Unbekanntes irdisches Leben

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MEINUNG
S a m s t a g , 4 . D e z e m b e r 2 0 1 0 – N r. 0
Leitartikel
Es geht nur mit dem Euro
Warum Deutschland die Europäische Union braucht
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Von DETLEF DREWES
red.politik@ mainpost.de
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D
er Euro ist nicht
am Ende. Die
Krise hat der Gemeinschaftswährung bisher sogar erstaunlich
wenig anhaben können. Stattdessen
haben die Turbulenzen unbarmherzig alle Schwächen
und Defizite dieser Union entlarvt.
Aus vielen guten und manchen vorgeschobenen Gründen bastelte
Europa sich eine Währungsgemeinschaft, ohne die politischen Strukturen dafür zu schaffen. Eine Währung, 16 Regierungen, 16 Wirtschaftspolitiken – das hätte sogar
gutgehen können. Wenn man mit
dem Versprechen ernst gemacht
hätte, nicht derart schamlos über
seine Verhältnisse zu leben. Und
damit sind keineswegs nur die anderen gemeint. Beim Schönen von
Zahlen und dem Erfinden von Entschuldigungen waren deutsche und
französische Politiker kreativ beteiligt.
Doch die Hoffnung, man käme
schon mit einem blauen Auge davon, war immer naiv. Die Krise hat
alle Sünden der Vergangenheit an
die Oberfläche gespült: die fehlende
Einsicht der Nationalstaaten in die
Notwendigkeit dieser Union. Und
die mangelnde Konsequenz dieser
Gemeinschaft, sich selbst zu korrigieren und Sanktionen zu verhängen. Nun steht man vor der Frage,
ob man tatsächlich noch mehr souveräne Hoheiten an die Zentrale in
Brüssel abtreten soll. Die Antwort
mag vielen nicht schmecken, aber
sie ist die einzige Lösung: Ohne
Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen sowie der Etatgestaltung ist keine Lösung in Sicht.
Trotz aller Grenzen, die die nationalen Verfassungen setzen, liegt
hier die eigentliche Chance dieser
Krise. Der Auftrag der Gründerväter,
Frieden durch Wohlstand für alle zu
schaffen, ist nicht abgehakt. Er
muss übersetzt und in eine Zeit
neuer Herausforderungen transformiert werden, in der sich Gewichte
verschieben und andere Machtzentren entstehen. Die Sicherheitsarchitektur von morgen hat starke
ökonomische Züge. Europas Schwäche war immer seine Uneinigkeit
und Zersplitterung. Die Vision der
EU bestand darin, diese zu überwinden. Es ist ein Auftrag, der fortbesteht und dem alle gerecht werden müssen. Dabei geht der Lissabonner Vertrag nicht über ein Regelwerk hinaus, weil man nicht mutig
genug war, den Menschen zu sagen,
dass Europa keine Alternative zum
Zusammenschluss hat, wenn man
in der globalisierten Welt nicht
untergehen will. Dieses Defizit tritt
nun offen zutage. Die Mitglieder
dieser Gemeinschaft gebärden sich
als national orientierte Einzelkämpfer, sie behandeln den Euro nicht
als Gemeinschaftsgut, sondern wie
eine eigene Währung – ohne Rücksicht auf andere. Und sie entdecken
die Solidarität offenbar erst in der
gegenseitigen Rettung wieder.
Die Chance besteht darin, die
bindende Wirkung der gemeinsamen Währung aufleben zu lassen,
um Europa von seinem Nationalismus und Protektionismus wieder
abzubringen. Dabei geht es nicht
um eine sozialistisch anmutende
zentrale Lenkung der Mitgliedstaaten, wohl aber um eine Abstimmung der ökonomischen Faktoren.
Das mag man Wirtschaftsregierung
oder anders nennen. Entscheidend
ist nur die Wiederentdeckung der
gemeinsamen Stärke genau in dem
Augenblick, in dem die Schwächen
der Einzelnen deutlich zutage treten. Daher hat es keinen Sinn, sich
in Untergangsszenarien zu übertreffen oder über das Ende des Euro
oder der EU zu philosophieren. Wir
brauchen beide. Und von beiden
mehr. Nicht weniger. Sogar aus
deutscher Sicht. Denn unsere Stärke
haben wir nicht trotz EU, sondern
Zitat des Tages
........................
