A1 Biografie Hans Peter Viau wurde am 12. März 1925 in Hamburg geboren. Seit er 13 Jahre alt war, hörte er Swing und Jazzmusik. Er lernte Klarinette und Schlagzeug. Ehemalige Schulkameraden zeigten ihn bei der Gestapo an, woraufhin er 1942 im Alter von 17 Jahren wegen „anglophiler Haltung“ ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und anschließend in das KZ Neuengamme kam. Er wurde im Kommando Tongruben eingesetzt. Nach zehn Tagen wurde er entlassen. Er musste unterschreiben, dass er niemandem erzählen durfte, was ihm passiert war. Um seinen kahl geschorenen Kopf zu verbergen, trug er einen Kopfverband und erzählte allen, dass er einen Fahrradunfall gehabt habe. Meine Fragen ______________________________________________ ______________________________________________ ______________________________________________ ______________________________________________ ______________________________________________ ______________________________________________ ______________________________________________ ___________________ Swingkids Swingkids waren Jugendliche, die Swing- und Jazzmusik hörten, dazu tanzten und sich im englischen oder amerikanischen Stil kleideten. Sie grenzten sich damit von der uniformierten Hitlerjugend (HJ) ab, der zur Staatsjugend erklärten NS-Organisation. Sie versuchten, sich dem HJ-Dienst zu entziehen, veranstalteten Hauspartys, auf denen sie Musik spielten. In der Öffentlichkeit provozierten die Mädchen und Jungen durch auffällige Kleidung und Frisuren – „Swing-Boys“ trugen ihre Haare gerne schulterlang, „Swing-Girls“ waren geschminkt oder rauchten in der Öffentlichkeit. Swing-Kids wurden als politisch gefährlich eingestuft, weil sie „die gesund empfindende Bevölkerung durch die Art ihres Auftretens und die Würdelosigkeit ihrer musikalischen Exzesse terrorisieren“. Sie wurden zur „Umerziehung“ in Konzentrationslager deportiert, 20 Hamburger Jungen zum Beispiel in das Jugend-KZ Moringen, andere aber auch nach Neuengamme A2 Hans-Peter Viau, 1942 Swingboys-Gruppe am Elbstrand, 1942 Biografie Fritz Bringmann wurde am 9. Februar 1918 in Lübeck geboren und war, wie die gesamte Familie, ab 1934 im Widerstand aktiv. Mit 17 Jahren wurde er wegen Verdachts auf Hochverrat festgenommen, weil er mit seinem Bruder Anti-Nazi-Parolen an Wände geschrieben hatte. Er wurde im November 1936 per Schutzhaftbefehl in das KZ Sachsenhausen deportiert und von dort aus in das KZ Neuengamme. Ab Oktober 1941 wurde er in Neuengamme im Krankenrevier des „Kriegsgefangenen-Arbeitslagers“ als Häftlingssanitäter eingesetzt. Bis Ende Mai 1942 starben dort 652 der 1000 sowjetischen Gefangenen – unter anderem durch Injektionen mit Benzin. Fritz Bringmann weigerte sich, diese Tötungen auf Befehl der SS auszuführen: „Ende Januar 1942 erschien SS-Sanitäter Bahr und gab mir den Befehl des Standortarztes, nicht mehr arbeitsfähige B1 Politische Gegner im Inland Politische Gegner, so wie Sozialdemokraten und Kommunisten, waren die ersten Häftlinge in den frühen Konzentrationslagern. Andere lieferte die Gestapo als „politische Häftlinge“ ein, weil sie kritische Meinungen geäußert, ausländische Sender gehört oder politische Witze erzählt hatten. Kriegsgefangene mittels Injektionen zu töten. Ohne mögliche Folgen zu bedenken, lehnte ich die Tötung der Kriegsgefangenen kategorisch ab.“ Als die verbliebenen sowjetischen Kriegsgefangenen in ein anderes KZ gebracht wurden, dankten die Überlebenden ihm für seinen Mut mit einer heimlich angefertigten Schnitzarbeit. Diese ist heute in der Hauptausstellung der Gedenkstätte zu sehen. Meine Fragen _________________________________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________________________________ _ „Schutzhaftbefehl“ für Fritz Bringmann. B2 Biografie C1 Benjamin Sieradzki wurde am 4. Februar 1927 in Zgierz/Polen geboren. Mit seinen Eltern und Geschwistern musste er seit 1940 im Ghetto Litzmannstadt leben, einem Elendsviertel in Łódź, in dem die jüdische Bevölkerung zusammengepfercht wurde. Jüdische Häftlinge Zehntausende der Ghettobewohner wurden später im Vernichtungslager Chełmno in Jüdische Menschen aus ganz Europa wurden durch Gaswagen ermordet. Aus Benjamin Sieradzkis Familie waren 1944 nur noch er und eine das NS-Regime zunächst in Ghettos und Arbeitslager Schwester am Leben. Beide wurden 