Vertrieben – deportiert – ermordet

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Vertrieben – deportiert – ermordet
Schicksalswege der Zevener und Bremervörder Juden in
der NS-Zeit
Vortrag von Klaus Volland am 19. Mai 2011 im Bachmann-Museum
in Bremervörde
Teil 1: Vertreibung
Abbildung 1: Doppelhochzeit Zeven
Ein Bild aus glücklichen Tagen, möchte man meinen. Es zeigt eine
Zevener Hochzeitsgesellschaft am 27. November 1936 anlässlich der
Eheschließung zweier Geschwisterpaare: Lina Wolff aus Zeven
heiratete Adolf Rosenthal aus Basbeck; Linas Bruder Max heiratete
Adolfs Schwester Frieda.
Die Eheleute waren wie die meisten Teilnehmer dieser
Hochzeitsgesellschaft Juden. Das bedeutete, dass sie wie alle Juden in
Deutschland seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in
zunehmendem Maße geächtet und gesellschaftlich ausgegrenzt
wurden. Durch die Nürnberger Gesetze verloren sie 1935 ihre
staatsbürgerlichen Rechte, die Eheschließung mit „Ariern“ war fortan
-1-
verboten. Von den Gästen der Zevener Doppelhochzeit wird jedoch
zum damaligen Zeitpunkt kaum jemand geahnt haben, dass ihm,
sofern er Jude war, binnen weniger Jahre entweder die Ausreise aus
Deutschland oder, wenn diese scheiterte, die grausame Deportation
und Vernichtung bevorstanden.
Abbildung 2: „Rassenschande“ in Cuxhaven 1933
Dieses weltbekannte Foto, das 1933 in Cuxhaven aufgenommen
wurde, zeigt einen jüdischen Geschäftsmann und Kinobesitzer,
öffentlich zur Schau gestellt mit seiner angeblichen „arischen
Mätresse“, und verdeutlicht beispielhaft den antisemitischen Terror
und die judenfeindliche Propaganda, die damals auch in unserer
Region die Köpfe der Menschen zu vergiften begann.
-2-
Abbildung 3: Ankunft deutscher Juden 1939 in den USA
Auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen
verließen bereits 1933 37 000 Juden das Dritte Reich, in den Jahren
1934 bis 1937 waren es durchschnittlich etwa 23 000.
Die Ausreise aus Deutschland wurde aus verschiedenen Gründen
erschwert. Obwohl die nationalsozialistischen Machthaber in den
dreißiger Jahren das Ziel verfolgten, die Juden ins Ausland zu treiben,
erschwerten sie deren Auswanderung, weil das Vermögen der
Flüchtenden weitgehend durch Sonderabgaben enteignet wurde. Je
später die Flucht stattfand, desto weniger konnten die Flüchtlinge von
ihrem Besitz retten. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden sie
schließlich mittellos über die Grenzen getrieben.
Neben dem grundlegenden Problem, die Flucht zu finanzieren,
standen die Juden vor der Situation, dass die wenigsten europäischen
Länder oder die USA auch nach der im Herbst 1938 dramatisch
zunehmenden Unterdrückung der Juden in Deutschland bereit waren,
Flüchtlinge aufzunehmen. Die meisten Länder hatten seit der
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Weltwirtschaftskrise die Einwanderungsbestimmungen verschärft.
Aufenthaltsgenehmigungen waren nicht mehr so leicht zu erhalten und
die Grenzkontrollen wurden verstärkt. Die USA hatte 1924
Einwandererquoten eingeführt. Juden durften in die USA nur im
Rahmen der allgemeinen deutschen Quote auswandern. Für die
Einreise in die Vereinigten Staaten gab es lange Wartelisten und sie
war an zahlreiche Bedingungen geknüpft, u.a. an das Vorliegen einer
Bürgschaftserklärung durch einen Freund oder Verwandten, das
sogenannte Affidavit. Die amerikanische Zeitschrift „Fortune“
veröffentlichte im Sommer 1939 eine Umfrage, nach der 83 Prozent
der US-Bürger die Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen aus
Deutschland ablehnten. Auch die einflussreichen zionistischen
Organisationen der amerikanischen Juden lehnten die Immigration
von Juden aus Deutschland ab und forderten deren Ansiedlung in
Palästina. Dort wiederum wurde die jüdische Zuwanderung von der
britischen Mandatsregierung durch bestimmte Kontingentierungen
und zahlreiche Einreisebeschränkungen erschwert.
1938 gelang es insgesamt etwa 40 000 Juden aus Deutschland
auszuwandern, den absoluten Höhepunkt erreichte die Emigration
1939 mit ca. 78 000 Personen, der Kriegsbeginn im September 1939
und das am 23. Oktober 1941 von Himmler verhängte endgültige
Ausreiseverbot ließen die Zahl der jüdischen Emigranten auf 15 000
(1940) und 8000 (1941) schrumpfen.
