Anekdoten und Geschichten über Friedrich Schiller

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ÜBERALL SCHILLERT'S
Anekdoten und Geschichten über
Friedrich Schiller
gesammelt, ausgewählt und nacherzählt von
Ernst Kaufmann
IMPRESSUM
ISBN 978-3-943 509-11-3
© 2013 BURGHÜGEL, Editionsverlag Rudolstadt
ein Imprint der PROARCERA Limited
Niederlassung Deutschland
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Simone Dittmar
Norbert Richter
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Alle Nachdrucke sowie Verwertung in Film, Funk und
Fernsehen und auf jeder Art von Bild-, Wort- und Tonträgern sind honorar- und genehmigungspflichtig.
Alle Rechte vorbehalten.
Auslieferung: BURGHÜGEL, Editionsverlag Rudolstadt
11,90 EUR
Widmung
Als ich im Mai 2005 nach zwei Schlaganfällen und einer
vollständigen linksseitigen Lähmung fast hilflos keine Perspektive mehr sah, da war es vor allem meine Gattin Ingrid
Kaufmann, die mir Mut zusprach und unser Leben neu
einrichtete. Ihr zuerst widme ich dieses Buch.
Der Ergotherapeutin Frances Ostendorf, Ihrem Wissen
und Können, vor allem Ihrer ständigen Motivation verdanke ich meine medizinischen Fortschritte. Auch ihr sei
herzlich gedankt.
Anlässlich des 10. Jubiläums der Ergotherapie Jena widme ich Ihrer Leiterin, der Ergotherapeutin Frances Ostendorf mein zwölftes Buch nach den Schlaganfällen, die
Anekdoten und Geschichten über Friedrich Schiller.
Ernst Kaufmann
Jena, im Juli 2013
Inhaltsverzeichnis
Schillerstadt Marburg
Friedrichs Kindheit
Frühe Neigungen
Immer auf Ausgleich bedacht
Spielkameraden und Freunde
In der Residenz Ludwigsburg
Die Carlsschule
Zögling der Carlsschule
Der Westenknopf
Das ging zu weit!
Das leidige Erscheinungsbild
Schon früh auf Drogen
Dichten bei Nacht
Unbekannt mit dem schönen Geschlecht
Erstes Treffen mit Goethe
Wissenschaftliche Ausbildung?
Der deutsche Sturm und Drang
„Punschlied“
Schiller als Regimentsarzt
Als Regimentsarzt eine Karikatur
Uraufführung der „Räuber“ in Mannheim
Die erste Rezension der „Räuber“
Das Echo der Uraufführung
Die zerschmetternde Nachricht
Geld schätzt Geist immer falsch
Die Flucht
Schillers Verhältnis zu Charlotte von Kalb
Erneute Flucht aus Mannheim
In Bauerbach bei Meiningen
Erwachende erotische Gefühle
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Schiller ist kein Schuldner in Bauerbach
Der Stolz von Bauerbach
Als Theaterdichter wieder in Mannheim
Luftschlösser bauen
Schiller wird Sachsen-Weimarischer Rat
Mannheimer Erinnerungen an Schiller
„Mädchen aus der Fremde“
Frauen um Schiller
Schillers Verhältnis zu Margarete Schwan
Die „Rheinische Thalia“
Moralische Einwände gegen Schiller
Freunde fürs Leben
Auf nach Leipzig
In Leipzig-Gohlis
Schiller in Dresden und Loschwitz
Wenn es schon mal pressiert
Zur Erholung nach Blasewitz
Das Schillerhäuschen in Loschwitz
Schillererinnerungen in Dresden
Auf nach Weimar
Der Loschwitzer Siegelring
Weimar als Stelldichein der Genies
Schiller erstmalig in Weimar
Bei Anna Amalia
Nun ist er in Weimar
Das enge Verhältnis zu Charlotte von Kalb
Goethes Gast
Mit Charlotte von Kalb in Jena
Die Jenaer Universität
Schillers Verhältnis zum Weimarer Hof
Wieder in Bauerbach
Bei Familie von Lengefeld
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Caroline von Beulwitz-Wolzogen, geb. von Lengefeld
Drei Monate im ländlichen Volkstedt
Gute Bedingungen zur Arbeit
Schwere Entscheidung in der Liebe
Erstes Zusammentreffen mit Goethe
Rudolstädter Erinnerungen an Schiller
Wieder kurz in Weimar
Schiller wird Professor in Jena
Einzug in die „Schrammei“
Schiller wird Professor
Das Abenteuer auf dem Katheder
„Was heißt und zu welchem Ende studiert man
Universalgeschichte?“
Das Gemälde von Erich Kuithan
Schiller als Historiker
Wie war er als Professor?