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, gepfercht. Ab Mitte 1941 wurden Juden systema- von dem aus er als „arbeitsfähig“ zur Arbeit ausgewählt, seine Schwester jedoch als tisch getötet. Sie wurden in Vernichtungslager „arbeitsunfähig“ ermordet wurde. Benjamin wurde in das KZ Neuengamme deportiert. deportiert. Das wohl bekannteste Vernichtungslager Er war 17 Jahre alt, als er im Außenlager Hannover-Ahlem mit anderen Häftlingen einen war Auschwitz. In den Vernichtungslagern wurden unterirdischen Stollen für die Rüstungsindustrie ausbauen musste. Am 10. April 1945 Menschen direkt nach ihrer Ankunft in Gaskammern wurde er von US-amerikanischen Soldaten befreit und fragte sich: ermordet. Andere wurden als „arbeitsfähig“ a „Von allen Familienmitgliedern, die mit mir im Ghetto Lodz waren, war ich der einzige eingeteilt und blieben vorerst am Leben. Von den Überlebende. Ich träume noch immer von meinen zwei Schwestern und meinen Eltern, Häftlingen im KZ Neuengamme waren ca. 13.000 von all dem Leid, das sie aushalten mussten und doch nicht überlebten. Ich frage mich oft, Menschen jüdischer Herkunft. Die jüdischen warum ich? Ich war unter den Jüngsten und Verletzbarsten im Nazischema des Mordes, Häftlinge wurden besonders drangsaliert, was zu der totalen Vernichtung der Juden und anderer, die sie für unwert zu leben hielten. einer höheren Todesrate als bei den meisten anderen Warum sollte ich überleben anstelle all dieser anderen?“ Häftlingsgruppen führte. C2 Meine Fragen ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ Die Geschwister Bluma, Isaak und Benjamin Sieradzki (rechts), in den 1930er-Jahren. Biografie D1 Wanda Edelmann und Suleika Klein waren Cousinen. Sie wurden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Sinti und Roma in Außenlager des KZ Neuengamme deportiert. Wanda Edelmann wurde am 11. Oktober 1919 in Liegnitz/Schlesien geboren. Im Januar 1942 wurde sie in Berlin auf dem Weg zur Arbeit von zwei Kriminalbeamten als „Zigeunerin“ verhaftet. Sie kam in mehrere Außenlager der KZ Ravensbrück, Sachsenhausen und Neuengamme. Im Außenlager Sasel traf sie ihre Cousine Suleika Klein. Wanda Edelmann wurde 1945 von britischen Truppen befreit. Suleika Klein wurde am 17. Oktober 1926 in Hamburg geboren. Mit 17 Jahren wurde sie mit ihrer Mutter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihre Mutter wurde dort ermordet. Suleika Klein wurde zur Arbeit ausgewählt und kam über das Frauen-KZ Ravensbrück in das Außenlager Sasel des KZ Neuengamme, wo sie ihre Cousine Wanda Edelmann traf. Suleika Klein starb am 4. Mai 1945 kurz vor der Befreiung im Alter von 18 Jahren. Sinti und Roma Die Sinti und Roma bilden eine ethnische Minderheit, deren Geschichte von Ausgrenzung und Verfolgung gekennzeichnet ist. In den 1930er-Jahren wurden Sinti und Roma im Zusammenhang mit der Verfolgung „Asozialer“ entrechtet. Die Feststellung einer „rassischen Minderwertigkeit“ diente als Begründung für ihre Verfolgung. Am 16.Dezember 1942 ordnete Heinrich Himmler die Deportation der Sinti und Roma in das KZ Auschwitz an. Damit wurde ihre systematische Ermordung eingeleitet. Der Meine Fragen ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ nationalsozialistischen Herrschaft fielen mehrere hunderttausend Sinti und Roma aus ganz Europa zum Opfer. Im KZ Neuengamme waren mehrere hundert Sinti und Roma inhaftiert. D2 Skizze des Lagers Sasel, rekonstruiert nach mehrfach bestätigten Angaben von Anwohnern und ehemaligen Häftlingen. Suleika Klein, deutsche Sintezza, war ab Juli 1944 im Außenlager HamburgSasel des KZ Neuengamme inhaftiert. Biografie E1 Heinrich Roth wurde am 17. März 1907 im Saarland geboren. Er begann in Hamburg eine Ausbildung zum Fotografen. In einem Lokal lernte er seinen Partner Carl Bruhns kennen. Beide wurden 1936 wegen ihrer Beziehung nach § 175 des Strafgesetzbuches zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt. 1938 begann Heinrich Roth eine neue Beziehung, dieses Mal vereinbarten er und sein Partner absolutes Stillschweigen. Dennoch wurde Heinrich Roths Freund festgenommen und sagte nach Misshandlungen auch gegen seinen Partner aus. 1940 wurde Heinrich Roth über das KZ Sachsenhausen in das KZ Neuengamme deportiert. Zeitweise war er hier im Erkennungsdienst der Politischen Abteilung als Fotograf eingesetzt. Ende