Trotz aller Hindernisse waren die Vereinigten Staaten das bevorzugte
Emigrationsziel der Bremervörder, aber auch der Zevener Juden. Die
ersten Juden aus unserer näheren Gegend, die keine Hoffnung mehr in
die Besserung der Verhältnisse in Deutschland setzten und
auswanderten, waren die Brüder Stephan Arno Leopold und Hans
Leopold aus Bremervörde, die 1934 mit 22 Jahren bzw. 1935 mit 19
Jahren in die USA emigrierten. In den Anfangsjahren des
Nationalsozialismus wanderten vor allem jüngere Juden aus
Deutschland ab, deren Perspektive die nationalsozialistische Politik
direkt einschränkte, sie waren flexibler und ungebundener und
konnten daher die Entscheidung zur Auswanderung leichter treffen.
Die Eltern der Brüder Leopold, Max und Bella Leopold, folgten ihnen
-4-
1939 nach der 1936 durch Boykottmaßnahmen erzwungenen
Aufgabe ihres angesehenen Manufakturwarengeschäfts in der Neuen
Straße und nach den Verfolgungsmaßnahmen während und nach der
Reichspogromnacht, gemeinsam mit ihrer 17-jährigen Tochter Erika
Leopold.
Wie Max Leopold wurden die jüdischen Kaufleute Julius Leeser,
Julius Adler und Siegfried Heyn aus Bremervörde und die jüdischen
Viehhändler Erich Neugarten, Bernhard Blumert und Albert
Rosenthal aus Zeven in der Reichspogromnacht verhaftet und einige
Wochen im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesperrt.
Julius Adler und seiner Frau Hulda, Siegfried Heyn und seiner Frau
Alice und Julius Leeser und seiner Frau Auguste gelang es wie dem
Ehepaar Leopold 1939 bzw. 1940 in die USA zu fliehen.
Günther Heyn, der 29-jährige Sohn von Siegfried Heyn, und die 22jährige Tochter Ilse Heyn emigrierten 1938 nach Amerika. Auch die
14-jährige Ursula Leeser (1939), der 23-jährige Walter Salomon
(1937) und seine Geschwister, die 18-jährige Gertrud und der 15jährige Hans-Heinrich Salomon (1939) gelangten von Hamburg aus
auf einem amerikanischen Passagierdampfer in die USA, wobei sie
jeweils allein unterwegs waren. Auch die Eltern Joseph und Emma
Salomon konnten sich 1939 dorthin retten. Der 35-jährige Sohn von
Julius und Hulda Adler, Albert Adler, versuchte ebenfalls in die USA
auszureisen. Er bekam jedoch keine Einreiseerlaubnis und wanderte
1939 nach Großbritannien aus, wo er nach Kriegsbeginn eine
Zeitlang interniert wurde. Albert Adler blieb dann in London.
Erich Neugarten, der mit seiner Familie inzwischen nach Bremen
gezogen war, kam Mitte 1940 von Southhampton aus mit der MS
„Pennland“ in die USA, nachdem er nach Kriegsbeginn zunächst wie
Albert Adler in England interniert worden war, wo er sich um ein
Visum für die USA bemüht hatte. Seine Frau Henny und die
beiden1931 bzw. 1932 geborenen Kinder Joachim und Susi-Renate
hatten das rettende Ufer der USA bereits im Dezember 1939 von
Genua aus mit dem Dampfer „Vulcania“ erreicht. In einem Aufsatz
mit dem Titel „Mein Abenteuer“ schrieb die Schülerin Susi Neugarten
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später über ihren traurigen Abschied von Zeven, die Zugfahrt über den
Brenner, die abwechslungsreiche Schiffspassage nach Amerika und
zuletzt über die Ankunft in der neuen Heimat. Hier erwähnt sie den
Bruder ihrer Mutter, Adolf Pollack, der die Überfahrt der gesamten
Familie nach New York bezahlt hat:
„Wir fuhren und fuhren, bis wir endlich Küstenvögel sahen, und wir
wussten, wir kamen an Land. Nicht nur an Land – wir kamen in ein
Land, in dem ich es kaum erwarten konnte, meine neue Tante zu
sehen. (…) Mein Onkel warf mit Mandarinen auf uns, die wir
auffangen sollten. Manche fingen wir und manche nicht. An diesem
Abend hatten wir viel Spaß.“
Abbildung 4: John Henry Salomon, Foto November 1997
Der Tag ihrer Ankunft im rettenden Land wurde von vielen jüdischen
Flüchtlingen als ihr persönlicher Gedenktag gefeiert. John Henry
Salomon, 1924 als Hans-Heinrich Salomon in Bremervörde geboren,
schrieb am 26. Januar 1993 aus Philadelphia an seine ehemalige
Bremervörder Klassenkameradin Charlotte Burczynski, mit der er bis
zuletzt treu verbunden blieb:
„Am 9. Februar feier ich 54 Jahre, dass ich hier in Amerika
angekommen bin. Ich war ganz allein. Meine Schwester kam im Mai
und meine Eltern im Juni (…)“
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Abbildung 5: John Henry Salomon, Brief vom 26. Januar 1993
-7-
In einem ebenfalls an Charlotte Burczynski gerichteten Brief vom 19.
