Derivatmodelle verstehen

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Seminararbeit aus Finanz- und Versicherungsmathematik
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
Wintersemester 2014
Abstract
In dieser Arbeit werden Finanzmodelle zur Bepreisung komplexer Derivate - im Speziellen deren Entwicklung - betrachtet. Es wird die Behauptung gestellt, dass ein
solches Modell nur mit zusätzlicher Information über (1.) die Bestimmung, zu der es
geschaffen wurde, sowie über (2.) das institutionelle Umfeld, in welchem es entworfen
wurde, verstanden werden kann. Außerdem wird auf eine gewisse Gleichartigkeit der
Modelle eingegangen, die durch einige institutionelle Faktoren hervorgerufen wird.
Durch jene Modellgleichheit wird oftmals der Trader oder Analyst, der versucht ein
”besseres” Modell im Widerspruch zur Marktmeinung zu erstellen, bestraft. Daher
können diese Modelle erfolgbringend für die Wissenschaftler und Händler, die sie
entwickelt haben, sein, jedoch von Außenstehenden auch ernstlich missverstanden
werden.
eingereicht bei Dr. Stefan Gerhold
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10, 1040 Wien
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2
2 Die Bedeutung der Zweckbestimmung eines Bewertungsmodells
3
3 Die Mechanismen und das institutionelle Umfeld des Handels komplexer Derivate
3.1 Was macht ein Derivat komplex? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Die Rolle der Verkaufskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Das Geschäftsmodell eines Traders komplexer Derivate . . . . . . . .
3.3.1 absolute versus relative Bepreisungsmethoden . . . . . . . . .
3.3.2 der vollkommene Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3 Die Grenzen und Folgen der perfekten Replikation . . . . . . .
3.3.4 Das theoretische Ertragsprofil eines Händlers komplexer Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Die Rolle der Finanzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Die Rolle des Modell-Prüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6 Die Quantitativen Analysten und die Anforderungen an die Modelle
die sie produzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7 Die Rolle des Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7.1 erste Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7.2 Das tägliche Risikomanagement eines Portfolios komplexer Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Schlussfolgerungen
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Literatur
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Hanna Wutte
Einleitung
Vor der jüngsten Finanzkrise schienen Derivatmodelle ein gewisses Maß an Genauigkeit und Vorhersagekraft bieten zu können. Zwei Trader1 beispielsweise, denen
dieselben öffentlichen Vorgaben zur Verüfung stehen, können unabhängig voneinander Preise für ein bestimmtes komplexes Produkt aufstellen, die sich typischerweise
um wenige Prozentpunkte - und manchmal um noch sehr viel weniger - voneinander unterscheiden. Solch ein Grad an Präzesion kann in wenigen wissenschaftlichen
Disziplinen erreicht werden. Unter den Wissenschaftlern der Finanzwirtschaft hatte
sich daher ein gewisser Stolz und das Gefühl der Errungenschaft verbreitet.
Im Nachspiel der großen Rezession jedoch, wurde der wissenschaftliche Stellenwert
der im Vorfeld so hoch gelobten Derivatmodelle in Frage gestellt. Nicht selten wurden
die Modelle, wenn nicht als Schuldige für den Einbruch der Finanzwelt, zumindest
als an diesem Verbrechen Mitschuldige betrachtet.
Wenn es darum geht festzustellen warum die Modelle so kläglich versagt haben, so
tendiert die vorherrschende Vorgangsweise dazu Parallelen zu den Naturwissenschaften zu ziehen und die Unterschiede der ”schlechten” Finanzmodelle zu den ”guten”
Modellen im letzteren Bereich zu unterstreichen. Jedoch werden diese Unterschiede nicht einstimmig definiert. Die Einen sehen diese Ungleichheit in der Tatsache,
dass die (Finanz-) Wirtschaft sich mit der menschlichen Welt des Geldwertes, eine
Welt die (im Unterschied zur physikalischen Wissenschaft) von Menschen und deren
Gefühlen gelenkt wird, beschäftigt. Manche wiederum meinen, die Abhängigkeit der
Modelle von Wahrscheinlichkeiten und Statistiken sei es, die ihr Scheitern verursachte. Anderen Erklärungen nach liegt dies in der zu hohen Komplexität und der
zu großen Anzahl an Modellparametern begründet.
All jene Schilderungen suchen eine Erklärung dafür, warum diese Modelle vor der
Krise so gut funktioniert und während ihrer Entfaltung so kläglich versagt haben
(bzw. warum die so gut ausgebildeten Modellierer ihre ”guten Sitten” beim Erstellen der Finanzmodelle vergaßen). Eine umstrittene andere Sichtweise hierbei lautet,
dass die Modelle in Wahrheit nicht wirklich scheiterten, sondern für die Zwecke, zu
denen sie geschaffen wurden, sehr gut funktionierten.
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieser Arbeit einen groben Einblick darin
zu ermöglichen, welche Faktoren auf die Entstehung eines Modells zur Bepreisung
eines komplexen Derivats Einfluss nehmen. Im Speziellen wird hier zum einen auf
die erwähnte anfängliche Zweckbestimmung des Modells, dh. die Absicht, zu der
es geschaffen wird, eingegangen. Zum anderen - dieser Aspekt wird ausführlicher
behandelt - wird der Ablauf des Handels komplexer Derivate Produkte im Generellen, sowie die speziellen Funktionen (und Motivationen) der involvierten Personen
erörtert.
1
Als Trader wird eine Person bezeichnet, die Handel an Finanzmärkten treibt.
2
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Die Bedeutung der Zweckbestimmung eines Bewertungsmodells
Wie einleitend bereits erwähnt, spielt die Bestimmung eines jeden Modells2 , d.h. der
Zweck für den es kreiert wurde, eine erhebliche Rolle wenn es darum geht durch das
Modell ein besseres Verständnis der realen Welt zu erlangen. Jedoch bedeutet dies
nicht dass nur Modelle, deren anfängliche Zielsetzung es war fundamentale Fragen
über die Realität zu beantworten, für ein besseres Verständis der Wirklichkeit sorgen.
Viele, wenn nicht alle Forschungsprogramme, die das grundsätzliche Verständnis in
jeglichen Bereichen enorm gefördert haben, fußten nicht auf solch ”reiner” Motivation.
Dennoch ist die ursprüngliche Bestimmung des Modells von Bedeutung, allerdings
nicht in dem Sinne, dass fundamentale Modelle das Verständnis der physikalischen
Welt verbessern und angewandte Modelle dies nicht tun. Vielmehr lässt sich der Zusammenhang zwischen der Zweckbestimmung des Modells und dessen Verständnis
auf subtilere Art wie folgt erörtern:
Der Sinn des Modells, gepaart mit Information über den institutionellen und sozialen Rahmen, in welchem es zur Verwendung kommt, schreiben den ökonomisch
effizientesten Weg vor, es zu verwenden. Dies bedeutet, dass, sofern einem jene Informationen zur Verfügung stehen, man das Modell optimal (möglichst realitätsnahe)
anwenden kann.
Betrachten wir nun im Speziellen ein Finanzmodell, welches von einem quantitativen Analysten3 an einer regulären Finanzinstitution 4 aufgestellt wurde. Das Ziel
eines solchen Modells ist es, einer derartigen Insitution Geld über den Handel von
strukturierten derivativen Produkten einzubringen.
An dieser Stelle ist es nützlich, den Begriff des strukturierten Finanzprodukts genauer
zu erläutern: Im Allgemeinen bezeichnet man ein Anlageprodukt als ein strukturiertes Finanzprodukt, wenn die Kombination mehrerer Basisfinanzprodukte gegeben
ist, wobei mindestens eines dieser Basisprodukte ein Derivat sein muss. Durch die
Kombination verschiedener einzelner Finanzprodukte entsteht ein neues Produkt,
das ein eigenständiges Kursverhalten und ein eigenständiges Risikoprofil aufweist.
Die Vielfältigkeit und Anzahl der strukturierten Produkte am Markt erschwert jedoch die Übersicht und somit die Anlageentscheidung des Investors. Des Weiteren
sind derivative Wertpapiere wesentlich komplexer und mit hohem Beratungsaufwand
für die emittierenden Finanzdienstleister und Kreditinstitute verbunden. Vorteilig an
einem strukturierten Produkt ist, dass es Anlegern ermöglicht, gezielt auf bestimmte
Börsentrends zu spekulieren. Insbesondere durch die komplizierte Konstruktion und
die dadurch verbundene mangelnde Transparenz lassen sich auch hohe Gewinnmargen der Emittenten leichter durchsetzen als bei transparenteren Finanzprodukten.
2
In diesem Zusammenhang ist ein Modell im allgemeinen Sinn, dh. als Abbild der Wirklichkeit
(gegenständlich oder theoretisch) gemeint.
3
Ein quantitativer Analyst (quant) ist eine Person die sich auf Anwendungen mathematischer
und statistischer Methoden, wie beispielsweise numerische oder quantitaive Techniken, im Bereich
des Finanz- und Risikomanagements spezialisiert.
4
Eine Institution, die Finanzdienstleistungen anbietet und finanzielle Transaktionen für ihre
Kunden leistet.
3
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Weitere mögliche Ziele eines in strukturierte Produkte investierenden Anlegers sind
steuerliche Vorteile.
Wir betrachten nun also Finanzmodelle, die strukturierte Produkte gewinnbringend
für eine Institution bewerten sollen. Jene Modelle, so wird im Folgenden behauptet, liefern ein intellektuelles Nebenprodukt in Form eines besseren Verständnisses
der Finanzwirtschaft nur in dem Fall, dass die institutionellen Bedingungen, unter welchen die Modelle angewandt werden, für eine Verständniserleichterung der
Preisdynamik sorgen. Dieses Verständis ebnet nämlich einen wirtschaftlichen Weg
um das Ziel der Finanzinstitution, sprich Geld zu verdienen, zu erreichen. In dieser Angelegenheit, so werden wir im Folgenden sehen, ist es oft nicht ergiebig ein
”besseres” Modell zu entwickeln. Tatsächlich kann es nach dem aktuellen institutionellen Aufbau zu einem ”evolutionären Aussterben” der Händler, die entgegen der
Marktübereinstimmung ein akkurateres Modell verwenden wollen, kommen. Um dies
einsehen zu können, werden im nachstehenden Kapitel das institutionelle Umfeld,
in dem komplexe Derivate gehandelt werden, und der Ablauf dieser Geschäfte im
Detail behandelt.
4
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Die Mechanismen und das institutionelle Umfeld des Handels komplexer Derivate
In diesem Abschnitt werden im Detail die Mechanismen, die die Praxis des Handelns
komplexer Derivate definieren, betrachtet. Außerdem wird der Ablauf der Entstehung eines Bewertungsmodells zu einem solchen Derivat erörtert sowie das institutionelle Umfeld, in welchem der Handel dieser Produkte stattfindet, durchleuchtet,
bevor schließlich der Einfluss, den eben jene Faktoren auf die Güte des Modells nehmen, diskutiert werden kann.
3.1
Was macht ein Derivat komplex?
Allgemein gesprochen bezeichnet man als derivatives Finanzinstrument (kurz: Derivat) einen Vertrag, der seinen Wert vom Zeitwert eines Basiswerts, dem ”Underlying”, ableitet. Als Referenzgrößen gelten unter anderem Wertpapiere, Handelsgegenstände, sowie Zinssätze. Man kann Derivatverträge in folgende zwei Gruppen
unterteilen:
1. außerbörslich - ”over-the-counter” - gehandelte Derivate
2. börsengehandelte - ”exchange-traded” - Derivate
Bei außerbörslich (OTC) gehandelten Derivaten findet der Geschäftsabschluss zwischen zwei Parteien direkt und ohne Beaufsichtigung des Handels durch eine spezielle
Institution statt. Der ”Telefonhandel” von Derivaten, wie diese Art des Handels zu
Deutsch auch bezeichnet wird, ist also eine finanzielle Transaktion zwischen zwei
Marktteilnehmern, die nicht über eine Börse abgewickelt wird.