April 1945 kam er im Zuge der Lagerräumung nach Lübeck, wo die SS einen Großteil der Häftlinge des KZ Neuengamme auf Schiffe brachte. Bei der Bombardierung der „Cap Arcona“ durch britische Kampfflugzeuge am 3. Mai 1945 kam Heinrich Roth ums Leben. Homosexuelle 1935 wurde der § 175, der sich gegen Homosexuelle richtete, erheblich verschärft. Insgesamt wurden ca. 10 000 homosexuelle Männer in Konzentrationslager verschleppt. Bereits ab den 1930er Jahren wurden bestimmte Lokale geschlossen und Homosexuellenverbände Meine Fragen _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ aufgelöst. Das Gesetz stellte nur männliche Homosexualität unter Strafe, jedoch wurden auch lesbische Frauen als „Asoziale“ in Konzentrationslager deportiert. Im KZ Neuengamme waren _________________________________________________________________________ einige hundert homosexuelle Häftlinge inhaftiert, _________________________________________________________________________ von denen mindestens 33 dort starben. _________________________________________________________________________ _ Wirtschaftsverwaltungshauptamtes in Berlin Heinrich Roths Häftlingskarte des für die KZ-Verwaltung zuständigen E2 F1 Biografie Walerjan Wrobel wurde am 2. April 1925 im polnischen Dorf Falkow geboren. Im Alter von 15 Jahren wurden er und sein bester Freund zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht. Walerjan musste in Zwangsarbeiter Bremen-Lesum auf einem Bauernhof arbeiten. Er hatte von Anfang an sehr starkes Heimweh. Darum Etwa 13 Millionen Männer und Frauen aus legte er in der Scheune des Bauernhofes Feuer, in der Hoffnung, wieder nach Hause geschickt zu den von Deutschland besetzten oder ab- werden. Walerjan hatte, so sagte er bei einer Vernehmung selber, keine bösen Absichten, er beteiligte hängigen Ländern mussten während des sich auch an den Löscharbeiten. Am 29. April 1941 wurde er von der Polizei festgenommen und am Zweiten Weltkrieges in den besetzten 28. Juni in das KZ Neuengamme eingewiesen. Aufgrund seiner Einteilung als „Krimineller“ wurde er zu Gebieten und im Deutschen Reich Zwangs- den schwersten Arbeitskommandos eingeteilt, darunter zum „Kommando Dove Elbe“. arbeit vor allem für die Kriegswirtschaft Am 8. Juli 1942 kam es zu einem Prozess vor einem Sondergericht in Bremen. Walerjan wurde als leisten. Weil Werbekampagnen für einen „Volksschädling“ zum Tode verurteilt und in Hamburg mit dem Fallbeil hingerichtet. freiwilligen Arbeitseinsatz in Deutschland in In der Hauptausstellung in der KZ-Gedenkstätte ist Walerjans Abschiedsbrief an seine Eltern und Geschwister zu sehen. den besetzten Ländern nur geringen Erfolg hatten, griffen die deutschen Besatzungsbehörden zu Zwangsmitteln. Die Wehrmacht Meine Fragen führte in Polen und der Sowjetunion auch Massenrazzien in Kinos und auf belebten ___________________________________________________________________________ Plätzen mit anschließender gewaltsamer ___________________________________________________________________________ Verschleppung nach Deutschland durch. ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ __________________________________________________________________ Walerjan Wrobel F2 G1 Biografie Johann Trausner, geboren am 26. Dezember 1908, war Zeuge Meine Fragen Jehovas aus St. Johann in Österreich. Im KZ Neuengamme weigerte _____________________________________________________________ er sich, SS-Männer vorschriftsmäßig durch Abnehmen der Mütze zu _____________________________________________________________ grüßen. Er beschwerte sich schriftlich bei der Lagerleitung über _____________________________________________________________ Schikane, denen die Zeugen Jehovas ausgesetzt waren. Daraufhin _____________________________________________________________ kam er in den „Bunker“, wurde zum Tode verurteilt und am _____________________________________________________________ 24. Oktober 1941 erschossen. _____________________________________________________________ __________________________________________ Zeugen Jehovas Die Glaubensgemeinschaft der Bibelforscher wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA gegründet. Ab 1931 nannten sie sich „Jehovas Zeugen“. 