STRATEGIE & PRAXIS Legacy-Applikationen FOKUS: APP- & LIFECYCLEMANAGEMENT Wie man LegacySysteme los wird Die Applikationslandschaft vieler Unternehmen ist über die Jahre stetig gewachsen. Es braucht eine Strategie, wie mit in die Jahre gekommenen Applikationen umzugehen ist. VON ZOLTAN SZEKELYFÖLDI IMMER MEHR, IMMER KOMPLEXER Um im Wettbewerb zu bestehen, braucht es personalisierte Angebote, die auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind. Die Fertigung möchte spezifisch auf den Kundenwunsch abgestimmt produzieren, das Marketing will personalisierte Produktempfehlungen abgeben. Viele Unternehmen bereiten sich zudem auf die Herausforderungen der Industrie 4.0 vor, die beispielsweise vorausschauende Wartung er- Anwendungen verwendet werden, verhindern ausserdem deren Verbindung und den Aufbau eines integrierten Systems. Genau dies ist aber von entscheidender Bedeutung, sollen die heutigen Unternehmensziele erreicht werden. Hinzu kommt: Die Kosten sind wegen der Pflege mehrerer Systeme mit mehr oder weniger dem gleichen Funktionsumfang bei gleichzeitig knappen Ressourcen und Fähigkeiten der verschiedenen Technologien unverhältnismässig hoch. Es erstaunt daher kaum, dass ein effizientes Application Management der LegacyUmgebung derzeit ganz oben auf der Agenda des CIO/IT-Managements steht. möglicht. Dazu müssen aber die unterschiedlichen Back-End-Systeme wie die Kundendatenbank und das ERP, die Analysetools im Marketing und das SAP miteinander verknüpft sein. Denn Big-Data-Anwendungen bedingen den Daten- und Informationsaustausch. In vielen Unternehmen sind die Applikationslandschaften moderner Geschäftsanwendungen allerdings oft riesig, komplex und verstreut. Über die letzten Jahrzehnte wurde die IT-Infrastruktur immer wieder mit der aktuellsten Technologie ergänzt und erweitert – mit den unterschiedlichsten Technologien, von Cobol, Microsoft VB, Java oder C#, bis hin zu StandardPaketen wie SAP, Oracle oder Hyperion. Das Problem ist, dass zwar immer mehr Anwendungen in die Applikationslandschaft aufgenommen wurden, bereits implementierte Lösungen aber weiter betrieben werden. Das hat zur Folge, dass die Kosten für die Pflege einer derart verstreuten Landschaft von Unternehmensanwendungen laufend steigen. Die unterschiedlichen Technologien, die für die OUTSOURCING IM APP MANAGEMENT Um die Kosten in den Griff zu bekommen, lagern viele Unternehmen schon seit geraumer Zeit ihr Application Management aus. Anfangs beschränkte sich das Outsourcing auf die Serverinfrastruktur und die Datenbanken, mit Fokus auf Verfügbarkeit, Antwortzeit und Kostenreduktion. Später kamen technologielastige Applikationen wie standardisierte oder massgeschneiderte SAP- oder Oracle-Applikationen hinzu. Durch die Einführung von Prozessmodellen, zum Beispiel ITIL- und CMMI-Diensten wurde die Verwaltung der Infrastrukturen und Anwendungen über die letzten Jahre immer weiter professionalisiert. Im Zentrum standen dabei IT-getriebene Zielsetzungen wie Antwortzeiten, Anzahl Zwischenfälle sowie Verfügbarkeit der Server und Applikationen. Quelle: Atos Transformation der Legacy in eine agile Applikationslandschaft Schritt für Schritt zu einer flexiblen IT-Infrastruktur, die auf die Geschäftsziele ausgerichtet ist INTEGRIERT STATT ISOLIERT Die Diskrepanz zwischen Infrastruktur- und Anwendungsverfügbarkeit führt aber immer wieder zu Problemen: Fällt ein Dienst aus, geht kostbare Zeit für die Suche nach der Ursache verloren. Es gilt zu klären, ob der Vorfall von einer Datenbank oder einem Server verursacht wurde oder ein Fehler in einer der Anwendun- BILD: FOTOLIA.DE/STOCKWERK S oftware-Dienste sollten möglichst flexibel sein, um die individuellen Anforderungen des Unternehmens zu erfüllen. Als wesentlicher Bestandteil jeder Organisation hat die IT die anspruchsvolle Aufgabe, Mitarbeiter, Prozesse und Systeme miteinander zu verbinden. Anwendungen können heute nicht mehr isoliert behandelt werden. Sie müssen Supply Chain, Produktion, betriebliche Abläufe und Kunden in einer einzelnen, integrierten Lösung in die Wertschöpfungskette einbinden. Computerworld www.computerworld.ch gen dafür verantwortlich ist. Sind die Anbieter nach einer Multi-Vendor-Politik unterteilt und