmt vom Minuspol zum Pluspol ab. Um
eine konstante elektrische Feldstärke zu erhalten, muss die Dichte dieser
Oberflächenladungsträger vom Minus- zum Pluspol entlang des Drahtes immer weiter
abnehmen. Dies ist entsprechend durch die Anzahl an Minus- bzw. Pluszeichen für
verschiedene Stellen entlang des Drahtes in Abb. 5 schematisch veranschaulicht. Machen wir
uns nun klar, warum es eines Gefälles der Oberflächenladungen bedarf, um ein elektrisches
Feld im Inneren des Drahtes zu erzeugen. Dazu betrachten wir Abb. 7.
Abb. 7:
Ganz oben: Zwei „Ladungstägerringe“ eines stromdurchflossenen Drahtes sind herausgegriffen. Die Dichte der
Ladungsträger ist im linken Ring höher als im rechten Ring. Dadurch entsteht das elektrische Feld im
Drahtinneren.
Oben Die Elektronendichte auf der Oberfläche auf einem Drahtabschnitt nimmt von links nach rechts ab. Ein
Elektron in der Mitte zwischen zwei Ladungsträgerringen (Oberflächen A’ und A) erfährt eine resultierende
5
Dies gilt jedoch nicht für Wechselstrom: bei hohen Frequenzen fließt der Strom tatsächlich nur in einer dünnen
Oberflächenschicht („Skineffekt“).
8
Kraft nach rechts, da die Flächenladungsdichte im linken Bereich größer ist.
Mitte: Sind die Ladungen hingegen gleichmäßig über die Oberfläche verteilt, so ist die resultierende Kraft auf
das Elektron Null. Dies ist unabhängig davon, wie groß die Oberflächenladung ist.
Unten: Auf Elektronen, die sich nicht auf der Drahtachse befinden wirkt zwar eine Kraft in vertikaler Richtung.
Dies hat aber keinen Einfluss auf den elektrischen Strom, für den die Bewegung in horizontaler Richtung
maßgeblich ist.
Quelle: http://www.astrophysik.uni-kiel.de/~hhaertel/PUB/voltage_IRL.pdf
Oben links in Abb. 7 ist ein Drahtstück aus diesem Stromkreis dargestellt. Die
Oberflächenladung zweier willkürlich herausgegriffener Ladungsringe ist dargestellt. Die
Flächen dieser Ringe werden mit A’ und A bezeichnet. Die Flächenladungsdichte nimmt von
links nach rechts ab. Deshalb ist die Kraft der Überschussladungen auf ein Elektron, welches
sich zwischen den Ringen befindet größer als die Kraft, die der rechte Ring auf dieses
Elektron ausübt. Insgesamt ergibt sich eine resultierende Kraft von links nach rechts. Wäre
die Oberflächenladung hingegen gleichmäßig über den Draht verteilt, so wäre die
resultierende Kraft Null (Abb. 7 mitte). Es spielt dann auch keine Rolle, ob die
Flächenladungsdichte groß oder klein ist. Wichtig ist also die Änderung der Dichte der
Oberflächenladungen. Je stärker diese Abnahme über eine bestimmte Drahtlänge ist, desto
größer ist die antreibende Kraft auf das Elektron. Die Argumentation bleibt auch für
Elektronen richtig, die sich näher am Rand des Drahtes befinden (Abb. 7 unten). Zwar ergibt
sich eine resultierende Kraft nach unten. Diese hat aber keinen Einfluss auf die Bewegung in
Längsrichtung des Drahtes und damit für den elektrischen Strom.
Dass sich die Flächenladungsdichte über dem Leiter ändern muss ist auch deswegen plausibel,
weil die Überschussladung der Elektronen am Minuspol der Batterie natürlich am höchsten
ist, am Pluspol am geringsten. Also muss sie dazwischen abnehmen. Dies kann nicht
sprunghaft geschehen, da dies mit extrem starken elektrischen Feldern verbunden wäre.