„ Warme Worte
und
kalte Taten.“
Hubertus Heil (SPD) über
das Von-der-Leyen-Prinzip
........................
Hubertus Heil
FOTO: DDP
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ZEICHNUNG: HARM BENGEN
Unbekanntes irdisches Leben
US-Forscher entdecken Arsen fressende Bakterien in einem Salzsee in Kalifornien
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Das Gespräch führte
CHRISTINE JESKE
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Es gibt Bakterien, die Arsen fressen und in ihr
Erbgut einbauen können. Diese Lebensform
dürfte es eigentlich auf der Erde gar nicht geben.
Jetzt wurde sie von US-Wissenschaftlern im
Mono Lake, einem salzhaltigen, stark alkalischen See mit hohem Arsengehalt in Kalifornien
entdeckt. Die Fachwelt spricht von einer Sensation, die biologische Erkenntnisse auf den Kopf
stellt. „ Es handelt sich um irdisches Leben, aber
nicht um Leben, wie wir es bisher kennen“ , sagte die Astrobiologin Mary Voytek von der USWeltraumbehörde NASA in Washington. Auch
die Professorin Ute Hentschel-Humeida, Mikrobiologin am Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften an der Universität Würzburg,
bezeichnet die Entdeckung des Bakteriums mit
dem Namen GFAJ-1 als spektakulär.
FRAGE: Was ist so neu und spektakulär an dem Bak-
terium?
UTE HENTSCHEL-HUMEIDA: Jede Lebensform auf
unserer Erde, egal ob die Bakterien in der Tiefsee,
die Tiere auf der Weide und auch jeder Mensch,
besteht normalerweise aus sechs Elementen:
Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff,
Schwefel und Phosphor. Das Bakterium, das
jetzt im US-Staat Kalifornien entdeckt wurde,
kann erstmalig Phosphor durch Arsen ersetzen
und für den eigenen Stoffwechsel verwenden.
Arsen ist bekanntlich ein hochtoxisches Gift.
Würden wir Arsen zu uns nehmen, ginge es uns
wie den Männern in dem bekannten US-amerikanischen Spielfilm „ Arsen und Spitzenhäubchen“ : Wir würden, wie alle anderen Organismen auf der Erde, sehr schnell tot umfallen. Und
nun wurde ein Bakterium entdeckt, das Arsen in
die eigenen Eiweiße, sogar in das Erbgut einbauen kann, das durch Arsen sogar besser wächst.
Was bedeutet der Austausch von Lebenselementen?
HENTSCHEL-HUMEIDA: Dieses Bakterium unterscheidet sich von allen bislang bekannten Lebensformen. Die Sensation ist, dass es den Gesetzen des Lebens, so wie wir sie bisher kennen,
nicht folgt. Diese Entdeckung lässt die Interpretation zu, dass Leben außerhalb unseres biologischen Systems möglich sein kann. Nicht von
ungefähr wurde das Bakterium von Wissenschaftlern der amerikanischen Weltraumbehörde NASA gemacht.
Könnte das Bakterium außerirdischen Ursprungs
sein?
HENTSCHEL-HUMEIDA: Das Bakterium kann we-
der als Beweis für außerirdisches Leben hergenommen werden noch ist es selbst außerirdisch.
Arsen ist kein erdfremdes Element, es kommt
nicht nur in dem kalifornischen Mono Lake vor,
sondern liegt in niedrigen Mengen in der Erdkruste vor. Die Entdeckung zeigt aber, dass Lebensmöglichkeiten existieren, die nicht von den
bekannten sechs Lebenselementen abhängen.
Das gab es bislang nicht.
Baut dieses Bakterium Arsen auch ab?
HENTSCHEL-HUMEIDA: Abbauen heißt normalerweise, dass ein Bakterium ein Gift verstoffwechselt, also von einer hochgiftigen Form in
eine weniger giftige umsetzt. Arsen abbauende
Bakterien sind bereits bekannt. Das neue Bakterium baut kein Arsen ab. Das für uns Wissenschafter Interessante ist, dass das Arsen in die
Bausteine des eigenen Organismus eingebaut
wird, genauer, in die Nukleinsäuren, die Eiweiße
und die Fette.