Der Kampf ums Geld
Schwiegermutter billigt Hochzeit
Trauung in Wenigenjena
Wie ihn seine Umgebung sah
Junges Glück
Schwere Krankheit
Ein großherziges Geschenk
Ehrenbürger der Französischen Republik
Die Krankheit zwingt zum Umzug
Das Jenaer Haus am Unteren Markt
Der Bund des Ernstes und der Liebe
Der Kuss der Muse
Im Griesbachschen Haus
„Der Spaziergang“ (Auszug)
Die Wende zur Dichtkunst
Schillers Gartenhaus an der Leutra
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Im eigenem Gartenhaus
Schiller baut Eigenes um
Wieder in Weimar
Erneute Umzugspläne
Angemessene Preise
Das neue Haus in Weimar
Groschen zusammenkratzen
Im neuen Haus
Auf nach Preußen!
Die letzte Fahrt nach Jena
Der Tod Schillers
Die Beerdigung Schillers
Das Erbe
Das Doppelstandbild in Weimar
Schiller mit zwei Schädeln ?
„(...) dass Schiller unser Kollege.“
1934: Friedrich-Schiller-Universität Jena
Letzte Reise von Jena nach Weimar
Wissenschaftlicher Streit um Schillers Gebeine
Die Schillerbüste vor der Jenaer Universität
Schillers Lebensdaten
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Quellen- und Bildverzeichnis
Autor
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Schillerstadt Marbach
So las ich es auf den großen braunen Hinweistafeln
neben der Autobahn A 81. Die Stadt am Neckar im
damaligen Herzogtum Württemberg hatte Glück, dass
unser liebenswerter Vertreter der Deutschen Klassik,
einer unserer besten deutschen Dichter, Philosophen
und Historiker seiner Zeit am 10. November 1759 in
ihren Mauern geboren wurde.
Sein Vater, der Militärarzt Johann Caspar Schiller, lag
im Herbst 1759 mit seinem Regiment bei Ludwigsburg
und wartete auf seinen nächsten Einsatz. Seine hochschwangere Ehefrau Elisabeth Dorothea, die bei ihren
Eltern als Wächterin des Niklastores im benachbarten
Marbach wohnte, besuchte ihren Mann und blieb bis
zum Abzug seines Regiments.
Vater Johann Caspar Schiller
(1723-1796).
Mutter Elisabeth Dorothea Schiller
(1732 - 1802).
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Schon setzten die Wehen ein, als sie sich auf den
Heimweg machte. So tat der später berühmteste Bürger Marbachs seinen ersten Schrei im unteren Vorderzimmer des einfachen Handwerkerhauses in der steilen
Niklastorstraße mit der Hausnummer 31. Bereits schon
am nächsten Tag wurde er auf den Namen Johann
Christoph Friedrich getauft.
In den folgenden vier Jahren lebte der häufig kranke Fritz mit seiner Mutter und der zwei Jahre älteren
Schwester Christophine unter ärmlichen Verhältnissen in dieser winzigen Stube des kleinen Hauses. Und
mag es noch so beengt zugegangen sein, Friedrich hatte
eine schöne Kindheit und verleugnete nie seine Heimat
durch seinen schwäbischen Dialekt.
Schillers Geburtshaus in Marbach. Stahlstich nach einer Zeichnung von
Ludwig von Gleichen-Rußwurm, 1859.
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Schillers Geburtshaus ist heute eine liebevoll gestaltete Gedenkstätte, in deren Untergeschoss aus den zwei
kleinen Zimmerchen, die die Familie Schiller von 1759
bis 1764 bewohnte, ein Raum mit Vitrinen, Büsten und
Bildern geschaffen wurde. Im ersten Stock läuft jetzt
ein 12minütiges Video „Schiller erzählt sein Leben“.
In den angrenzenden kleinen Zimmern kann man Exponate aus dem Alltag des Dichters und seiner Familie
bewundern.
Das ist bei weitem nicht alles, was in Marburg an
Friedrich Schiller erinnert. Seit 1903 dominiert das
große Gebäude des Schiller-National-Museums mit seinem weithin leuchtenden roten Ziegeldach die Schillerhöhe. Vor seinem Haupteingang wurde 1859, zu
Schillers 100. Geburtstag, der Grundstein für ein Schillerdenkmal gelegt. Das Jünglings-Standbild auf einem
Sandsteinsockel kam allerdings erst 1876 dazu.