Oberflächenladung, die sich auf derselben Querschnittsfläche wie das betrachtete Elektron
befinden, üben längs des Drahtes keine Kraft auf das Elektron aus und sind daher für den
Stromfluss nicht von Bedeutung (Abb. 8 oben). Auch auf weit entfernte Elektronen ist der
Beitrag klein, da die Coulombkraft mit zunehmendem Abstand rasch abnimmt. Maximal ist
die Kraft der Oberflächenladungen auf Elektronen, die sich im Abstand von einigen wenigen
Drahtdurchmessern befinden (Abb. 8 unten)
Abb. 8: Die Kraft von Oberflächenladungen ist maximal für Elektronen, die sich im Abstand von einigen
wenigen Drahtdurchmessern befinden. Denn auf Elektronen genau zwischen den Oberflächenladung wird keine
resultierende Kraft ausgeübt. Für Elektronen, die sich in großem Abstand befinden, ist die Coulombkraft zu
klein, um für den elektrischen Strom wesentliche Bedeutung zu haben.
Quelle: http://www.astrophysik.uni-kiel.de/~hhaertel/PUB/voltage_IRL.pdf
Es überrascht dann nicht mehr, dass ein Draht beliebig gebogen und verwunden sein kann.
Denn die Oberflächenladungen beeinflussen mit ihrem elektrischen Feld im Wesentlichen nur
die Bereiche des Leiters, die sich in nächster Nähe (wenige Drahtradien entfernt) befinden.
(Abb. 9, Muckenfuß & Walz, 1997, S. 176, Rechnung evtl. im Anhang)).
9
Abb. 9: Der Beitrag zum elektrischen Feld (axialer Komponente) auf ein Elektron im Drahtinneren der einzelnen
dünnen Ladungsringe auf der Oberfläche. Auf der Rechtswertachse ist der axiale Abstand des jeweiligen Rings
vom betrachteten Elektron in Vielfachen des Drahtradius angegeben. Man erkennt, dass die größten Beiträge von
Oberflächenladungen kommen, die sich einen oder einige wenige Drahtradien entfernt befinden. Das elektrische
Feld an einem bestimmten Ort hat also wesentlich lokale Ursachen. Das Ergebnis gilt für einen langen Draht.
Die Überlegungen werden durch unterschiedliche Drahtgeometrien modifiziert.
[Hier sollten zur Veranschaulichen nun die Rechnungen mit den entsprechenden
Abbildungen von Udo kommen]
Das Gefälle in der Ladungsträgerdichte lässt sich auch experimentell sehr schön
veranschaulichen. Dazu wird ein Tau an eine hohe Gleichspannung angeschlossen. Gefaltete
Aluminiumstreifen werden unterschiedlich stark aufgeladen und spreizen sich dem
entsprechend unterschiedlich (Abb. 10).
Abb. 10: Eine elektrische Spannung von einigen tausend Volt wird an ein Tau angeschlossen. Der Pluspol auf
der rechten Seite der Anordnung ist geerdet. Das Gefälle in der Oberflächenladungsdichte vom Minuspol zum
Pluspol wird durch die unterschiedliche Spreizung der zu einfachen Elektrometern gefalteten Aluminiumstreifen
sichtbar.
Ein Rückkopplungsmechanismus sorgt für konstante Stromstärke
Wir haben gesehen, dass Oberflächenladungen für das elektrische Feld verantwortlich sind,
das die Elektronen im Drahtinneren antreibt, und so einen elektrischen Strom bewirkt. Wir
10
untersuchen nun die im Grunde erstaunliche Tatsache, das die elektrische Stromstärke an
allen Stellen des unverzweigten Stromkreises denselben Wert hat. Wir gelangen damit zur
Frage nach dem Mechanismus, der für die Etablierung des Gefälles der Oberflächenladungen
entlang des Drahtes verantwortlich ist. Nehmen wir zunächst an, dass mehr Elektronen in ein
Drahtstück hineinfließen als auf der anderen Seite wieder heraus (Abb. 11 links). Links vom
Drahtstück ist die Stromstärke also größer als rechts. Dadurch kommt es jedoch zu einem
Elektronenüberschuss auf der linken Seite. Durch die Abstoßung der überschüssigen
Elektronen untereinander bildet sich eine negative Oberflächenladung. Diese
Oberflächenladung führt aber zu einer Verlangsamung derjenigen Elektronen, die links in das
Drahtstück hinein fließen, und zu einer Beschleunigung der Elektronen, die sich rechts wieder
hinausbewegen. Dies liegt an der Abstoßung der Elektronen im Draht durch die Elektronen
auf der Oberfläche. Dadurch wird der Unterschied der Stromstärke verringert und zwar so
lange, bis die beiden Stromstärken links und rechts im Drahtstück genau gleich sind. Dasselbe
gilt, wenn links weniger herein als rechts heraus fließen (Abb. 11 rechts).