Februar 1998 kam John Henry Salomon auf seinen Besuch in
Bremervörde auf Einladung der Stadt 1980 und auf ein
währenddessen stattfindendes Klassentreffen – eine „zusätzliche
Freude“ - zu sprechen. Zugleich erinnerte er in dem Brief an die
wirtschaftliche Ruinierung und an die Vertreibung seiner Familie aus
der Heimatstadt in der NS-Zeit:
„Es war gut, das Haus zu sehen, wo ich geboren wurde, und auch den
Hof, wo mein lieber Vater so viele Jahre schwer arbeitete. Aber es war
auch eine sehr schmerzvolle Erfahrung für mich; nicht so sehr für
mich selbst, weil wir zur damaligen Zeit (1938) Kinder waren, aber
für unsere Eltern, die in einem schrecklichen Zustand waren. Alles zu
verlieren war nicht leicht, aber in ihrem Alter in ein anderes Land
gehen zu müssen war noch schlimmer, obwohl wir unser Leben
retteten. Charlotte, ich bin nicht sicher, ob ich das noch einmal
durchstehen könnte.“
-8-
Abbildung 6: Brief von John Henry Salomon vom 19. 2. 1998
Abbildung 7: Klassenfoto 1934
Auf diesem Klassenfoto aus dem Jahre 1934 ist Hans-Heinrich
Salomon in der vorderen Reihe in markanter Position zu sehen. Der
begabte jüdische Schüler musste die Volksschule besuchen, der
Besuch der Mittelschule wurde ihm verwehrt.
-9-
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Am 14. April 1999 ging John Henry Salomon in einem weiteren Brief
an Charlotte Burczynski näher auf das Schicksal der Familie ein:
„Mein Vater war ein Viehhändler und Bauer und er besaß 62 Morgen
Land und ein Haus in Bremervörde (Flutstraße 71). 1938 nahmen uns
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die Nazis die Farm weg und gaben sie einem Treuhänder namens Herr
Seevogel. Er missmanagte die Farm über all die Jahre des Krieges und
als es dann zu Ende war, mussten wir die Farm verkaufen und wir
haben nicht einmal das bekommen, was sie wert war. (…) Mein Vater
musste das Haus in BRV verkaufen, damit wir die
Einwanderungssteuer bezahlen konnten, oder wir könnten das Land
nicht verlassen und die Alternative war das KZ. (…) Die 2 Schwestern
meines Vaters starben im KZ.“
Abbildung 9: Zuflucht in Shanghai
Die einzige Möglichkeit für die in Deutschland geächteten und
verfolgten Juden, ohne Auflagen, d.h. ohne Visum, außer Reichweite
des Naziterrors zu gelangen, war die beschwerliche und wochenlange
Schiffspassage von Triest oder Genua aus nach Shanghai. Diesen
Fluchtweg nach China wählten etwa 20 000 Juden. Zielort war der
heruntergekommene Shanghaier Bezirk Hongkou innerhalb des
exterritorialen „International Settlements“. Unter den Ankömmlingen
befand sich auch das Ehepaar Otto und Elfriede Spiegel, das seit 1934
bei der Familie Holst in der Bergstraße in Bremervörde gelebt hatte.
Annedore Altenberend, die Tochter des Hauses, erzählt, dass ihr
- 11 -
Elfriede Spiegel damals auf ihrem Klavier Unterricht erteilte. Das
Klavier verkaufte das Ehepaar Spiegel schließlich notgedrungen an
die Familie Holst, um die Passage nach Shanghai bezahlen zu
können.
Abbildungen 10a und b: Familie Max Wolff und Familie
Blumert
Max Wolff und seine Frau Frieda, die im November 1936 in Zeven
geheiratet hatten, entschlossen sich 1938, Deutschland mit ihrem
1937 geborenen Sohn Henry Simon zu verlassen, und es gelang ihnen
wie auch dem Bruder Joseph Wolff, ein Einreisevisum für Kolumbien
zu erhalten. Max Wolff hatte 1937 seine Erlaubnis, Viehhandel zu
betreiben, verloren und musste wie sein Bruder als Holzfäller arbeiten.
Auf den Straßen Zevens wurde er als Jude bespuckt. Ähnlich erging es
- 12 -
in dieser Zeit seinem Schwiegervater, dem Viehhändler Karl
Rosenthal, dem Ehemann von Henriette Leeser aus Bremervörde, und
seinem Schwager Adolf Rosenthal, dem Ehemann seiner Schwester
Lina Wolff. Beide mussten zu dieser Zeit schwere Arbeit in der
Ziegelei in Hemmoor leisten und wurden im Ort immer wieder als
„dreckige Juden“ beschimpft.
1940 und 1944 wurden Max und Frieda Wolffs Töchter Carla und
Selma im kolumbianischen Buga geboren. Das Ehepaar eröffnete
später im nahe gelegenen Cali einen Handel mit Geflügel und Fleisch.
Da Frieda Wolff die Hitze Kolumbiens nicht länger ertrug, kehrte die
Familie Max Wolff 1959 mit Hilfe einer Entschädigungszahlung der
Bundesrepublik Deutschland nach Zeven zurück. Der Bruder Joseph
tat dies 1971 ebenfalls und ging zwei Jahre später nach Berlin. Henry
Simon Wolff wurde im letzten Jahr auf dem jüdischen Friedhof in der
Ahe in Zeven beerdigt. Carla Wolff, die später Günther Lucka
heiratete, lebt nach wie vor in Zeven und ist heute Abend bei diesem
Vortrag zu Gast. (Bitte, sich zu zeigen).