Friedrichs Kindheit
Der Standortwechsel des Vaters bedingte auch den
häufigen Wohnortwechsel der Familie. 1764, als der
Vater als Werbeoffizier im Range eines Hauptmanns
nach Schwäbisch-Gmünd versetzt worden war, zog die
Familie in eine kleine Wohnung beim Schmied Molt
im nahe gelegenen Örtchen Lorch im Remstal. Der Ort
war eine altrömische Niederlassung, in seiner unmittelbaren Nähe erhob sich die Stammburg der Hohenstaufen und hier bekam Friedrich erstmalig engen Kontakt
zum Katholizismus.
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Seinen Vater störte nicht, dass die mit allen möglichen Tricks von ihm geworbenen und gepressten Männer ins Ausland verkauft wurden zum Dienst in den
überseeischen Kolonien und zur Finanzierung der verschwenderischen Hofhaltung des Herzogs. Aus dieser
Tätigkeit seines Vaters gewann Friedrich später den
authentischen Stoff für sein Drama „Luise Millerin“,
vom Schauspieler Iffland reisserisch umbenannt in
„Kabale und Liebe“.
Schillerhaus in Lorch (Württemberg), Aquarell von Wilhelm Pilgram um 1876.
So rücksichtslos der Vater die Befehle seines Herzogs
befolgte, so trat er als gläubiger Christ in seiner Familie auf und achtete streng auf Bildung und Erziehung
seines Sohnes. Bereits mit fünf Jahren musste Friedrich
die Lorcher Dorfschule besuchen und ein Jahr später
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schickte ihn der Vater
zum würdigen Pfarrer
Moser, um bei ihm Latein
zu lernen. Das muss ein
guter Pädagoge und ein
liebenswerter Mensch gewesen sein, denn Schiller
sprach sein Leben lang
ausgezeichnet Latein und
seinen alten Lehrer verewigte er im Schlussakt
der „Räuber“, als er den
furchtlosen Pfarrer nach
ihm benannte.
Pastor Philipp Ulrich Moser (17201792), Pfarrer von Lorch. Zeitgenössisches Ölbild.
Frühe Neigungen
In Lorch zeigte er erstmalig im Spiel seine Neigung,
einen geistlichen Beruf zu ergreifen. Angetan mit der
schwarzen Schürze seiner Schwester stand er auf einem
Stuhl, den er zur Kanzel erklärte, und predigte. In der
Regel waren es Bibelsprüche und Gesangbuchverse, aber
auch Strafpredigten, die auf die Köpfe der andächtig
Lauschenden hernieder gingen. Aber mit welcher Wortgewandtheit! Die Erwachsenen staunten immer wieder.
Nicht selten legte er auch einen Bibelspruch aus und dabei wunderten sich die Zuhörer, mit welcher Ehrlichkeit
das erfolgte, einer Ehrlichkeit, die ihn auch später im
Leben und seinem literarischen Werk auszeichneten.
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Immer auf Ausgleich bedacht
Friedrich Schiller musste einst von seinem alten Lehrer, dem „guten und lieben Pfarrer Moser“ streng gerügt
werden, da er sich ungebührlich benommen hatte.
Mit hochrotem Kopf ging der schwergekränkte Junge
aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Nach einer kleinen Weile öffnete sie sich wieder
und durch den Spalt schob sich behutsam ein blonder
Lockenschopf:
„Hascht au g’heert, dass i gar nit adjee g’sagt hab?“
Spielkameraden und Freunde
Aufgeweckt und gutherzig, munter, lustig unter seinen
Gespielen, hatte Friedrich auch seine träumerischen
und nachdenklichen Stunden. Er war beileibe kein Stubenhocker. Wenn das Wetter auch nur halbwegs das
Spielen in der Natur zuließ, tobte er mit Gleichaltrigen
draußen herum.
Meist war er ihr Anführer. Dabei unterschied er deutlich zwischen Spielkameraden und Freunden. Während
die Spielkameraden es als Gnade anzusehen hatten, mit
ihm spielen zu dürfen, suchte er sich aus ihrem Kreis
seine Freunde.
Das waren nur wenige, aber sie standen mit Friedrich
auf vertrautem Fuß und konnten sich fest auf ihn verlassen.
