Nach Italiens "Nein" wachsen die Sorgen in Europa

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2017 Outlook: Focus
Nach Italiens „Nein“
Shifts
to Fiscal
Policy
wachsen
die Sorgen
&inPopulist
Europa Politics
Dezember
2016
December
2016
Die Ablehnung von Reformen durch die italienischen Wähler und der Rücktritt von Premierminister Renzi könnten zu
vorgezogenen Neuwahlen oder anderen Szenarien führen, die die Anleger im kommenden Jahr in einem ohnehin bereits
turbulenten politischen Umfeld in Europa verschrecken könnten. Auf der anderen Seite könnten die Märkte erwartete schlechte
Nachrichten bereits vorweggenommen haben. Außerdem steht die EZB bereit, notfalls einzuschreiten.
Kernaussagen
Verstehen
Handeln
 Das Referendum bedeutet eine schwere Niederlage für Renzi und
kann auch als Votum gegen die EU und den Euro angesehen
werden. Darin hallt das Versagen des Establishments über das
„Brexit“-Votum und die Wahl von Donald Trump hinaus nach.
 Kommt es nun zu einer schwerwiegenden politischen
Reaktion in Italien, kann dies zu einem Ausverkauf bei
italienischen Bankaktien führen. Das wiederum könnte
Europas Bankensystem unter erheblichen Druck setzen
und eine neuerliche Euro-Krise wie in den Jahren
2010-2011 heraufbeschwören.
 Mit ihrem „Nein“-Votum haben die Wähler eine weitere Chance zu
dringend notwendigen Reformen des italienischen Wahlgesetzes
verpasst. Dementsprechend wird es die Regierung weiterhin
schwer haben, effektive Entscheidungen zu treffen.
 Die Auswirkungen des Referendums hängen davon ab, ob die
Anleger glauben, dass das seit längerem wirtschaftlich
stagnierende Italien damit seine letzte Chance auf Wahl einer
durchsetzungsfähigen Regierung vergeben hat.
 Paradoxerweise verzögert der negative Ausgang der
Volksabstimmung auch die mögliche Gefahr, dass eine radikalere
gegen die EU eingestellte Regierung an die Macht kommt. Dies
sollte die Sorgen auf regionaler Ebene für einige Zeit dämpfen.
 Die EZB wird auf ihrer Sitzung am 7./8. Dezember voraussichtlich
versuchen, einige der verbreiteten Befürchtungen zu zerstreuen.
 Die Ablehnung der Verfassungsreform und die
Niederlage Renzis dürfte eine deutliche Ausweitung der
Zinsaufschläge für italienische Anleihen zur Folge haben.
Für Schuldner und die EZB, deren Politik hierdurch
unterminiert wird, ist dies eine schlechte Nachricht.
 Wie von uns bereits im Vorfeld festgestellt, wird die
Politik in den kommenden Jahren ganz klar ein
wesentlicher Faktor bei Anlageentscheidungen bleiben.
Unterdessen wird sich Italien jedoch auf innenpolitische
Fragen konzentrieren und daher wahrscheinlich nicht auf
die Veränderungen drängen können, die Europa in einer
Welt nach dem „Brexit“ braucht.
Nach Italiens „Nein” wachsen die Sorgen in Europa | Dezember 2016
Das am 4. Dezember in Italien abgehaltene Referendum über die
Reform der Verfassung war ein Versuch, den überholten
institutionellen Rahmen für die italienische Regierung zu
modernisieren und die zähen Entscheidungsprozesse zu
beschleunigen. Mit dem Referendum hatten Premierminister Matteo
Renzi und seine Regierung auch die Hoffnung verknüpft, die
notwendige politische Unterstützung zu einer künftigen
Neuausrichtung der italienischen Politik zu erhalten.
Mit dem negativen Ausgang des Referendums hat Renzi eine
schwere Niederlage erlitten und will zurücktreten. Ihm ist es zum
einen nicht gelungen, den Gesetzgebungsprozess schneller und
direkter zu machen. Zum anderen hat er es nicht geschafft, die
Macht seiner Demokratischen Partei zu konsolidieren.
Was folgt auf das „Nein“?
Gegenwärtig halten wir vier unterschiedliche Szenarien für möglich:

Nach seinem Rücktrittsangebot könnte Renzi nach wie vor
hoffen, ein neues Mandat von Staatspräsident Sergio Mattarella
zu erhalten, bevor er eine Vertrauensabstimmung im Parlament
gewinnen müsste. Auf dieser Grundlage könnte er bis zu den
nächsten regulären Wahlen im Frühjahr 2018 weiter regieren.