1933 wurde die Glaubensgemeinschaft in Deutschland verboten. Die Zeugen Jehovas verurteilten den „antichristlichen Charakter des Hitlerregimes“. Sie verweigerten den Kriegsdienst und bei öffentlichen Veranstaltungen den Hitlergruß, weil sie der Auffassung waren, dass kein Mensch mit Heil begrüßt werden dürfe, weil dieser Gruß nur Gott zustehe. Die Zeugen Jehovas zeigten in den Lagern einen ausgeprägten Selbstbehauptungswillen, übten untereinander Solidarität und setzten ihre Missionsbemühungen auch innerhalb des Lagers fort. Im KZ Neuengamme waren zwischen 1940 und 1945 ca.200 Zeugen Jehovas inhaftiert, einige arbeiteten im „Kommando Kaninchenstall“. „T „Totenbescheinigung“ von Johann Trausner, 1941. H1 Biografie Waldemar Nods wurde am 1. September 1908 in Südamerika geboren. Seine Eltern waren einige der ersten Surinamesen, die frei von der Sklaverei geboren wurden. Im Alter von 19 Jahren reiste er für seine Ausbildung in die Niederlande. Dort gründete er eine Familie. Er und seine Frau Rika führten in Scheveningen eine Pension. Dort nahmen sie nicht nur Touristen auf, sondern auch jüdische Flüchtlinge, die von den Nazis verfolgt wurden. Sie wurden verraten. Rika nahm alle Schuld auf sich und wurde in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo sie starb. Waldemar Nods kam im Februar 1944 ins KZ Neuengamme, wo er auf Grund seiner deutschen Sprachkenntnisse zunächst überleben konnte. Im Zuge der Lagerräumung kamen die letzten Häftlinge Neuengammes auf drei Schiffe in der Lübecker Bucht. Dort, kurz vor der Befreiung, starb Waldemar Nods bei der Bombardierung der Cap Arcona am 3. Mai 1945. Politische Gegner im Ausland Nicht nur in Deutschland wurden politische Meine Fragen Gegner festgenommen und in Konzentrations- _______________________________________________________________________ lager gebracht. Auch in den von der _______________________________________________________________________ deutschen Armee besetzten Ländern wurden _______________________________________________________________________ politische Gegner und Widerstandskämpfer _______________________________________________________________________ verfolgt und nach Deutschland deportiert. _______________________________________________________________________ Im KZ Neuengamme waren überwiegend _______________________________________________________________________ Menschen aus den besetzten Ländern _______________________________________________________________________ Europas inhaftiert. __ H2 Waldemar Nods mit seinem Sohn. J1 Biografie Saul Kroner wurde am 23. Dezember 1917 in Charkow/Ukraine geboren. Er beendete 1940 sein Kriegsgefangene Chemiestudium und wurde zum Wehrdienst eingezogen. Im Juni 1941 geriet er in deutsche Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Kriegsgefangenschaft. Um seine jüdische Herkunft zu verbergen, vergrub er seine Ausweise und Wehrmacht die Sowjetunion. Bis zum nahm einen anderen Namen an. Er wurde in das Kriegsgefangenenlager Fallingbostel transportiert. Jahresende gerieten ca. drei Millionen Im April 1943 unternahm er einen Fluchtversuch, der scheiterte. Zur Strafe wurde er in das sowjetische Soldaten in deutsche Kriegs- KZ Neuengamme gebracht. Hier arbeitete er in verschiedenen Kommandos, unter anderem am gefangenschaft. In den Kriegsgefangenen- Hafenbecken des Stichkanals. Mit Hilfe anderer Häftlinge konnte er überleben, obwohl, wie er später lagern wurden Juden und kommunistische feststellte, auf seiner Häftlingskarteikarte stand, dass er Jude sei. Im Zuge der Lagerräumung kam Saul Funktionäre ausgesondert und ermordet. Kroner in das Außenlager Wöbbelin, wo er von US-Amerikanern befreit wurde. Im Oktober 1941 lieferte die Wehrmacht „Ich glaube, ich bin nur dank der internationalen Solidarität am Leben geblieben. Das klingt banal, aber 10.000 sowjetische Kriegsgefangene an die es stimmt wirklich: Weil ich mit Leuten zu tun hatte, die über Menschen nicht nach ihrer Nationalität SS aus. 1000 von ihnen kamen ins KZ urteilten, sondern nach ihren menschlichen Seiten.