Estratto da pag. Mercoledì 09/03/2016 2 Direttore Responsabile Diffusione Testata Thomas Schmid (non disponibile) ESSAY Rasender Renzi Ritaglio stampa ad uso esclusivo interno, non riproducibile ——— Selpress è un'agenzia autorizzata da Repertorio Promopress THOMAS SCHMID Er war ein glänzender Wissenschaftler und fand in ganz Europa Anerkennung. Alessandro Volta, 1745 in Como geboren, schlug die juristische Laufbahn aus, auf die ihn seine wohlhabenden Eltern schicken wollten. Stattdessen befasste er sich, wir befinden uns im strahlenden Frühling der experimentellen Physik, im Selbststudium mit der faszinierenden Kraft der Elektrizität. Bald schon reüssierte er mit einer Kette von Erfindungen und Entdeckungen. Mit 33 Jahren wurde er Professor für Physik an der Universität Pavia. Seine größte Erfindung wurde die nach ihm benannte Voltasche Säule, die erste funktionierende Batterie. In ganz Europa war er berühmt, Napoleon durfte er seine Batterie vorführen. Hochgeehrt starb er 1827 in seiner Heimatstadt. Noch heute ist sein Name in aller Munde: Die Maßeinheit für die elektrische Spannung, Volt, ist nach ihm benannt. Fast 190 Jahre nach seinem Tod kommt er jetzt wieder ins Gespräch. Ein Thinktank, in Mailand und Brüssel beheimatet und nicht nur, aber vor allem mit europäischen Themen befasst, wurde nach ihm benannt. „Volta" soll nicht eine Denkwerkstatt unter vielen sein. Denn hinter ihr steht der überaus selbstbewusste italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Dass man den lange verstorbenen Physiker zum Namenspatron machte, erklärt der Leiter des Thinktanks, ein Vertrauter Renzis aus Florentiner Bürgermeistertagen, recht großspurig. Man habe das Projekt nach Volta benannt, weil der für den Genius Italiens stehe: „Unsere Tradition ist nicht die der Startups, die in verborgenen Garagen entstehen, sondern unsere Tradition sind die tiefen kulturellen Wurzeln, über die wir verfügen." Man mag das als operettenhafte Großmäuligkeit abtun, wie sie in Italien beliebt ist. Doch die Sache hat auch einen harten Kern. Volta ist ein Teil von Renzis Bemühen, sein Land zumindest rhetorisch und symbolisch wieder in die erste Liga der Europäischen Union zu katapultieren. Italien scheint Renzi zu klein zu werden. Zweifellos hat er beim Reformieren des Landes erste Erfolge vorzuweisen: zarte, sehr zarte wirtschaftliche, vor allem aber institutioneile. Es ist Berlusconis imprägniert war, verfügt bis heute über keine Idee, die ein wenigstens schwaches Band der Gemeinsamkeit um Land und Leute schlagen könnte. Das ficht Matteo Renzi nicht an. Er wird immer lauter, immer herrischer. Es begann kürzlich mit einem Schlagabtausch zwischen ihm und Mario Monti, seinem Vorvorgänger im Amt des Ministerpräsidenten. Auf offener Bühne schmähte Renzi den - anwesenden „Professore". Er spielte dabei die vitalistische Karte. Er sei ein Mann der Tat, nicht des Zögerns, sagte er. Ein Mann, der sich gegen Widerstände unerbittlich durchsetzt, kein Vermittler. Er zeichnete ein manichäisches Bild: hier die abgeschottete, abgedunkelte, schallschluckende Welt der alten (und kosmopolitischen) Eliten, die dem Volk nichts zutrauen, ihm nicht die Wahrheit zumuten wollen. Die hasenherzige Versager sind und sich international - will sagen: gegen Angela Merkel - nicht durchsetzen können. Und dort Renzi, der anpackt und einen direkten Draht zu den einfachen, unverbildeten Menschen hat. Der sich von niemandem einschüchtern lässt, der jede Schlacht bis zu Ende schlägt. Und für den