Trubel und Hoffnung in Italien

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Trubel und Hoffnung in Italien
Keyfacts über Italiens Referendum
- Knapp 60 Prozent stimmten gegen die Verfassungsänderungen
- Premierminister Renzi wird sein Amt abgeben
- Die Finanzmärkte reagierten gelassen
Wieder eine Wahl, die nicht dem Willen der bisherigen Machthaber entspricht. Nach dem Brexit
und der Wahl Donald Trumps hat nun Italien das von Premierminister Matteo Renzi
eingebrachte Verfassungsreferendum abgelehnt.
In dem sogenannten Italicum sollte der Staat per Verfassungsänderung zentralistischer werden
und so das Regieren erleichtern. Weniger Einfluss für den Senat, mehr für das
Abgeordnetenhaus. Hinzu kam die Idee, künftig der Partei mit der relativen Mehrheit in den
Abgeordnetenhaus-Wahlen automatisch eine absolute Mehrheit zu geben. Bei einer
Wahlbeteiligung von 64 Prozent ging für die Mehrheit der Italiener, die traditionell staatlichem
Handeln mit Skepsis begegnen, das Referendum zu weit. Die eigentliche Sachfrage zu einer
„Vertrauensfrage“ des Premierministers zu machen, war in diesem Kontext gewiss nicht
förderlich.
Alternative Regierung, gleiche Herausforderungen
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Seit dem zweiten Weltkrieg gab es 65 Regierungen. Nun ist es Aufgabe des Staatspräsidenten
Sergio Mattarella in Italien eine neue, die 66. Regierungsbildung auf den Weg zu bringen.
Doch auch die EU- und Euro-kritische 5-Sterne-Bewegung (M5S) von Beppo Grillo sowie das
konservative Lager von Lega Nord und Forza Italien stehen unter dem Reformdruck. Denn Fakt
ist: Die Wirtschaftskraft befindet sich auf dem gleichen Niveau wie Ende der 90-er Jahre.
Neben der hohen Jugendarbeitslosigkeit schwebt über allem die hohe Staatsverschuldung, die
zu einem nicht unbeachtlichen Teil von der deutschen Bundesbank getragen wird. Aktuell
beträgt sie 132 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung; die Deutschlands ist mit 71 Prozent
nur etwas mehr als halb so hoch. Große Sprünge sind damit nicht möglich. Und einen
Schuldenschnitt auszuhandeln, wird Italien noch schwerer fallen, übersteigt doch die absolute
Schuldensumme die Griechenlands signifikant. Die viertgrößte Wirtschaftsnation der EU ist
systemrelevant.
Steigende Zinsen
Aktuell sorgt die Abstimmungsniederlage für Unsicherheit im Kapitalmarkt, hektische
Reaktionen blieben allerdings aus. Etwaige Versuche, eine Politik zu forcieren, die den
Kapitalmärkten nicht genehm ist, würden mit hohen Zinsen auf die hohen Staatsschulden
einhergehen. Ein wirksames Gegenmittel. Schon im Vorfeld stiegen die Zinsen auf italienische
Staatsanleihen basierend auf den Umfragen, die bis zwei Wochen vor der Abstimmung
veröffentlicht werden durften, und die den Ausgang korrekt vorhersagten. Allerdings hat sich der
Aufwärtstrend seither nicht bestätigt. Auch das Rating wird nicht direkt angepasst.
132%
beträgt die Staatsverschuldung Italiens gemessen am
Bruttoinlandsprodukt.
Um die wirtschaftliche Vitalität zu steigern, wäre die geplanten Veränderungen von Matteo
Renzi ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Für deutsche Unternehmen, die nach Italien
exportieren oder dort investiert sind, gilt es die Lage in den nächsten Wochen aufmerksam zu
beobachten.
Positive Signale
Aber die Abstimmung ist auch ein Hoffnungsschimmer. Die hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass
es den Italienern ein wichtiges Anliegen war, ihre Meinung im Rahmen des Referendums
kundzutun. Dieses Signal werden auch die populistischen Lager in Italien verstehen. Es bleibt
den politischen Kräften nun wenig übrig, als zusammen zu arbeiten und die größten Probleme
gemeinsam zu lösen.
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Und es gibt in Italien interessante Entwicklungen. Über den sogenannten „Job Act“ wurden
Impulse zur Auflockerung des traditionell rigiden Kündigungsschutzes und damit zu einer
erfolgsversprechenden Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gegeben. Die Digitalisierung der
Verwaltung ist in Italien weiter vorangeschritten als in Deutschland. Der „Start-up Act“ räumt
Gründern einen Teil bestehender bürokratischer Hürden bei Seite und stärkt damit
unternehmerische Eigenverantwortung. Universitäten, Unternehmerverbände und Unternehmer
organisieren den Weg in die Industrie 4.0 ähnlich erfolgversprechend wie in Deutschland.
Namhafte ausländische Großkonzerne haben in den letzten Jahren in Italien ihre
Investitionsaktivitäten intensiviert. Italien weiß um seine Tradition, Potentiale und
Möglichkeiten. Insbesondere die junge Generation Italiens sehnt sich nach Zukunftssignalen –
an diesem Anspruch werden sich die neuen Regierungsanwärter messen lassen.
Dass das die Opposition sein wird, ist noch nicht ausgemacht. Immerhin weiß Matteo Renzi mit
dem Ausgang des als Vertrauensfrage auf den Weg gebrachten Referendums, dass 40 Prozent
der Wähler Italiens hinter ihm stehen. Das ist für italienische Verhältnisse eine solide
Ausgangsbasis zukünftigen politischen Handelns.
Zusammengefasst
»Italien weiß um seine Tradition, Potentiale und Möglichkeiten. Insbesondere die junge
Generation Italiens sehnt sich nach Zukunftssignalen – an diesem Anspruch werden sich die
neuen Regierungsanwärter messen lassen.«
Der noch amtierende italienische Premierminister Matteo Renzi hat sein Volk über die von ihm
eingebrachten Verfassungsänderungen abstimmen lassen. Doch sie verwehrten ihm die Unterstützung
für die Reformen mit denen der Staat zentralistischer geworden wäre. Renzi hat daraufhin seinen Rücktritt
angekündigt. Aber auch die knüftige Regierung, egal welcher Partei, wird die Wirtschaft beleben müssen.
Erfolgsversprechende Projekte wurden bei der Verwaltung, bei Start-ups und Industrie 4.0 angestoßen.
Darauf lässt sich aufbauen.
3/5
Marco Pazzaglia
Leiter Country Practice Italien
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