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In der Residenz Ludwigsburg
1766 wurde der Vater
nach Ludwigsburg versetzt, seit zwei Jahren die
Residenzstadt Württembergs. Der erneute Umzug der Familie brachte
den kleinen Fritz vom
Dorf in die Stadt, unter
den Einfluss des allmächtigen Herzogs Carl Eugen
von Württemberg mit
seiner Verschwendungssucht. Großen Eindruck
hinterließen bei Friedrich
die Umzüge, Feste und Herzog Carl Eugen von Württemberg
Militärparaden.
(1728-1793). Kupferstich von 1792.
All das sah der Siebenjährige mit dem kritischen
Auge eines Kindes. Doch die italienische Oper weckte
auch erstmalig sein großes Interesse für das Theater. Den
Offizieren war der freie Eintritt ins Schlosstheater gestattet und zur Belohnung seines schulischen Fleißes durfte
der junge Friedrich seinen Vater mitunter begleiten.
An dem geistlichen Berufe ließ ihn das Theater jedoch
nicht zweifeln, so wenig wie die strenge Orthodoxie, die
ihm auf der Lateinschule in Ludwigsburg eingebläut wurde. Er absolvierte diese Schule mit gutem Erfolg, als ein
Zögling, der vortreffliche Hoffnungen weckte und war
eben reif, in eine Klosterschule einzutreten, als der Herzog anderes für ihn bestimmte.
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Die Carlsschule
1770 gründete der Herzog Carl Eugen in der Solitude,
einem Lustschloss in der Nähe von Ludwigsburg, ein
„Militärwaisenhaus“, das er schnell zu einer „Militärpflanzschule“ und dann zu einer „Herzoglichen Militärakademie“ erweiterte, später sogar vom Kaiser mit den
Rechten einer Universität ausstatten ließ und „Hohe
Carlsschule“ taufte. Trotz ihres anfänglich militärischen
Namens sollte diese Anstalt nicht nur dem Herzog blind
ergebene Offiziere heranbilden, sondern auch Beamte
und Pfarrer. Der Dichter Schubart nannte sie treffend
eine „Sklavenplantage“.
Leben und Unterricht der
Zöglinge waren nicht nur
nach der strengsten militärischen Disziplin geregelt, die
Knaben wurden geradezu wie Gefangene gehalten. Sie
wurden im Sommer um fünf Uhr, im Winter eine Stunde
“Hohe Carlsschule“ Stuttgart.
Stahlstich nach einer Zeichnung von Karl Philipp Conz.
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später geweckt. Danach waren Morgengebet und Frühstück angesetzt. Von sieben bis elf Uhr Unterricht, anschließend eine Putz- und Flickstunde.
Und so schildert ein Bericht das Essen: „Jeder blieb
hinter seinem Stuhl stehen und machte auf Befehl Front
zur Tafel. Mit lautem Klatschen flogen alle Hände zum
Gebet zusammen, danach ergriff jedermann den Stuhl
und ließ sich mit so gleichzeitigem Geräusch darauf nieder, als wenn ein Bataillon die Gewehre abfeuert. Das
Kommando, mit dem Essen zu beginnen, erteilte der Herzog. Während der Mahlzeit wurde kein lautes Gespräch
geduldet.“
Nach dem Essen folgten Spaziergang und Exerzierübungen, bis um 14 Uhr erneut der Unterricht begann.
Um halb sieben gab es eine
Erholungsstunde vor dem
Abendessen, dem die Nachtruhe folgte.
Die Zöglinge bekamen nie einen Tag Ferien, durften keinen
unkontrollierten Briefwechsel
mit der Außenwelt führen, sogar ihre Eltern durften sie nur
in Anwesenheit von Aufsehern
sprechen. Unter den Schülern
wurde jeder kameradschaftliche Umgang erstickt. Sie Friedrich Schiller als Schüler der
Carlsschule. Scherenschnitt.
mussten sich gegenseitig ausspionieren und wurden nach
ihrer Herkunft in verschiedene, sich gegenseitig bekämpfende Gruppen eingeteilt. Hündische Kriecherei vor dem
Herzog war das oberste Prinzip der Anstalt.
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Zögling der Carlsschule
Unter den Opfern, die der Herzog gewaltsam dem
Schoß ihrer Familie entriss, befand sich auch der dreizehnjährige Friedrich Schiller. Am 16. Januar 1773 begann er seinen Dienst in der Carlsschule als Jurastudent
und erst acht Jahre später, gegen Ende des Jahres 1780
durfte er sie als 21jähriger Mediziner wieder verlassen.