Gab es vor der Entdeckung in Kalifornien bereits
Hinweise, dass es eine solche Lebensform auf der Erde geben könnte?
HENTSCHEL-HUMEIDA: Die Fantasie ist immer
rege, und Theorien gibt es so viele wie es Menschenköpfe gibt. Das nennt man ’Science Fiction’. Wenn ein Chemiker in die Periodentabelle
schaut und sieht, dass Arsen dem Phosphat ähnlich ist – sie stehen ja in der gleichen Hauptgruppe –, dann hält er einen Austausch dieser beiden
Lebenselemente sicher für möglich, ein Biologe
dagegen wohl eher für unmöglich. Das Bakte-
Ute Hentschel-Humeida
Die 1966 in Wolfsburg geborene Wissenschaftlerin hat
ihr Biologiestudium an der
Universität Hannover begonnen. Nach Abschluss der Promotion im Fach Meeresbiologie an der University of San
Diego in Kalifornien und einigen Jahren Postdoc-Aufenthalt
kehrte sie im Jahr 1998 nach Deutschland zurück.
Ute Hentschel-Humeida ist seit 2008 Professorin
an der Universität Würzburg. Ihre Forschungsaktivitäten widmen sich der Untersuchung von marinen Schwämmen und deren mikrobiellen Symbionten.
FOTO: PRIVAT
rium ist jetzt allerdings der Beweis, dass es Lebensformen geben kann, die nicht aus den sechs
Lebenselementen bestehen.
Und jetzt wird auf dem gesamten Erdball nach weiteren Super-Bakterien gesucht?
HENTSCHEL-HUMEIDA: Es gehört zu den Aufgaben der NASA, nach neuen Lebensformen zu suchen. Jetzt hat sie diese nicht im Weltraum, sondern auf der Erde gefunden. Das hat meist viel
mit Glück und Zufall zu tun, aber auch mit einer
Mischung aus Disziplin und Durchhaltevermögen.
Wurde GFAJ-1 durch Zufall gefunden?
HENTSCHEL-HUMEIDA: Da waren eher klassische
Methoden der Mikrobiologie ausschlaggebend.
Man hat in diesem Fall Sediment aus dem Mono
Lake genommen, gab dann Wasser und Arsen
dazu und schaute, ob etwas wächst. Das sind an
sich alte, klassische Experimente. Nach der Entdeckung im kalifornischen See wird man jetzt sicher in anderen arsenhaltigen Böden nach diesen Bakterien suchen. Es würde mich nicht
wundern, wenn ähnliche Mikroorganismen
auch woanders leben und wachsen. Es sind gerade die Mikroben, die uns immer wieder mit ihrer
unglaublichen Vielfalt erstaunen und immer
wieder neu überraschen.
Es wurden schon Rufe laut, die Lehrbücher für Chemie und Biologie müssten nun umgeschrieben
werden.
HENTSCHEL-HUMEIDA: Wohl kaum. Die Lehrbücher erhalten vielmehr eine höchst interessante
Ergänzung; es kommt eine neue, für uns bis dato
unbekannte Variante der Biologie hinzu. Das ist
hochspannend, auch im Hinblick auf die Biodiversität. In der Forschung werden immer wieder
Dogmen umgestoßen und neue Erkenntnis hinzugewonnen. Das entwertet jedoch nicht die
Lehrbücher.
Auch Kritik an der Entdeckung wird schon geäußert:
Die Experimente hätten es nicht geschafft, das Ganze frei von Phosphor zu machen, sagt ein Dresdner
Biochemiker. Die Entdeckung sei also lediglich eine
Fußnote, kein Meilenstein.
HENTSCHEL-HUMEIDA: Diese Entdeckung wird
sicher eine Reihe von Arbeiten nach sich ziehen,
um die Ergebnisse zu überprüfen. Wer kritisiert,
sollte bedenken, dass Arsen ein hoch toxisches
Gift ist. Und dass so ein Stoff überhaupt in einen
Organismus eingebaut werden kann, nicht nur
veratmet oder umgewandelt wird, daran war bis
jetzt nicht zu denken.