Sachverstand nicht viel zählt. Das klingt dann so: „Die Experten haben die /Titanic' gebaut - Dilettanten aber hatten die Arche Noah gebaut, welche die Menschheit vor der Sintflut rettete." Renzi reitet nun gen Europa. Auf dem Parteitag des Partito Democratico (Demokratische Partei) hat er kürzlich die ganz großen Register gezogen. Er sei keiner, der sich von wem auch immer in Europa einschüchtern lasse, er komme nicht mit gezogenem Hut, er bettele nicht, er fordere: auf der großen europäischen Bühne. Schon zuvor hatte Renzi angedeutet, dass es für Italien jetzt an der Zeit sei, kraftvoll aus dem Austeritätsregiment auszubrechen. Auch das verkleidete er edel, programmatisch und mit einem beherzten Griff in die Kiste der gegen das bestehende bürokratische und technokratische Europa. Ich will ein Europa der Flexibilität, kein Europa des Zwangs und der strikten Normen." Natürlich redet Renzi auch deswegen so, weil ihm im eigenen Land die starken europaskeptischen und europafeindlichen Populisten im ihm gelungen, den Senat, ohne dessen Zustimmung bisher kein Gesetz in Kraft treten konnte, in eine fast nur noch mit regionalen Angelegenheiten befasste Länderkammer umzuwandeln - das Referendum dazu wird Renzi gewinnen. Aber das sind Anfänge, nicht mehr. Noch immer liegt das Land danieder. Es kann sich in keiner Hinsicht mit den stärkeren, nördlich gelegenen Staaten der EU messen. Italien steckt in einer großen Krise, die eine wirtschaftliche, vielleicht aber noch stärker eine kulturelle ist. Die Italianità ist verblasst, sie rutscht in Folkore ab. Die erste, 1946 begründete Republik fußte auf den Werten von Antifaschismus und Widerstand. Die zweite, vor etwas mehr als 20 Jahren in den 9oer-Jahren entstandene Republik, die so stark von der prinzipienlosen Antipolitik Economia Pag. 1 Estratto da pag. Mercoledì 09/03/2016 2 Direttore Responsabile Diffusione Testata Thomas Schmid (non disponibile) Italiens Premier sieht sein Land als Führungsmacht in der EU. Er will eine Allianz gegen Berlin schmieden: keine Sparpolitik mehr und keine Sanktionen gegen Russland Ritaglio stampa ad uso esclusivo interno, non riproducibile ——— Selpress è un'agenzia autorizzata da Repertorio Promopress Nacken sitzen. Doch er meint es auch ernst, er wittert seine Chance. Angela Merkel könnte im Abstieg sein, Hollande ist schwach, Spanien steht vor einer Neuwahl, die Briten verlassen vielleicht die EU, um Polen steht es auch nicht gut - da bleibt wohl nur noch der rasende Renzi. Er möchte, sagt er, der Anführer der Sozialdemokratischen Partei Europas (PSE) werden, will „von Macht zu Macht, ohne jede Subalternität" mit Deutschland verhandeln. Und: „Italien kann Europas Führungsmacht sein." Nun muss sich die krisengezwickte EU auch noch mit den Größenfantasien Renzis herumschlagen, der auf EUGipfeln gerne den Quälgeist gibt. Die Europäische Union wird, wie viele andere Zumutungen zuvor, auch das überstehen. Besorgniserregend ist aber: Federica Mogherini, die Außenbeauftragte der EU, von Renzi nach Brüssel expediert, betreibt in Fragen der Menschenrechte und der europäischen Gemeinsamkeit eine Politik des niedrigst möglichen Profils, nicht zuletzt gegenüber Russland. Käme die Hartleibige größer zum Zuge, würde die EU die - ohnehin nur kleine - Chance gefährden, außenpolitisch stark und einmütig zu agieren. Renzi mag Frau Mogherini nicht, wie man bei jedem Gipfel beobachten kann. In ihrer Politik kann sie sich aber ganz auf Renzis Unterstützung verlassen. Economia Pag. 2