“ Neuengamme, wo sie in einem als „Kriegsgefangenen-Arbeitslager“ d Meine Fragen abgeteilten Lagerbereich zusammengepfercht wurden. Als „Untermenschen“n _________________________________________________________________________ deklariert, waren ihre Überlebenschancen _________________________________________________________________________ äußerst gering. Innerhalb von acht Monaten _________________________________________________________________________ starben 652 von ihnen. _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ Kriegsgefangener, Jude“ der Angabe „Russe, Häftlingskarteikarte mit Saul Kroner. J2 K1 Biografie Der Goldschmied Hendrikus van den Berg lebte mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Putten in den Niederlanden. Dieses Dorf wurde als „Vergeltungsmaßnahme“ von deutschen Soldaten Die Männer von Putten niedergebrannt, die männlichen Einwohner nach Deutschland deportiert. Am 14. Oktober 1944 traf Wegen eines Attentates auf einen Wagen der Hendrikus van den Berg zusammen mit 602 Nachbarn aus Putten im KZ Neuengamme ein. Da dort Deutschen Wehrmacht in der Nähe des Goldschmiede nicht gebraucht wurden, verlegte die SS ihn zusammen mit 110 weiteren Häftlingen niederländischen Dorfes Putten wurde am aus Putten in das KZ-Außenlager Ladelund in der Nähe der dänischen Grenze. Hier mussten die 1. Oktober 1944 in Putten eine Razzia Männer Panzergräben für den so genannten Friesenwall ausheben. Im April 1945 wurde Hendrikus durchgeführt. Alle Häuser wurden von van den Berg von der SS auf die „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht gebracht. Dort hatte er großes deutschen Soldaten durchsucht, alle Männer Glück: Er gehörte zu den 250 Häftlingen, die vom Schwedischen Roten Kreuz vom Schiff geholt ab 18 Jahren, die gefunden wurden, wurden wurden. Er entging deshalb der Katastrophe, als das völlig überfüllte Schiff am 3. Mai 1945 von festgenommen und in das KZ Amersfoort britischen Flugzeugen irrtümlich bombardiert wurde und fast alle Häftlinge ums Leben kamen. gebracht. Die Häuser des Dorfes wurden niedergebrannt. 602 Männer wurden weiter Meine Fragen ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ _________________________________________________ nach Hamburg in das KZ Neuengamme deportiert. Nur 49 Männer überlebten das Konzentrationslager und konnten nach dem Krieg nach Hause zurückkehren. K2 Seinen Kindern erklärte Hendrikus van den Berg nach dem Krieg zum Thema Überleben: „Wenn ihr jemals in einem Lager landet, sorgt dafür, auf dem Appellplatz immer in der Mitte der Gruppe zu stehen. Dort fallen die Hendrikus und Gradda van den Berg auf ihrer Hochzeit, 1936. wenigsten Schläge. Und sorgt dafür, beim Verlassen der Baracken erst der Zwanzigste in der Reihe zu sein. Dann sind die ersten Schläge schon verteilt worden.“ L1 Biografie Helge Hansen wurde am 29. Mai 1922 in Tingsted / Dänemark geboren. Mit 20 Jahren ging er zum dänischen Heer. Ende August 1943 entwaffneten deutsche Truppen die dänische Armee. Am 22. Juni 1944 nahm Helge Hansen an einer Sabotageaktion gegen eine Waffenfabrik in Kopenhagen teil, die in die Luft gesprengt wurde. Er wurde verhaftet und zum Tode verurteilt, dann aber in das KZ Neuengamme gebracht. Dort wurde er in einem Arbeitskommando eingesetzt, das in den durch Bombenangriffe zerstörten Hamburger Stadtteilen Leichen bergen musste. Danach arbeitete er in der Rüstungsproduktion der Walther-Werke im Die Rettungsaktion „Weiße KZ Neuengamme. Am 20. April 1945 wurde Helge Hansen mit anderen skandinavischen Häftlingen Busse“ mit den „Weißen Bussen“ über Dänemark nach Schweden in die Freiheit gebracht. Nach Verhandlungen des Schwedischen Roten Kreuzes mit Heinrich Himmler wurde das KZ Neuengamme im Frühjahr 1945 zum Sammelpunkt für alle in Deutschland Meine Fragen inhaftierten norwegischen und dänischen _________________________________________________________________________ Gefangenen. Ende April 1945 konnten über _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________ 4000 skandinavische Häftlinge das KZ Neuengamme verlassen. Sie wurden in weiß gestrichenen Bussen mit dem roten Kreuz nach Schweden gebracht und damit gerettet. „Weißer Bus“ des Roten Kreuzes im KZ Neuengamme, April 1945 Sprengung der Waffenfabrik in Kopenhagen, 22. Juni 1944 L2 M1 Biografie Nada Verbič wurde am 28. November 1914 in Slowenien geboren. Nach Kriegsbeginn Frauen im KZ unterstützte sie die Partisanen und sammelte Sanitätsmaterial, Kleidung und Geld. Frauen wurden bis 1938 in den Konzentrationslagern Am 17. April 1944 wurde Nada Verbič verhaftet und am 6. Mai in das Konzentrationslager Moringen und Lichtenburg, ab 1939 im neu Ravensbrück deportiert. Nach