Abb. 11:
Links: Links fließen mehr Elektronen in den Draht als rechts heraus (die Symbole i1 und i2 bezeichnen den
Teilchenstrom!). Dadurch kommt es zu einer Anhäufung von Elektronen in dem Drahtstück. Aufgrund der
Abstoßung dieser Elektronen untereinander bewegen sie sich zur Oberfläche. Diese Oberflächenladungen stoßen
aber weitere, von links kommende Elektronen ab, sodass sie langsamer werden. Es kommen daher pro Sekunde
weniger Elektronen in das Drahtstück hinein. Auf der rechten Seite werden die Elektronen auch abgestoßen, dies
führt aber zu einer Beschleunigung. Es fließen daher mehr Elektronen ab. Dies geschieht so lange, bis die Zahl
der Elektronen, die pro Sekunde links hineinfließen genauso groß wie die der rechts hinaus fließenden
Elektronen ist: die Stromstärken haben sich also angeglichen.
Rechts: Hier ist der umgekehrte Fall dargestellt: es fließen links weniger Elektronen hinein als rechts heraus
fließen. Dies führt zu einem Elektronenmangel, d.h. zu einer positiven Oberflächenladung. Diese beschleunigt
die hinein fließenden Elektronen und verzögert die heraus fließenden. Dadurch gleichen sich die Stromstärken
an, bis sie gleich sind.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Unterschiede in der Stromstärke durch
Ladungsverschiebung selbstständig ausgleichen. Es handelt sich also um einen
Rückkopplungsprozess, der dafür sorgt, dass die Stromstärke überall im unverzeigten
Stromkreis gleich ist.
Der „Einschwingvorgang“
Unmittelbar nach Schließen eines Stromkreises ist die Stromstärke für einen kurzen Moment
tatsächlich nicht überall gleich. Die Einstellung der elektrischen Felder und damit gleicher
Stromstärken durch die Verschiebung von Oberflächenladungsträgern geschieht jedoch so
schnell, dass wir üblicherweise nichts davon wahrnehmen. Verbiegt man einen Draht, so
werden durch Rückkopplung auf einer sehr kurzen Zeitskala Oberflächenladungen so
angeordnet, dass die Stromstärke fast instantan wieder überall gleich ist. Diese Anpassung
durch Verschiebung von Ladungsträgern geschieht auf einer Zeitskala in der Größenordnung
von Nanosekunden.
Ein einfaches Bild des „Einschwingvorgangs“ nach Schließen des Stromkreises ist in Abb. 12
zu sehen
11
Abb. 12: Veranschaulichung des Einschwingvorgangs unmittelbar nach Anschließen eines Batteriepols an einen
Widerstand. Die Überschussladungen auf dem negativen Pol der Batterie stoßen sich gegenseitig ab und werden
dadurch auf der Oberfläche des Stromkreises verteilt. Quelle: Härtel, H. (1985). The electric voltage. In R. Duit,
W. Jung & C. von Rhöneck (Hrsg.), Aspects of understanding electricity. Kiel: Schmidt & Klaunig, S 353-362
Der Vorgang wird von Parker (1970) genauer beschrieben. Numerische Simulationen
stammen von Preyer (2002), die auch unter http://galaxy.cofc.edu/circuits.html zu finden sind.
Auf der anderen Seite ist diese Zeit nicht so klein, dass sie sich bei sehr hohen Frequenzen
einer Wechselspannung nicht bemerkbar machen würde. Man mag sich wundern, dass die
Anpassung so schnell geht, wo doch die Driftgeschwindigkeit der Elektronen so sehr klein ist.
Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Elektronen eben auch nur geringfügig verschoben
werden müssen, um lokal eine Überschussladung zu bilden. Außerdem reichen extrem wenige
Ladungsträger aus, um die notwendigen elektrischen Felder zu erzeugen. Dies wird deutlich,
wenn wir im Folgenden Abschnitt diskutieren, wie die Elektronen in einem gebogenen Draht
„um die Ecke kommen“. Eine einfache Abschätzung wird anhand dieses Beispiels auch
zeigen, warum die Zahl der Oberflächenladungsträger im Vergleich zur Zahl der
Ladungsträger im Drahtinneren so verschwindend klein, aber trotzdem so wirksam ist.
