Beethovens Musik erscheint Dekorative Notendrucke aus dem 18. und 19. Jahrhundert Sonderausstellung im Beethoven-Haus vom 27. Februar bis 27. Juni 2004 Auch Beethovens Musikverleger schickten den Noten wirkungsvolle “Musiktitel” voraus. Nach einer in der Regel feststehenden Anordnung teilten sie in Zierbuchstaben und Schnörkelschrift Gattung und Besetzung, den Namen des Komponisten sowie Opuszahl oder andere Numerierungen mit. Auch Widmungsträger, Verlag, Verlags-Bestellnummer und Preis wurden auf den Titelblättern vermerkt. Zusätzlich wurden unterschiedlichste ornamentale oder figürliche Schmuckelemente verwendet, um das Erscheinungsbild der Noten optisch attraktiv zu machen. Was allerdings letztendlich mehr zur Popularität einzelner musikalischer Werke oder zur Verbreitung einer bestimmten Notenausgabe beigetragen hat - der Name “Beethoven”, die Gattung und Besetzung, der Preis oder tatsächlich die Ausstattung eines Notendrucks - wissen wir heute nicht mehr. Unsere aktuelle Sonderausstellung präsentiert eine Auswahl von dekorativen Ausgaben Beethoven’scher Musik aus den Beständen des Beethoven-Archivs, die sich durch ihre bibliophile Erscheinungsform auszeichnen. Sie möchte so einmal den Blick auf diese besondere Art der Gebrauchskunst im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lenken. Raum 7 Vitrine 1 Heutige Notendrucke zeichnen sich durch schlichte Umschläge und Titelseiten aus. Im Zeitalter einer etablierten Musikindustrie und -kultur erfüllen Titelblätter die nüchterne Aufgabe der Information - und das geschieht zweckmäßig mit wenigen klaren Schriftzügen, wie wir sie auch von Buchtitelseiten her kennen. Ganz anders nutzten die Musikverleger früherer Jahrhunderte das bei Musikalien übliche größere Seitenformat. Der Raum, den das Titelblatt bot, inspirierte sie zur künstlerischen Gestaltung. So wurde das Titelblatt zum Schaufenster der Musik, das durch Schriftkunst, Bordüre und Bild das Kaufinteresse des Kunden zu wecken versuchte. In der Vitrine rechts vom Eingang zur Ausstellung und an der Wand dahinter sind einige Beispiele dekorativer Einbände für Notendrucke zu sehen. Diese wurden als Sonderanfertigungen für einzelne Besitzer hergestellt. Denn in der Regel erhielten Musikalien von den Verlagen keinen Einband, und das Titelblatt diente ihnen zugleich als Umschlag. Vor allem die häufig anzutreffenden marmorierten Pappeinbände wurden im Auftrag der Käufer angefertigt. Diese bestimmten auch, welche und wie viele Notenausgaben zwischen zwei Buchdeckeln zusammengebunden wurden. Geradezu Seltenheitswert haben dagegen in prachtvolle Ledereinbände gebundene Notendrucke, wie die hier zu sehende Partiturausgabe von Beethovens Kantate “Der Glorreiche Augenblick” op. 136. Denn in einer Zeit, in der es noch keine Dirigenten gab, wurden auch Werke in großer Besetzung meist in einzelnen dünnen Stimmheften gedruckt. Vitrine 2 Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts waren bei der Dekoration von Musikalien figürliche Motive äußerst beliebt. Wie bereits in den vorangehenden Jahrhunderten wurden häufig Instrumente - insbesondere die Leier - abgebildet sowie allegorische Figuren, die die Musik verkörpern oder auf sie anspielen. So stellte man Apoll und die Musen dar oder zeigte geflügelte Genien beim Musizieren. Für geistliche Kompositionen wurde dagegen die Heilige Cäcilie bevorzugt, die christliche Schutzpatronin der Musik und der Musiker. Der Vergleich mit Beispielen aus der gleichzeitigen Malerei läßt die Nähe der Musiktitel zu anderen zeitgenössischen Kunstgenres erkennen. Vitrinen 3 und 4 Neben den allegorischen Darstellungen auf Notentiteln gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch eine kleine Gruppe von Drucken, deren Dekor der Buchillustration nahestand. Unter ihnen nehmen vor allem die ab 1818 veröffentlichten englischen Ausgaben der Lieder, die Beethoven im Auftrag von George Thomson (1757-1851) komponiert hatte, eine besondere Stellung ein. Denn anstatt des in dieser Zeit meist üblichen rein dekorativen Buchschmucks sind hier kleine szenische Bilder auf den Titelblättern zu sehen. Sie beziehen sich entweder direkt auf einzelne Liedtexte oder zeigen genrehafte Motive, wie z.B. eine Gruppe elegant gekleideter Personen beim Musizieren in Gesellschaft. Andere Bände enthalten als Schmuck das Bild Robert Burns’ (1759-1796), eines der Textdichter der von Beethoven vertonten Lieder. Die Gewohnheit, den Verfasser eines Textes auf dem Titelblatt oder Frontispiz einer Publikation darzustellen, war traditionell weit verbreitet. Seit dem 18. Jahrhundert war diese Art der Illustration auch für Musikalien immer beliebter geworden. So existieren auch von Beethovens Werken zahlreiche Notenausgaben, denen ein Bildnis des