Da Börsen nur standardisierte Produkte anbieten, die aber häufig nicht dem Absicherungswunsch der handelnden Partner entsprechen, sind Finanzderivate, die außerbörslich gehandelt werden, zumeist Produkte, welche nicht-standardisierte Spezifikationen enthalten. Möchte ein Unternehmen beispielsweise die Zinsänderungsrisiken
einer Investition absichern, wird es nur in Ausnahmefällen an den Börsen ein dafür
laufzeitmäßig passendes Instrument finden. Für einige der am Finanzmarkt gehandelten Produkte ist der OTC-Handel deswegen wichtiger als der Börsenhandel.
Aber auch privaten Anlegern wird durch Online-Broker eine Möglichkeit geboten,
direkte Geschäfte mit einem Emittenten oder Makler durchzuführen. Dazu stellt der
Anleger via Internet eine Preisanfrage zu dem angegebenen Finanzprodukt an seinen
Online-Broker, worauf der Emittent den verbindlichen Kauf- und Verkaufspreis für
die angegebene Menge mitteilt. Innerhalb weniger Sekunden muss sich der Anleger
daraufhin entscheiden, ob er dieses Geschäft zu diesen Bedingungen abschließen will
oder nicht.
Im Gegensatz dazu sind börslich gehandelte Derivate standardisierte Verträge, die
an einer Terminbörse5 gehandelt werden. Obwohl es prinzipiell eine schier endlose
5
Eine Terminbörse (auch Derivatebörse oder Optionsbörse) ist eine Börse, an der Termingeschäfte (Futures und Optionen) abgewickelt werden. Hierbei handelt es sich um Transaktionen,
die erst in der Zukunft abgewickelt werden. Die Verträge werden jedoch schon heute geschlossen.
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Anzahl an Variationsmöglichkeiten der Parameter, die den Vertrag definieren, gibt,
wird eine beschränkte Zahl sehr standardisierter Derivate an der Börse gehandelt.
Dies soll eine stets hohe Liquidität garantieren.
Im Unterschied zum Telefonhandel, unterliegt der börsengebundene Handel einer
speziellen Aufsicht, welche unter anderem für die Überwachung der Ordnungsmäßigkeit
des Börsenbetriebs sowie der Börsengeschäftsabwicklung zuständig ist, wovon schließlich auch der Anleger profitiert.
Auf die Frage wodurch sich nun ein komplexes Derivat auszeichnet, gibt es keine
eindeutige Antwort. Eine Charakteristik, die jedoch generell mit einem ”komplizierteren” Finanzinstrument in Verbindung gebracht wird, ist der nicht standardisierte
Leistungsumfang des Vertrags. Wie bereits erwähnt ist es möglich, aufbauend auf
einer Basisvorlage für den Kontrakt, eine endlose Zahl an maßgeschneiderten Derivaten, beispielsweise durch Variationen in der Maturität und dem Strike, zu erzeugen. Auch die Lage möglicher Schranken, nach deren Überschreitung eine Zahlung
ausgelöst wird sowie diverse Regelungen zur Annullierung des Vertrages können unterschiedlich festgelegt werden.
Diese wandlungsfähige Natur des Finanzproduktes hat zur Folge, dass für keine
Gruppe solch komplexer Vertragspermutationen eine hinreichend große Menge gehandelt wird, was wiederum dazu führt, dass komplexe Derivate in der Regel nicht
an Börsen gehandelt werden. Traditionellerweise wurden solche Produkte daher im
Wege des OTC-Handels, über direkte Verhandlungen zwischen den Handelsparteien
der bereitstellenden Banken und dem endgültigen Verbraucher, vertrieben.
Da die Kommunikation auf direktem Wege erfolgt, muss bei einem außerbörslichen
Handel der Preis des Produktes nicht notwendigerweise publik gemacht werden. In
Anbetracht dessen laden Endverbraucher, um sicherzustellen, dass sie einen fairen
Deal eingehen, verschiedene Banken dazu ein quasi ”gegeneinander anzutreten” indem sie sich von jeder der konkurrierenden Banken ein Preisangebot für ihr spezielles
Derivat einholen. Jede der teilnehmenden Banken bepreist das Produkt eigenständig
und reicht ihren Preisvorschlag schließlich beim Endkonsumenten ein.
Um einen angemessenen Preis für das speziell vorliegende Derivat zu bestimmen, ziehen zwar alle Banken die selben beobachtbaren Preise gewisser Hedginginstrumente
(beispielsweise Swaps und at-the-money Plain-Vanilla Optionen) zu Rate, jedoch
werden daraufhin die firmeneigenen Derivatmodelle, welche von hauseigenen Analysten (”quants”) hergestellt wurden, zur Bepreisung angewandt. Hierbei sei darauf
hingewiesen, dass eine Bank jedes Mal, wenn sie einen Deal ”gewinnt”, ein Produkt
zu einem so niedrigen bzw. hohen Preis verkauft respektive gekauft hat, den keine
andere wetteifernde Bank dem Produkt zugesprochen hätte.
3.2
Die Rolle der Verkaufskraft
Zwischen den Tradern und den quantitativen Analysten auf der einen Seite, und
dem Endverbraucher auf der anderen, steht das Verkaufspersonal der Bank. Der
Verdienst dieser Personen ist gewöhnlicherweise abhängig vom Volumen des abgewickelten Geschäfts (Umsatzgutschriften), häufig ein anteiliger Betrag des Profits,
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der dem Trader6 zugeschrieben wird. Die Vergütung des Verkaufspersonals steht
kaum in Verbindung zu der langzeitigen Profitabilität des gehandelten Produkts.
Dies bedeutet, dass, sollte der Trader aus Gründen der Unzulänglichkeit nicht fähig
sein den ”Day-One-Profit”7 zu halten, die Verkaufsperson nicht verantwortlich gemacht werden kann. Demzufolge haben Personen, die im Verkauf tätig sind, einen
starken Anreiz das Volumen der ”gewonnenen” Deals zu vergrößern. Daher sind jene
an ”aggressiveren” Modellen, d.h. Modelle, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit garantieren in der nächsten wettbewerblichen Angebotsrunde den Deal zu gewinnen,
interessiert. Andererseits jedoch, hat das Verkaufspersonal kein Interesse an Modellen zu hoher Aggressivität, da ein zu eindeutiger Gewinn des Deals - wie bereits
erwähnt - darauf hindeutet, dass das Produkt zu einem zu niedrigen bzw. zu hohen Preis verkauft bzw gekauft wurde. Dies wiederum würde beudeuten, dass der
Trader, mit einer milderen Bewertungswahl des Produkts, die dennoch den Kunden
gesichert hätte, einen höheren Profit hätte erreichen können, von welchen wiederum
das Gehalt der Verkausfperson abhängt. Sollte der Deal verloren werden, liegt es im
Interesse des Verkaufspersonals dass dieser nur knapp nicht gesichert werden konnte, da die Bank, sollte sie mit großem Abstand zu den übrigen Angeboten verlieren,
wettbewerbsunfähig erscheint. Als Konsequenz würde die ”über-konservative” Institution Gefahr laufen, vom Endverbraucher nicht in die nächste Angebotsrunde
eingeladen zu werden.
Zusammenfassend bevorzugt das institutionsnahe Verkaufspersonal Bewertungsmodelle, die aggressiv sind, jedoch nicht über alle Maße, damit keine unnötigen Gewinneinbußen entstehen. Allenfalls jedoch sollten sie nicht konservativ gestaltet sein, da
dies zu Dealverlusten führt und der Bank in weiterer Folge den Ruf eines ”NonPlayers”, der zu zukünftigen Angebotsrunden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
mehr geladen wird, einhandelt.
Ein Trader, der ein Derivatprodukt riskanter einschätzt als der Markt es vorgibt zu
sein, und dieses daher vorsichtiger bepreist, würde den Beschwerden des Veraufspersonals bei der Geschäftsleitung ausgesetzt sein. Im Normalfall verfügen weder
das Verkaufspersonal noch die Geschäftsleitung über das nötige technische Training
oder die Erfahrung um die wissenschaftlichen Werte des Bewertungsmodells zu beurteilen. Allerdings kann eine Verkaufsperson auf die Marktmeinung, meinend auf
die möglicherweise große Anzahl konkurrierender Banken, die bereit sind das selbe
Produkt aggressiver zu bepreisen, verweisen. Falls es sich beim betroffenen Derivat
um ein Nischenprodukt handelt, kann ein ranghoher Trader mit einer guten Erfolgsbilanz dem Druck des Verkaufspersonals standhalten. Handelt es sich jedoch um ein
Produkt, das langfristig als extrem gewinnbringend erwartet wird, bleibt dem Trader oftmals keine andere Wahl als seine zu konservative Richtung zu ändern oder er
wird von einem Trader ersetzt, dessen Meinung mehr mit der des Marktes einhergeht.
6
Als Trader wird eine Person bezeichnet, die Handel an Finanzmärkten betreibt.
Als ”Day-One Profit or Loss” wird die Bewertungsdifferenz zwischen Transaktionswert und
Modellbewertung zum Transaktionszeitpunkt (sprich die Differenz des Transaktionspreises zu dem
Fair Value des Modells) bezeichnet.
7
7
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3.3
Hanna Wutte
Das Geschäftsmodell eines Traders komplexer Derivate
Der Händler komplexer Derivate (Trader) leitet die quantitativen Analysten, welche die zur Bepreisung der von ihm gehandelten strukturierten Produkte und zum
Hedgen seines Porfolios (während seiner Amtszeit als Trader) angewandten Modelle
aufstellen. Im Gegensatz zum Verkaufspersonal verfügt der Trader im Normalfall
über fundiertes Wissen im bereich der quantitativen Analyse8 . Maßgeblich für weitere Überlegungen ist die Tatsache, dass die Vergütung eines Traders vorwiegend
aus einem vom Endverbraucher für seine Serviceleistungen entrichteten Honorar besteht, er jedoch kein Geld durch Marktbeobachtungen verdient. Der Endverbraucher
eines strukturierten Derivatproduktes ist typischerweise nicht daran interessiert eine
Aussetzung gegen ungewollte Risiken zu reduzieren. In der Regel sind Interessenten
solcher Finanzprodukte Emittenten oder Anleger, deren Ziel es ist, Geld zu einem
Zinssatz niedriger dem gewöhnlichen Marktzins aufzunehmen, bzw. zu einem vergleichsweise höheren Zinssatz Geld anzulegen.
Geldmittel unter oder über dem Marktzinssatz auszuborgen respektive zu investieren ist offensichtlich erstrebenswert, jedoch kann der Endverbraucher diesen Idealzustand nicht erreichen ohne zusätzliche Risiken, denen sie vor dem Handel nicht
ausgesetzt waren, in Kauf zu nehmen. Genauer gesagt, um diese Vorteile der Finanzierung bzw der Kapitalanlage genießen zu können, verkaufen die Endverbraucher
Optionalität bzw Volatilität an den Derivathändler, der daraufhin die ”long-volatility
Position” einnimmt. Für den Trader bedeutet dies, dass er, sollte die Volatilität
im Zuge der sich ändernden Marktbedingungen steigen, nicht realisierte Gewinne
verbucht. Fallende Volatilität schlägt sich gleichweise als nicht realisierter Verlust
nieder. Anders gesagt profitiert der Derivathändler davon, wenn die zu Grunde liegenden Martgrößen stark ”vibrieren”, d.h. wenn sie einer starken Volatilität unterliegen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass jedes Optionsmodell den Händler, der die
Optionalität (das Recht, aber nicht die Pflicht etwas zu tun) erhält (long position),
dazu dirigiert sein Replikationsportfolio auszugleichen, indem er den unterliegenden
Basiswert verkauft, wenn Preise steigen, und ihn rückkauft, solten die Preise fallen.
Da jeder Kauf und Verkauf dem Optionenhändler in der long-Position einen Nettoprofit abwirft, profitiert jener davon, wenn sich Preise stark auf und ab bewegen,
sprich, wenn sie von einer hohen Volatilität betroffen sind. Im Grunde umfasst der
Beruf des Händlers komplexer Derivate daher den Handel mit Volatilität.