vier Wochen wurde sie in das Außenlager Hamburg- errichteten Frauen-KZ Ravensbrück inhaftiert. Die Wandsbek (Drägerwerk AG) des KZ Neuengamme gebracht. Zunächst musste sie in Hamburg Zunahme von Verhaftungen und die Liquidierung Trümmer beseitigen, dann stellte sie am Fließband Gasmasken her. Nada Verbič wurde auch ganzer Bevölkerungsgruppen im Krieg trafen Frauen für einen Menschenversuch missbraucht: Sie wurde zusammen mit ca. 100 weiteren Frauen ebenso wie Männer. Sie wurden zum Arbeitseinsatz in einen 5x3 m kleinen Raum gedrängt, um zu testen, wie lange Menschen bei einem in der Kriegswirtschaft gezwungen oder im Zuge Gasangriff ohne Luft überleben konnten. Am 2. Mai 1945 kam Nada Verbič in das Außenlager der rassistischen Verfolgungsmaßnahmen in Hamburg-Eidelstedt, wo sie am 5. Mai durch britische Soldaten befreit wurde. Vernichtungslagern ermordet. Im Deutschen Reich In der Hauptausstellung sind Kleidungsstücke aus ihrer Zeit als KZ-Häftling zu finden. und den besetzten Ländern waren in 16 Hauptlagern und über 300 Außenlagern Frauen inhaftiert. Im Meine Fragen Januar 1945 waren mehr als ein Viertel aller KZHäftlinge – über 200.000 – Frauen. __________________________________________________________________ An 23 Orten gab es Außenlager des KZ Neuen- __________________________________________________________________ gamme, die nur mit Frauen belegt waren. Insgesamt __________________________________________________________________ sind dort 13.000 Frauen inhaftiert gewesen. __________________________________________________________________ ___________________ Die Kennzeichnungen auf Nada Verbičs Häftlingskleidung. „Personalausweis von Nada Verbic, ausgestellt 1942 von den italienischen Besatzern. M2 N1 Das Leben im Lagerbordell Neuengamme, Frau X berichtet…: „Wir sind um 7 Uhr morgens aufgestanden. Dann haben wir die Baracke sauber gemacht, Betten Zwangsprostitution gemacht usw. Dann bekamen wir Frühstück. [...] Der übliche Kaffee, Brot undMarmelade [...] Ab 1942 richtete die SS in den Konzentrations- Mittags bekamen wir das normale Essen aus der Küche, [...] um 12 Uhr. Das Essen von der SS lagern im Rahmen eines Prämiensystems bekamen wir schon um 13 Uhr. [...] Die Baracke war für diese Zeit – also während des Krieges – Bordelle für privilegierte Häftlinge ein. Sie hervorragend eingerichtet. Sie war natürlich besser geeignet zum Vorzeigen als das Lager. [...] wurden zu Orten, an denen Menschen auf Wir hatten sonntags sogar einen holländischen Akkordeonspieler,der alten Jazz spielte. [...] doppelte Weise Gewalt angetan wurde – als Es kamen viele nur wegen der Musik. [...] Jeden Abend, wenn Betrieb gewesen war, kam der KZ-Gefangene und als Frauen. Im KZ Dreimann [SS-Rapportführer] zum Abrechnen. [...] Er erzählte dann auch Geschichten aus seiner Neuengamme wurde 1944 ein Lagerbordell Jugend. „Wenn ich wüsste, meine Tochter wird wie du“ – damit meinte er mich –, „dann tät ich sie errichtet. Die Zwangsprostituierten waren im totschlagen“, sagte er einmal. Danach hat er immer abgerechnet. Die Frauen mussten ihre Karten KZ Ravensbrück mit dem Versprechen – 1 Karte entsprach 1 Reichsmark – abgeben. [...] Geld haben wir nie gesehen.“ ausgewählt worden, nach einem halben Jahr (Interview, 1985) entlassen zu werden – was nie geschah. Bis heute ist es den Frauen aus Angst vor Stigmatisierung unmöglich, über ihre Meine Fragen Erlebnisse zu berichten. Scham, Angst vor ___________________________________________________________________ Voyeurismus, nicht selten auch Schuld- ___________________________________________________________________ gefühle, begleiten sie seit der Befreiung. ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ N2 Häftlingskarte einer Zwangsprostituierten, auf der festgehalten ist, dass sie für „Sonderzwecke“ eingesetzt wird. O1 Biografie Hans G. wurde am 27. Januar 1905 in Braunschweig geboren. Zwischen 1919 und 1937 wurde er insgesamt 16 Mal verurteilt, unter anderem wegen Betrugs, Diebstahls und Unterschlagung. Im Juni 1938 wurde er als „Berufsverbrecher“ in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Von dort kam er als einer der ersten Häftlinge im Dezember 1938 zum Aufbaukommando nach Neuengamme und wurde mit dem grünen Winkel gekennzeichnet. Hans G. hatte die Häftlingsnummer 5. Diese Nummer sicherte ihm