Auch Friedrich Wolff, einem Bruder von Max und Joseph, gelang es,
nach Südamerika zu emigrieren. Er ging nach Chile und lebte in der
Hauptstadt Santiago. Seine Frau Emmy und die beiden 1929 und 1930
geborenen Söhne Kurt Siegmund und Günther Simon blieben
unglücklicherweise in Deutschland zurück.
In Südamerika geblieben ist die Cousine von Carla Wolff, Rosa
Blumert (auf dem Foto rechts), die Zeven 1939 verließ und über
England nach Kolumbien emigrierte. Im September 1948 heiratete sie
in Bogotá Walter Buchheim, einen jüdischen Emigranten aus Wohra
in Hessen, wie eine Anzeige in der New Yorker jüdischen Zeitung
„Aufbau“ mitteilte. Gründe, nach Deutschland zurückzukehren, hatte
sie kaum: Ihre Eltern und ihre Geschwister waren tot, nur ihr Bruder
Werner hatte die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus krank
und traumatisiert überlebt.
Die Ausreisebemühungen des Ehepaars Albert und Ida Rosenthal und
der Familie Bernhard, Selma, Werner und Fritz Blumert, die vor ihrer
Deportation von Zeven nach Bremen gezogen waren, waren wie die
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vieler anderer Juden, die die erforderlichen Mittel zur Ausreise nicht
aufbringen konnten, vergeblich gewesen.
Teil 2: Deportation und Ermordung
Abbildung 11: Deportationen 1941 (Gilbert)
Die Entrechtung der in Deutschland verbliebenen Juden wurde nach
dem Beginn des Zweiten Weltkriegs vorangetrieben und radikalisierte
sich nach dem Überfall auf die Sowjetunion mit der systematischen
Vernichtung zunächst der einheimischen Juden in den von
Deutschland im Osten besetzten Gebieten; seit November 1941 wurde
dort auch die Ghettoisierung und schließlich die direkte
zielgerichtete Vernichtung der deutschen und später aller greifbaren
Juden aus dem Westen Europas betrieben.
- 14 -
Minsk
Abbildung 12: Gedenktafel am Bremer Hauptbahnhof zur
Erinnerung an die Deportation der Juden von Bremen nach
Minsk
Der Großteil der aus dem Elbe-Weser-Dreieck stammenden
ermordeten Juden kam im weißrussischen Minsk im Ghetto bzw. auf
der Hinrichtungsstätte im Wald von Blagowschtschina in der Nähe des
als Lager eingerichteten Gutes Maly Trostenez ums Leben. Auf den
„Schicksalweg“ der Juden nach Minsk möchte ich deshalb in diesem
Vortrag ausführlicher eingehen.
Am 17. November 1941 wurden zahlreiche Juden aus dem
Regierungsbezirk Stade in eine Schule in der Nähe des Bremer
Bahnhofs gebracht, die als Sammelstelle diente. Am 18. November
gingen sie zusammen mit Bremer Juden auf den Transport nach
Minsk, insgesamt um 500 Personen, zu denen in Hamburg ca. 500
weitere Juden stießen. Sie alle werden zum angeblichen Arbeitseinsatz
in den Ostgebieten abgeordnet – auch Frauen, Kleinkinder und Alte,
die 66-jährige Henriette Rosenthal aus Basbeck, in Bremervörde als
Henriette Leeser geboren, ebenso wie der 4-jährige Manfred Samson
aus Zeven. Vor der Deportation wurden ihre Bankkonten aufgelöst,
und sie hatten die folgende Erklärung zu unterschreiben:
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„Ich, der unterzeichnende Jude, bestätige hiermit, ein Feind der
deutschen Regierung zu sein und kein Anrecht auf das von mir
zurückgelassene Eigentum, auf Möbel, Wertgegenstände, Konten oder
Bargeld zu haben. Meine deutsche Staatsbürgerschaft ist hiermit
aufgehoben, und ich bin vom 17. November an staatenlos.“
Für die 5-jährige Ilse Neugarten aus Zeven, die zuvor in Oldenburg
und zuletzt in Bremen gelebt hatte, unterschrieb ihre Mutter Melitta.