Während dieser Zeit trug auch er als Paradeanzug einen stahlblauen Rock mit schwarzen Aufschlägen, eine
weiße Weste und Hose, Stulpenstiefel, Degen, einen
Dreispitz mit Borten und Federbusch.
Da der Herzog rote Haare nicht ausstehen konnte,
musste Friedrich sie pudern. Dazu trug er wie alle anderen Zöglinge einen langen künstlichen Zopf und an
der Schläfe zwei mit Gips verkleisterte Haarrollen, sogenannte Papilloten.
1775 wurde die Carlsschule nach Stuttgart in die betagte Reiterkaserne hinter dem Alten Schloss verlegt.
Neue Fakultäten eröffneten. Da gar zu viele junge Leute Jura studierten, befahl der Herzog Friedrich Schiller
zum Medizinstudium.
Damit verbesserte sich jedoch nicht sein Dasein.
Wohl sprach er der Carlsschule, als sie 1793 nach dem
Tod ihres Gründers aufgelöst wurde, das bedingte Verdienst zu, in Stuttgart Wissenschaft und Kunst gefördert zu haben. Gleichzeitig sprach er mit verächtlicher
Gleichgültigkeit in einem Brief vom „Tod des alten Herodes“. Niemals besaß er ein Gefühl der Dankbarkeit
für den Despoten, der über ihn „eine traurige düstere
Jugend“ und eine „wahnsinnige Methode der Erziehung“
verhängt hatte.
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Die Berichte seiner Mitschüler an den Herzog hoben
in großer Übereinstimmung seine Neigung zur Dichtkunst und namentlich zur tragischen Poesie hervor.
Dagegen gingen sie auseinander, indem die einen ihn
lebhaft und munter, die anderen ihn schüchtern und in
sich zurückgezogen nannten.
In diesen widersprüchlichen Urteilen widerspiegelte
sich der Zwiespalt in Schillers Wesen selbst.
Der Westenknopf
Übertrieben streng ging es in der Stuttgarter Carlsschule zu. So verlangte das Regime, dass werktags
vier Westenknöpfe geschlossen sein mussten, dagegen
sonntags nur drei.
Der Zögling Schiller trat an einem Sonntag mit vier
geschlossenen Knöpfen an und erhielt vom diensthabenden Lehrer sogleich eine strenge Rüge. Darauf der
junge Friedrich: „Da ischt mir wohl einer zu’sprunge!“
Das ging zu weit!
Bei einer Inspektion seiner Carlsschule forderte Herzog Carl Eugen den Zögling Friedrich Schiller auf, wissend von dessen schauspielerischen Talenten, ihn zu
kopieren.
Der Eleve kannte den hinterhältigen Charakter seines
despotischen Landesherren gut genug, um zunächst zu
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versuchen, sich dem Ansinnen zu entziehen. Als er aber
merkte, dass es dem Herzog durchaus ernst war mit
seiner Forderung, erbat er sich den Stock seiner Durchlaucht und auf diesen gestützt, begann er, den Herzog
in Haltung, Gebärde, Tonart und Sprechweise nachahmend, diesen selbst ins Verhör zu nehmen.
Seine Durchlaucht ging gnädigst auf den Spaß ein und
stand Rede und Antwort. Natürlich aber so, dass sein
„Examinator“ nicht mit ihm zufrieden sein konnte.
Ganz in der poltrigen Art seines Landesherren fuhr ihn
Schiller daraufhin an: „Potz tausend Sackerment, er ist
ein Esel!“ Nun bot er der Mätresse des Herzogs, Franziska von Hohenheim, den Arm und schickte sich an, mit
ihr davon zu spazieren.
Das aber ging dem Herzog zu weit und aus seiner
Kandidatenrolle fallend, rief er: „Hör er, die Franzl lass
er mir aber!“
Das leidige Erscheinungsbild
In die Festlegungen zur Ordnung und Sauberkeit fügte sich Schiller in den ersten Jahren der Carlsschule nur
sehr widerwillig. Seine Körperpflege entsprach, wie
die Aufseher rügten, nicht den strengen Vorgaben des
Institutes. Den Uniformzwang hasste er ebenso wie die
bei ihm vorgeschriebene Puderfrisur.
Sein Kommilitone und spätere württembergische General Scharffenstein erinnerte sich an Schillers laxen
Umgang mit den Kleidernormen und Reinlichkeitsvorschriften: „Er war für sein Alter lang, hatte Beine, durch-
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