Trader verdienen demnach ihr Geld damit, Volatilität über ihrem Wert zu verkaufen beziehungsweise, was weit geläufiger ist, sie unter ihrem Wert zu kaufen. Die
Differenz zwischen der gehandelten (implizierten) und der tatsächlichen Volatilität
ergibt den Marktwert des Volatilitätsrisikos9 , dh. die ausgeglichene Vergütung für
die Übernahme des Volatilitätsrisikos.
Jedoch ist es nicht das Ziel eines Traders, den Volatilitätsrisikozuschlag (die Volati8
Quantitaive Analysen (auch finanzielle Analysen) werden durchgeführt um das Marktverhalten
mit Hilfe komplexer mathematischer und statistischer Modelle zu verstehen. Sie liefern außerdem
ein nützliches Maß der Leistungsbewertung einer Firma oder des Wertes eines Finanzinstrumentes.
9
Als Volatilitätsrisiko wird das Risiko einer Preisänderung eines Portfolios, welche das Resultat
von Veränderungen in der Volatilität eines Risikofaktors ist, bezeichnet. Gewöhnlicherweise bezieht
sich der Begriff auf Portfolios von Derivaten, bei denen die Volatilität der Basiswerte starken
Einfluss auf die Preise ausübt.
8
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
litätsprämie)10 , welcher sich aus der Differenz der tatsächlich erwarteten Volatilität
und der Volatilität, zu wlecher die Option gekauft wurde, ergibt, zu erfassen. Würde
er/sie das tun, so könnte er/sie den Gewinn eines Handels nur ”in Erwartung”
einführen, dh. dass der zukünftige Gewinn risikobehaftet wäre. Stattdessen versucht
ein Trader entlang jedes Pfades die Differenz zwischen der implizierten Volatilität
und der Volatilität für die das Derivat gekauft wurde herauszukristallisieren. Der
Auftrag des Händlers sturkturierter Derivate lautet daher, den Profit, der sich aus
der Differenz des Wertes des komplexen Produkts, welcher zur wahren Volatilität
bemessen wurde, zu jenem der über die gehandelte Volatilität gewonnen wurde, ergibt (day-one profit or loss), einzufahren.
Obwohl die zukünftig erzielte Volatilität offensichtlich eine stochastische Größe ist,
kann ein Trader diesen ”Day-One Proft oder Verlust” mit Sicherheit entlang jedes
Pfades bestimmen. Unter sehr stilisierten Modellannahmen ist die dynamische Wiederherstellung des Gleichgewichts des Portfolios risikolos, was bedeutet, dass das
replizierende Portfolio nach seiner Einrichtung keine weiteren Zuschüsse benötigt
und den ”Payoff” zur Maturität stets exakt replizieren wird. Nach dem Gesetz des
einheitlichen Preises, müssen die Preise des replizierenden und des komplexen Portfolios zu Beginn übereinstimmen und die Differenz zwischen dem fairen und dem
ausgeübten Preis der Volatilität kann somit auskristallisiert und über die Lebensdauer des Handels beibehalten werden.
Das replizierende Portfolio am Anfang wird aus Positionen (long/short) in den
Basiswerten (z.B. Swaps, Private-Equity Aktien oder Bonds) sowie aus StandardOptionen (sog. Plain-Vanilla Optionen) bestehen. Für jene standardisierten Optionen existiert - zumindest unter normalen Marktbedingungen - ein hinreichend liquider Markt (dh. das Finanzinstrument kann jederzeit veräußert werden) mit öffentlich
einsehbaren Preisen.
Dies rückt die erste wichtige Einschränkung für ein Modell über komplexe Derivate
in den Mittelpunkt. Angesichts der Preisidentität des replizierenden Portfolios auf
der einen und des strukturierten Produkts auf der anderen Seite, ist es unerlässlich,
dass das vom Trader benützte Modell die standardisierten Hedginginstrumente (inklusive der Plain-Vanilla Optionen) so korrekt wie möglich bewertet. Angenommen
die Plain-Vanilla Finanzinstrumente, die benötigt werden um das replizierende Portfolio aufzustellen, wären laut dem Modell des Traders A teurer als die zugehörigen
Marktpreise, der Trader B jedoch hätte sie fair bepreist, so würde das Modell des
Traders A dem strukturierten Produkt einen höheren Preis zusprechen. Somit wäre
das Kaufangebot des Traders A weniger wettbewerbsfähig als jenes des Traders B.
Die Verkaufsperson des Finanzdienstleisters dem auch A angehört würde fürchten
den Deal zu verlieren und dementsprechend unzufrieden sein (wie in 3.2 bereits
erläutert). Wenn andererseits, die Plain-Vanilla Derivate, die für die Absicherung (
10
Die Volatilitätsprämie wird an Optionsverkäufer vergütet und kann als Entschädigung für das
Verlustrisiko während Perioden abrupt steigender (realisierter) Volatilität betrachtet werden. Diese
Perioden fallen gewöhnlicherweise mit generellen Turbulenzen an den Finanzmärkten, erhöhter Unsicherheit und Investorenstress zusammen. Der Volatilitätsrisikozuschlag verursacht, dass Optionimplizierte Volatilität die realisierte Volatilität übersteigt. Folglich ist Volatilität, die durch Optionen impliziert wird, ein verzerrter Schätzer zukünftiger Volatilität. Daher ist die Volatilitätsprämie
im Grunde nichts weiter als ein zusätzlicher Wirtschaftsrisikozuschlag, den Investoren als Teil ihrer
Portfolios erachten.
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den Hedge) benötigt werden, laut dem Modell des Traders A günstiger oder teurer als ihre Marktpreise wären, so würde Trader A zwar den Handel gewinnen,
beim Ausüben des Hedges jedoch einen sofortigen Verlust verbuchen, da er/sie die
Hedging-Instrumente zu einem höheren oder niedrigeren Marktpreis kaufen respektive verkaufen müsste, als im Modell ursprünglich angenommen wurde. Daher muss
das Modell des Traders A höchst feinfühlig, meinend weder zu aggressiv noch zu
konservativ bezüglich der öffentlichen Plain-Vanilla Preise, justiert werden.
Selbige Schlussfolgerung gilt natürlich für sämtliche im Wettbewerb um den Deal
stehenden Finanzdienstleister. Daher erlangt man die erste Erkenntnis über den
Nutzen von Modellkoordination: Alle Modelle müssen die Preise der StandardFinanzinstrumente (inklusive Plain-Vanilla Otionen) annähernd genau wiederherstellen.
Nichtsdestotrotz ist es unrealistisch zu erwarten, dass die realtiv illiquiden HedgingInstrumente effizient bepreist werden sollen und im Speziellen ohne von Angebot
und Nachfrage beeinflusst zu sein. Dies führt zu folgenden zwei Situationen, die
beim Hedging auftreten können:
3.3.1
absolute versus relative Bepreisungsmethoden
1. Wenn die Absicherungspositionen in den Plain-Vanilla-Instrumenten perfekte
Isolation des komplexen Produkts von allen möglichen Risikoquellen ermöglichen
(wie man im Rahmen der perfekten Replikation annimmt), so würde es nicht
darauf ankommen, ob die Preise der Hedginginstrumente wirtschaftliche Rahmenbedingungen wiederspiegeln oder nicht, da die Bepreisung des Produktes
relativ werden würde. Konkret bedeutet dies, dass der Preis des komplexen
Produktes rein von den Kosten des replizierenden Portfolios abhängen würden.
Hierbei muss betont werden, dass dieser Fokus auf die relative Bepreisung - unter der Annahme eine perfekte Replikation sei möglich - das komplexe Modell
von der realen Finanzwelt losbinded. Anders ausgedrückt könnte der Day-One
Profit eines komplexen Produkts, ausgehend von perfekter Replikation, einbehalten werden, selbst wenn die Absicherungsinstrumente völlig fehlbewertet
wären bezüglich der Rahmenbedingungen.
2. Wenn eine perfekte Absicherung gegen alle Risikoquellen, die mit dem Produkt
in Verbindung gebracht werden, nicht möglich ist, dann ist es wesentlich in dem
Modell die realen Merkmale der restlichen, nicht absicherbaren Risikofaktoren
aufzunehmen. Sofern der Trader diese zukünftigen Merkmale der finanzwirtschaftlichen Realität, für die keine replizierenden Instrumente verfügbar sind,
nicht absichern kann, ist es wichtig dass jene Merkmale vom Modell zumindest
in Erwartung adequat wiedergegeben werden. Im Allgemeinen wendet man
zum Bepreisen absicherbarer Risikofaktoren die relative Methode, während
jene restlichen Risiken, die als unabsicherbar gelten, absolut bepreist werden.
Generell gibt es zwei weit verbreitete Herangehensweisen an das Bepreisen von Assets: die absolute und die realtive Methode. Bei der absoluten Bepreisungsmethode
wird der Preis des Assets abhängig von seiner ökonomischen Risikoexposition bestimmt. Im Gegensatz dazu steht beim relativen Bepreisen folgende weniger ambitionierte Frage im Vordergrund: Was kann man über den Wert eines Assets lernen,
10
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
ausgehend von den Preisen anderer Assets? Hierbei wird so wenig Information über
zu Grunde liegende Risiken wie möglich verwendet und Fakten über den Ursprung
der Preise der anderen Assets werden außer Acht gelassen. Durch eine vernünftige
Mischung der beiden Methoden, abhängend von dem betreffenden Asset und dem
Zweck der Berechnung, kann man ein Asset bestmöglich bepreisen. Es gibt hingegen
beinahe keine Asset-Preisbildungsprobleme, die durch reine Extreme gelöst werden.
Die Preisgestaltung komplexer Derivate hingegen ist eine jener Ausnahmen der Assetpreisbildung, für die die reine Anwendung eines Extrems, nämlich der relativen
Bepreisungsmethode, allgemein und ohne Frage akzeptiert wird. Dies ist verwunderlich, da die Annahmen der perfekten Replikation viel zu restriktiv sind, um sie in
der Realität annähernd genau anwenden zu können, wie im Folgenden kurz erläutert
wird.
3.3.2
der vollkommene Markt
Die Annahmen der perfekten Replikation stimmen mit jenen eines vollkommenen
Marktmodells, welches in der Wirtschaft zur Vereinfachung theoretischer Modelle
angewandt wird, überein.
Ein theoretischer Kapitalmarkt gilt dann als vollkommen, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind
1. Homogene Erwartungen und Rationalverhalten:
Auf vollkommenen Märkten treffen alle Marktteilnehmer ihre individuellen
Entscheidungen aufgrund der gleichen, allgemein bekannten Erwartungen über
die Zukunft (Erwartungswert, Varianz, Kovarianz).
2. Mengenanpasserverhalten und perfekter Wettbewerb:
Unabhängig davon, ob die Wirtschaftssubjekte als Käufer oder Verkäufer auftreten ist der Preis für jeden Zahlungsstrom ident. Dies bedeutet unter Anderem, dass Kredite in unbegrenzter Höhe zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung
stehen.
3. Transaktionskostenlosigkeit:
Es entstehen für keine Handlung Kosten, die aus der Handlung selbst resultieren. Dies umfasst insbesondere Steuern, Informationskosten (dh. Kosten für
die Informationsbeschaffung, um möglichst rational handeln zu können) und
Abwicklungskosten.
Aus diesen Bedingungen folgt außerdem, dass ein gleichgewichtiger vollkommener
Kapitalmarkt keine Möglichkeit der Arbitrage bietet.
Wirtschaftstheoretisch bedeutet ersteres, dass die Nachfrager keine persönlichen,
räumlichen und zeitlichen Präferenzen haben. Fehlende persönliche Präferenzen schließen die Bevorzugung eines bestimmten Anbieters durch den Nachfrager, beispielsweise wegen besonders freundlicher Bedienung, aus. Die Abwesenheit räumlicher
Präferenzen verschafft keinem Anbieter oder Nachfrager Standortvorteile wie einen
besonders günstigen Standort für sein Geschäft. Nach den Annahmen des vollständigen
Marktes treffen Angebot und Nachfrage vielmehr auf einem Punktmarkt zum gleichen Zeitpunkt an einem gleichen Ort (z.B. auf Wochenmärkten, Auktionen oder
Börsen) zusammen. Der Ausschluss von zeitlichen Präferenzen bedingt, dass z.B.