Leserforum
Ihre Briefe bitte an: E-Mail: leserbriefe@ mainpost.de; Fax: (0931) 6001-346, Postanschrift: Redaktion Leserbriefe, Berner Straße 2, 97084 Würzburg. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.
Nur sarkastisch
Zur Glosse „Benedetto ist besser als
Sarrazin“ (29.11.):
Ich protestiere gegen die Häme, die in
dieser Glosse über das Oberhaupt der
katholischen Kirche ausgegossen
wird. Darf man bei uns wirklich Gläubige in dieser Weise lächerlich machen? Man kann über Kondome natürlich denken, was man will. Aber ist
dieser Sarkasmus notwendig? Er ist
eine Beleidigung für alle Katholiken.
Ich empfinde die Aussagen Ihres Redaktionsmitglieds weder als witzig
noch intelligent, sondern nur als unangebracht sarkastisch.
Evamaria Valenta, 97072 Würzburg
Sehnsucht nach Frieden
Zum Konflikt zwischen Nord- und
Südkorea:
Adventszeit ist Friedenszeit. Und
doch: wie angegriffen ist nicht dieses
kleine Pflänzchen Frieden. Das gilt
in Korea, das gilt in unserem Land, es
gilt auf der ganzen Erde. Spüren wir
noch die Sehnsucht nach Frieden?
Wie groß war nicht unsere Vision.
Tücher schwenkend träumten wir
von einer besseren Welt. Das ist
schon einige Zeit her. Und nun, da
der Terror an unsere eigene Tür
klopft, da die koreanische Halbinsel
zum Pulverfass wird, haben wir da
noch etwas zu bieten außer her-
kömmlicher, sicherlich auch nicht
zu vernachlässigender Sicherheitspolitik? Können wir unseren Friedenswillen noch demonstrieren auf
eine Weise, dass er sich auch wirksam zeigt? Vielleicht können wir
nichts als beten. Und selber nach
einer gesunden Mischung aus Streitbarkeit und Friedenswille suchen.
Das wäre aber schon eine ganze
Menge. Oder lassen wir unsere Kinder doch nur noch mehr für unsere
internetvernetzten Kriegsspielchen
im Kinderzimmer trainieren?
Christoph Cesko, 97070 Würzburg
Maßanzug wäre besser
Zur Krise der Gemeinschaftswährung Euro:
Der Euro wird scheitern, weil die in
Notlage geratenen Euroländer nicht
in der Lage sind, ihre Währung abwerten zu können. Das wäre aber für
die Stabilität von Europa eine wichtige Voraussetzung. Europa kann erstarken, wenn jedes Land seine Souveränität und eigene Währung wiederbekommt. Die Zwangsjacke war
der Euro, der Maßanzug ist die Lösung (eigene Landeswährungen).
Diese Wahrheit sollten jetzt unsere
Politiker sagen!
S. Unger, 97631 Bad Königshofen
Nicht schwer zu erkennen
Zu „Wikileaks peinliche Enthüllungen“ (29.11.):
... als hätten wir nicht gewusst, dass
der Bayerische Ministerpräsident
Horst Seehofer „ unberechenbar“ ist.
Er hat gar nicht das Zeug für einen
glaubwürdigen Ministerpräsidenten.
... als würden wir nicht wissen, dass
Guido Westerwelle „ aggressiv poltert“ , wenig Substanz und eine überschäumende Persönlichkeit hat (dies
ist noch gelinde ausgedrückt!). Er hat
gar nicht das Zeug für einen glaubwürdigen Außenminister und kommt
nicht im Ansatz an die Persönlichkeit
eines Hans-Dietrich Genscher heran.
... als hätten wir nicht gewusst, dass
Angela Merkel „ selten kreativ“ ist und
gerne „ im Hintergrund bleibt, bis die
Kräfteverhältnisse klar sind“ . Sie sitzt
die Dinge aus und verwaltet, hat aber
nicht das Zeug zu einer innovativen
und gestalterischen Kanzlerin.
Selbst die amerikanische Diplomatie
hat dies erkannt. Dies zu erkennen
war allerdings nicht sehr schwer.
Peter Auffermann, 97070 Würzburg
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www.mainpost.de/leserbriefe
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