in den Folgejahren gewisse Vorrechte im Lager. Eine niedrige Nummer galt als ein Indiz für langjährige Lagererfahrung und einen starken Überlebenswillen. In Neuengamme lernte Hans G. den Fußballspieler des HSV, Otto Fritz Harder, genannt „Tull“, kennen, der SS-Mitglied war und ihm einige Vorteile im KZ verschaffte. Im Februar 1944 gelang Hans G. die Flucht aus der SS-Sturmbrigade Dirlewanger, in die er kurz vorher überführt worden war. Als „Berufsverbrecher“ hatte er in der Nachkriegszeit keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz. „Berufsverbrecher“ Offiziell wurden mit „BV“ gekennzeichnete Personen „Vorbeugehäftlinge“ oder „Sicherungsverwahrte“ genannt. Etwas mehr als die Hälfte der ca. 9200 deutschen Häftlinge im KZ Neuengamme hatte die Kriminalpolizei auf der Grundlage des „VorbeugeErlasses“ vom 14. Dezember 1937 als „Kriminelle“ eingewiesen. Zu ihnen gehörten auch die ersten 100 Häftlinge, die im Dezember 1938 ankamen. Im KZ wurden sie als „Berufsverbrecher“ (BV) Meine Fragen bezeichnet und mit einem grünen __________________________________________________________________________ Winkel gekennzeichnet. Schon mehrere __________________________________________________________________________ kleine Diebstahls- oder Betrugsdelikte __________________________________________________________________________ konnten zur Einlieferung führen, auch __________________________________________________________________________ wenn die Strafen bereits verbüßt waren. __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ Kennzeichnungstafel mit den verschiedenen Winkeln, die die SS Häftlingen im Konzentrationslager zuwies. O2 P1 Biografie Max Pauly wurde am 1. Juni 1907 geboren. Von 1942 bis 1945 war er Kommandant des KZ Neuengamme. Zu Beginn seiner Tätigkeit befanden sich erst 6000 Häftlinge im KZ Neuengamme. Im Januar 1945 waren im Hauptlager und den mindestens 86 Außenlagern des KZ Neuengamme ca. 49000 Männer und Frauen inhaftiert. Die Todesrate stieg ständig an. Die meisten der im KZ Neuengamme und den Außenlagern umgekommenen Häftlinge starben zwischen 1942 und 1945 durch gezielte Tötungsaktionen und infolge der schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Anfang 1945 zog Pauly mit seiner Familie auf das Gelände des KZ in das neu errichtete Kommandantenhaus, welches noch heute auf dem Gelände der Gedenkstätte steht. Im Herbst 1945 wurde Max Pauly auf der Flucht verhaftet und vom britischen Militärgericht Lager-SS Die SS war eine militante politische Organisation, die sich als Elite der NS-Bewegung und der Nation verstand. SS-Männer erhielten antisemitische und rassistische ideologische Schulungen, die sie dazu befähigen sollten, den Terror in den Konzentrationslagern zu praktizieren. Berufliche Qualifikationen waren für die Karriere in der SS nicht entscheidend. Die SS organisierte und vollstreckte die KZ-Haft von politischen Gegnerinnen und Gegnern sowie Menschen, die aus „rassischen“ und anderen Gründen verfolgt wurden. 1946 wurde die SS vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zur verbrecherischen Organisation erklärt. wegen „Tötung und Misshandlung Staatsangehöriger alliierter Nationen“ a angeklagt. Er behauptete, den Häftlingen einen „ordentlichen Tagesablauf“ a ermöglicht zu haben und wies die Verantwortung von sich. Im Jahre 1946 wurde er zum Tode verurteilt und noch im selben Jahr hingerichtet. Meine Fragen ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ Festnahme durch die britische Armee. Max Pauly, ehemaliger Kommandant des KZ Neuengamme kurz nach seiner P2 Biografie Q1 Der Kaufmann Herbert Schemmel wurde 1914 in Halle an der Saale geboren. Er wurde 1940 wegen staatsfeindlicher Äußerungen und des Abhörens ausländischer Radiosender verhaftet und in das KZ Sachsenhausen deportiert. Seine Karteikarte erhielt den Stempel „Rückkehr unerwünscht“. Er musste in der Strafkompanie arbeiten und wog bald nur noch 39 kg. Mit der Hilfe eines Funktionshäftlings kam Schemmel in das KZ Neuengamme. Hier wurde er zum Lagerschreiber und damit selber zum Funktionshäftling. Er nutzte sein Wissen, soweit dies sein Handlungsspielraum zuließ, um Mithäftlingen das Lagerleben zu erleichtern. Als er zum Beispiel erfuhr, dass ein junger sowjetischer Gefangener demnächst erhängt werden sollte, vertauschte er in einem