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keine Lieferfristen oder Abnahmetermine bestehen. Sämtliche Anbieter müssen vielmehr in der Lage sein, sofort zu liefern, und alle Nachfrager müssen bereit sein, die
Güter sofort abzunehmen. Damit ist z.B. ausgeschlossen, dass ein Nachfrager nur
aus dem Grund bei einem Anbieter kauft, weil dieser schneller liefern kann als seine
Konkurrenten.
Darüber hinaus wird unterstellt, dass vollständige Markttransparenz herrscht. Alle
Marktteilnehmer haben also eine vollständige Marktübersicht: Die Anbieter wissen, bei welchen Preisen und Mengen die Nachfrager die angebotenen Güter kaufen
möchten, und die Nachfrager sind darüber informiert, zu welchen Preisen und Mengen die Anbieter ihre Güter verkaufen möchten.
Nicht zuletzt müssen die auf vollkommenen Märkten gehandelten Güter außerdem
sachlich gleichartig sein, dh. sie dürfen weder in ihrer Qualität, Aufmachung, Farbe,
Geschmack oder Verpackung Unterschiede aufweisen. Solche homogenen Güter wie
Banknoten, Aktien, Rohöl in Barrel oder Edelmetalle in Unzen schließen sachliche
Präferenzen (Vorlieben) der Käufer für bestimmte Erzeugnisse oder Waren z.B. wegen besonders ansprechender Werbung oder Gestaltung der Produkte aus.
Abhängig von dem speziellen Derivatprodukt können diese Annahmen des vollständigen
Marktes als Grundlage zur Preisgestaltung eines Derivats äußerst vernünftig, oder
aber auch in hohem Maße ungeeignet sein. Nichtsdestotrotz stellen sie ausnahmslos
den Grundstein der Derivatmodellbildung dar. Warum dies auch in der Vergangenheit bereits stets Usus war, anders gesagt, warum eine gesamte Theorie auf Ausnahmesituationen aufgebaut wurde, scheint einem unverständlich.
Eine Antwort auf die Frage warum sich diese extreme, ”unbefriedigende” Methode
etabliert hat, wird im Folgenden entwickelt. Hierzu sei darauf hingewiesen, dass die
Annahme der Gültigkeit des Modells unter den Rahmenbedingungen der perfekten Replikation eine wichtige logische Folgerung mit sich bringt: eine realistischere
Modellierung aller Risikofaktoren (dh. Verständnis darüber, wie die Risiken sich in
der realen Welt verhalten) wird überflüssig. Dies folgt, da ganz gleich wie stark
die Preise der Plain-Vanilla Hedging-Instrumente von den Grundlagen losgelöst sein
mögen, diese ”Fehler in den Grundlagen” der Hedging-Instrumente sich mit jenen
des perfekt replizierten komplexen Produkts ausgleichen.
3.3.3
Die Grenzen und Folgen der perfekten Replikation
Abgesehen von verschiedentlichen ungewissen Aspekten des Modells und der idealisierten Handelsumgebung (u.A. keine Transaktionskosten, die Möglichkeit Longund Short-Positionen in unlimitierter Größe einzunehmen), gibt es einen sehr fundamentalen Grund dafür, dass vollkommene Replikation des Payoffs grundsätzlich
kaum möglich ist: einige Risikoquellen, die benötigt werden um das replizierende
Portfolio risikolos zu gestalten, werden einfach nicht gehandelt. In wirtschaftlicher
Hinsicht bedeutet dies, dass der zu Grunde liegende Markt unvollständig ist.
Akzeptiert man die Annahmen des vollständigen Marktes (die Bedingungen der perfekten Replikation), so hat dies starke Auswirkungen auf die Gewinnrealisierung und
die Risiken, die mit dem Handel des komplexen Produktes in Verbindung stehen. Außerdem sei noch einmal auf eine weitere Konsequenz aus dieser Akzeptanz hingewiesen: wenn jegliche Fehler im Grundmodell ohne Auswirkung auf die Replizierbarkeit
12
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
des Payoffs verbleiben, dann besteht wenig Ansporn bessere, der Wirtschaft nähere
Grundlagen für das Modell des komplexen Derivats zu entwickeln. Der Mangel einer echten Verbindung zwischen der relativen Preisgestaltung eines Derivates und
dem Verhalten des Basiswerts in Realität lässt sich ähnlich der (herabsetzenden)
Bezeichnung der Modellierung eines Derivats als ”Ketchup-Wirtschaft” erklären:
Ausgehend von den Beobachtungen, dass eine 200 ml Flasche Ketchup 1.000 eund
eine 400 ml Flasche 2.000 ekostet, kann man feststellen, dass der relative Preis der
zwei Flaschen zueinander fair ist, jedoch lässt sich keine Aussage darüber treffen,
ob das Ketchup vernünftig (bezogen auf den realen Markt) bepreist wurde.
3.3.4
Das theoretische Ertragsprofil eines Händlers komplexer Derivate
Für Options-Händler ist es äußerst wichtig zu evaluieren, wie sich eine Handelsstrategie für verschiedene Preise der Basiswerte zu einem gewissen Zeitpunkt verhält.
Um die möglichen Gewinne oder Verluste visuell darzustellen, wird ein Ertragsdiagramm bezüglich einer bestimmten Strategie verwendet. Mit Hilfe dieses Diagramms
wird es Händlern ermöglicht den potentiellen Ertrag, sowie das Risiko und die Entlohnung einer Position auf einen Blick zu bestimmen. Das Diagramm ist daher so
aufgebaut, dass auf der X-Achse Assetpreiswerte in aufsteigender Reihenfolge gezeigt werden (wobei der aktuelle Kurs mittig gesetzt wird), und die Y-Achse den
potentiellen Gewinn bzw. Verlust repräsentiert.
In den vorhergehenden Erläuterungen wurden genügend Merkmale des institutionellen Umfelds, in welchem der Handel komplexer Derivate stattfindet, gesammelt,
um nun das Ertragsprofil (”P&L-Profil”) eines Händlers näher erörtern zu können.
Abbildung 1: drei stilisierte Ertragsprofile eines Handelsbereichs
Die blaue Linie representiert das Ertragsprofil in einer platonischen Welt, in der
alle Modellannahmen erfüllt, die wahren Modellparameter mit Sicherheit bekannt
und Marktfriktionen nicht vorhanden sind. Insbesondere geht man in dieser ersten
13
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
Betrachtung davon aus, dass alle Risiken abgesichert werden können. Folglich ist
perfekte Replikation eines jeden Payoffs möglich, und, wenn ein Geschäft zu einer
anderen Volatilität als der (bekannten) wahren Volatilität abgeschlossen wird, so
kann die Wertdifferenz (die Differenz zwischen dem theoretischen Preis des komplexen Produkts und dem Preis, zu dem es gehandelt wurde) während der gesamten Lebensdauer der Option risikolos beibehalten werden. In dem Diagramm repräsentiert
jeder Sprung der blauen Kurve nach oben den Profit jeder neuen Transaktion. Angesichts der risikolosen Profits ist der aktuelle Wert nicht nur in Erwartung, sondern
auch fast sicher entlang jedes Pfades erreichbar.
In dieser ideellen Welt wird die Differenz zwischen den theoretischen (wahren) Preisen und den abgewickelten Preisen als ”Tag-1 Ertrag” (day-1 P&L) bezeichnet. Ausgehend von der risikolosen Veranlagung des Gewinns, wird dieser Tag-1 Ertrag dem
Händler zu Beginn des Handels gutgeschrieben. Auch wenn das gehandelte komplexe Derivat eine vertragliche Maturität von beispielsweise 30 Jahren hat, so wächst
der Mark-to-Market Profit11 des Traders bereits am Handelstag um den gesamten
Betrag des für den 30-jährigen Vertrag erwarteten Gewinns an.
Dies bedeutet natürlich, dass kein weiterer Profit über die restliche 30-jährige Laufzeit des Handels gewonnen werden kann. Wenn die Handelsabteilung in den darauffolgenden Jahren gewinnbringend verbleiben möchte, so muss sie zumindest im
selben Verhältnis zu deren Laufzeit weitere strukturierte Produkte handeln. Wenn
ein Händler einen wachsenden Profit einbringen möchte, so muss sogleich auch das
gehandelte Volumen der Abteilung ständig anwachsen.
Betrachten wir nun die rote Kurve, die eine weniger platonische, jedoch immer noch
eher günstige Sachlage beschreibt. Der Payoff zur Maturität des Produktes ist nicht
mehr perfekt replizierbar, er wird nur mehr in Erwartung und nicht mehr entlang
jedes Pfades erreicht. Vor diesem Hintergrund ist eine risikoneutrale Bewertung (die
in der Theorie nur dann gerechtfertigt ist, wenn der End-Payoff mit Sicherheit repliziert werden kann) streng genommen nicht mehr andwendbar. Sofern die Modellabweichungen verglichen mit dem erwarteten Ertrag klein sind, so ist die Annahme
des risikoneutralen Modells (und den gesicherten Ertrag den es garantiert) jedoch
gerechtfertigt. Die Abweichungen des tatsächlichen Modells zu dem angenommenen risikoneutralen Modell können heuristisch durch von der Abteilung gebildete
Rücklagen ausgeglichen werden. In der Praxis wird daher auch in diesem günstigen
Fall risikolose Replikation empfohlen.
Das Ertragsprofil, welches durch die grüne Linie beschrieben wird, ist jedoch zu problematisch um den Ertrag bereits im Vorfeld (unter Bildung von Reserven) bestimmen zu können. Das zur Bepreisung des Handels verwendete Modell ist nun systematisch negativ verzerrt. Der Handel wurde zu Beginn zu aggressiv bepreist und die
anfänglichen sowie lebenslänglichen (Wieder-)Absicherungstransaktionen werden zu
nachteiligeren Preisen ausgeübt als das Modell bei der ursprünglichen Bepreisung
annahm.
In Realität wird man nie auf ein Abbild der grünen Linie, dh. ein Ertragsprofil welches im Bezug auf die blaue Linie systematisch positiv beeinträchtigt ist, stoßen.
11
Profit, der nach der Mark-to-Market Bewertungsmethode bewertet wird (auch: marktnahe bewertet). Mark-to-Market ist eine Bewertungsmethode beim Jahresabschluss von Kreditinstituten,
die im Grundsatz die Bewertung von Finanzinstrumenten nach dem aktuellen Marktpreis verlangt.
14
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
Solch eine Linie könnte nur dann entstehen, wenn der Händler sein Portfolio auf
eine systematisch konservativere Weise als der Markt ausgebaut hätte. Ausgehend
von dem bereits angesprochenen Kräftespiel der Verkaufskräfte der um den Handel
wetteifernden Banken, ist diese Herangehensweise für einen Händler schier ausgeschlossen.
Bei näherer Betrachtung der Abbildung 1 lassen sich zwei Feststellungen treffen:
Erstens ist eine wachsende Abweichung der grünen von der blauen Kurve gegen Ende der Laufzeit des Handels auszumachen. Zweitens, wenn die Vorherbestimmung
des Ertrages von der Finanzabteilung akzeptiert wird, so verbucht der Händler stets
positive Erträge über eine Lange Zeitspanne der Lebensdauer eines Deals (für die
er auch durchwegs entlohnt wird), selbst in der problematischen Welt, die durch die
dritte, grüne Linie representiert wird.
Das Modell, welches vom Händler jener grünen Linie zur Preisbestimmung des komplexen Derivats angewandt wurde, ist unzureichend, in dem Sinne dass seine Beschreibung der Realität nicht nur unpräzise, sondern planmäßig mangelhaft ist. Nun
drängt sich die Frage auf, warum der Händler nicht mehr Anstrengungen aufbringen sollte ein besseres Modell zu entwickeln, mit welchem der Ertrag der blauen
Linie erreichbar wäre. Ein Grund dafür, ist dass wenn er/sie von seinem mangelhaften Modell abweichen würde, er/sie möglicherweise nicht mehr den Handel, den
das ”aggressive” Kaufangebot sichern kann, für sich entscheiden könnte. Jedoch gibt
es noch tiefgehendere Gründe, die den Händler davon abhalten ein adäquateres Finanzmodell zu erstellen. Diese liegen in dem komplexen organisatorischen Aufbau,
der den Handel strukturierter Derivatprodukte umgibt, in erster Linie aber in dem
Vorgreifen des Ertrags, dem Vergütungssystem und der Anordnung an den Händler
einer regulären Institution innerhalb gewisser Risikogrenzen zu bleiben.