Den Strom um die Ecke bringen
Wir hatten weiter oben gesagt, dass die Oberflächendichte der Ladungsträger kontinuierlich
entlang des Drahtes abnehme. Dabei hatten wir noch nicht die Drahtbiegungen berücksichtigt.
Untersuchen wir nun die gebogenen Drahtstellen der Abb. 13 genauer. Damit gehen wir auf
die Frage ein, woher die Elektronen eigentlich „wissen“, dass sie sich um die Ecke bewegen
müssen. Da Elektronen wie im Text immer wieder betont nur elektrische Felder „spüren“, ist
dazu eine Änderung der Richtung des elektrischen Feldes notwendig, welche durch
zusätzliche Oberflächenladungen verursacht werden. Die Ausbildung dieser
Oberflächenladungen sind wiederum auf einen Rückkopplungsmechanismus zurückzuführen:
unmittelbar nach dem Biegen des Drahtes bewegen sich die Elektronen im Drahtinneren
zunächst noch geradeaus. Dadurch kommt es zu einer Überschussladung an Elektronen auf
der Oberfläche der Biegung. Diese Elektronen stoßen weitere ankommende Elektronen ab,
sodass diese sich um die Ecke bewegen: der Strom fließt dann entlang des gekrümmten
Drahts.
12
Abb. 13: Wird ein Strom durchflossener Draht gebogen, so fließen die Elektronen zunächst in der ursprünglichen
Richtung weiter. Dadurch entsteht eine Oberflächenladung an der Drahtbiegung. Diese stößt weitere Elektronen
ab, sodass sie sich entlang des gebogenen Drahtes bewegen.
Anhand dieses Beispiels wollen wir nach Rosser (1970) zeigen, dass für typische Stromkreise
dazu bereits ein einziges oder wenige Elektronen genügen. Die Stromstärke betrage 1 A und
j
der Leiterquerschnitt des Kupferkabels 1mm2. Das elektrische Feld ist E = . Leitfähigkeit
σ
beträgt etwa σ = 5,6⋅10 Ω m . Dies ergibt eine Feldstärke von 17 mV pro Meter. Die
Flächenladungsdichte ist λ = E ⋅ ε 0 = 18 ⋅10−3 ⋅ 8,85 ⋅10−12 C / m 2 = 1, 6 ⋅10−13 C / m 2 . Die
7
-1
-1
notwendige Ladung ist daher Q = λ A = 1, 6 ⋅10−13 C / m 2 ⋅10−6 m 2 = 1, 6 ⋅10−19 C . Das entspricht
ziemlich genau der Ladung eines Elektrons.
Hier wird besonders deutlich, dass die Anzahl der Elektronen auf der Oberfläche extrem viele
Zehnerpotenzen kleiner ist als die Anzahl der Elektronen im Drahtinneren, die den
elektrischen Strom verursachen. Bei einer Stromstärke von einem Coulomb pro Sekunde
bewegen sich pro 1,6⋅1019 Elektronen durch jeden Querschnitt des stromdurchflossenen
Leiters. Man möchte nun annehmen, dass dieses einzelne Elektron auf der Oberfläche
dagegen vernachlässigbar sei. Gemäß dem Motto „Kleine Ursache – große Wirkung“ ist dies
aber nicht der Fall. Der Grund für die geringe Anzahl der notwendigen Oberflächenladungen
ist die vergleichsweise starke elektrostatische Kraft. Diese spielt meistens keine Rolle, da
negative und positive Ladungen in der Regel zusammen auftreten und ihre Wirkung
kompensieren, da sie von gleichem Betrag sind. Im Fall der Elektronen auf der
Drahtoberfläche ist dies jedoch nicht der Fall, da es sich um überschüssige Ladungsträger
handelt.
Stromkreise mit Widerständen
Bisher haben wir die Verhältnisse in einem Draht betrachtet, der an jeder Stelle gleichartig ist.
Wir untersuchen nun einen Draht, der über einen gewissen Bereich sehr dünn ist (Abb. 14
links). Damit haben wir die einfachste Form eines elektrischen Widerstands realisiert.
+
–
Abb. 14:
Links: Geschlossener Stromkreis mit Widerstand. Dieser Widerstand wird dadurch realisiert, dass der
Querschnitt des Drahtes im Vergleich zu den Zuleitungen stark verringert ist.