unbeobachteten Moment dessen Karteikarte mit der eines anderen, an diesem Tag verstorbenen, Häftlings. Damit konnte er den jungen Mann retten. Nach seiner Befreiung setzte sich Schemmel aktiv dafür ein, dass die NS-Täter für ihre Verbrechen bestraft würden. Er war Mitbegründer der Amicale Internationale de Neuengamme. Funktionshäftlinge In allen Konzentrationslagern übertrug die SS Häftlingen Funktionen in der Verwaltung, die zur Aufrechthaltung des Lagerbetriebs notwendig waren den so genannten Funktionshäftlingen. Es gab Tischälteste, Stubenälteste, Blockälteste, den Lagerältesten und den Lagerschreiber, der die Listen der Häftlinge im Lager führen mussten. Kapos wurde die Aufsicht über ein Arbeitskommando übertragen. Die SS nutzte bei der Besetzung der Funktionen die unter den Häftlingen verschiedener Nationalitäten bestehenden Spannungen und versuchte, die einzelnen Häftlingsgruppen gegeneinander auszuspielen. Funktionshäftlinge waren von der SS abhängig und mussten ihren Mithäftlingen Befehle geben und gegebenenfalls deren Bestrafungen durchführen. Funktionshäftlinge verhielten sich unterschiedlich. Einige haben versucht, Mithäftlinge vor dem Zugriff der SS zu schützen und ihre Position dazu zu nutzen, anderen eine bessere Versorgung oder Unterbringung zu ermöglichen. Q2 Meine Fragen _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ _________________________________ Zeichnung des dänischen ehemaligen Häftlings Viktor Glysing Jensen: „Kapos misshandeln einen Mithäftling“. _______________________ R1 Biografie Die Schwestern Hédi (geb. 1924) und Livia Szmuk (geb. 1928) wuchsen in der Zusammenhalt rumänischen Kleinstadt Sighet auf. Nach der Besetzung durch Ungarn im Jahr 1940 Viele Frauen in den Außenlagern des KZ Neuengamme wurden nach und nach antisemitische Bestimmungen erlassen. Jüdischen kannten sich bereits aus ihrer Heimatstadt, aus der Zeit im Familien, so auch den Szmuks, wurde ihr Vermögen genommen. Die Mädchen Ghetto oder dem Vernichtungslager und blieben als feste durften keine öffentliche Schule mehr besuchen. Nach der Besetzung Ungarns Gruppe in den Lagern zusammen. Der familienähnliche durch die deutsche Wehrmacht im März 1944 begann die Deportation der Zusammenhalt stützte die Frauen. Sie teilten die knappen jüdischen Bevölkerung. Am 15. Mai 1944 wurde Familie Szmuk in das KZ Auschwitz Lebensmittelrationen, kümmerten sich umeinander, deportiert. Die Eltern wurden von ihren Töchtern getrennt und noch am Tag ihrer versorgten die Kranken, gaben einander Halt. Die Erin- Ankunft vergast. Die Mädchen wurden in Hamburger Außenlager des KZ Neuen- nerung an das Leben vor der Verhaftung und Deportation gamme gebracht: Am Dessauer Ufer, in Wedel und in Eidelstedt. Sie, die sich in ihrer und gemeinsame Aktivitäten – sie sangen gemeinsam oder Kindheit oft gestritten hatten, schlossen sich jetzt eng zusammen und halfen sich in sagten sich Gedichte auf – halfen, ihre Persönlichkeit zu der Lagerzeit, wo sie konnten. Nach der Befreiung im KZ Bergen-Belsen wurden die bewahren. Selbst unter schwierigsten Verhältnissen Schwestern zur Genesung nach Schweden gebracht. Sie leben heute in Stockholm. versuchten die Frauen, auf Aussehen und Hygiene zu Meine Fragen achten. Sie ermutigten sich gegenseitig, sich nicht zu vernachlässigen, um Krankheiten und Seuchen zu _____________________________________________________________ verhindern und ihr Selbstwertgefühl zu erhalten. _____________________________________________________________ Überlebende Frauen bezeichnen sich zum Teil bis heute als _____________________________________________________________ „Lagerschwestern“. _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ R2 Wir Auserwählten wurden zu einem anderen Lager gebracht. [. . .] Ich blickte auf den Schornstein und dachte an meine Eltern. Meine Verwirrung war so groß, dass ich die Stimme meiner Mutter zu hören glaubte: „Kümmere dich um deine Schwester.“ [. . .] Waren das nicht ihre letzten Worte gewesen? Hédi Fried, geb. Szmuk, 1995 Selektion. Sie haben uns voneinander getrennt. Und das war ein großes Trauma für mich. Da wollte ich nicht mehr leben, ohne Hédi werde ich das nicht schaffen. Livia Fränkel, Hédi Fried (rechts) und Livia Fränkel in Stockholm, 1946. Zeichnung von Agnes Lukácz: Eng beieinander, 1945 geb. Szmuk, 2002.