Eine solche Interims-Regierung, wie sie bereits 2011-2013 unter
Monti bestand, könnte dann erneut eine Reform des Wahlrechts
versuchen. Dabei könnte es zu einem Misstrauensantrag
mehrerer Parteien – darunter der Fünf-Sterne-Bewegung, der
Lega Nord und der Forza Italia – kommen.

In einem ähnlichen Dilemma mit einer Interims-Regierung hat
sich Italien seit dem Zweiten Weltkrieg schon einige Male
befunden; seit 1945 waren bereits 64 Regierungen im Amt.
Verfolgt Renzi diesen Kurs, werden die politischen Verhältnisse
so instabil wie bisher bleiben und Italien wird nicht imstande
sein, bei der Lösung der übrigen Probleme in der Europäischen
Union eine nennenswerte Führungsrolle zu übernehmen. Sollte
eine Reform des Wahlrechts jedoch Fortschritte machen,
könnten Ende 2017 oder 2018 Neuwahlen stattfinden.

Findet der Staatspräsident dagegen keinen Ersatzkandidaten,
der eine Vertrauensabstimmung gewinnen kann, würde das
Parlament aufgelöst und der Staatspräsident würde Neuwahlen
für 2017 ansetzen. Auch wenn dieses Szenario
unwahrscheinlich ist, wird es zu Neuwahlen unter den
Bedingungen des bestehenden Wahlgesetzes kommen.
Mangels Reform würden diese Wahlen sehr wahrscheinlich zu
einer weiteren schwachen Regierung oder Koalition führen.
Auswirkungen auf die Märkte
Sieht man von einem schwerwiegenden politischen Rückschlag
für Renzis Partei ab, haben die Märkte bereits einen Großteil der
Nervosität und schlechten Nachrichten vorweggenommen, die
sehr wahrscheinlich auf Renzis Niederlage folgen werden. Bei
den Reformen war man bereits im Rückstand, die Bankenkrise
schien unlösbar aufgrund der Regeln zu einer staatlichen
Übernahme von Anleihenschulden und Italien hielt sich nicht an
die Auflagen der EU zur Reduzierung seines Haushaltsdefizits.
Während die Niederlage als Fortsetzung des politischen Trends
erscheint, der mit dem Brexit begann und auf den der Sieg von
Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen folgte, könnte
Italien daher Zeit erhalten, in einem sonst wechselhaften
politischen Umfeld seine Zukunft zu überdenken. Ein
populistischer Nationalismus ist in Europa im Aufstieg begriffen
– vor allem in Österreich, wo am 4. Dezember ebenfalls Wahlen
stattfanden. Weitere wichtige Wahlen stehen in den
Niederlanden, Frankreich und Deutschland an.
Alles wartet auf Neuwahlen
Nach dem Sieg der Reformgegner beim Referendum steht jetzt
die Frage im Raum, ob es zu Neuwahlen kommt. Renzis Partei
hatte für den Fall einer Niederlage entsprechende Sympathien
bekundet. In diesem Szenario sind einige negative Implikationen
im Blick zu behalten. Dazu gehören weitere Verzögerungen
beim Versuch, das italienische Staatswesen zu reformieren,
mehr politisches Chaos in einem weiterhin schwierigen
wirtschaftlichen Umfeld, nachlassendes Vertrauen der Anleger
und Fragen hinsichtlich der Tragfähigkeit der italienischen
Staatsschulden.
Zwar muss das „Nein“-Votum nicht zwingend zu Neuwahlen
führen. Doch wenn es dazu kommt, könnte die 5-SterneBewegung an die Macht kommen, die der regierenden
Demokratischen Partei dicht auf den Fersen ist.

Die 5-Sterne-Bewegung ist eine populistische, gegen das
Establishment gerichtete Partei ohne Regierungserfahrung.
Sie verfügt nur über ein lückenhaftes politisches Programm
und stützt sich von Fall zu Fall auf Online-Umfragen unter
ihren Mitgliedern.

Sollte es zu Neuwahlen kommen, wird dies wahrscheinlich
gegen Ende 2017 der Fall sein. Es ist aber noch zu früh,
darüber zu spekulieren, ob die populistischen Parteien
gewinnen würden. Zu berücksichtigen ist insbesondere,
dass zuvor Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich
anstehen.
Nach Italiens „Nein” wachsen die Sorgen in Europa | Dezember 2016
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