Museen ohne Inhalt

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Thema Museen ohne Inhalt
Bauwelt 37 | 2009
Braucht ein Museum überhaupt noch Exponate? Oder
reicht nicht auch ein spektakuläres Gebäude, um den
Tourismus anzukurbeln? Zwei chinesische Städte haben
Probleme, ihre neuen Prestigebauten zu füllen.
Und: Portugals Leuchtturmmuseum, eine stille Ikone.
Museen ohne Inhalt
Die beiden chinesischen Museen, die wir auf den folgenden Seiten vorstellen, sind symptomatisch für eine
internationale Entwicklung: Im Zuge des Museumsbooms entstehen immer mehr und immer größere Gebäude ohne
Ausstellungskonzept, ohne die entsprechende Sammlung für eine langfristige Bespielung, ohne Kuratoren.
Gedanken zur Konjunktur des Museums Wei Cai
Es gibt bei diesem Gebäude keinen Zusammenhang zwischen
Form und Funktion, so könnte man die Erläuterungen von
Wang Shu zu seinem Museumsbau in Ningbo (Seite 22) zusammenfassen. Wie soll der Architekt diesen auch herstellen,
wenn das Raumprogramm im Lauf des Planungsprozesses
immer wieder geändert wird und auch nach Fertigstellung des
Rohbaus noch kein Plan für die Ausstellung vorliegt? Ähnlich
vage Perspektiven hatte der Umbau der Fabrikhallen in Tangshan (Seite 28): Erst planten die Architekten einen Museumskomplex mit verschiedenen Ausstellungsmöglichkeiten,
heute wird das Ensemble nur als Leistungsschau des Stadtplanungsamtes genutzt.
Diese Beispiele sind keine Einzelfälle. In den vergangenen dreißig Jahren wurden weltweit mehr Museen eröffnet
als es bis dato überhaupt gab. Der Museumsbau ist zum Selbstzweck geworden, statt der Gemälde und Skulpturen bildet die
Architektur die Hauptattraktion und den entscheidenden
Marketingfaktor. Dass die Wirkung im Stadtbild wichtiger für
den Erfolg des Museums ist als die Qualität der Innenräume
und deren Bespielung, das hat das Guggenheim-Museum in
Bilbao bereits 1998 gezeigt. Neuere Bauten, wie jüngst das
„Museo de la Memoria de Andalucia“ (Heft 26.09), setzen auf
immer stärkere städtebauliche Dominanten – im Inneren sind
die Räume zum Teil gar nicht für Ausstellungen geeignet.
Auch China hat an dem Museumsboom teilgenommen.
Die seit 1978 propagierte Reform- und Öffnungspolitik führte
zu einem rasanten Wirtschaftswachstum und zu nachhaltigen sozialen Veränderungen. Die Urbanisierung der Volksrepublik bewirkte die Umstrukturierung der Städte, es wurde
viel gebaut, darunter auch zahlreiche Museen. 1978 gab es in
der Volksrepublik China nur 349 Museen, bis 2008 stieg diese
Zahl auf über 2300. Bis 2015 erwartet die Regierung mehr als
3000 Museen in China.
Bei diesen schnellen und zahlreichen Museumsprojekten
sind viele Probleme entstanden. Die Prestigebauten bezeugen
oft nur die Leistungen eines Beamten während seiner Dienstzeit. Jede große oder mittelgroße Stadt möchte wenigstens ein
neues Museum bauen. Wegen ihrer räumlichen Präsenz im
Stadtraum werden die Museen gerne als Teil eines übergreifenden Stadterneuerungskonzepts gesehen, in museologischer
Hinsicht macht man sich wenig Gedanken. Oft besitzen die
Bauherren gar keine entsprechenden Sammlungen, es fehlt
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das Personal, das die Ausstellungen kuratieren und einrichten
kann. Die Ausstellungsinhalte bestimmen Regierungsbeamte
oder Investoren aus völlig fachfremden Bereichen, die mit dieser Aufgabe überfordert sind. Da das Ausstellungsprogramm
der unwesentlichste Teil der ganzen Planung ist, wird es häufig geändert.
