GESUNDHEIT Gesunder Darm – gute Abwehrkraft Nicht für alle Menschen ist das tägliche Geschäft eine Selbstverständlichkeit. Darmprobleme wie Verstopfungen, Durchfall oder das Reizdarm-Syndrom können die Lebensqualität beeinträchtigen und zusätzlich zur Schwächung des Immunsystems führen. Im folgenden Interview erklärt die Expertin und Buchautorin Dr. Michaela Döll, die Zusammenhänge zwischen Darm und allgemeinem Gesundheitszustand und erläutert in diesem Zusammenhang, wie Probiotika wirken. Dr. Michaela Döll Wie funktioniert unser Darm? Der Darm ist das Zentrum für unsere Gesundheit. Er ist für die Verdauung und die Aufnahme von Nährstoffen verantwortlich. Während der Verdauung sorgt der Darm dafür, dass schädliche Substanzen ausgeschieden werden, zum Beispiel zellschädigende Gallensäuren oder Substanzen, die wir mit dem Essen aufnehmen. Die Verdauung sorgt dafür, dass die Spreu vom Weizen getrennt wird. Denn nicht alles, was wir essen ist für den Organismus zuträglich. Deshalb ist eine vernünftige und ausgewogene Ernährung wichtig. Aber der Darm stellt auch unser wichtigstes immunologisches Organ dar – eine Tatsache, die immer wieder unterschätzt wird! Warum leiden heute so viele Menschen an Darmproblemen? Der Darm in seiner Beschaffenheit und speziell die im Darm ansässigen Bakte- rien sind sehr empfindlich. So setzen Medikamente wie Antibiotika, Schmerzmittel, Hormonanwendungen sowie Nahrungsmittelzusätze wie Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker und Emulgatoren der Darmflora zu. Antibiotika fegen den Darm sozusagen leer, das heisst, sie zerstören nicht nur die schlechten, sondern auch die guten Bakterien im Darm. Auch unausgewogene, ballaststoffarme Ernährung mit wenig Gemüse und Obst und viel ausgemahlenem Getreide sowie Stress sind Faktoren, die dem Darm nicht gut tun. Durch mangelnde Bewegung wird der Darm zudem zu wenig bewegt, wodurch die Verdauung ebenfalls beeinträchtigt wird. Welche Darmprobleme sind besonders häufig? Zu den häufig auftretenden Problemen zählen Verstopfung, Blähungen, Reizdarm, allergische Reaktionen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Neben der Verdauung spielt der Darm eine wichtige Rolle für den gesamten Organismus in Bezug auf die Abwehrkraft. Ist die Darmflora in einem schlechten Zustand, so funktioniert auch die Immunabwehr ungenügend. Lange war man sich dessen nicht bewusst. Was sind die Folgen einer gestörten Mikroflora? Betroffene werden häufig krank und leiden zum Beispiel immer wieder an Erkältungen oder anderen Infektionen. Eine geschädigte Mikroflora kann aber neben den bekannten Verdauungsproblemen auch Hauterkrankungen, Neurodermitis und Allergien sowie entzündliche Prozesse im Darm begünstigen. Was fördert eine gute Verdauung? Eine gute Verdauung wirkt sich auf den ganzen Körper aus. active live November 2010 Der Darm braucht Ballaststoffe. Die Zu- GESUNDHEIT Wie wirken Probiotika bei Verstopfung? fuhr von probiotischen Bakterien ist wichtig für die Unterstützung der ansässigen Darmflora und das darmassoziierte Immunsystem. Sie können ein gestörtes Verhältnis zwischen schlechten und guten Bakterien im Darm verbessern und somit die Verdauung und vor allem die körpereigene Abwehrkraft positiv beeinflussen. Denn Probiotika siedeln sich auf der Darmschleimhaut an. Ist die Darmschleimhaut mit guten, also probiotischen Bakterien ausgekleidet, können schlechte Keime wie zum Beispiel Durchfallerreger weniger einfach andocken. Probiotische Bakterien unterstützen den Stoffwechsel und sind zudem in der Lage Vitamine wie zum Beispiel das Vitamin K herzustellen. Die Magensäure ist sehr sauer. Können probiotische Bakterien überhaupt unbeschadet in den Darm gelangen? Das ist eine berechtigte Frage, denn Probiotika können ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie lebend im Darm ankommen. Es gibt probiotische Bakterienarten, die relativ resistent gegen Magensäure und Gallensäure sind und den Magen problemlos passieren können. Ist die Wirkung von Probiotika belegt? Ja, es gibt eine ganze Reihe von Studien. So ist zum Beispiel belegt, dass probiotische Bakterien beim Reizdarm-Syndrom und bei der Laktose-Intoleranz hilfreich sein können. Sie tragen dazu bei, Durchfallerkrankungen wie zum Beispiel Reisedurchfall oder Durchfall, der durch eine Antibiotika-Behandlung verursacht wird, zu verhindern. Darminfekte werden verkürzt oder deren Verlauf gemildert. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen werden durch bestimmte probiotische Keime positiv beeinflusst, so dass Medikamente eingespart werden können. Zudem gibt es Hinweise auf eine bessere Abwehr des Immunsystems. Eine Studie der Bundesforschungsanstalt Kiel hat gezeigt, dass Menschen, die während eines Winters regelmässig Probiotika zu sich nahmen, Erkältungen schneller überwanden und die Symptome milder waren als bei Menschen, denen ein Placebo verabreicht wurde. Wie lässt sich diese Wirkung erklären? Probiotische Bakterien unterstützen die darmansässige Flora und ihre immunologische Leistung. Es werden Abwehrkörper, sogenannte Immunglobuline, gebildet. Probiotika unterstützen die Verdauung. Am besten ist ihre Wirkung, wenn sie zusammen mit sogenannten Präbiotika (wasserlöslichen Ballaststoffen) eingenommen werden. Dazu zählen Inulin und Oligofructose. Diese beiden Substanzen dienen den probiotischen Bakterien als Nahrung, so dass diese sich noch besser im Darm ansiedeln und vermehren können. Wer profitiert von Probiotika? Probiotische Bakterien beeinflussen die Abwehrkraft. Haben Probiotika weitere positive Auswirkungen? Bekannt sind positive Effekte bei Allergien, Hauterkrankungen und Neurodermitis. Wenn Frauen, die Allergien haben oder zu Allergien neigen, während der Schwangerschaft und der Stillzeit probiotische Bakterien zu sich nehmen, entwickeln nur halb so viele Kinder eine Allergie im Vergleich zu Placebo. Wirken Probiotika auch auf andere Organe? Es gibt Hinweise, dass sie auch bei Blasenentzündungen und Vaginalproblemen hilfreich sein können, die durch Bakterien verursacht werden, die dort nicht hin gehören. Milchsäurebakterien können bei Vaginalproblemen Linderung bringen. Menschen, die die körpereigene Abwehr und / oder ihre Verdauung unterstützen wollen oder häufig an Infektionskrankheiten (z.B. Erkältungen) oder an Allergien leiden. Probiotika können auch für Menschen sinnvoll sein, die sich vor Reisedurchfall schützen möchten. Frauen, die häufig an Vaginalund Blasenentzündungen leiden, kann ich Probiotika ebenfalls empfehlen. Viele Ärzte verabreichen Probiotika im Zusammenhang mit einer Antibiotika-Behandlung. Hier rate ich jedoch, erst nach der Therapie, probiotische Bakterien zu zuführen. Einzige Ausnahme sind Patienten, die unter Antibiotika zu starken Durchfällen neigen. Dort macht die gleichzeitige Anwendung der Probiotika zusammen mit dem Antibiotikum Sinn. Probiotika eignen sich auf für Kinder. Was gilt es bei der Einnahme von Probiotika zu beachten? Probiotika haben keine Nebenwirkungen. Die Einnahmezeit spielt keine Rolle. Ich bevorzuge jedoch den frühen Morgen. Nimmt man Probiotika auf den leeren Magen zu sich, kommen sie besser im Darm an. Probiotische Bakterien sollte man regelmässig während mindestens drei bis vier Monaten einnehmen. Bei Allergikern empfehle ich sogar mindestens sechs Monate. Buchtipp Darmgesund mit Probiotika, Dr. Michaela Döll Darmbeschwerden wie z. B. Verstopfung, Blähungen, Bauchschmerzen oder Probleme, die im Darm durch Reizungen, Entzündungen oder Nahrungsmittelallergien entstehen können, sind weit verbreitet. In vielen Fällen ist hier eine Veränderung der bakteriellen Besiedlung des Darmes (Darmflora) ursächlich mitbeteiligt. Meistens ist dadurch auch das darmabhängige Immunsystem gestört und damit haben Infekte, Allergien und andere Erkrankungen ein leichtes Spiel. Probiotische Keime üben eine Reihe von positiven Wirkungen aus, die der Darmflora dabei helfen wieder ins Lot zu kommen und viele Darmbeschwerden lindern können. active live November 2010