Rechts: Es bilden sich Oberflächenladungen an den Enden des Widerstands, die dafür sorgen, dass die
Stromstärke im Widerstand denselben Wert wie in den Zuleitungen hat (der Mechanismus ist im Text
dargestellt.).
13
Da die Querschnittsfläche des Widerstands viel kleiner ist als die der Zuleitungen, müssen
sich die Elektronen im Widerstand deutlich schneller bewegen als in der Zuleitung. Denn im
Widerstand müssen pro Sekunde genauso viele Elektronen durch den Querschnitt fließen wie
in der dickeren Zuleitung. Nur so kann erreicht werden, dass die Stromstärke im Widerstand
genauso groß ist wie in den Zuleitungen. Wie kommt es aber dazu, dass die Elektronen im
Widerstand schneller sind? Wir betrachten wieder den Rückkopplungsmechanismus: nach
Schließen des Stromkreises ist das elektrische Feld im Widerstand so groß wie in der
Zuleitung. Die Elektronen bewegen sich daher mit der gleichen Geschwindigkeit wie in der
Zuleitung. Da aber in den Punkt 3 in Abb. 14 (rechts) aufgrund des größeren Querschnitts
mehr Elektronen in den Widerstand hineinfließen als im Widerstand pro Querschnittsfläche
selbst, kommt es zu einer Elektronenanhäufung, die sich als negative Oberflächenladung
äußert. Entsprechend bildet sich in Punkt 4 eine positive Oberflächenladung, da die mehr
Elektronen von diesem Punkt 4 nach links abfließen, als vom Widerstand nachgeliefert
werden. Die Folge ist ein starkes elektrisches Feld im Widerstand (Eresistor in Abb. 14 rechts).
Nach kurzer Zeit ist das elektrische Feld im Widerstand größer als in den Zuleitungen. Die
Elektronen im Widerstand bewegen sich daher schneller und gleichen somit aus, dass es
aufgrund des geringeren Querschnitts weniger Elektronen sind 6 . Die Stromstärken in
Widerstand und Zuleitung sind dann gleich groß. Die Argumentation ist hier ähnlich wie in
den vorhergehenden Überlegungen: Durch Verschiebung von Ladungen entstehen zusätzliche
elektrische Felder, die sich gerade so einstellen, dass die Stromstärke überall gleich ist.
In Abb. 14 fällt auf, dass das Gefälle in der Ladungsträgerdichte vom Pluspol zum
Widerstand und von dort zum Minuspol viel kleiner ist als im Widerstand selbst. Dies ist nun
auch einsichtig, denn das von den Oberflächenladungen zu erzeugende elektrische Feld muss
im Widerstand eben besonders groß sein.
[Den folgenden Abschnitt evtl. weglassen? Dann würde man sich das Problem mit der
konstanten Ladungsdichte ersparen, auf welches Udo hingewiesen hat]
Wir betrachten abschließend einen anders gearteten Widerstand, der realen Bauelementen
nahe kommt: er habe zwar gleiche Querschnittsfläche, aber eine geringere
Elektronenbeweglichkeit wie die Zuleitungen hat (z.B. Kohlenstoff im Vergleich zu einer
Zuleitung aus Kupfer). Wie kommt es nun, dass die Stromstärke im Kohlenstoff trotzdem
genauso groß ist wie im Kupfer? [Hier muss noch eingefügt werden, dass sich die
Elektronendichte in beiden Substanzen nicht unterscheidet; noch mal klären, evtl. auch
weglassen und auf Literatur verweisen] Betrachten wir dazu Abb. 15. Von rechts treffen
die Elektronen mit größerer Geschwindigkeit auf den Widerstand als sie sich anschließend im
Widerstand weiter bewegen. Denn dort ist die Beweglichkeit ja geringer. Somit kommt es zu
einer Anhäufung von Elektronen auf der rechten Seite des Widerstands. Analog ergibt sich
ein Mangel auf der linken Seite. Auf diese Art wird ein zusätzliches elektrisches Feld erzeugt.
Insgesamt ist das elektrische Feld im Kohlenstoff daher größer als im Kupfer. Im
Gleichgewicht bewegen sich die Elektronen im Kohlenstoffwiderstand dann genauso schnell
wie im Kupfer, sodass es zu keiner weiteren Anhäufung kommt.