unterschiedliche Dienstleister für das Infrastruktur- und das Application Management zuständig, sind gegenseitige Schuldzuweisungen keine Seltenheit. Währenddessen wartet der Verbraucher oder die Fertigung immer noch auf die Verfügbarkeit der Dienste, die wegen fehlender Kontrolle und Verantwortung durch die gesamte Wertschöpfungskette hindurch ausfallen. Als Folge einer ungenügenden Qualität verliert das Unternehmen schlimmstenfalls Kunden und Umsatz, trotz aller Service-Level-Agreements zu einzelnen IT-Komponenten. Der heutige Bedarf an Outsourcing konzentriert sich daher auf die Verwaltung sämtlicher Anwendungen, die End-to-EndGeschäftsabläufe unterstützen. Unternehmen wollen einen Integrator mit umfassenden Fähigkeiten: Er sollte in der Lage sein, die Verantwortung für Verfügbarkeit und Leistung sämtlicher IT-gestützter Geschäftsabläufe zu übernehmen – inklusive der datenschutzrechtlichen Aspekte. Neben den typischen ITILProzessen werden weitere Lieferprozesse hinzugefügt, um Geschäftsabläufe zu verwalten und zu überwachen. SCHRITT FÜR SCHRITT AUFRÄUMEN Bei der stetig wachsenden Applikationslandschaft sind oft unterschiedliche Dienstleister für den Unterhalt und Betrieb verantwortlich. Es lohnt sich daher, diese Strukturen zu untersuchen, allenfalls zu verschlanken und konsequent an den Geschäftszielen auszurichten. Idealerweise geschieht das mit einem Partner, der über die typischen ITIL-Prozesse hinaus zusätzliche Lieferprozesse hinzufügt, verwaltet und die gesamte Wertschöpfungskette überwacht: vom Chain-Management über die Geschäftsprozessüberwachung, die Geschäftsprozessoptimierung bis hin zu Chain-Konfiguration «Es lohnt sich, die Strukturen genau zu untersuchen» Zoltan Szekelyföldi und Release-Management. So kann die Kontinuität einer End-to-End-Wertschöpfungskette gewährleistet werden, die sich voll und ganz an den Geschäftszielen orientiert. In einer Analyse der Applikationslandschaft ist daher in einem ersten Schritt gemeinsam mit dem Outsourcing-Partner zu klären, welche Applikationen und Services aktuell eingesetzt werden und welche Lizenzmodelle damit verbunden sind. Nach der Identifikation der BasisApplikationen lässt sich in einem zweiten Schritt Transparenz hinsichtlich der operativen Kosten schaffen. Dann gilt es, die Applikationen danach zu beurteilen, ob sie geeignet sind, die Geschäftsziele zu erreichen. Erst jetzt kann man dazu übergehen, die Applikationslandschaft zu verbessern und die aktuellen Kosten mit den Kosten abzugleichen, die beim Betrieb durch einen Drittanbieter anfallen. END-OF-LIFE-MANAGEMENT Das Application Management muss sich immer auch mit der Frage beschäftigen, wie mit alten Lösungen umzugehen ist, die allenfalls nicht mehr benötigt werden. Wechseln Unternehmen in die Cloud, gibt es viele technische Strategien im Umgang mit Legacy-Anwendungen: ReHosting, Re-Plattforming, Re-Engineering oder der komplette Neuaufbau der gesamten Applikationslandschaft. Re-Hosting: Bei Anwendungen, deren Betrieb noch für mehrere Jahre vorgesehen ist, lohnt sich die Migration in die Cloud (Re-Hosting). Dienstleister wie Atos können Unternehmen bei der Beurteilung und Kosten-NutzenSchätzung unterstützen. Eine weitere Strategie, die viele Unternehmen heute anwenden: Unabhängig von der aktuellen Plattform schaffen sie eine komplett neue Umgebung, die meist auf Standard-PaketFunktionalität basiert (Re-Plattforming). Die Legacy-Anwendungen werden «eingefroren» und das Application Management an einen externen Dienstleister vergeben. Auch wenn die Trennung schwer fällt: Manchmal ist es die sinnvollste Strategie, bestehende Applikationen in Rente zu schicken. End-of-Life Application Management ist ein Szenario, das für Legacy-Anwendungen ernsthaft in Erwägung gezogen werden sollte. In diesem End-of-Life-Szenario wird ein Mindestdienstleistungsniveau gehalten, das nur die «Must-have»-Anwendungen zu niedrigen Kosten am Leben hält. Gleichzeitig kann parallel mit dem Aufbau einer Applikationsumgebung begonnen werden, die flexibel und schlank aufgebaut und auf die Geschäftsziele ausgerichtet ist. So kann die Legacy Schritt für Schritt in den Ruhestand gehen. Zoltan Szekelyföldi ist Head of Application Management bei der Atos AG ch.atos.net