Auch der zuvor getrennt von Frau und Kind lebende Siegfried
Neugarten gehörte höchstwahrscheinlich dem Transport nach Minsk
an – sein Konto bei der Sparkasse Zeven wurde unmittelbar vor dem
Abgang des Transports gelöscht, und ein deutscher Soldat aus Zeven
will ihn später in Minsk gesehen haben. Außer den genannten
Angehörigen der Familien Rosenthal und Neugarten befanden sich in
dem Transport nach Minsk der Bremervörder Joseph Nathan und aus
Zeven Albert und Ida Rosenthal, Hermann Samson mit seiner Frau
Frieda, der 8-jährigen Tochter Henriette und dem 4-jährigen Sohn
Manfred, das Ehepaar Bernhard und Selma Blumert mit den 11 und 18
Jahre alten Söhnen Fritz und Werner sowie Emmy Wolff mit ihren
Söhnen, dem 11-jährigen Günther Simon und dem 12-jährigen Kurt
Siegmund sowie aller Wahrscheinlichkeit nach auch Hermann und
Hermine Lazarus, für die im Gedenkbuch des Bundesarchivs „Opfer
der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945“ der 17. November
1941 als Tag der Deportation genannt wird. Die beiden ehemaligen
Viehhändler Samson und Lazarus hatten 1940 noch schwere Arbeit im
Torfwerk Oldendorf bei Zeven verrichten müssen. Auf dem
Gedenkstein des jüdischen Friedhofs in der Ahe ist auch der Name
von Berta Simon zu lesen: Sie wurde in Zeven als Berta Samson
geboren und lebte später in Ritterhude. Auch sie ging zusammen mit
ihrem Mann, dem Schlachter Jacob Simon und ihrem Sohn Norbert
am 18. November 1941vom Lloydbahnhof in Bremen auf die Reise
nach Minsk. Der in der Nähe von Eger geborene Kaufmann Emil
Stern, der mit Gelly, einer Schwester von Max Wolff verheiratet
gewesen war und vorübergehend in Zeven gelebt hatte, befand sich
nach Auskunft des Gedenkbuchs des Bundesarchivs nicht in dem Zug
von Bremen nach Minsk, sondern wurde Ende Juli 1942 von
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Theresienstadt aus zu dem Vernichtungsplatz Maly Trostinez bei
Minsk deportiert.
Abbildung 13: Der Ort des Todes bei Minsk
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Zwischen November 1941 und Oktober 1942 wurden insgesamt
35442 Juden aus Deutschland und dem Protektorat Böhmen und
Mähren nach Minsk deportiert. Im November 1941 trafen die ersten
Transporte mit Juden aus Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin,
Brünn, Bremen und Wien in Minsk ein. Diese Juden wurden in einem
gesonderten Ghettobezirk neben dem russischen Hauptghetto
untergebracht. Das Sonderghetto war in fünf Teile gegliedert,
entsprechend der regionalen Herkunft der Insassen: Hamburg, Berlin,
Rheinland, Bremen und Wien.
Der Berliner Dr. Karl Loewenstein, der Seeoffizier und Adjutant des
deutschen Kronprinzen gewesen war und im deutschen Ghetto in
Minsk zum Leiter einer Ordner-Wache bestellt wurde, war einer der
wenigen Überlebenden von Minsk. Er berichtete nach dem Krieg über
das Leben im deutschen Sonderghetto:
„Die Minsker Vorstadt bestand zum größten Teil aus HolzReihenhäusern.“ (In diese Holzhäuser oder auch in einstöckige kleine
Steinhäuser wurden die Ankömmlinge so eingepfercht, dass auf jeden
Bewohner 1,4 Quadratmeter entfielen.) „Die Menschen lagen bei der
strengen Kälte Körper an Körper, um sich gegenseitig zu wärmen. Da
Licht nicht vorhanden war, legten sich die Bewohner schon vor vier
Uhr nachmittags nieder. (…) Betten gab es natürlich nicht, geschlafen
wurde auf dem Fußboden. (…)
Für das gesamte Lager waren bis zum April 1942 im Hamburger
Lager nur zwei Küchen vorhanden, von wo sich die anderen (…) die
„Suppe“ holten. Das Kochen dieser Suppen stieß insofern auf
Schwierigkeiten, als für 7300 Personen nur zwei Waschkessel zur
Verfügung standen. Es gab mittags pro Kopf 300 Gramm Wasser, in
dem fünf Gramm Buchweizen pro Person gekocht wurden. Fett gab es
nicht, Salz monatelang nicht. Als weitere Nahrung erhielten wir
täglich 150 Gramm Brot. Dieses Brot war aus Buchweizenmehl
gebacken und schmeckte scheußlich; und doch – wie hungerten wir
danach, während die Pferde es ablehnten. Oft, nur zu oft kam es vor,
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dass die SS, die das Brot anfuhr, es uns unterschlug, um es später
gegen Armbanduhren, Broschen, Ringe, Wäsche und Geld zu
tauschen. Kaffee oder Tee gab es nicht. Leider wurde das Brot nicht
nur von der SS gestohlen; auch Funktionäre, also Leidensgenossen,
beschritten diesen traurigen Weg, um sich an der Not der eigenen
Gefährten zu bereichern. Kein Wunder, dass in wenigen Wochen 700
Menschen an Entkräftung und der Lagerkrankheit, so nannten wir den
Durchfall – starben. Der ungeheure Wärmeverlust durch den Mangel
an Fett und die strenge Kälte des Winters 1941/42 trugen dazu bei, die
Menschen ihrer Widerstandskraft zu berauben. Hinzu kamen die
seelischen Leiden.“
Auch über die Arbeitstätigkeit der Insassen des deutschen
Sonderghettos, die eingeteilt in Kommandos zur Arbeit abgeholt
wurden, erstattete Dr. Loewenstein Bericht:
„Von den 7300 Lagerinsassen waren 1.425 zur Arbeit eingesetzt; für
die übrigen war keine Arbeit vorhanden. Etwa 300 waren in den
Lazaretten beschäftigt, wo sie Zimmer und Gänge zu säubern hatten
und andere Arbeiten, wie Wäschewaschen, Holzzerkleinern und
Kartoffelschälen, verrichten mussten. Andere Frauen arbeiteten in den
Kasernen, wo sie es relativ gut hatten. Im Materiallager der Luftwaffe
waren etwa 150 Frauen beschäftigt, in der Schusterwerkstatt etwa 100.