6
Dies zeigt, dass eine Analogiebildung mit Verkehrsstrom sehr problematisch ist: wird eine zweispurige Straße
plötzlich einspurig, so fahren die Autos bei dichtem Verkehr in der Regel langsamer. Dies ist häufig mit einer
Reduktion des Abstands zwischen den Autos verbunden. Darin wird der entscheidende Unterschied zum
Stromkreis deutlich: das „Elektronengas“ kann nicht komprimiert werden. Für diesen Aspekt ist daher die
Wasseranalogie tragfähiger.
14
Abb. 15: Zwischen den Zuleitungen aus Kupfer befindet sich ein Widerstand gleichen Querschnitts aus
Kohlenstoff. Dort muss die elektrische Feldstärke viel größer sein als im Kupfer, da die Beweglichkeit der
Elektronen viel kleiner ist. Im Text wird erläutert, wie es dazu kommt, dass das elektrische Feld im Kohlenstoff
größer als im Kupfer wird. Dies bewirkt eine Zunahme der Driftgeschwindigkeit solange, bis die
Geschwindigkeiten in beiden Materialien gleich sind. {Noch Ändern: i=Teilchenstrom ist verwirrend: Ein
kleines e- hinzeichnen}
4. Fachlich problematische Vorstellungen
In der Gleichung vDrift = μ ⋅ E drückt sich zusammenfassend aus, dass elektrische Felder die
Ursache für die Bewegung der Elektronen sind. Bevor wir die Ursache des elektrischen
Feldes genauer klären ist es wichtig zu verstehen, dass nahe liegende alternative Erklärungen
häufig fachlich äußerst problematisch sind und ungünstige Vorstellungen implizieren. Wir
fassen dazu drei plausible Antriebsmechanismen ins Auge und argumentieren, dass diese
Vorstellungen nicht zutreffen können.
Schieben sich die Elektronen gegenseitig an?
[Hier noch mal fachlich klären: In Metallen sind die Elektronen aufgrund der
Austauschwechselwirkung nicht weiter zu komprimieren. Daher wäre doch die
Vorstellung, dass sie sich wie beim Wasser gegenseitig durchdrücken, nicht von der
Hand zu weisen]
Eine der gängigen Vorstellungen geht davon aus, dass die Elektronen von der Batterie an
einem Ende des Drahtes in Bewegung versetzt werden. Diese wiederum schieben dann die
benachbarten Elektronen weiter in den Draht hinein, sodass sich alle Ladungsträger im Draht
bewegen. Manchmal wird dazu auch ein mechanisches Modell bemüht. Es wird argumentiert,
dass es eben wie bei Tennisbällen sei, die in einem Rohr dicht nebeneinander angeordnet sind:
schiebt man auf der einen Seite einen Tennisball an, so werden dadurch alle anderen Bälle in
Bewegung gesetzt. Diese Vorstellung kann vielleicht für Wasserstromkreise hilfreich sein.
Unhaltbar wird sie jedoch beim elektrischen Stromkreis. Denn Elektronen berühren sich nicht,
man kann ihnen keine Oberfläche zuschreiben. Daher gibt es eine quasi-mechanische
Nahwirkung nicht. Zwar üben Elektronen eine langreichweitige elektrostatische, abstoßende
Kraft aufeinander aus. Diese Abstoßung wird jedoch durch die im Draht vorhandenen Ionen
abgeschirmt, sodass sich die Elektronen durch Coulombkraft nicht gegenseitig anschieben
können. Anschaulich gesprochen kompensieren sich die Abstoßung durch ein Elektron und
die Anziehung des benachbarten Ions auf (Abb. 2).
Abb. 2: Die Elektronen können sich nicht wie Wassermoleküle oder Tennisbälle gegenseitig durch die Leitung
schieben. Zwar üben sie eine abstoßende Kraft aufeinander aus. Diese wird aber durch die anziehende Kraft
zwischen positiv geladenem Ion und Elektron kompensiert.
Schiebt das elektrische Feld der Batterie an?
Eine weitere, nahe liegende Vorstellung besteht darin, dass der elektrische Strom durch das
elektrische Feld angetrieben wird, welches durch die elektrischen Ladungen erzeugt wird, die
sich auf den Klemmen der Batterie befinden. Man sieht leicht ein, dass dies nicht der Fall ist,
denn dann müsste eine Lampe heller glühen, wenn man sie näher an die Batterie heranbringt
(Abb. 3). Denn das elektrische Feld der Batterie nimmt mit kleiner werdendem Abstand zu.