3.4
Die Rolle der Finanzfunktion
Im Bereich der strukturierten Produkte ist es die Aufgabe der Finanzfunktion (wie
auch des Produktkontrollen-Unterbereichs der typischerweise an den Leiter des Finanzbereiches Bericht erstattet) die Erträge aller Trader - im Speziellen von Händlern
strukturierter Produkte - zu erfassen. Rein theoretisch kann dies auf folgende zwei
Arten geschehen: Der Profit kann entweder im Voraus erfasst oder aber über die
Laufzeit des Produktes angesammelt werden. Erträge im Vorhinein anzuerkennen
bedeutet, dass nachdem entsprechende Rücklagen zum Ausgleich etwaiger Einbußen in den Absicherungsgeschäften gebildet wurden, der Finanzbereich annimmt,
dass der Tag-1 Profit tatsächlich über die Laufzeit des Deals via dynamischer Replikation beibehalten werden kann. Im Gegensatz dazu wird beim Ansammeln der
Erträge kein Profit am Handelstag erfasst. Anstatt dessen werden die inkrementellen
Erträge, die dadurch entstehen, dass der Trader Tag für Tag Geld durch Wiederabsicherungsgeschäfte verdient, dann verwirklicht, wenn sie realisiert werden.
Wenn eine perfekte Portfolioreplikation tatsächlich möglich wäre, so würde der gesamte diskontierte Profit derselbe sein, ungeachtet dessen welche der Methode zur
Ertragsanerkennung angewandt wurde. Wenn eine solche perfekte Replikation des
Portfolios jedoch nicht zu bewerkstelligen ist, sprich im Großteil der Fälle, werden
die abgezinste Gesamterträge, die durch die unterschiedlichen Herangehensweisen
15
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
erfasst werden, nicht mehr übereinstimmen. Offensichtlich ist die Methode der Gewinnansammlung die bedachtere Vorgehensweise, jedoch ist sie dem heftigen Widerstreben der Trader ausgesetzt. Die Position der Händler ist jedoch schwierig zu
rechtfertigen, wenn es darum geht die für die Institution bessere Methode zu bestimmen, da das Integral über den angesammelten Profit dem Tag-1 Profit entsprechen
soll. Ein vertretbares Argument für viele Trader ist daher, dass wenn ein Deal für
eine handelnde Institution profitabel im Sinne der vorgezogenen Ertragsbewertung
ist, so sollte er dies auch nach der zweiten Methode der Profitansammlung sein.
Es werden jedoch auch weitere Rechtfertigungen für die Vorgehensweise der Ertragsanerkennung im Voraus eingeführt. Man könnte die Tag-1 Anerkennung des gesamten Profits befürworten, indem man sich auf die Zeitwertbilanzierung beruft. Bei
dieser Vorgehensweise wird jeder Position ihr aktueller Marktwert, d.h. der Preis zu
dem ein gewillter Marktteilnehmer bereit wäre unter gewöhnlichen Marktbedingungen ein Geschäft zu tätigen, zugeschrieben. Der Trader komplexer Derivate könnte
demnach damit argumentieren, dass die starke Ähnlichkeit der Preisvorschläge unter den wetteifernden Banken der unschlagbare Beweis für einen bestens bekannten
Marktpreis ist. Nichtsdestotrotz könnte eine Bank niemals ein strukturiertes Produkt zum fairen Preis an eine konkurrierende Bank - die exakt denselben Risikotypen ausgesetzt ist und somit durch den Kauf des Deals (zu dem Wert den die erste
Bank dem Produkt nach einer Reservenbildung zugeschrieben hat) an ihre internen
Grenzen von absicherbaren Risiken stößt, ohne Profit zu machen - verkaufen. Daher
ist das Prinzip der Zeitwertbilanzierung nicht direkt anwendbar. Außerdem ist es
schwierig die von der Finanzfunktion gebildeten Rücklagen aus der Perspektive der
Zeitwertbilanzierung zu rechtfertigen.
Naturgegebenermaßen ist die Bildung von Rücklagen bei der Tradingabteilung nicht
sonderlich beliebt. Zu Beginn der Laufzeit eines strukturierten Produktes (speziell
wenn diese sehr lang ist) kann dynamische Replikation sehr effizient funktionieren.
Über naive Hochrechnungen kann so die Illusion entstehen, dass der Trader die dynamische Replikation problemlos bis zur Maturität des Handels fortführen kann.
Die Tradingabteilung wird daher darauf hinweisen wie erfolgreich ihr Absicherungsprogramm ist und erhöhten Druck auf die Finanz- und Produktkontrollfunktion
ausüben, die unnötig konservativen Rücklagen gegenüber dem strukturierten Portfolio freizugeben.
Diese Methode Profit zu erfassen ruft ein anderes, essentielles Merkmal eines Portfolios strukturierter Produkte hervor auf welches im folgenden Beispiel näher eingegangen wird: Man betrachte zwei Trader A und B, die jeweils ein Portfolio komplexer
Derivate mit denselben Positionen in strukturierten Produkten,insbesondere jedoch
mit derselben vertraglichen Laufzeit von, sagen wir,genau zehn Jahren, bilden. Zum
Zwecke der Einfachheit nehme man an, dass der angesammelte Profit (der durch
das Erfassen der Differenz zwischen der implizierten und der realisierten Volatilität
entstanden ist) über die gesamte zehnjährige Laufzeit gleich verteilt ist. Während
die von Trader A erzielten Erträge periodengerecht erfasst werden, genießt Trader B
die vorzeitige Anerkennung seiner Gewinne und Verluste. Um das Beispiel möglichst
einfach zu halten lassen wir die Bildung von Reserven sowie die Diskontierung zum
risikolosen Zinssatz außer Acht.
Nehmen wir nun an, dass Trader B ein erzielter Gewinn von $100 Mio vorzeitig
zugeschrieben wird, eine Größe die im Jahresabschluss als Profit für die Aktionäre
16
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
aufscheinen wird. Anders verhält es sich jedoch für die Firma des Traders A. Bestimmt durch die von ihr praktizierte periodengerechte Rechnungsführung, kann die
Firma, für die Trader A tätig ist, im Jahresabschluss des selben Jahres nur einen
Profit in Höhe von $10 Mio. angeben.
Diese unterschiedlichen Praktiken rufen ihrerseits wiederum sehr verschiedene Verhaltensweisen der Trader hervor. Zunächst werden die beiden Händler im ersten
Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit äußerst unterschiedlich vergütet, da sie zu den
Finanzabschlüssen ihrer jeweiligen Firmen stark differierende Beträge beigetragen
haben. Ihre nach dem Ermessen der Firmen gebildete Kompensation wird im Jahr
eins um den Faktor zehn voneinander abweichen. Die größten Unterschiede jedoch
werden in den Jahren zwei bis zehn auftreten. Wenn keine weiteren Geschäfte zu
dem Portfolio hinzugefügt wurden, so ist es der Bank des Traders B nicht möglich
zusätzliche Erträge zu verzeichnen (und er erhielte demzufolge auch keine weitere
Vergütung). Im Vergleich dazu wird Trader A anstattdessen, selbst mit einem solchen statischen Portfolio, dasselbe Entgelt des ersten Jahres über die verbleibenden
neun Jahre hinweg erhalten.
Betrachten wir nun den realistischeren Fall, in dem sich die vertraglichen Maturitäten der strukturierten Delas gleichmäßig über die zehn Jahre verteilt befinden.
Um sicherzugehen, dass seine Abteilung denselben periodengerecht angesammelten
Profit erzielen wird, muss Trader A jährlich ein Zehntel des Umfanges des Portfolios hinzufügen. Hierbei werden keine zusätzlichen Risikogrenzen benötigt um den
Geschäften standzuhalten.
Trader B hingegen muss, um die Leistung des ersten Vertragsjahres wiederholen zu
können, den Umfang seines Portfolios bereits im zweiten Jahr verdoppeln. Wenn der
Profit vorgezogen gutgeschrieben wird und die nicht absicherbaren Risiken zu Beginn der Laufzeit des Portfolios bezüglich des Zielumsatzes des Handelsbereiches am
Jahresende angesetzt wurden, so werden sich diese Grenzen in den darauffolgenden
Jahren 2 bis 10 als völlig inadäquat erweisen. Wenn neue strukturierte Portfolios
erstellt und gehandelt werden, findet sich die Risikofunktion Jahr für Jahr dem konstanten Druck ausgesetzt, die Grenzen für nicht absicherbare Risiken zu erhöhen.
Gleichzeitig sieht sich der Handelsbereich gezwungen eine ständige Erhöhung jener
Grenzen zu erbitten, selbst wenn er sich der Dringlichkeit, die ohnehin schon ausgereizten Schranken der nicht abischerbaren Risikofaktoren nicht noch stärker zu
belasten, nicht entziehen kann.
Dieses stilisierte Beispiel bezog sich jedoch nur auf neu erstellte Portfolios. Man
könnte argumentieren, dass in einem stabilem Zustand kein Unterschied zwischen
den Praktiken der beiden Methoden der Zeitwertbilanzierung (die den Vorzug der Erträge erlaubt) bzw. der Periodenrechnung auftreten sollte. Nichtsdestotrotz könnte
ein neu zusammengestelltes Portfolio anfängliche Geschäfte aufnehmen, deren vertragliche Maturität sich bis auf zehn, zwanzig, oder möglicherweise dreißig Jahre
prolongiert. Ein ”stationärer Zustand” könnte demnach weit in der Zukunft liegen.
Zu einem Zeitpunkt allerdings, in dem Trader B mit hoher Sicherheit nicht mehr
dasselbe Portfolio betreuen und höchstwahrscheinlich sogar für eine andere Firma
tätig sein wird. Der ihm zugeschriebene Teil des vorgezogenen Profits bleibt dem
Trader erhalten, selbst wenn er den Handelsbereich in dem die Positionen entstanden sind, verlässt. Dies gilt jedoch nicht für die Langzeitrisiken, die Bilanz und die
Kapitalnutzung die allesamt bei der Firma - und bei den Aktionären - verbleiben.
17
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
Daher scheint es nicht überraschend, dass Händler üblicherweise die Entwicklung
von Modellen anweisen, die das Vorziehen der Erträge, erfolgreiches kurzfristiges
Absichern und sparsames Ausnutzen der knappen Risikogrenzen erlauben.
3.5
Die Rolle des Modell-Prüfers
Jede regulierte Finanzinstitution, wie eine Bank beispielsweise, beinhaltet eine interne Modell-Prüfungs-Funktion. Damit ein Modell einer Institution intern anerkannt
werden kann, muss eine ausreichend geförderte Modellvalidierungsfunktion innerhalb der Bank exisiteren, die unabhängig vom ”Front-Office” berichterstatten.
Was also sind die Aufgaben der Modell-Prüfer bezüglich der Modelle, die zur Preisbestimmung und zum Absichern komplexer Derivate verwendet werden? Zuallererst
sei gesagt, dass eine Modell-Prüfungs-Funktion nicht von Nöten sein würde, wenn
alle Finanzinstrumente in den Portfolios einer Institution flüssig gehandelt werden
könnten und deren Preise leicht zugänglich wären. Es ist dieser Mangel an Liquidität und Einsehbarkeit der Preise der Produkte, nicht aber ihre Komplexität, die
die Notwendigkeit einer Modellprüfungseinheit begründet.