Am schwersten hatten es diejenigen, die Schienen umlegen mussten.
Teilweise erhielten die Beschäftigten gutes Essen, besonders im
Proviantlager, wo ein kleines Kommando tätig war. Bei manchen
Privatfirmen war das Essen sehr schlecht, weil die Vorarbeiter das für
diesen Zweck zur Verfügung stehende Geld vertranken.“
Von den 7300 von Loewenstein genannten deutschen Juden lebten im
Juli 1942 noch etwa 6100. 3500 von ihnen wurden Ende Juli 1942
entweder im Ghetto Minsk selbst oder im Wald von Blagowtschina bei
der ehemaligen Kolchose Maly Trostenez, zwölf Kilometer
südwestlich von Minsk, liquidiert. Vom 28. bis zum 31. Juli 1942 ließ
der Befehlshaber (Kommandeur) der Sicherheitspolizei Dr. Eduard
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Strauch etwa die Hälfte der verbliebenen Einwohner des Ghettos von
Minsk, 19000 Juden, massakrieren, mehr als die Hälfte an den ersten
beiden Tagen. In einem Geheimbrief vom 31. Juli 1942 berichtete
Hinrich Lohse, der höchste Verwaltungschef im Reichskommissariat
Ostland:
„In Minsk-Stadt sind am 28. und 29. Juli rund 10000 Juden liquidiert
worden, davon 6500 russische Juden – überwiegend Alte, Frauen und
Kinder – der Rest bestand aus nichteinsatzfähigen Juden, die
überwiegend aus Wien, Bremen und Berlin im November l. J. nach
Minsk auf Befehl des Führers geschickt worden sind. (…) In Minsk
sind 2600 Juden aus Deutschland übrig geblieben.“
Was in diesen Tagen im Juli 1942 geschah, gehört zum
Entsetzlichsten, was man sich vorstellen kann. Schon im Ghetto
spielte sich ein grausiges Gemetzel der deutschen Mörder unter den
Juden ab, das Wassili Grossman und Ilja Ehrenburg in ihrem
Schwarzbuch über den Genozid an den sowjetischen Juden
dokumentieren. Ich beschränke mich hier auf die Wiedergabe der
Geschehnisse im Wald von Blagowschtschina, die entsetzlich genug
waren und zitiere die präzise und eindrückliche Darstellung von Jens
Hoffmann:
„Vor den Exekutionen mussten einige Männer, bei denen es sich
wahrscheinlich um sowjetische Kriegsgefangene handelte, Gruben auf
der Lichtung ausheben. Die zur Exekution nach Trostenez geschafften
Menschen wurden auf Lastwagen in den Wald gefahren, wobei die
deutschen Täter darauf achteten, dass nicht mehrere Wagen
gleichzeitig am Tatort eintrafen. Einige Posten trieben die Menschen
von der Ladefläche, eine andere Gruppe führte sie zu den Gruben, wo
sie gezwungen wurden, ihre Habe und Kleidung abzulegen und sich
entlang des Grubenrands aufzustellen. Jeweils bis zu 20 Schützen
ermordeten die Menschen durch Pistolenschüsse ins Genick, Verletzte
wurden mit weiteren Schüssen aus Pistolen oder Maschinenpistolen
getötet. (…)Während der Exekutionen standen Munitionskisten,
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Essen und alkoholische Getränke bereit. Um die Schüsse zu übertönen
und die Täter zu unterhalten, spielte einer der Deutschen Platten mit
Schlagern der Saison. (…) Nach dem letzten Schuss des Tages
schaltete der Mann am Lautsprecherwagen den Plattenspieler aus. War
eine Grube nach Ansicht der Täter voll, wurde Löschkalk auf die
Leichen gestreut und die Grube mit Erde zugeschaufelt. Die am Tatort
zurückgebliebene Habe und Kleidung der Ermordeten fuhren die
Deutschen in das Lager Trostenez, wo sie von Häftlingen gereinigt
und zur weiteren Verwendung sortiert wurde.“
Weitere „Aktionen“, bei denen die deutschen Juden aus dem Ghetto
Minsk umgebracht wurden, fanden am 8. März 1943 und zuletzt im
Herbst 1943 statt. Unter den wenigen, die in Minsk überlebten, war
Werner Blumert aus Zeven, auf dessen Arbeitskraft die Mörder bis
zuletzt nicht verzichten wollten. Werner Blumert berichtete nach dem
Krieg, er sei im September 1943 von seinen Eltern Bernhard und
Selma Blumert getrennt und zur Zwangsarbeit nach Polen geschickt
worden. Werner Blumert überlebte zuletzt auch das
Konzentrationslager Dachau, wo er am 13. Mai 1945 nach der
Befreiung entlassen wurde. Er kehrte in seine Heimatstadt Zeven
zurück und gründete dort später ein Taxiunternehmen. Für seinen
kleinen Bruder Fritz und seine Eltern Bernhard und Selma Blumert
werden im Gedenkbuch des Bundesarchivs als Todestag der 28. Juli
1942 und als Todesort das Ghetto Minsk genannt.