Komponisten vorangestellt ist. Interessanterweise erscheinen hier die heute bekanntesten BeethovenPortraits nur sehr selten. Man bevorzugte vielmehr verschiedene - heute oft in Vergessenheit geratene Darstellungen. Vitrinen 5 und 6 Die beiden großen Vitrinen in der Mitte des Raumes sind den Musiktiteln gewidmet, die mit mehr oder weniger üppigen Ornamenten geschmückt wurden. Diese Art der Titelblattdekoration war für Notendrucke im 18. und 19. Jahrhundert am weitesten verbreitet. In den Vitrinen finden sich verschiedene Beispiele für die seit der Zeit Ludwigs XVI. (17541793) bevorzugten schlichten Rahmungen aus Zierleisten und schmalen Bordüren. Auch florale Motive waren beliebt oder Einfassungen, die das Formenrepertoire der antiken und klassizistischen Architektur aufgreifen. Mit dem Aufkommen der Lithographie zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahmen die Schmuckelemente auf den Musiktiteln insgesamt mehr Raum ein und überzogen zuweilen sogar die gesamte Seite. Daneben existierten aber nach wie vor Notendrucke, auf deren Umschlag keinerlei dekoratives Beiwerk verwendet wurde, sondern lediglich Schriftzüge der verschiedensten Art. Mit der steigenden Produktionsdichte und der Notwendigkeit zur Kostensenkung verstärkte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts vor allem in Deutschland die Tendenz zum rein kalligraphisch gestalteten Titelblatt. Für die Herstellung der Musiktitel kamen dieselben Techniken zur Anwendung wie beim Notendruck. Bis etwa 1810 war dies vor allem der Metallstich, eine Form des Tiefdrucks, bei der in Platten aus Kupfer oder aus Legierungen von Blei, Zink und Antimon Noten, Buchstaben und Schmuckelemente seitenverkehrt gestochen oder mit Stempeln geschlagen wurden. Hier war der Notenstecher ein mehr handwerklich ausgerichteter Spezialist, der Gestalter des Titels konnte dagegen auch ein Künstler sein, der mit der Produktion der Notenseiten nichts zu tun hatte. Seltener wurde (vor allem in der Mitte des 19. Jahrhunderts) auch die Technik des Holzschnittes und des Holzstichs zu Herstellung von Notentiteln verwendet. Dabei handelt es sich um ein Hochdruckverfahren, bei dem in mühsamer Handwerksarbeit Holzblöcke so bearbeitet werden, daß nur die später als Linien zu sehenden Teile erhalten bleiben. Eine ganz besondere Bedeutung für die Herstellung von Notendrucken erlangte die Lithographie. Durch diese Technik wurde es möglich, von gestochenen Platten mittels Um- druckpapier einen Abdruck auf Stein zu übertragen. Durch die Verwendung fetthaltiger Druckfarben konnten diese Steine dann als Druckstöcke verwendet werden. Auf solche Steinplatten konnte auch unmittelbar gezeichnet werden. Dieses Verfahren erleichterte die bildhafte Ausschmückung der Notentitel erheblich und erlaubte größere Auflagen von Musikalien ohne Qualitätsverlust. Vitrine 7 Der letzte Teil der Ausstellung enthält Beispiele für zwei Themenbereiche, die im Gefolge der Romantik als Motive für Notentitel besonders beliebt wurden. In Vitrine 7 und an der Wand darüber sind Titelblätter zusammengestellt, die Natur- und Landschaftsmotive zeigen. Zwar waren pflanzliche Motive auch schon früher für die Dekoration von Notentiteln beliebt gewesen. Ihr Charakter und ihre Art änderte sich nun aber grundlegend. Denn statt der dekorativen Einzelblüten und Girlanden stellte man nun kleine Ausblicke in verwunschene Landschaften oder verwilderte Hecken und Bäume dar. An diesen Beispielen wird sehr deutlich, wie die Buchillustration allgemeine kulturelle Tendenzen widerspiegelte, denn die Begeisterung für die unberührte Natur war ein Topos, der generell die Kunst und das Lebensgefühl der Romantik bestimmte. Vitrine 8 Auch die hier zu sehenden Notendrucke zeigen eine entsprechende Einbindung in eine größere künstlerische Entwicklung. Sie alle weisen Schmuckelemente auf, die aus Vorbildern der Vergangenheit abgeleitet wurden. So finden sich hier gotisches Maßwerk oder gotisierende Architekturelemente als dekorative Rahmung für den Notentitel. Oder man bildete Personen in spätmittelalterlichen Kostümen und Szenarien ab. Diese geänderte Form der Titeldekoration steht ganz unter dem Einfluß des in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Historismus, der sich zuerst in einer zunehmenden Begeisterung für gotische und mittelalterliche Vorbilder äußerte und sich später vor allem in Deutschland auch in einer Wiederbelebung der Renaissance-Kunst niederschlug, die man nun als “deutschen Nationalstil” interpretierte. F. Grigat / S. Bettermann Beethoven-Haus Bonn Bonngasse 20 53111 Bonn Mo-Sa 10-17h (ab 1.4. 10-18h), So 11-16h (ab 1.4. 11-18h) Ab Herbst 2004 können Sie diese Sonderausstellung auch im Internet besuchen unter: www.beethoven-haus-bonn.de