Theoretisch sollte die größte Sorge regulärer Finanzinstitute bezüglich illiquider Produkte sein, dass sie ihre illiquiden Positionen nicht zu den Preisen, zu denen sie sie
bewertet haben, veräußern können. Strukturierte Derivate sind zwar zweifellos illiquid, jedoch werden sie, wie im Vorhergehenden beschrieben, praktisch nie unter
gewillten professionellen Gegenparteien gehandelt. Daher ist eine Veräußerung eines
Portfolios komplexer Derivate, indem man es einer gewillten Gegenpartei verkauft,
keine realistische Option. Diese Tatsache macht aus der Bestimmung des fairen Wertes der komplexen Derivate im traditionellen Sinn (der Preis den ein Kontrahent am
Markt bereit wäre für die Position unter normalen Marktbedingungen zu leisten) ein
etwas metaphysisches Konzept. In der Praxis ist es daher allgemein anerkannt für
Mark-to-Market Valuierungen Preise im Einklang mit den Preisen, zu denen andere
Institutionen ähnliche Positionen von Endverbrauchern erwerben, zu verwenden. In
diesem Sinne holen sich Modell-Prüfer zusätzlich auch Bestätigungen von Preisanbietern, dass ihre Bewertungen mit dem Markt konform sind.
In der Realität ist es daher nicht die Frage, ob das jeweilige Modell rein theoretisch unzulänglich ist, die der Finanzinstitution Bedenken bereitet. Vielmehr sorgt
sie sich darum, dass die allgemeine Marktmeinung über die korrekte Preisgestaltung
eines gewissen kompleven Derivatprodukts sich ändern könnte. Da sich sämtliche
Institutionen, streng gesagt, in der selben Zwangslage befinden, und allesamt die
selben Positionen innehaben ist der Anreiz durch innovative Modellgestaltung aus
der Reihe zu treten geradezu nicht existent.
Abschliesend sollte man noch betonen, dass die Modell-Überprüfung bisher praktisch keinen Einfluss auf die empfohlene Hedgingstrategie, die der Händler verfolgen
sollte, ausgeübt hat. Die einzigen Anforderung die an einen Händler bezüglich des
Hedgen des komplexen Derivats gestellt wird, ist dass er/sie innerhalb gewisser Grenzen bleiben muss.
18
Derivatmodelle verstehen
3.6
Hanna Wutte
Die Quantitativen Analysten und die Anforderungen an
die Modelle die sie produzieren
Die Wissenschaftler (quantitativen Analysten), die die zur Preisgestaltung und zum
Hedgen komplexer Produkte angewandten Modelle entwickeln, arbeiten in der Regel
für und berichten an die Händler komplexer Derivate. Ihre Entlohnung wir nahezu
immer von dem Leiter der Abteilung für das Handeln komplexer Derivate bestimmt,
und ist darauf basierend wie gut es die ”Quants” den Händlern ermöglicht haben
komplexe Geschäfte korrekt zu bepreisen bzw. zu hedgen. Unter einer ”korrekten
Preisgebung” versteht man in dem Kontext eine möglichst bedachte Preisgestaltung, die im Bezug auf die Markmeinung weder zu aggressiv noch zu konservativ ist
(siehe Absatz 3.2). Demnach ist es nicht die Bestimmung des Modells einen besseren
Preis für das Produkt zu generieren sondern
i) einen Preis nahe zu den Marktpreisen der konkurrierenden Banken, die an der
Ausschreibung teilnehmen (wie in Absatz 3.2 beschrieben), zu produzieren und
ii) eine effektive Hedging-Strategie zu empfehlen.
Diese Strategie sollte es ermöglichen den Tag-1 Profit mit geringstmöglichen Abweichungen und wenn möglich ohne negative Tendenzen beibehalten zu können. Auf
Abbildung 1 bezogen bedeutet ersteres, dass die rote Linie nicht weit von der blauen
Linie abweichen sollte, und zweiteres, dass die grüne Linie nicht zu sehr nach unten
abweichen sollte, speziell zu Beginn eines Handels.
Die Forderung an den Analysten eine konsensuale Preisgestaltung zu reproduzieren ist sehr stark. Bei der Entwicklung eines geeigneten Modells sowie einer Hedgingstrategie unterliegt der Wissenschaftler zumindest noch folgenden zwei weiteren
Bedingungen: Erstens muss das Computersystem der Bank den Preis des strukturierten Produkts in wenigen Sekunden, höchstens aber ein, zwei Minuten rückgeben
können und zweitens darf die Zeit, die benötigt wird um über Nacht die für die
Ausgeglichenheit des Buches notwendigen Absicherungen zu berechnen, nicht über
einige Stunden hinausgehen.
Der Wunsch nach einer Bepreisung, die nicht aggressiver, geschweige denn konservativer als jene der andere Marktteilnehmer ausfällt, zuzüglich der zwei rechnerischen
Restriktionen, auf die eben hingewiesen wurde, stellen schon einige Anforderungen
an das Modell dar. Jedoch wird die Entwicklung eines Modells auf eine subtilere Art
und Weise von dem Geschäftsmodell des Handelns komplexer Derivate gelenkt.
Um das Wesen dieser subtileren Auflagen zu verstehen, betrachten wir erneut die
Bedeutung, die der Preisgebung im Einklang mit der Konkurrenz zugeschrieben
wird. Um diesen Aspekt hervorzuheben ist es nützlich sich in Erinnerung zu rufen,
dass es Dienstleister gibt, welche (entgegen einer Gebühr) von teilnehmenden Banken hypothetische Preise für Modellportfolios komplexer Derivate einsammeln und
jeder beitragenden Bank anonyme Information über die Lage ihrer Preise bezüglich
der Marktmeinung rückgeben. Dieses Feedback wird jedoch nicht bedingungslos bereitgestellt: Eine beitragende Bank bekommt die anonyme relative Preisinformation
nur solange, als der von ihr vorgeschlagene Preis nicht ”zu weit” von der Marktmeinung abweicht. Wenn dem so wäre, würde dem eigenwilligen Händler kein Feedback
19
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
rückgegeben werden, wobei die Gebühr bei dem Datenlanbieter verbleibt.
Angenommen ein Händler wäre der Meinung ein anderes Modell, als jenes das die
Marktmeinung diktiert, gäbe eine bessere Beschreibung eines speziellen strukturierten Produktes, und würde einen unterschiedlichen Preisvorschlag, der das finanzielle
Verhalten der zu Grunde liegenden Risikofaktoren möglicherweise besser reflektieren würde, einreichen. Wenn jener Preis der Preis-Service-Agentur unterbreitet wird,
würde ihn das Feedback des Datenanbieters bestenfalls als von dem Konsensus stark
abweichend einstufen. Im Extremfall jedoch gäbe es überhaupt keine Rückmeldung
über die aktuelle Lage des Preises. Die Finanzabteilung, die sich in der Zwickmühle
zwischen einem vermutlich besseren Modell und der Marktbewertung befinden, werden entweder die Differenz zu der konsensualen Rückmeldung rückstellen, oder aber,
mit hoher Wahrscheinlichekeit, eine ”problematische Bewertung” melden. Wenn in
einer Institution mit strengen internen Kontrollen die Position der Bank in dem komplexen Produkt bedeutend ist, so wird dieses ”Warnsignal” sich bis zum BepreisungsKommittee hochschaukeln.
Man kann nun bereits einige institutionelle Anreize für eine konforme Modellbildung
erkennen: Zum Einen spricht der von dem Verkaufspersonal ausgehende Druck eine
moderate Preisgestaltung zu entwickeln, für ein Modell im Einklang mit den Konkurrenten. Zum Anderen ist es auch die heikle Zwangslage in der sich die Finanz- sowie
die Produkt-Kontrollabteilung befinden, wenn sie mit einem möglicherweise akkurateren, jedoch sicherlich unterschiedlichem Preis konfrontiert sind, die den Wunsch
nach einem marktkonformen Modell verstärkt. Angesichts dessen darf ein ”besseres”
Modell in diesem Sinn keinen radikal unterschiedlichen Preis für das strukturierte
Produkt produzieren. Solch ein abweichendes Modell - so korrekt es im Abstrakten
auch sein mag - würde einfach nicht bestehen und bald ”ausgestorben” sein. Stellt
sich nun die Frage, was also die Aufgabe eines geübten quantitativen Analysten sei.
Im Wesentlichen liegt es an ihm ein Modell zu produzieren, das im Einklang mit
der Marktmeinung steht und welches eine effektive Hedging-Strategie vorschreibt. Im
Folgenden werden wir nun auf den zweiteren Aspekt eingehen, um die Bedeutung
des Attributs ”effektiv” in diesem Kontext zu verstehen.
Der Trader übt die Hedges am ersten Tag des Handels, wie auch an allen (im Rahmen der Vertragsdauer) darauffolgenden Tage, aus. Zukünftige Absicherungen werden Anpassungen der bereits am Vortag bestehenden Hedges sein. Der beginnende
Hedge wird die Gegengeschäfte von neu begründen. Daher sind die Absicherungen,
die an Tag eins getätigt werden, nahezu ausnahmslos größer als jene Hedges die
an jedem anderen Tag der Vertragslaufzeit hinzugenommen werden. Folglich ist der
Trader besonders besorgt über die Kosten dieser Tag-1 Hedges.
Diese Kosten sind mit dem Ergebnis des Modells über die Modelleichung (Kalibrierung) verbunden. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das Modell, welches das
komplexe Produkt bepreist, gleichzeitig auch die Modell-Preise für die Plain-Vanilla
Instrumente, die zum Hedgen der Position in dem komplexen Produkt verwendet
werden, berechnet. Eine Übereinstimmung des Tag-1 Modells mit den Marktwerten
der Plain-Vanilla Hdging-Instrumente wird erreicht, indem man die Parameter des
Modells so lange variiert, bis eine fast genaue Gleichheit der Markt- und Modellpreise der Plain-Vanilla-Instrumente herrscht.
Da die Modellannahmen oftmals stark stilisiert und von den rechnerischen Anforderungen (siehe oben) beeinflusst sind, sind die Modelle mit einer Vielzahl an frei20
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
en Parametern ausgestattet, welche derartig adjustiert werden können, dass das
Modell gut zu dem Plain-Vanilla-Markt passt. Diese Parameter sind in der Theorie Konstanten des Modells, in Realität jedoch werden sie täglich angepasst um
die zukünftige Übereinstimmung der Markt- und Modellpreise der standardisierten
Hedging-Instrumente garantieren zu können.
Das Interesse des Traders an der Kongruenz zwischen dem Tag-1 Markt- und dem
Modellpreis der Plain-Vanilla-Instrumente liegt in der Notwendigkeit, der größte
Umfang der Hedging-Transaktionen zu Beginn des Handels durchzuführen, begründet.
Hätte das Modell impliziert, dass der Trader die Hedging-Swaptions zu einem höheren
Preis als jenem, der am Markt zum Zeitpunkt des Handelsabschlusses deklariert
wird, verkaufen könnte, so würde der Trader einen sofortigen Verlust verbuchen.
Wenn, das Modell stattdessen ”gezwungen” worden wäre den korrekten Preis der
Hedges zu reproduzieren, so hätte der Trader ein weniger aggressiveres Angebot für
das Produkt gestellt. Daher scheint der Fokus auf die Kosten des Tag-1-Hedgens
sowohl verständlich, als auch theoretisch begründet - der Wert einer perfekt replizierbaren Option sollte schließlich nicht höher und nicht niedriger als die Kosten des replizierenden Portfolios sein. Jedoch ist diese Schlussfolgerung nicht ganz
vollständig, da die Absicherungen (das Hedgen) nicht ausschließlich am Tag des
Handelsabschlusses von statten geht, sondern auch über die Vertragslaufzeit hinweg
durchgeführt werden müssen.
Wie bereits betont findet das größte Tagesausmaß an Hedgingtransaktionen am ersten Tag des Handels statt. Allerdings ist die Summe der absoluten Ausmaße der
Transaktionen während der gesamten Laufzeit des Derivates ausnahmslos größer als
der Umfang der Tag-1 Transaktion. Die Gesamtkosten der zukünftigen Absicherungen sollten daher von mindestens so hoher Bedeutung sein wie die Kosten der Tag-1
Absicherungen. In der Realität ist das kaum der Fall. Um diese Tatsache zu verstehen, muss man die Praxis des Hedgens zu späteren Zeitpunkten näher betrachten.