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Riga
Abbildung 14: Henriette Blau mit Bernhard Blau, Julius, Hulda
und Albert Adler
Die deutschen Juden, die in den Osten deportiert wurden, wussten in
der in der Regel nicht, was ihnen bevorstand bzw. sie wollten es nicht
wahrhaben. Das galt auch für die damals 62-jährige Henriette Blau.
Am 11. Dezember 1941 wurde die aus Bremervörde stammende und
in Hannover lebende ehemalige Prokuristin Henriette Blau in eine
Sammelstelle in der Israelitischen Gartenbauschule Ahlem gebracht
und am 15. Dezember zusammen mit 1000 weiteren Juden vom
Bahnhof Hannover-Linden aus in das Ghetto Riga deportiert. Ihre
inzwischen in den USA lebende Schwester Hulda und deren Mann
Julius Adler waren finanziell nicht in der Lage gewesen, für ihre
Überfahrt und ihren Lebensunterhalt in den Staaten zu bürgen. In
einem Abschiedsbrief vom 10. Dezember an die Ehefrau ihres Neffen
Albert Adler schrieb sie:
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„Wann es von A. fortgeht, wissen wir nicht. (...) Meine
Gemütsverfassung ist (auch) nicht gerade die beste, aber ich behalte
den Kopf hoch, es nützt nichts.“
Abbildung 15: Brief Henriette Blau vom 10. 12. 1941
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Im 18. Dezember 1941 traf der Hannoveraner Transport in Riga ein.
In der Nähe der lettischen Hauptstadt hatte die Einsatzgruppe A von
SS und Sicherheitspolizei auf einen Befehl Himmlers vom 12.
November hin bis Anfang Dezember 27 000 im Ghetto konzentrierte
einheimische Juden liquidiert. So war Platz für die Einrichtung des
„Reichsjudenghettos“ Riga, in dem bis zum Frühjahr 1942 16 000
deutsche Juden aus dem Reich eingesperrt wurden. Die meisten von
ihnen wurden bei verschiedenen sogenannten „Aktionen“ ermordet.
Von Henriette Blau gab es kein Lebenszeichen mehr. Eventuell ist sie
bereits während des bei eisiger Kälte durchgeführten Bahntransports
nach Riga gestorben.
Theresienstadt – Treblinka – Auschwitz - Dachau
Abbildung 16: Gilbert 192, „Fabrikaktion“ 1943
Die ehemalige Garnisonsstadt Theresienstadt, 60 Kilometer nördlich
von Prag gelegen, wurde im November 1941 zunächst als Ghetto für
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die Juden im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren genutzt, ab Juli
1942 diente der ehemalige Festungsort auch als sogenanntes
„privilegiertes Altersghetto“ für deutsche und österreichische Juden.
Nach Theresienstadt wurden u. a. die folgenden Jüdinnen und Juden
aus der Elbe-Weser-Region deportiert: Adele Leeser und ihre
Schwägerin Merri Leeser aus Bremervörde, die zuvor in einem
jüdischen Altersheim in Bremen gelebt hatten, die Schwestern
Rebecka und Sophie Salomon, verheiratete Lichtenstein bzw. Struck,
beide ebenfalls aus Bremervörde stammend, das Ehepaar Max und
Paula Solmitz, die lange Jahre in Bremervörde gelebt hatten, und
schließlich Berta Freudenthal aus Badenstedt bei Zeven, die sich von
ihrem „arischen“ Mann scheiden lassen musste, zusammen mit ihrem
14-jährigen Sohn Paul Dieroff. Adele und Merri Leeser wurden am
23. Juli 1942 zunächst in einem Transport von 164 Bremer Jüdinnen
und Juden zur Sammelstelle Hannover-Ahlem gebracht und am
nächsten Tag vom Bahnhof Linden aus in einem Viehwaggon nach
Theresienstadt weitertransportiert. Rebecka Lichtenstein wurde am 19.
Juli 1942 aus Hamburg, ihre Schwester Sophie, die zuvor in Frankfurt
an der Oder gelebt hatte, am 17. August aus Berlin nach
Theresienstadt deportiert. Das Ehepaar Solmitz wurde am 29. Juli
1942 von Dortmund aus nach Thersienstadt abtransportiert. Paul
Dieroff befand sich zusammen mit seiner Mutter Berta Freudenthal in
dem Transport, der am 5. Mai 1943 vom Hannoverschen Bahnhof in
Hamburg nach Theresienstadt abfuhr.
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Abbildungen 17a und b: Theresienstadt
Obwohl die Nazis das Ghetto Theresienstadt gegenüber der
Weltöffentlichkeit als Musterghetto darzustellen versuchten, war es
offensichtlich, dass auch in diesem Lager eine unerträgliche,
Ansteckungen unvermeidlich machende Überfüllung und Enge
herrschten. Die durchschnittliche Wohnfläche für die 58 491
Häftlinge, die sich im September 1942 im Ghetto Theresienstadt
befanden, betrug 1, 65 Quadratmeter. Merri Leeser starb hier bereits
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am 6. September 1942, Max Solmitz am 20. März und Sophie Struck
am 2. November 1943.