Außerdem folgt das elektrische Feld der Batterie (im Wesentlichen ein Dipolfeld) den mehr
oder weniger stark gebogenen Kabeln sicherlich nur in Ausnahmefällen. Das antreibende
elektrische Feld muss jedoch in allen Windungen des Stromkreises in Bewegungsrichtung der
15
Elektronen orientiert sein. Dies drückt die vektorielle Form der Gleichung vDrift = μ ⋅ E aus.
Es ist somit sehr plausibel, dass die für den Antrieb eines bestimmten Elektrons notwendigen
elektrischen Felder im Wesentlichen durch Ladungsträger in dessen Umgebung generiert
wird. Wir kommen auf diesen Gesichtspunkt noch zurück.
Abb. 3: Würden nur die Ladungen in der Batterie und ihren Klemmen das elektrische Feld verursachen, welches
die Elektronen durch die Glühlampe treibt, so müsste eine Lampe heller scheinen, wenn sie näher an der Batterie
ist. Darüber hinaus kann das räumlich feste elektrische Feld nicht beliebigen geometrischen Konfigurationen mit
beliebigen Schleifen und Windungen folgen.
Bilden sich Raumladungen im Draht?
[Auch dieses Argument ist vielleicht nicht so leicht von der Hand zu weisen]
Als Ursache des elektrischen Stroms wird manchmal davon ausgegangen, dass sich am
Minuspol der Batterie ein „Elektronenüberschuss“ und am Pluspol ein „Elektronenmangel“
ist. Es scheint dann plausibel, dass dieser Unterschied mit einem Gefälle der
Ladungsträgerdichte im Draht verbunden ist (Abb. 4). Dann müssten jedoch die Elektronen
längs des Stromkreises immer schneller werden und in der Batterie abgebremst werden (Pfeile
in Abb. 4). Anders wäre eine konstante Stromstärke längs des Stromkreises nicht zu erklären.
Da die Dichte der Ionen überall etwa gleich ist, wäre ein Elektronengefälle lokal mit
Raumladungen verbunden. Die Überschussladungen würden sich jedoch gegenseitig abstoßen
(denn sie sind ja nicht durch Ionen neutralisiert) und daher zur Oberfläche des Leiters
verschieben. Es bleibt festzuhalten: das Innere des Leiters ist überall elektrisch neutral: es
befinden sich überall genauso viele Elektronen wie Ionen.
Abb. 4: Zur Fehlvorstellung einer vom Minuspol zum Pluspol abnehmenden Raumladungsdichte der Elektronen
im Stromkreis. Quelle: Muckenfuß & Walz (1997), S. 97
5. Zusammenfassung und didaktische Konsequenzen
Wir haben an einigen Beispielen gezeigt, welch große Bedeutung zusätzliche
Oberflächenladungen für den elektrischen Strom haben. Deren Anordnung kann je nach
Konfiguration recht kompliziert sein. Wesentlich ist, dass die Elektronen von einem
elektrischen Feld angetrieben werden, welches von Ladungsträgern erzeugt wird, die sich in
der Nähe des betrachteten Elektrons auf der Oberfläche des Drahtes befinden. Die Verteilung
dieser Ladungsträger passt sich durch Rückkoppelungsprozesse automatisch der Geometrie
des Drahtes an. Dies geschieht so rasch, dass wir praktisch immer von einem elektrischen
16
Feld im Inneren des Drahtes ausgehen können, welcher für einen konstanten elektrischen
Strom entlang des Kreises sorgt.
Mit dem vorgestellten mikroskopischen Ansatz lässt sich eine Vielzahl von Phänomenen auf
anschauliche Weise interpretieren. Dazu verweisen wir insbesondere auf die
Literaturempfehlungen am Schluss des Beitrags. Neben einer Erweiterung der Perspektive auf
die Vorgänge im elektrischen Stromkreis mögen die Überlegungen auch als „Prüfstein“ für
Analogiemodelle dienen: steht ein mikroskopisches Analogiemodell im Widerspruch zu dem
vorgestellten Ansatz, so ist das verwendete Modell kritisch zu hinterfragen und ggf.
einzuschränken oder gar zu verwerfen.