Das Modell, das verwendet wurde um das strukturierte Produkt mit den Parametern
passend zum Tag-1 zu bepreisen, impliziert nicht nur die Tag-1 Preise der HedgingInstrumente, sondern ebenso die zukünftigen Preise der Plain-Vanilla Instrumente,
die, in allen möglichen zukünftigen realen Szenarien, gekauft werden müssen um
das Portfolio erneut zu Hedgen. Verschiedene Modelle, die allesamt die Tag-1 Preise
der Plain-Vanilla Instrumente exakt replizieren, können sehr unterschiedliche Preise
für Transaktionen zukünftiger Wiederbeschaffung von Sicherungsgeschäften (”rehedging”) unterstellen. Daher kann ein Modell ”erkennbar aggressiv” (”spot aggressive”) oder ”zukünftig agressiv” (”future aggressive”) sein. Ersteres bedeutet, dass
das Modell zum Handelszeitpunkt aktuelle Preise der Plain-Vanilla Instrumente zu
aggressiv bewertet. Diese Aggressivität ist offensichtlich, dh. von jedem leicht zu
beobachten. Hingegen ein zukünftig aggressives Modell zeichnet sich dadurch aus,
dass es den zukünftigen Absicherungstransaktionen zu niedrige Kosten zuschreibt.
Wenn das Modell des Traders am Tag-1 zu ”zukünftig aggressiv” gewesen ist, so
wird er/sie Plain-Vanilla Absicherungsinstrumente stets teurer (billiger) kaufen (verkaufen), als sein/ihr Modell zu Beginn des Handels vorhergesehen hat. An jedem
zukünftigen Tag muss das Modell neu justiert werden, sodass die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Marktpreise der Gegendeckungs-Optionen wiederhergestellt werden können. Nach der Modellkalibrierung jedoch bleiben die vermeintlich konstanten
Modellparameter nicht in der Nähe ihrer Tag-1 Werte, sondern driften in irgendeine
21
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
Richtung ab. Die replizierene Strategie wird nicht einmal im Durchschnitt selbstfinanzierend sein, jene Situation, die in Abbildung 1 durch die grüne Linie representiert wird.
Um diesen wichtigen Aspekt im Detail zu betrachten, versetzen wir uns in einen
zukünftigen Zeitpunkt t. Sollte der Trader zu ”zukünftig aggressiv” gewesen sein,
so weichen die zukünftigen, tatsächlich realisierten Preise der WiederabsicherungsInstrumente von jenen, die das Modell zu Handelsbeginn implizit für den Zeitpunkt
t vorhergesagt hatte, ab. Der Trader jedoch muss nun sein Portfolio mit Hilfe von
Plain-Vanilla Instrumenten wieder ins Gleichgewicht rücken, und muss daher sein
Modell entsprechend justieren. Dies bedeuteet, dass der Händler das Modell ”zwingen” muss, die unerwarteten Marktpreise wiederzuerlangen, indem er/sie die Parameter, die als konstant angenommen wurden, abändert. Trotz allem hilft diese
Justierung dennoch nicht, die Verluste, die durch die falsche Modellvorhersage der
zukünftigen Hedging-Kosten entstanden sind, zu reduzieren.
Nun wird deutlich, dass sich der Trader um Differenzen zwischen den theoretischen
und den tatsächlichen Kosten zur Wiederbeschaffung von Sicherungsgeschäften (dh.
zwischen Modell- und Marktpreisen der Plain-Vanilla-Instrumente) im Besonderen
sorgt. Allerdings werden Diskrepanzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten als unterschiedlich relevant eingestuft. Dies mag verwundern, da, wie bereits erörtert, die
Summe der absoluten Volumina der Transaktionen, die für Wiederabsicherungsgeschäfte getätigt wurden, stets größer als der Umfang der Tag-1 Absicherungen ist.
Das Timing allerdings übt großen Einfluss auf diese Summe aus. Wann die umfangreichsten zukünftigen Wiederabsicherungstransaktionen auftreten werden hängt von
der Größe des Gammas des Handels ab. Das Gamma ist die zweite Ableitung des
Preises des komplexen Produkts nach dem Basiswert. Für hiesige Zwecke kann es
auch als die erste Ableitung des Deltas (welches wiederum die erste Ableitung des
Preises nach dem Basiswert ist) gesehen werden. Nachdem die Größe des Deltas den
Umfang der Absicherungsgeschäfte determiniert, bestimmt das Gamma, welches die
Größe der Änderungen im Delta diktiert, um wieviel die Hedging-Transaktionen
geändert werden müssen. Das Gamma (und somit auch der Umfang der benötigten
Wiederabsicherung) steigt nahe dem at-the-money Level und wächst rasant gegen
Ende der Laufzeit.
Für ein strukturiertes Produkt mit langer Laufzeit bedeutet dies, dass das Gamma,
unmittelbar nachdem die anfänglichen Sicherungsgeschäfte getätigt wurden, voraussichtlich sehr niedrig ist. Sofern der Markt nicht dramatisch schwankt, ist es auch
unwahrscheinlich, dass der Umfang der Wiederabsicherungstransaktionen kurzzeitig nach Handelsbeginn hoch ist. Für langfristige Geschäfte (Laufzeit 30 Jahre oder
mehr) kann diese Zeit unmittelbar nach ihrem Beginn auch einige Jahre betreffen.
Über die Laufzeit hinweg entwickelt sich ein Geschäft grob gesagt in eine der zwei
folgenden Richtungen: Einerseits gibt es Geschäfte, die je kürzer die Restlaufzeit
bis zur Matürität wird, zunehmend Aus dem Geld (out of the money) geraten. Im
Gegensatz dazu stehen die Geschäfte, die nahe der Maturität etwa Im Geld (at the
money) bleiben oder in den Zustand zurückkehren.
Der erste Geschäftstyp hat eine relativ ereignislose Laufbahn. Der kummulative Umfang der zukünftigen Wiederabsicherungs-Transaktionen wird zwar größer sein als
jener der Tag-1 Absicherungen (dies begründet das Negativabweichen der grünen
Linie), allerdings fallen die Verluste aufgeteilt über der gesamten Laufzeit an.
22
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
Das Schicksal des zweiten Geschäftstyps (jener der nahe dem Am-Geld-Level, wo das
Gamma seine größten Werte annimmt, ausläuft) hingegen ist sehr unterschiedlich:
während sich die Restlaufzeit bis zur Maturität reduziert, erhöhen sich die Werte des
Gammas und somit auch das Ausmaß der wiederholten Sicherungstransaktionen.
Die umfangreichen Wiederabsicherungsgeschäfte, die mit den Perioden des zweiten Handelstypus, in denen hohe Gamma-Werte vorkommen, assoziiert werden,
können nur unter ruhigen Marktbedingungen effizient durchgeführt werden. Jedoch
können Transaktionen unter turbulenten Marktbedingungen schnell auf das AmGeld-Niveau bringen, wodurch plötzlich auch deren Gamma erhöht wird. Dadurch
sind nun große Transaktionen von Nöten, gerade wenn Marktliquidität faktisch verschwunden ist. Diese Wiederabsicherungsvorgänge enden unweigerlich strafend kostspielig für den Trader.
In Realität wird in dem Fall dieser langzeit-Geschäfte, die sich nahe dem Auslauf
in dem gefährlichen und kritischen Am-Geld-Bereich befinden, der selbe Trader, der
den Handel hervorgebracht hat und dem der vorgegriffene Profit, basierend auf der
Annahme eine risikolose Replikation wäre möglich, zugeschrieben wurde, wohl kaum
mehr in der Institution tätig sein und somit das Portfolio auch nicht mehr verwalten.
3.7
3.7.1
Die Rolle des Risikomanagements
erste Betrachtungen
Anfänglich würde man meinen, dass eine ”unabhängige” Risikomanagementfunktion als Schutzvorrichtung gegen den Gebrauch von Finanzmodellen, die exzessive
Risiken für eine Finanzinstitution mit sich bringen, fungieren sollte. Hier soll nicht
im Detail darauf eingegangen werden wieviel Einfluss ein Chief Risk Officer (CRO)
einer regulierten Institution tatsächlich ausüben kann, speziell wenn seine Empfehlungen mit den Wünschen der Geschäftsleitung nicht einhergehen. Zudem wären
Pauschalaussagen in jedem Fall schwierig zu treffen, da die Antwort stark von der
betroffenen Institution abhinge. Nichtsdestotrotz können zwei wichtige, allgemein
gültige Beobachtungen festgehalten werden.
Erstens ist eine Möglichkeit unter nicht turbulenten Marktkonditionen dennoch hohe Verluste in einem Derivatportfolio einzubüßen, wenn die Produktkontrollfunktion
feststellt, dass die Positionen eines Händlers komplexer Derivate laut Marktmeinung
nicht nach Marktwerten bewertet wurden. Diese Erkenntnis kann beispielsweise, wie
bereits besprochen, durch das Feedback eines Marktforschungsinstituts erfolgen.
Die zweite Feststellung hingegen verläuft etwas tiefer. Seit den späten 1990er Jahren
veränderten sich die Aufsichtsregeln für das Handelsportfolio regulärer Institutionen
radikal. Mit ”Basel II” wurde es Banken ermöglicht die Eigenmittelanforderungen
für deren Handelsbuchpositionen mit Hilfe interner Modelle zu berechnen. An dieser Stelle soll insbesondere hervorgehoben werden, dass die Risikomanagementfunktion seit den späten 90ern zunehmend in die Versuche der Banken ihr Kapital zu
”optimieren” involviert wurde (wobei ”optimieren” in diesem Kontext stets als Euphemismus für ”reduzieren” zu verstehen ist). In der Tat kann man argumentieren,
dass dieser gestiegene Status der Risikomanagementfunktion innerhalb der Banken
zumindest in Beziehung zu der neu entdeckten Fähigkeit der Risk Officer, über ge23
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
schickte und vollkommen legale ”Optimierung” die Höhe des Eigenkapitals, welches
eine Bank verpflichtet ist zu halten, zu beeinflussen, steht.
Einer der zentralen Grundsätze des Ansatzes Kapitalallokierung mit Hilfe interner
Modelle vorzunehmen, ist die Idee, das Kapital risikobasiert sein sollte. Demnach
könnte der Umfang des Kapitals, welches einem Portfolio der Vorschrift nach auferlegt wird, sehr gering, oder aber sogar gleich Null sein, sofern zwei Positionen, die
individuell sehr riskant sein können, kombiniert einander ausgleichen.
Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, dass Risikomanagement Officer jeden
Anreiz hatten, das Konstrukt der perfekten (und somit risikolosen) Replikation aufrechtzuhalten, was unmittelbar zu einer risikoneutralen Bewertung führt: Je eher
Geschäfte mit komplexen Produkten und deren Absicherung als risikoloses Paket
präsentiert werden konnten, desto eher war eine geringere Kapitalgrenze für das
Portfolio vertretbar, desto besser wurde eine der wichtigsten Aufgaben eines Risikomanagers erfüllt.
Seit der Finanzkrise 2007-2009 stehen die Aufsichtsbehörden jedoch skeptischer gegenüber einer modellbasierten Kapitalallokation und mehrere Alternativmethoden
werden in Betracht gezogen. Die Modellbildung komplexer Derivate erreichte ihren
Höhepunkt während der Jahre der Entwicklung der risikosensiblen Kapitalanforderungen laut ”Basel II”.
Die Derivatmodellbildung konnte daher diesen kapitalen Aspekt des institutionellen
Aufbaus nicht außer Acht lassen. Ein Modell, welches das Basisrisiko zwischen den
absicherbaren und nicht absicherbaren Risikofaktoren betonen würde, würde das
Paradigma der perfekten Replikation untergraben und daher eine höhere Eigenkapitalanforderung anziehen. Solch ein Modell wäre jedoch nicht aüßerst standhaft.
Zusammenfassend lässt sich beobachten, dass auch unter den Hütern der finanziellen
Absicherung, dh. den Risikomanagern, ein starker Anreiz besteht Modellkonformität
zu ermutigen und das Paradigma der risikolosen Replikation aufrechtzuerhalten.