Derartige Änderungen bei der Planung führen dazu, dass
die Architekten die Räume nicht funktionsgemäß definieren
können. Sie tendieren zu monumentalen Baukörpern und
ebensolchen Räumlichkeiten. Das beeindruckt die Bauherren
und verbirgt zugleich den Mangel an Ausstellungsgegenständen. Im Ningbo Museum etwa wurden überdimensionierte Erschließungsräume errichtet, imposante Treppen und Durchgänge verbinden die Ausstellungsräume – deren Innenausstattung ist aber vollständig den Leuten überlassen worden,
die später die Ausstellungen machen. Für den Architekten
kann man sich den Planungsprozess der Gebäudestruktur
daher wie einen städtebaulichen Entwurf vorstellen. Weil er
keinen Einfluss auf die Ausstellungsräume hat, konzentriert
er sich auf das, was bleibt: die Infrastruktur. Im Planungsmuseum von Tangshan dagegen wurden Ausstellungsräume
zwar von den Architekten entworfen, aber anschließend
durch die Ausstellung völlig „zerstört“ mit OSB-Platten, Plasmabildschirmen und Inhalten, die keinen Bürger von Tangshan interessieren werden, schon gar nicht Touristen.
Das Planungsmuseum in Tangshan war von Anfang an
ein städtebauliches Projekt, die Nutzung Nebensache. Auch
von Altbausanierung und von der Wiederbelebung des verlassenen Industriegeländes war die Rede; in Wirklichkeit ist das
Ensemble nur eine unreflektierte Kopie erfolgreicher Konversionsprojekte in Peking. Da kein einziges Gebäude unter
Denkmalschutz steht, wählte man ein paar als geeignet befundene Gebäude aus und riss den Rest ab. Der verbleibende Bestand wurde dazu benutzt, eine nostalgische Atmosphäre zu
schaffen. Sie gibt dem Projekt den modischen Ton. Das wäre
auch angemessen für die ursprünglich vorgesehene Nutzung
als Museumskomplex und in den Park integriertes Vergnügungsviertel. Nach der Umnutzung durch das Stadtplanungsamt wirken die monumentalen Außenräume und die architektonische Sprache allerdings grundlos. Sie erinnern in ihrer
Verlassenheit an den Zustand des Altbaus vor der Sanierung.
Das Ningbo Museum beeindruckt seine Besucher vor
allem durch den markanten Baukörper, ein einsamer Berg in
der neu gebauten Wüste, mit teilweise unregelmäßigen Volumina und daraus entstandenen scharfen Kanten. Die äußere
Erscheinung ist definitiv interessanter als die Ausstellungsobjekte, die in dem Haus verborgen sind. Die Bautechnik ist
nicht nur ein Tribut an das traditionelle Bauen – wer in China
baut, wird dazu gezwungen, sich mit den Bedingungen vor Ort
auseinanderzusetzen. Kein chinesischer Architekt würde es
wagen, eine feine Sichtbetonoberfläche als Außenfassade vorzusehen, da die Ausführung nicht garantiert wäre. In Ningbo
mischt Wang Shu in seiner Fassade unterschiedliche Materialien, so dass ein rauer, fast abweisender Eindruck entsteht,
ähnlich wie bei einem Bunker. Um den archaischen Charakter
zu verstärken, setzt er zahlreiche kleine Fenster dazu. Da die
Räume hinter den Fenstern nicht von den Architekten entworfen sind, dienen die wild gesetzten Öffnungen vor allem
der Dekoration, genau so wie alle anderen Materialien der Fassade, die zwar einen massiven Eindruck erweckt, aber nur vorgesetzt ist. Die Architektur bleibt letztendlich ebenso beziehungslos wie ihr Inhalt.
Viel Platz und jede Menge
heiße Luft: Halle im boomenden Kunstquartier „798“
in Peking mit Yan Peimings
Großinstallation „Landschaft
in der Kindheit“.
Foto: Erik-Jan Ouwerkerk
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