Adele Leeser wurde in der Zeit der größten Überfüllung des Lagers
am 29. September 1942 von Theresienstadt in das Vernichtungslager
Treblinka abtransportiert. Dort wurden nach dem Zeugnis des
Überlebenden Richard Glasar alle alten und gebrechlichen Leute und
Frauen mit kleinen Kindern nicht in den Gaskammern, sondern gleich
nach der Ankunft des Zuges im sogenannten Lazarett durch einen
Genickschuss umgebracht.
Abbildungen 18 a, b, c und d: Rampe Auschwitz
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Rebecka Lichtenstein wurde am 18. Dezember 1943, Paula Solmitz
am 15. Mai 1944 nach Auschwitz weitertransportiert und kurz nach
der Ankunft an der Rampe zur Vergasung aussortiert. Der damals 68jährige ehemalige Bremervörder Bernhard Blau, der Bruder von
Henriette Blau, der in Magdeburg lebte, wurde an einem nicht
bekannten Tag direkt nach Auschwitz deportiert und starb dort am 27.
April 1943. Der junge Paul Dieroff überlebte auch das KZ Auschwitz,
in das er am 19. Oktober 1944 transportiert worden war, und starb am
15. Dezember 1944 mit 16 Jahren im Außenlager Kaufering des KZ
Dachau.
Abbildung 19: Paul Dieroff mit seiner Hamburger Schulklasse,
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1941
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Ein Täter
Abbildung 20: Eduard Strauch
Einer der Hauptverantwortlichen für den Massenmord am
Vernichtungsort Minsk war Eduard Strauch. Der 1906 in Essen
geborene Strauch, Sohn eines Fabrikvorarbeiters, studierte zunächst
Theologie, dann Jura. Bereits 1931 trat er in die NSDAP ein und
wurde Mitglied der SS. Ab 1934 arbeite er für den Sicherheitsdienst
(SD) der SS. Als Kommandeur einer Einheit der Einsatzgruppe A tat
er sich bei der Ermordung von über 10 000 Juden in Riga hervor und
wurde daraufhin am 30. November 1941 zum Kommandeur der
Sicherheitspolizei und des SD in Weißruthenien mit Sitz in Minsk
ernannt.1944 bekleidete Dr. Eduard Strauch die gleiche Position in
Wallonien. Nach dem Krieg wurde Strauch im Nürnberger
Einsatzgruppen-Prozess zum Tode verurteilt. Nach der Auslieferung an
Belgien wurde er dort vor ein Militärgericht gestellt und ein weiteres Mal
zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde jedoch wegen angeblicher
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Geisteskrankheit nicht vollstreckt. Am 15. September 1955 starb
Strauch in einem Krankenhaus in Uccle (Belgien).
Teil 3: Gedenken
Am 15. Februar 1946 veröffentlichte Erich Neugarten diese
Gedenkanzeige für die Mitglieder der Familie Neugarten, die, wie es
heißt, „dem Naziterror zum Opfer gefallen sind.“
„Wer unser engverbundenes, liebes Familienverhältnis kannte, weiß,
was wir verloren haben und wird unseren großen Schmerz verstehen.“
Abbildung 21: Traueranzeige der Familie Neugarten im New
Yorker „Aufbau“ vom15. 2. 1946
Abbil
dung
22:
Gede
nkstei
n für die ermordeten Zevener Juden auf dem Friedhof in der Ahe
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(Vorlesen der auf dem Gedenkstein genannten Namen)
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Abbildung 23: Gedenktafel für die Juden am Bremervörder Rathaus
Von diesen 41 Bremervörder jüdischen Opfern der Nazi-Diktatur
verloren zehn durch den Holocaust ihr Leben:
Bernhard Blau, Henriette Blau, Adele Leeser, Henriette Leeser,
verheiratete Rosenthal, Merri Leeser, Joseph Nathan, Rebecka
Salomon, verheiratet Lichtenstein, Sophie Salomon, verheiratete
Struck, Max Solmitz, Paula Solmitz.
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Abbildung 24: Treblinka (Aufnahme der sowjetischen Befreier)
Zum Abschluss meines Vortrags möchte ich Ihnen ein Zitat aus dem
Artikel „Die Hölle von Treblinka“ vorlesen, den der russisch-jüdische
Dichter Wassili Grossman 1946 geschrieben hat:
„Auf diese Kiefern hier, auf diesen Sand, auf diesen alten
Baumstumpf blickten Millionen von Menschenaugen aus den langsam
sich dem Bahnsteig nähernden Waggons… Der Klang der fallenden
Samen, das Geräusch der sich öffnenden Schoten verschmilzt zu einer
unausgesetzten traurigen und leisen Melodie…Es ist, als bliebe einem
gleich das Herz stehen, von einer solchen Trauer, einem solchen
Kummer zusammengekrampft, dass ein Mensch es nicht zu ertragen
vermag.“
Ich danke Ihnen.
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Während der Diskussion: Abbildung 25 = 1: Zevener Hochzeit
Quellen und Literatur
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