Im Hinblick auf Schule ermöglicht das mikroskopische Modell darüber hinaus eine
mikroskopische Veranschaulichung des Spannungsbegriffs: Je kürzer die Distanz, auf der die
Flächenladungsdichte um einen bestimmten Betrag abnimmt, desto höher die Spannung über
dieser Strecke (vgl. Fig. 18.46 in Chabay & Sherwood, 2002, S. 646). Dies könnte in der
Sekundarstufe II den Zugang zum für Schülerinnen und Schüler sehr schwierigen
Spannungsbegriff erleichtern. Abgesehen von der Transparenz, die dadurch in den Vorgang
des Stromflusses kommt, unterstützt dieser Zugang kumulatives Lernen. Denn der dargestellte
Zugang basiert im Grund vollständig auf elektrostatischen Überlegungen, nämlich der
Abstoßung und Anziehung von Ladungsträgern untereinander. Die Themenbereiche
elektrischer Stromkreis und Elektrostatik wirken dann nicht so unverbunden, wie es von den
üblichen Lehrplänen nahe gelegt wird.
Literaturempfehlung
In besonders ausführlicher Weise wird der beschriebene Ansatz von Chabay & Sherwood
(2002) dargestellt. Die beiden Bände dieses Werkes zeichnen sich dadurch aus, dass eine
Vielzahl von überzeugenden Ansätzen aus der vorhandenen Literatur aufgegriffen werden
und didaktisch gut aufbereitet dargestellt sind. Dies gilt insbesondere auch für die
mikroskopische Deutung der Vorgänge im Stromkreis, die einen breiten Raum einnimmt. Die
Autoren zeigen die große Tragfähigkeit des Ansatzes und liefern ein im Detail ausgearbeitetes
Konzept für die Anfangssemester des Physikstudiums. Dies ließe sich möglicherweise als
Grundlage für den Oberstufenunterricht verwenden. Auf jeden Fall ist es aber für
Lehramtsstudierende bestens geeignet, um sich die Grundlagen und breiten Anwendungen
anzueignen, und so einen guten Einblick in die mikroskopischen Ursachen einer Vielzahl von
Ergebnissen im Zusammenhang mit dem elektrischen Stromkreis zu gewinnen. Dies erscheint
mir als Hintergrundwissen für den Schulunterricht unabdingbar.
Der Unterrichtsgang von Muckenfuß & Walz (1997) ist ein Musterbeispiel dafür, wie unter
Beachtung der beschriebenen fachlichen Aspekte und der Berücksichtigung der bekannten
Schülervorstellungen ein schwieriges Gebiet wie das Thema elektrischer Stromkreis für die
Sekundarstufe I aufbereitet werden kann. Der vorliegende Buch hat wesentlich davon
profitiert.
17
Anhang
18
Literatur:
Duit, R., Jung, W., von Rhöneck, C. (1982). Aspects of understanding electricity. Kiel:
Schmidt & Klaunig
Härtel, H. (1988). Spannung als Ladungsunterschied. Naturwissenschaften im Unterricht
Physik/Chemie 36, Nr. 31, S. 36-37
Kopitzki, K. & Herzog, P. (2004). Einführung in die Festkörperphysik. Stuttgart: Teubner
Muckenfuß, H. & Walz, A. (1997). Neue Wege im Elektrikunterricht. Köln: Aulis
Parker, S. (1970). Electrostatics and current flow. American Journal of Physics, Vol. 38, No.
6, 720-723
Preyer, N. W. (2002). Transient behavior of simple RC circuits. American Journal of Physics
70, S. 1187-1193.
19
Rosser, W. G. V. (1970). Magnitudes of Surface Charge Distributions Associated with
Electric Current Flow. American Journal of Physics, Volume 38, Number 2, S. 265-266
Sherwood, B. A. & Chabay, R. W. (1999). A unified treatment of electrostatics and circuits.
http://www4.ncsu.edu/~rwchabay/mi/circuit.pdf [24.3.2006]
Chabay, R. W. & Sherwood, B. A. (2002). Matter & Interactions Volume II: Electric and
Magnetic Interactions. New York: Wiley, S. 631 ff.
von Rhöneck, C. (2004). Vorstellungen vom elektrischen Stromkreis. In: R. Müller, R.
Wodzinski, & M. Hopf, (Hrsg.), Schülervorstellungen in der Physik, Köln: Aulis
Walz, A. (1984). E-Felder um stationäre Ströme. Der Physikunterricht, Heft 2, S. 61-68
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