3.7.2
Das tägliche Risikomanagement eines Portfolios komplexer Derivate
Wie wir bereits gesehen haben ist es die tägliche Aufgabe eines Traders zwei unterschiedliche Gruppen von Einschränkungen zu verwalten: die Grenzen für die relativ leicht absicherbaren Risikofaktoren (z.B. durch Kauf Europäischer Swaptions)
und jene für solche Risikoquellen, die durch keine liquide gehandelten Instrumente
ausgeglichen werden können (z.B. Aussetzung gegen Korrelation). Ausgehend von
dem bereits erwähnten Bedürfniss eines Traders, seinen Portfoliobestand konstant
zu erweitern, wird er sich stets darum bemühen das Risikomanagement von einer
Erhöhung der Grenzen der unabsicherbaren Risiken zu überzeugen. Jedoch sind es
die Einschränkungen gegen die absicherbaren Risiken, die ein Trader tagtäglich ausfechten muss.
Die Risiko- und Finanzabteilungen benutzen Modelle nicht nur um Preise komplexer
Produkte zu ermitteln, sondern auch um ihre Exposition gegen Risikofaktoren zu
beurteilen. Theoretisch kann ein Trader komplexer Derivate jegliches Modell verwenden um den Preis für sein strukturiertes Produkt zu bestimmen. Jedoch bringt der
Gebrauch des Modells, welches von den Risiko- und Finanzabteilungen gebraucht
wurde, folgende zwei Vorteile mit sich: Erstens wird er einem komplexen Portfolio
24
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
den selben Wert zuschreiben wie die Abteilungen es tun, und es wird ihm keine
weitere Bildung von Reserven auferlegt. Da zudem sowohl das Risikomanagement
als auch das Finanzressort daran interessiert sind, das Portfolio im Einklang mit
dem Markt zu bewerten ist dies an sich bereits ein signifikanter Anreiz dafür dasselbe Modell zu verwenden. Außerdem gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund
warum ein Händler kein unterschiedliches Modell verwenden möchte und dieser steht
in Zusammenhang zu der Ausnutzung der absicherbaren Risikogrenzen.
Sollte der Trader das Modell im Einklang mit der Marktmeinung wählen, wird,
nachdem die vom Modell vorgeschriebenen Absicherungen eingeleitet wurden, die
von den Risikomanagern aufgezeichnete Ausnützung der Einschränkungen der absicherbaren Risiken nahe bei Null liegen. Der Händler wird daher über genügend
Freiraum verfügen mehrere Geschäfte zu seinem Portfoilo hinzuzufügen und somit
die vorgezogenen Erträge zu erhöhen. Infolgedessen wird er am Jahresende entsprechend entlohnt werden.
Nehmen wir nun jedoch an, ein Trader würde glauben das Modell in Übereinstimmung
mit der Marktmeinung sei mangelhaft, worauf er ein unterschiedliches, möglicherweise
besseres Modell, das in seinen Augen die Dynamik des Underlyings besser beschreibt
und daher bessere Möglichkeiten zur Absicherung bietet, annähme. Die vorgeschlagenen Absicherungen mögen durchaus besser sein, jedoch wird der Trader bemerken,
dass die Finanz- und Risikoabteilungen unterschiedliche Mengen an Hedginginstrumenten als risikoneutrale Absicherungen berechenen. Folglich wird er die Grenzen
gegen die absicherbaren Risiken stark auslasten, wenn nicht überschreiten.
Das Resultat darauffolgender Diskussionen mit den beiden Abteilungen ist in hohem
Maße vorhersehbar. Der Risikomanager und der Product Controller wwerden auf die
unmissverständliche Marktmeinung verweisen und erklären, dass sie zwar gerne von
der hohen Ausnutzung absähen, dies aber nicht können, und mit Bedauern die starke Ausreizung der Risikogrenzen bestätigen.
Die Konsequenzen einer hohen Nutzung der absicherbaren Risiken sind sehr ungemütlich. Dem unnachgiebigen Trader, der dennoch sein geeigneteres Modell anwenden wollte, würde es bestenfalls gelingen ein viel kleineres Portfolio zu erzeugen,
als jenes eines Traders, der das mit der Marktmeinung im Einklang stehende Modell
gewählt hätte. Der abweichende Trader würde daher weniger profitbringend sein
und bald der Kritik der Verkaufskraft ausgesetzt sein.
Auch bezüglich der Bewertung des Produktes kommt es zu einigen Problemen. Wenn
das unterschiedliche Modell dem komplexen Produkt einen höheren Wert zuschriebe,
köntte eine vorsichtige Finanzfunktion diesen zusätzlichen Wert nicht anerkennen,
welcher daher nicht zu den Gutschriften für den Verkauf des Produktes oder den Boni für die Trader beitragen könnte. Bestenfalls könnte der betroffene Trader darauf
hoffen den zusätzlichen Wert während der Laufzeit des Deals anzusammeln. Wenn
diese sich jedoch auf dreißig Jahre beläuft ist dies keine attraktive Position.
Wenn andererseits das geeignetere Modell konservativer wäre, würde der Trader
stets die wettbewerbkichen Bepreisungsrunden gegen die übereinstimmenden Banken verlieren. Selbst wenn er auf irgendeine Art den Handel gewinnen würde, so
würde der Trader einen geringeren Tag Eins Profit verbuchen als sein Kollege bei
einer konkurrierenden Bank. Somit wären die Erträge seines Portfolios niedriger und
die Kompensation am Jahresende dementsprechend geringer.
Die Ausnutzung der Grenzen für absicherbare Risiken und das Ausbleiben der An25
Derivatmodelle verstehen
Hanna Wutte
erkennung jeglicher zusätzlicher Erträge sind zwei der stärksten Abschreckungsfaktoren für einen Trader bezüglich seiner Modellwahl von der Marktmeinung abzuweichen. Dies würde in stetigen Diskussionen mit den Risikomanagement und Finanzabteilungen sowie in einem weniger umfangreichen Portfolio resultieren, was
wiederum dazu führen würde, dass der Trader als weniger ertragsbringend erachtet
wird. Daher sähe er keinen sofortigen Vorteil in einer adäquateren Modellwahl.
Nichtsdestotrotz könnte man dem entgegenbringen, dass die Möglichkeit, seine Position besser abzusichern und somit zukünftig davor gewahrt zu sein viel Geld zu
verlieren, als starker Anreiz fungieren könnte ein besseres Modell zu wählen. Dass
dem dennoch so ist liegt kurz gesagt daran, dass man die einzelnen Trader, die Langzeitprodukte aufnehmen, betrachten muss. Solange der Trader das marktkonforme
Modell verwendet ist es unwahrscheinlich, dass die größten Verluste zu gleichen
über die Laufzeit des Handels hinweg verteilt, sondern viel eher nahe der Maturität
konzentriert auftreten. Die individuellen Trader, durch deren Hand das Geschäft
ursprünglich zustandekam, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr für das
Portfolio verantwortlich, wenn sich die Verluste tatsächlich verwirklichen.
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Derivatmodelle verstehen
4
Hanna Wutte
Schlussfolgerungen
Nachdem im Zuge dieser Arbeit auf einige, für die Bildung eines Derivatmodells
erhebliche Faktoren eingegangen wurde, lassen sich nun die getroffenen Feststellungen darüber, welches Modell in dem jeweiligen institutionellen Umfeld langfristig
bestehen kann, zusammenfassen. Will man die ”evolutionäre Fitness” eines Modells
abschätzen, so ist es ratsam sich den Grad der evolutionären Fitness, der ausschlaggebend für den Erfolg der Beibehaltung des Modells ist, vor Augen zu halten. In dem
speziellen Fall eines Derivatmodells, hängt der Fortbestand eines solchen Modells,
wie sich leicht nachvollziehen lässt, davon ab, wie ertragbringend es für den Trader
ist.
Auch wenn dies nicht überraschend erscheint, so ist es umso verwunderlicher wie
erfolgreich (und auch langfristig) Geld verdient werden kann, selbst wenn ein offenkundig ”falsches” Modell angewandt wird. Allerdings ist dafür natürlich nicht jedes
beliebige realitätsferne Modell geeignet. Damit ein ”falsches” Modell seinen Zweck
erfüllen kann, müssen dessen Modellirrtümer von der preisbestimmenden Gemeinschaft geteilt werden. Die unterschiedlichen Mechanismen die in diesem Sinne eine
gewisse Modellgleichheit zu Lasten der Modellentwicklung fördern, wurden in dieser
Arbeit bereits besprochen. Außerdem wurde darauf eingegangen, dass es oftmals
kontraproduktiv für den unangepassten Trader oder Analysten sein kann, ein ”besseres” Modell zu erstellen. Einfacher Grund dafür ist die Tatsache dass ein solches
”besseres” Modell, wenn auch realitätsnäher, dennoch weniger ertragbringend ist.
Wie also kann man dieser Problematik entgegentreten? Diesbezüglich existieren diverse Lösungsvorschläge, die jedoch keinesfalls neue Erkenntnisse sind. Der Aufruf
nach besseren, nicht weniger Modellen zu streben, beispielsweise mag zwar ein solch
konstruktiver Ansatz zu sein, so war es dennoch bereits vor der Krise bekannt, dass
die angewandten Modelle ernste Mängel aufwiesen. Zudem waren unterschiedliche,
realitätsnähere Modelle bereits damals vorhanden.
In gleicher Weise sprechen zwar jene, die behaupten, man müsse den Gebrauch der
Modelle intelligenter und ”getreu den wissenschaftlichen Prinzipien” gestalten, wahre Worte, aber versäumen es auch zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass
in dem ordnungsgemäßen und bedachten Gebrauch jener Modelle Geschulte ihre errungenen Fähigkeiten beim Studium von Derivaten vergaßen.
Eine stets wiederkehrende Meinung diesbezüglich lautet, dass ein angebrachtes Modell einfach noch nicht existiert und man sich intensiver mit der Findung des optimalen Modells beschäftigen sollte. Dieser Standpunkt ist jedoch nicht ganz unproblematisch, da in der Forderung die implizite Annahme steckt, es gäbe für jedes
Produkt ein solches Modell, welches es in jedem Fall zu finden gilt. Wenn ein Händler
komplexer Derivate der Meinung wäre ein spezielles Produkt sei zu kompliziert um
es zu bepreisen bzw. abzusichern, und hätte die Gemeinschaft der Händler angesichts dessen zur klugen Zurückhaltung geraten, so hätte er es unterlassen können,
dieses Produkt zu handeln. Jedoch bietet der Druck von Seiten der wissenschaftlich
weniger versierten Abteilungen des Unternehmens kaum Raum für solche Ausfälle.
Diese Beobachtungen suggerieren, dass, wenngleich der Bedarf nach besseren Modellen besteht, diese Modellverbesserung jedoch nicht durch härtere Bemühungen bei
der Konstruktion erreicht werden können. Die Modelle, die von augebildeten Mathematikern und Physikern erstellt wurden, funktionierten durchaus, jedoch nur für
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den äußerst beschränkten, und für Außenstehende schwer nachvollziehbaren Zweck
zu dem sie geschaffen wurden: kurz- bis mittelfristig Geld zu erwirtschaften. Wenn
diese Modelle darauf ausgerichet worden wären längerfristig ertragreich zu sein, so
würden sie möglicherweise in engerer Verbindung zu der wirtschaftlichen Realität
stehen, neue Erkenntnisse liefern und sicherere Verwendungsmethoden liefern.
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Literatur
[1] Riccardo Rebonato How Derivatives and Risk Models Really Work: Sociological Pricing and the Role of Co-Ordination Oxford University, OCIAM;
Edinburgh University, School of Social and Political Studies; December 9, 2013
[2] Graham A. Rennison, Niels K. Pedersen The Volatility Risk Premium
http://www.pimco.com/en/insights/pages/the-volatility-risk-premium.aspx
[3] Duden Wirtschaft von A bis Z vollkommener Markt
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-derwirtschaft/21070/vollkommener-markt
[4] Jean
Folger
Options
Pricing:
Profit
and
Loss
Diagrams
http://www.investopedia.com/university/options-pricing/profit-lossdiagrams.asp
[5] John Summa, PhD Option Volatility: Strategies and Volatility
http://www.investopedia.com/university/optionvolatility/volatility5.asp
Abbildungsverzeichnis
1
drei stilisierte Ertragsprofile eines Handelsbereichs . . . . . . . . . . . 13
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